toellaöe Dienstag, 21. Mai 1929
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Diskussion um den Tonfilm
Ein Ueberblick Von Lothar Holland Fast alle amerikanischen Filmsirmen hoben sich dem neuen Gebiet der Kinematographie, dem Tonfilm, zugewandt: nach heutigem Stand find über 2000 große amerikanische Lichtspielhäuser mit Borsührungsopporaturen für Tonfilme ausgerüstet. Tonfilm und Tonsilm ist aber durchaus nicht einerlei. Wir müssen bereits heute scharfe Unterscheidungen zwischen den einzelnen Arien ziehen. Es gibt unter ihnen Filme mit mechanischer Begleitmusik, indem diese einmalig aus ein Filmphonogramm oder auf eine Grammophonplatte aufgenommen worden ist und in den Kinos synchron(gleichzeitig) mit dem Filmbild abgespielt wird, so daß auf diese Weise das Orchester überflüssig wird und auch das kleinste Kino die Musik eines großen Orchesters dem Publikum bieten kann. In den eigentlichen TonfUmsn find aber die notür- lichen Tön« der Musik oder Sprache aus der jeweiligen Spielszen« des Bildes mit aufgenommen worden. Da aber auch im Tonfilm von dem Gespräch zweier Menschen vor einer wilden Meeres- brandung oder im Trubel einer Großstadtstraß« wenig zu hören wäre, ergab sich hier in der Praxis«ine naturnotwendige Unter- scheidung dahingehend, daß man entweder nur die Ge- rausche der Szenerie oder nur die Dialoge der Schau- spieler im Tonfilm hörbar werden läßt. Man stellt also entweder „Geräuschfilme" oder„Dialogsiline" her, wobei natürlich in beiden Arten Geräusche und Sprache nebeneinander vorkommen können, sofern sie sich nicht gegenseitig stören. An erster Stelle sind die Filmateliers für die Tonfilm- aufnahmen umgestaltet worden. Denn von dem Augenblick an. wo das Geräusch oder die Sprache in der gefilmten Spielszen« mit als Wirkungsträger in das entstehend« Kunstwerk aufgenommen werden, müssen all« nicht zugehörigen Nebengeräusche von dem die Töne aufnehmenden Mikrophon ferngehalten wer. den. Man baut also die neuen Tonfilmateliers mit schalldichten Mauern: die Ateliers sind innen zumeist mit Teppichen belegt und an den Wänden mit Tüchern behangen, die die Schallwirtungen dämpfen sollen-, mit dem bekannten summenden Geräusch ob- brennende Bogenlampen können zur Beleuchtung mir hinter dichten Glasfenstern verwendet werden, man benutzt deshalb fast aus- , schließlich Glühlompenbeleuchtung: und letzten Endes ist die Kamera selbst in einem schallsicheren cholzhaus ausgestellt, von dem aus der Kameramann mit der Außenwelt durch ein Telephon verbunden ist— denn auch das Surren der Kamera würde störend zu hören sein. Das Mikrophon selbst, das die Gespräche oder Töne auf- nimmt, hängt über der Szene, fo daß es im Bild nicht mehr sicht- bar ist. Der neben dem Spielfeld stehende Regisseur kann sein« Anordnungen natürlich nur durch Zeichensprache geben. Aber nicht nur an den Aufnahmebetrieb selbst, sondern auch an die Darsteller werden neue Anforderungen gestellt. Sie sollen setzt nicht nur mimen, sondern auch dramatisch sprechen oder gar singen können. Gute Sänger und Sprecher sind ober oft nicht besonders vorteilhaft« Mimen. Dieses Dilemma kann man dadurch umgehen, daß man eben einen guten Schauspieler nur mimen und danach einen Sänger oder Sprecher singen oder sprechen läßt und das Filmbild der ersten Person mit dem Sprechphonogramm der zweiten nachträglich kombiniert. Diese Manier bekommt eine be- sonder« Bedeutung in einem sehr heiklen Punkt des ganzen Ton- filmproblems: der stumme Film war international, weil die Bilder international lesbar sind, aber ein in englischer Sprache aufgenommener D i a l o g f i l in wird in den nicht-engli- scheu Ländern der Erde nicht verstanden werden— der Tonfilm bat also an Jnternalionalität eingebüßt. Um dies zu umgehen. steht man in der amerikanischen Tonfilmindustrie dem Plan nahe, sich einen Stab von Sprechern in den verschiedenen Landessprachen heranzuziehen, mit chilfe deren man die Filme nachträglich in den einzelnen Landessprachen synchronisiert. Das ist natürlick» ein sehr ichroacher Notbehelf, da die Wort« des Darstellers im Bild andere sind als diejenigen, die der Sprecher nachträglich auf das Phonogramm gebracht hat. Auch bedenke man eines— woran man meines Erachtens noch nicht gedacht hat: es müßte doch seltsam anzuhören sein, wenn die amerikanischen See- räuber in natürlicher amerikanischer Szenerie ein fliehendes Hoch- deutsch sprächen oder Fairbancs uns plötzlich im Berliner Dialekt anreden wurde... Di« Wirklichkeitsillusion des Film- bilde» würde zweifellos stark beeinträchtigt werden. Wie man es sich vorstellen kann, ist die Herstellung eines Ton- films nicht billig. Andererseits ergibt es sich von selbst, daß ein allzugroßer Aufwand an Statisten und Komparsen unnötig geworden ist, da der Schwerpunkt der Wirkung nunmehr auf der Sprache einer beschränkten Anzahl von Darstellern liegt. Es hat sich somit mit dem Anwachsen der Tonsilmproduktion im Film- paradies Hollywood die Lag« der vom Publikum so beneideten Filmkomparsen gegenüber früher noch bedeutend ver. schlechtert. Wie das dortige offizielle Filmbesetzungsbureau, das „Central Casting Office", mitteilt, ist die Zahl der vermittelten Komparsencngagements von 1047 im Januar 1027 auf 7ö6 im Januar 1028 und 687 im ersten Monat d. I. zurückgegangen. Arn härtesten sind von den Tonfilmen natürlich die Kino- musiker betroffen worden: denn ihr« Kunst und Wirkung ist nunmehr in den meisten Fällen überflüssig geworden. Wie vor einem Jahr die erste Tonfilmflut in die amerikanischen Kinos ein- drang und die Theatcrbesitzer glaubten, nunmehr von den Gehalts- Zahlungen an die Musiker befreit zu sein, kam es zu harten Kämpfen zwischen beiden Parteien, wobei, wie in Chicago , die bratlosen Musiker sogar an das Publikum appellierten: Der Existenzkampf der Musiker ebbte nur langsam ab. Zum Teil sahen es die Kinobesitzer«in. daß sie die Orchester nicht entbehren konnten, da sie sie ja Insbesondere zur Begleitung der vühnenschauen brauchten, die im amerikanischen Kinoprogramm«inen breiten Raum einnehmen. Mit dem Heldenmut eines ein gutes Geschäft witternd«« Kauf- manncs hat sich die Filmindustrie auf die Tonfilmproduktion ge- stürzt. Es gibt gegenwärtig insgesamt über SO Tonsilm« verfahren, die sich ungefähr in die drei Hauptgruppen: Ton- ausnahm« aus Grammophonplatten, auf Filmbänder und auf andere Phonogrammträger wie z. B. Stahlband, teilen. Die ersten beiden Lersahren dominier«»-Ugenbli-Nich. Die deutschen Tonsilm« mit
Grammophonplatten-Phonograimn sind der„Lignose Hörsilm" und der„Meßter-Filmton": ein Phonogramm aus Film verwenden der „Triergon-Tonfilm", das„Filmophon" und der, Mangfilm": im Verfahren von Dr. Kurt Stille, das erst in letzter Zeit viel von sich reden machte, wird das Phonogramm in ein Stahlband einmagnetisiert. Damit nun der Theaterbesitzer nicht allein an die Filme eines einzigen der zahllosen Systeme gebunden ist, haben sich die Haupt- sächlichsten Tonfilmfirmen der Welt zusammengeschlossen und die Tonfilm wiedergabeapparaturen in gewisser Weis« einander angeglichen, so daß mit ein und derselben Bor - führungsmaschine Filme verschiedener Systeme vorgeführt werden können. Eine weitere Erleichterung verschaffte eine amerikanische Tonfilmjirma den Kinobesitzern dadurch, daß sie ihnen zu ihren Tonfilmen die nötige Vorsührungsapparatur mit den Programmsn oerleiht. So daß diese der hohen Anschaffungskosten von mehreren tausend Dollar für den Tonsilmprojektor entbunden sind. Der Tonfilm ist heute die Sensation des Tages, und die amerikanischen Filmproduzenten gefallen sich darin, dem stummen Film das Ende zu prophezeien. In wieweit dies Tatsache werden sollte, ist nicht vorauszusagen. Die Fox-Filmgesellschast hat jeden- falls auch ihren letzten stummen Film dieser Produktionssaison noch mitten während der Aufnahmen in einen Tonfilm mit Sprechszenen umgewandelt. Und von den annähernd tausend Filmen der amerikanischen Gesamtproduktion 1929— 1930 werden nur 43 als wirklich stumme Filme herauskommen, 360 sind stumm« Ausgaben von Tonfilmen, bei denen man einfach die Tonpartien fortläßt, und der Rest ist Schall und Dialog.
Musik und Tonfilm Von Robert Beyer Der Prozeß, der darauf hinzielt, die Maschine vollkommen in ihrer Arbeitsleistung zu machen, wird wohl kaum aufzuhalten sein. Etappe auf diesem Weg ist die Erfindung des tönenden Filmstreifens und der Synchronisierung. Anschließend wird die Technik bald den farbigen und plastischen Film in einer brauchbaren Form auf den Markt bringen. Wesentlich ist die Frage, inwieweit hiermit der Kunst und ihrer Entwicklung gedient ist. Denn je vollkommener die Maschine arbeitet, desto vollständiger und echter reproduziert und vermittelt sie die Natur wie die Leistungen bisheriger Kunst. Die Tätigkeit der Phantasie wird auf ein Minimum herabgesetzt, und mit Kunst hat die absolut erreichte Darstellung der Realität nur wenig zu tun. Will man nicht Langeweile und Geistlosigkeit pro- pagieren, so muß man sich von dem Begriff der Nachahmung wie von den ästhetischen Vorstellungen bisheriger Kunst, die wesent- lich durch die handwerkliche Produktionsmcthode mitbestimmt werden, grundsätzlich trennen. Die Wendung von der Reproduktion zu einer geistigen Aktivierung der durch die Maschine gegebenen neuen Formmöglichkeiten bezeichnete den Beginn des so- genannten stummen Films und ssiner künstlerischen Mission. Die Situation ist heute insofern neu, als die gleiche Forderung nunmehr auch für die Gestaltung des Akustischen Gültigkeit erhält. Der Klang, bisher belebendes Beiwerk ohne tiefer in die Sphäre des Bildes einzudringen, geformt und ausgeführt mit den Möglichkeilen und Mitteln der bisherigen Musik, wird von der Technik in neuen Formen zur Erscheinung gebracht. Man kann dem Gedanken folgenden Ausdruck geben: der Tonfilm war von jeher da, jedoch nur unzulänglich. Heute technisch vollkommen, steht er vor einem neuen Anfang. Das Akustische, das eine Dimension des Bildes und neben dem Optischen ein wesentlicher Bestand- teil der Komposition geworden ist, verlangt eine neue, gleich- sam filmische Behandlung und Gestaltung, soll die Einheit von Ton und Bild geistig garantiert sein. Die Maschine gibt rein die Vor- bedingungen hierfür ab. Das neue Klangideal, dessen Los- lösung von dem bisherigen Begriff Musik voll- ko m m en sein wird, läßt sich aus den neuen Möglichkeiten, der empirischen Tatsache keineswegs herausentwickeln, ist vielmehr intuitive Schau in hohem Maße. Immerhin kann man heut« mit 100 Prozent Sicherheit aus den Raumton, ein Verfahren, das uns den Klang als ein objektiv gegenüberstehendes von unserer Wirklichkeit abgetrenntes Bild erleben läßt, und auf seine tonale Bedeutung für die in ihren beiden Elementen orgamsche Tonbild- komposition hinweisen. Gegenüber dieser angedeuteten Perspektive in die Zukunft stellt sich die Tonfilmsituation augenblicklich anders da. Man ist dazu übergegangen, den T o n auf die übliche Gattung des Spielfilms zu übertragen. Was dem Geistigen schon lange nicht verborgen war, wird nun vor aller vesfentlichkeit demonstriert. Der Film entpuppt sich trotz aller technischen Verfeinerungen, der lebendigeren Inszenierung als reproduzierte» Theater, linear er- weitert und umkomponiert auf die technisch« Realität hin Der Ton, in dieser Form angewandt, muh konsequenterweise die Illusion des Naturechten. Vervollständigten, muß den Film zu dem ergänzen, was er feiner Herkunft nach immer war. Umgekehrt müssen die zufälligen Proportionen der bisherigen Musik, der Sprache, deren Maße aus natürlichen Bedingungen gewachsen sind, die Zu- sammensossung der sichtbaren Elemente zu einem neuen bildlichen Räume, zu einer neuen filmischen Zeit, zu erner in sich geschlossenen wirklichkeitsfernen Welt hemmen. Wir hören klingende Phänomene, doch nicht verborgene Musik in neuer Gestalt, innerlich verbunden mit der stummen Musik der reinen sichtbaren Kampa- sition. Die im Bild wie im Ton durch die Technik gegebenen neuen Möglichkeiten und Maße hatten eine« n t- sprechende Veränderung der künstlerischen Problem- stellung nicht zur Folge. Es bedeutet einen Fortschritt, wenn man einsieht, daß der Film in seiner jetzigen Gestall, sei es in stummer oder tönender Version, keine Zukunft hat. Denn, ob stumm oder tönend, ob er sprechen, singen oder lärmen soll, ist nur eine Frage der Besetzung, bestimmt sich rein aus dem Ausdrucksbedürfnis Sie ist von untergeordneter Bedeutung gegenüber der zentralen künstlerischen Einstellung, die hier wie dort sich gleicherweise manifestiert. Die vorläufige Mission des Tonfilms ist, den Film als Misch- gebllde zu enthüllen. Wir stehen noch in der Epoche der a u t o- matischen Ausnutzung bisheriger Kunst. Si« zu über- winden, ist ein geistiger Fortschritt. Di« vollkommeoe Maschine steht
dem keineswegs entgegen, macht nicht nur die einzelnen Elemente der Komposition, wie Ton und Farbe, befähigt für die neue Ge» staltung, sondern zwingt weit eindringlicher, die Lösung des Pro- blems in Angriff zu nehmen, fordert die Ankunft des reinen Films. Es dürste schwer sein, schon heut« eine positive Formulierung des Filmischen eindeutig zu geben. Es ist bezeichnend für unseren Stand zwischen den Zesten, für den Vorsprung der Tatsachen vor den Ideen, daß wir nur negativ das Wesen des Films begreifen können eben als Abstand zu dem Bisherigen. Soviel ist gewiß, daß das von den Fachleuten dem Tonfilm angehängte Märchen von der so- genannten organischen Entwicklung über die bloße Reproduktion von Theater usw. hinaus, ähnlich der Entwicklung des stummen Films, lediglich ein Deckmantel ist, die Ideenlosigkeit zu verbergen.
Drohende Gefahren Von Felix Scherret Es ist sonderbar, daß seit den ersten Tagen des Films die Sohnsucht bestand, dem Augenerlebnis akustisch« Element« anzu- hängen. Bielleicht erinnert man sich an das Singbild aus der frühesten Kindheit des Films. Aus der Leinwand, die damals noch unleidlich flimmert«, erschien ein kostümierter'Herr, der virtuos« Mundequilibristik betrieb, während ein Grammophon das Torero- lied oder die trügerischen Weiberherzen quäkte. Ein Zufall, wenn die Mundstellung des verfilmten Sängers mit den Ouetschtönen des Grammophons harmonierte. Und ein paar Jahre später wurde die F i l m o p e r resp. Film- operette erfunden. Eine Opernausführung, die mit erlauchten Sängernamen prunkte, erschien auf der Leinwand, und dahinter standen weniger Stimmbegabt«, die die Tön« zu dem offenen Mund des Sängers fabrizierten. Ein kleines Orchester, etwa aus fünf bis zohn Mann bestehend, zelebrierte zum„Lohengrin".„Freischütz" oder.Caoalleria rusticana" die notwendig« orchestral« Begleitung. Jetzt aber ist der richtige Tonfilm auf der Bildfläch« er- schien««. Man kann alles filmisch und akustisch ausnehmen. Was Deutschland bisher auf dem Gebiet des Tonfilms erreicht hat, ist außer Ruttmanns„Melodie der Welt" absolut unzureichend. Möglich, daß die boshafterweise boykottierten Amerikaner weiter sind, eins darf man jedoch nicht vergessen, in der Zeit, die zwischen der Filmoper und dem Tonsilm liegt, fand der Film sein« künstlerisch« Ausdrucksform, seinen spezifischen Darftellungs- stil, und diese Errungenschaft schwebt in der Gefahr, durch den Tonfilm zerstört zu werden, der einfach in die Welt gesetzt wird, ohne daß die Produzenten irgendwelche Richtlinien bisher ge- funden haben. Wenn Herr Dessoir einen Vortrag über Philosophie im Ton» film hält oder Herr Hansen das erschütternde Lied von der Dolly aus Hollywood singt, so bleibt der Vorgang, abgesehen von den verlorengegangenen S-Lauten, unproblematisch. Auch wenn Ruit- mann Tänze der Somali-Neger und der siamesischen Dosa-Devaz durch den originalen Gesang begleiten läßt oder durch das Ge- räusch der Trommeln, wird das Problem des Tonfilms kaum be- rührt. Dies tritt erst in die Erscheinung beim Spielfilm. Der Film hat seinen künstlerischen Stil durch drei wichtige Fak- toren gesunden: er ist farblos, zweidimensional, d. h. flächig, und stumm. Dos letzte Moment erscheint durch den Tonsilm proble- matisch geworden zu sein und spielt gerade bei der filmischen Stil- bildung die Hauptrolle. Jede T c x t e i»s ch o l t u n g ist ein Zeichen dafür, daß Regisseur und Manuskriptverfasser mit dem Stoff nicht fertig geworden sind, ihn nicht restlos ins Filmische übertragen haben, oder daß Themen behandelt wurden, die für den Film un- geeignet sind. Man muß also Situationen wählen, die ohne Hilfe des Worts ollein durch Geste, Haltung und mimischen Ausdruck ausgedeutet werden können. Bei einem geschickt insze- neerten Film vermißt der Zuschauer überhaupt nicht das Wort, denn die Situationen sind derart gestellt, daß sich jedes Wort erübrigt. Di« Handlung ist so komprimiert und auf das Visuell« gestellt, daß irgendein Wort nur den Ablauf hemmt. Dies bleibt der Weg, den der stumme Film auch weiterhin schreiten muh. Das störende Moment der Texteinlage ist ebenfalls seit langem erkannt worden, denn man bemüht sich, die Schrift ins bewegt Optisch« aufzulösen, man läßt sie aus der Leinwand hervorstoßen, belastet si« mit dramatischen Gefühlselemcnten, ein glücklicher Vorgang. den Fritz Lang im„Dr. Mabuse" in den Darstellungsbereich des Films einbezog. Nur in der Handlung offenbaren sich die Ideen und Empfin- düngen der handelnden Menschen. Der' stumme Film ist also ein durchaus motorisches Kunstwerk. Der Tonfilm dagegen bringt das B e r w e I l« n auf Situationen, die durch das Wort ent- scheidende Bedeutung erlangen, er nähert sich wieder dem statio- nören Dühnendrama. Wie die Neuersindung mit den beiden an- deren Grundelementen filmischer Kunst: nämlich mit der Flächig- keit und mit dem Fehlen der Farbe fertig wird, ist ein« ander« Frag«. Die Bühne in ihrer konkreten Gestalt kann kaum zum Vor- bild werden, doch dos steht hier nicht zur Diskussion. Das ist«in Problem, mit dem der Tonfilm allein fertig werden muß. Hier geht es um andere Dinge. Man teilt au» Hollywood mit, daß Tonfilme gleichzeitig auch als stumme Film« durch geringe Acnderungen und Schnitte Verwendung finden und darin liegt die Gefahr für den Film über- Haupt. Es erscheint als selbstverständlich, wenn die amerikanisch« Industrie zu diesem Ausweg ihre Zukunft nimmt, da man nach nicht weiß, wie lange die Tonfilmmrde ihre Konjunktur erlebt und da man Absatzgebiete, die die englisch « Sprache nicht kennen, un- gern verlieren möchte. Sieht man«inen Film wie„Im Rampen- licht", der ursprünglich ein Tonfilm mar, erkennt man die Ge- fahren, die auf den Film lauern. Hier liegt beispielsweise die Pointe darin, daß eine Amerikanerin' als Russin signiert wird und unentwegt einen merkwürdigen Jargon spricht. Der Film besteht zur Hälft« aus T«xteinlagen, die nicht nur ein Notbehelf sind, son- dem tatsächlich allein die witzig« Seite betreuen. Was im Lauf« der Zeit mühsam erkämpft wurde, ist plötzlich auf«inen Hieb ze» stört worden. Dielleicht wind der Tonfilm einmal seinen eigenen Stil«nt- wickeln. Vorläufig bedeutet er für den Film eine drohende Schädi- gung. Ein« Berquickung beider Kunstformen ist unmöglich, da si« von grundverschiedenen Voraussetzungen ausgehen, und frühzeitiger Jubel ist oft gefährlicher als die schöpfst« Skepsis.