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BERLIN Montag 27. Mai 1929

Der Abend

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Nr. 242

B 120 46. Jahrgang.

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Heerschau der Partei.

Gruß der Magdeburger Arbeiter.- Feierliche Eröffnung.

V. Sch. Magdeburg, 27. Mai. ( Eigenbericht.)

Rönnte man wenigstens einen Teil der unvergeßlichen Ein brücke von dem Auftakt des Magdeburger Parteitages jenen ver­mitteln, denen es nicht vergönnt war, ihn unmittelbar zu erleben! Jene erhebende Heerschau des Sozialismus, die der Er­öffnung des sozialdemokratischen Parteitags in der größten Stadt Mitteldeutschlands voranging, fönnte nur durch den noch nicht erfundenen farbigen Tonfilm einigermaßen denen vermittelt werden, die sie nicht selber erlebt haben.

Denn es waren Farben und Musit, die den in Reih und Glied aufmarschierenden Zügen von weit mehr als 50 000 Sozialisten das besonders lebendige, frohe, ergreifende Gepräge verliehen. In der glühenden Nachmittagssonne dieses hochsommerlichen Festtages nahten die Züge in endloser Schlange über die Elbbrücke, an die prachtvolle neue Stadthalle heran und zogen vor der Terraffe vor­über, auf der die Mitglieder des Parteivorstandes und des Partei­ausschusses Plaz genommen hatten und die die Grüße der Massen mit Tücherschwenken und Binken erwiderten: stundenlang, schier ohne Ende. Rot und Schwarzrotgold, die Farben des internationalen Sozialismus und der deutschen Republit, schwebten über den Häuptern der Massen.

Die Menge selbst bot ein farbenprächtiges Bild. Zunächst mar­schierten die Parteitagsdelegierten, sodann alle übrigen, voran die Gozialistische Arbeiterjugend, fast einheitlich gekleidet in ihren blauen Ritteln mit roten Abzeichen. Besonders lebhaft begrüßt wurde die stattliche Schar der Berliner Arbeiter jugend, dann folgte das Reichsbanner in feiner Uniform, die Arbeiterturner und sportier beider Geschlechter in ihren weißen oder roten Trikots, dann die unendlichen Scharen der Parteigenossen und genoffinnen aus Magdeburg und dem ganzen mitteldeutschen Industriegebiet. Dazwischen immer wieder die roten, gologestickten Fahnen, die Musikkapellen. Die Lieder und Märsche des Sozialismus und der Republik sowie die Hochrufe, das fröhliche Lachen der Frauen und Kinder und Männer: das war ein Auf­marsch und die Heerschau eines Teils des sozialistischen Proletariats anläßlich des sozialdemokratischen Parteitages zu Magdeburg !

Kundgebung vor der Stadthalle.

MOO

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Das Banner

der Partei.

Der Parteivorstand an der Spitze des Zuges.

Wahltag in Belgien .

Bürgermehrheit bleibt.- Eupen- Malmedy fordert Bolksabstimmung.

Brüffel, 27. mai.( Eigenbericht.)

Bisher liegen nur Teilergebnisse vor, aber in großen Umrissen fteht das Wahlbild bereits ziemlich feft. Jm ganzen find, wie vor­auszusehen war, starte Berschiebungen nicht eingetreten. Hervor­stechend ist das ft arte Anwachsender flämischen Front­parteien, die in allen flämischen Gebieten große Erfolge auf Kosten der katholischen Regierungspartei zu verzeichnen hatten. Die Zahl der flämisch- aktivistischen Abgeordneten dürfte sich von sechs auf zehn oder elf erhöhen. Dagegen haben die Katholiken im wallonischen Sprachgebiet Fortschritte zu verzeichnen, so daß sich ihr Gesamtverlust auf drei oder vier Mandate reduzieren dürfte. Die Sozialisten haben in zahlreichen Wahlkreisen einen geringen Stimmen verlust zu verzeichnen. Die Einheitsfront der Bürgerlichen hat also einen Teilerfolg davongetragen und verhindert, daß die Sozialdemokratische Partei ihren außerordentlich starken Gewinn der vorigen Wahl behauptet. Der Berlust der Soziademo­tratie dürfte im ganzen vielleicht drei oder vier Mandate betragen. Trotzdem dürfte die Sozialdemokratische Partei die stärkste Frattion werden, oder mindestens, wie bisher, gleich start wie die Katholiken. Die Liberalen, die bei der vorigen Wahl einen niederschmetternden Berlust erlitten hatten, haben sich erholen können. Sie dürften im ganzen fünf Mandate gewinnen.

Zu Zehntausenden harrten in der brütenden Hize die Menschen, seit der frühen Morgenstunde auf den Beinen, alt und jung, auf dem Ehrenhof der Stadthalle, bis alle Züge eingetroffen waren. Wahrlich kein geringes Opfer, besonders für die Alten, aber ein neuer Beweis der proletarischen Disziplin und der Liebe zur Partei. Erst um sechs Uhr war es so weit. Um diese Zeit sollte in der Stadthalle selbst die festliche Eröff nungssigung beginnen. Aber die Magdeburger Organisation wollte die Genossen, die diesen bewundernswerten Opfermut gezeigt hatten, um ihre Stärke und Disziplin dem Freund mie dem Feind zu befunden, nicht umsonst vereinigt haben. Unter freiem Himmel fand für die Zehntausende eine internationale Rundgebung statt, bei der nach einem Sprecher der Arbeiterjugend und nach Begrüßungs­worten des Parteisetretärs, Reichstagsabgeordneten Ferl, zunächst der deutsche Reichstanzler Hermann Müller unter dem leb­haften Beifall der Menge sprach. Noch größer freilich war der Jubel, der den preußischen Ministerpräsidenten Genoffen Otto Braun empfing, als er bei seinem Erscheinen am Podium den schwarzen Rod ablegte und in Hemdsärmeln sprach. Die Heiterkeit steigerte sich, als er sein Erscheinen damit begründete, daß der Rechts: preffe zufolge heute die Parteisekretäre in Deutschland zu befehlen 5000 Menschen faßt, der eigentliche Parteitag seinen Anfang mit hätten: Genosse Ferl, der Parteisekretär von Magdeburg , hat ihn fünstlerischen Darbietungen, insbesondere Arbeiterchören, genommen. zum Reden kommandiert, und er, als fleiner preußischer Beamter, Wittma ad, Magdeburgs Parteivorsitzender, Beims, Magde­hätte ihm gehorcht. Die lebhafte Zustimmung, die sowohl Müller burgs sozialdemokratischer Oberbürgermeister. heißen die Delegierten burgs sozialdemokratischer Oberbürgermeister. heißen die Delegierten wie Braun spontan unterbrach, als sie die Pflicht der Sozial- herzlich willkommen. Und nun ergreift, lebhaft begrüßt, der Partei­demokratie begründeten, die Regierungsverantwortung zu tragen, vorsitzende Otto Wels das Wort, um die politische Begrüßungs­zeigte, daß nicht nur die Delegiertenversammlung im Saale, sondern gerade die Massen der Arbeiter selber die Notwendigkeiten und Auf­gaben der Sozialdemokratie in der demokratischen Republik flar erfaßt haben.

der

Nach Gellert, der die Solidarität der Arbeitersportbewegung mit der Sozialdemokratischen Partei gelobte, nach Jokl von Sudetendeutschen - Partei und Andersen für Dänemark , die die Grüße der Arbeiter ihrer Länder überbrachten, hielt Löbe in seiner wie immer die Herzen im Sturm erobernden Art eine zündende Ane sprache, in der er die Bedeutung und den Sinn dieser Demonstration betonte und besonders der Jugend gedachte, der die Zukunft unserer Bewegung gehört.

Die Eröffnungssitzung.

Inzwischen hatte im Innern der Stadthalle, in diesem gewaltigen Meisterwert moderner architektonischer Kunst, das mehr als

rede zu halten, die zugleich die gegenwärtige Situation beleuchten rede zu halten, die zugleich die gegenwärtige Situation beleuchten und die Aufgaben des Magdeburger Parteitages in großen Zügen fennzeichnen soll. Die martige Stimme dringt durch den Riesen taum, ganz mühelos, eine volle Stunde lang. Die flare, logisch aufgebaute, aufrüttelnde Rede fesselt die Hörer von der ersten bis zur letzten Sekunde trog der drückenden Schwüle dieses Spätnach mittags, die sich in, dem überfüllten Raum allmählich ausbreitet. Wels' Erscheinung ist schon seit Jahren zu einem Sinnbild der Kraft

Topesopfer des Sonntags

In Eupen Malmedy hat die neue Christliche Bolkspartei", deren einziger Programmpunkt eine ehr­liche Boltsabstimmung über die Zugehörigkeit der abge­trennten Gebiete, ist, auf sich weit mehr Stimmen ver­einigt, als alle anderen Parteien zusammen. Fügt man noch die Stimmen des Sozialdemokraten Somerhausen hinzu, dessen Wiederwahl gesichert ist, so be­deutet die gestrige Wahl in Eupen- Malmedy fchon eine wahre Boltsabstimmung über die Zugehörigkeit der abgetrennten Gebiete, die an Klarheit und Bestimmtheit nichts zu wünschen übrig läßt.

Die Kommunisten dürften ihre zwei Mandate verlieren, Von den flämischen Frontisten scheint die Wahl des Ward Her mans, der bei der Utrechter Fälschungsaffäre eine Rolle spielte, in Mecheln gesichert. Wie es scheint, wird in Brüssel der auf der fatholischen Lifte aufgestellte Faschistenführer Nothomb dant seiner Borzugsstimmen gewählt werden. Das Gesamtresultat hängt start von den Listenverbindungen ab. Es ist anzunehmen, daß die katholisch- liberale Koalition ihre Rammermehrheit behält, nur daß in dem Kräfteverhältnis dieser beiden Parteien eine gewisse Verschiebung zugunsten der Liberalen und zuun­gunsten der Katholiken eintritt.

und der Zielsicherheit der Sozialdemokratischen Partei geworden. Es heißt niemandem Unrecht tun, wenn man sagt, daß er das Ber­frauen der gesamten Partei besitzt und verdient wie kaum ein anderer. Viele Stellen seiner Rede löften laute Beifallskundgebungen des Barteitags aus: der hoffnungsvolle Gruß an die im geschichtlichen Wahlkampf stehenden englischen Genossen, die entschiedene Abwehr der Anschläge gegen die Arbeitslosenversicherung, die schonungslose Abrechnung mit Moskau , das zwar die chinesischen Kulis zu befreien vorgibt, aber selbst die kommunistischen Führer in Europa zu Kulis erzogen und erniedrigt hat; und besonders die Kampfanfage an die Diftaturapostel von rechts und links: menn schon einmal Diktatur nötig sein sollte dann wir!

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Als sich der Beifall gelegt hat und die Formalitäten der Bureauwahl erledigt sind, gedenkt Bels in tiefbewegenden Worten einer leider allzu langen Liste von bekannten Führern unserer Bartei und der Internationale, die seit Kiel dahingeschieden sind. Boran Hermann Malfenbuhr und Adolf Braun . Nun überbringen als erste Auslandsgäste Wilhelm Ellend bogen Wien und Alexandre Brade Paris die Grüße zweier

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Rennauto rast in Zuschauermenge Bruderparteien, die uns besonders nahestehen: der Desterreicher, die

Berichte siehe 4. Seite, Beilage

überhaupt mit uns eins merden wollen, und der Franzosen , die mit uns Frieden und Freundschaft ersehnen. Das Anschlußbekenntnis