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Parteitag und bürgerliche presse.

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Gehn Sie nur, sehn Sie nur, wie sie sich spaltet!"

KonservativerVerzweiflungsstreich Reichswappen und Ministerpapier zur Wahlbeeinflussung

London , 27. Mai. (Eigenbericht.) In einer Rede zu Glasgow sagie der Führer der schottischen Arbeiterpartei. Zames M a x I o n, dah kein einziger der fünfzehn Wahlkreise Glasgows für die Konservativen als sicherer Wahlkreis gelten könne. winifierprösideut Baldwin hat sämtlichen Wählern Grohbritannicos ein faksimiliertes Handschreiben zustellen lassen, zu dem das amtliche Briefpapier mit der Dienst- wohnung des Ministerpräsidenten als Briefkopf und dem Staatswappen(Löwe und Einhorn) verwendet worden ist. Der Brief ist in 30 40 Millionen Exemplaren zugestellt worden. Di« Verwendung des Staatswappens bei dieser Wahlpropaganda hat lebhafte Empörung hervorgerufen und wird von Zu- risten ab? ein Bruch des Wahlgesetzes bezeichnet. Philipp Snowden, der Schahkanzler der Arbeiterregierung, erklärte in einer Rede, daß diese Verwendung des Amtswappens zur Wahl- Propaganda in der politischen Geschichte Großbritanniens keinen Präzedenzfall besitze. Labour wird höher geweitet. London , 27. Mai. (Eigenbericht.) Die h'lk>ö r s'e der Londoner Stock Exchange l)at am Mon- tag eine belnerksnswerke'h e rn ok i er u ng der Wahkaussichten der Arbeiterpartei um 3 Punkte und ein« Herabsetzung der konservativen Aussichten um 1 Punkt vorgenommen. Nach dem jetzigen Stand dieser immerhin für die Stimmung der

bürgerlichen Wählerschaft charakteristischen Wetten stellen sich die Aussichten der Parteien wie folgt dar: Konservative 2ßS 273 Sitze, S o z i a l i st e n 244 246, Liberale 9408. Die Wahlen haben bereits am Montag mit dem Beginn der Stimmenabgabe für den Untsrhaussitz der Universität London begonnen. Sämtliche Angehörigen oder ehemaligen Angehörigen der Universität London , die ihr Studium zum Abschluß gebracht haben. sind zur Abgabe einer Stimme und dadurch zur doppelten Stimmabgabe berechtigt. Die Abstimmung erfolgt durch die Post und ist nicht geheim. Oer Grippetod in England. Während des letzten Schreckenswinters. London , 27. Mai. Die Sterblichkeüszifser für das erste Viertel des laufenden Jahres war mit 294 293 um ö 7 9 7 8 höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, und ist, mit einer einzigen Ausnahm«, die h ö ch st e, die für das erste Iahresviertel jemals in England verzeichnet wurde. Die höhe der Ziffer ist auf die Influenza- Epidemie zurückzuführen, die zu Anfang des Jahres in England wütet«. Im ersten Viertel des Jahre» 1919 war die Sterblichkeit»- Ziffer noch höher als im vergangenen Quartal. Auch damals war das Ansteigen der Sterblichkeit durch eine Jnfluenza-Epidemi« ver- ursacht worden.

Der Kampf um den Schwejk. Tschechische Tagesprobleme. Von Ruckolk Hlovy. Prag . Ende Mai. Der Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande. Zur Zeit, als die lustige Geschichte vom guten Soldaten Schwejk durch ganz Deutschland ging und auch in der Bühnenbearbeitung -lausende von Herzen erfreute, wurde dieser moderne Don Quichotte in seiner Heimat als unanständiger Spöttler ge- mieden. Es entbrannte sogar ein Zeitungskampf um den Schwejk. Nationalistische Dichter und Politiker regten sich auf, weil das Ausland aus der ganzen tschechischen Literatur eben diese Geschichte von dem Manne, dem nichts heilig und erhaben war, herausgegriffen hat, und sie hegten Befürch- tungen, Schwejks Philosophie könnte verderblich auf die Dis- ziplin der tschechoslowakischen Soldaten wirken. Bald fand man ein Gegengewicht gegen die Schwejkiade: Ein tschechischer Schriftsteller, von Beruf höherer Offizier, schrieb ein Drama über den in Sibirien durch Selbstmord geendeten Legionären- oberst Schwetz, in dem das sogenannte Heldentum im Kriege verherrlicht wird. Das Stück ist eine Polemik gegen alle huma- nitären und sozialistischen Ideen, ein Ruf nach strammer militaristischer Herrschaft und ein Lob des Faschismus. Kein Wunder, daß es der Bourgeoisie und den chauvinistischen. imlbintelligenzlern gefällt und diese Elemente das Prager Naionaltheater, wo es sehr oft gespielt wird, füllen. Dagegen hat das Drama eine lebhafte Entrüstung in allen fortschritt- lichen Kreisen und insbesondere bei den größtenteils sozia- listisch gesinnten Legionären hervorgerufen. Ein tschechischer, faschistisch und militaristisch orientierter Journalist sollte von der Carnegie-Friedensstiftung ein Sti- pendium zum Aufenthalte in Amerika erhalten.. Das Prager Außenministerium erachtete es für seine Pflicht, das Carnegie- Institut darauf aufmerksam zu machen, daß dieser Journalist Tendenzen verfolgt, die nicht im Einklänge mit den pazi- fistischen Intentionen des Stifters sind. Diese selbstverständ- liche Vereitelung der Amerikareise des chauvinistischen Jour- nalisten hatte große Aufregung der bürgerlichen Presse zur Folge. Beim Parteitage der Nationaldemokraten gebrauchte Kramarsch derart beleidigende Worte gegen den Außen- minister B e n e s ch, den er unmoralischer Handlungsweise bezichtigte, daß daraus eine Regierungskrise auszubrechen drohte. Der Zwist wurde vorläufig dadurch geschlichtet, daß zwei Personen mit der Prüfung der Anschuldigungen Kra- marschs gegen Benesch betraut worden sind. Kramarsch machte sich aber außerdem noch lächerlich, da er auf diesem Partei- tage allen Ernstes öffentlich erklärte, er selbst hätte eigentlich Präsident der Tschechoslowakischen Republik werden sollen und habe nur deshalb Masaryk den Vorrang gegeben, weil dieser älter als Kramarsch ist. Die jetzige regierende Partei in der Tschechoslowakei , die Agrarier, hat sich während des Krieges gegen die Be- oölkerung'soviel zuschulden kommen lassen, daß man ihr Vergeltung nach dem Kriege versprach. Sie verstand es aber, im rechten Augenblick rasch umzusatteln, wurde nach dem Umsturz stillschweigend pardoniert und wuchs zu einer starken Partei, die in einer jeden Regierung vertreten sein will, heran. Als Regierungspartei beniitzt sie den Staats- apparat dazu, ihre Position zu stärken. So stehen zum Bei- spiel in vielen Städten der Tschechoslowakei neue, modern ein- gerichtete landwirtschaftliche Schulen, die aber an Studenten- Mangel leiden; große Staatssubventionen werden alljährlich für die Landwirtschaft ausgegeben, während die Sozial- reformen als zu kostspielig abgebaut werden. Das agrarische Genossenschaftswesen wird von Staats wegen gefördert, wäh- rend die Arbeiterkonsumvereine auf ihre eigene Kraft an- gewiesen sind. In jedem Dorfe ist der Vertrauensmann der agrarischen Partei gleichzeitig ein Volzugsorgan des Acker- bauministeriums, an das sich die Bauern in allen ihren An- aelegenheiten zu wenden haben. Nur dadurch sind die Agrarier so mächtig geworden. Sie betrachten den Staat als ihre Melkkuh. Bei der Durchführung der Bodenreform fielen aus dem aufgeteilten adligen Großgrundbesitz den Agrariern die fettesten Bissen, die sogenannten Restgllter, zu, und so wuchs der Reichtum der Agrarier durch die Boden- reform ungemein an, während' die landwirtschaftlichen Arbeiter von den Großbauern jetzt in gleicher Weise wie früher von den aristokratischen Großgrundbesitzern ausge- beutet werden. Die Agrarier wetteifern sogar mit den Nationaldemokraten um den Einfluß in Banken, Industrie und Handel. In ihrem Größenwahn wollen die Agrarier jetzt auch äußerlich ihrer Macht ein Denkmal setzen. Auf dem schönen Platz vor der Burg am Prager Hradschin, der, von alten Palästen umgeben, ein prächtiges architektonisches Ganze bildet, wollen sie eine riesige Säule als Monument des Agrarismus die sozialdemokratische Presse nennt es ein Denkmal des agrarischen Snobismus errichten. Premyfl der Pflüger, der mythische Begründer der ersten Dynastie in Böhmen , der Premysliden, soll vor der Burg stehen, um durch seinen Pflug die Bedeutung und Macht der agrarischen Partei zu verkünden. Das Projekt wurde zu einer Blamage der Agrarier, da nicht nur aus allen politischen, sondern auch aus sämtlichen künsllerischen Kreisen Proteste gegen die Verunstaltung des Platzes vor der Burg durch ein Denk- mal des agrarischen Eigendünkels laut wurden. Nicht lange nach dieser agrarischen Denkmalaffäre er- eignete sich ein neuer Zwischenfall, der einen Sturm der Erbitterung in allen, auch rein bürgerlichen Kreisen, gegen die Agrarier weckte. Beim Kongreß der agrarischen Partei am 7. Mai wurde eine Botschaft des früheren Ministerpräsi- denten Schwehla verlesen, in der er unter anderem prahle- risch behauptete, daß die Bauern die ganze Nation ernähren, wogegen alle anderen Bevölkerungsschichtenstädtische Para- fiten" seien und die Arbeit des Bauern nur verachten. Diese Wendung sowie sonstige derbe Aeußerungen Schwehlas, die wohl eines Schwejk würdig gewesen wären, haben alle Kreise sehr erbittert. Man ist sich jetzt noch mehr als früher klar darüber, welche Gefahr die Agrarier für den Fortschritt und die Kultur bedeuten. Schwejk hat seine Pappenheimer schon gut gekannt, als er die agrarische Großmäuligkeit und Ge- fräßigkeit so oft mit dem richtigen Namen bezeichnete!

Südslawische Kommunisten wurden vom Staatsschutzgericht schwer verurteilt: Andrejewitsch zu IS Jahren, Gruber und die anderen Angeklagten zulObislSIahrenKerter: fünf wur- den freigesprochen.

Oer Klamensieg in Belgien . Aach die Liberalen gewinnen.- Endgültig« Mandats« Ziffern noch nicht bekannt. Brüssel . 27. Mai.(Eigenbericht.) Die neu eingetrossenen Ergebnisse haben das allgemeine Bild nicht wesentlich verändert. Bei dem sehr verwickelten System der Listen Verbindungen und der Verteilung der Reststimmen in den ein­zelnen Provinzen läßt sich die Verteilung der Mandate noch nicht mit Sicherheit voraussehen. Fest steht, daß die Liberalen einer- seit», die Front! st en andererseits den Erfolg davontragen. ver Gewinn der ersteren dürft« sich bis auf 7. der der letzteren aus Z oder 4 Mandate belausen. Leidtragende sind Sozialisten und Katholiken in etwa gleichem Maßstäbe. Aber auch hier ist noch nichts Bestimmtes zu sagen. Die sozialistischen ver- l u st e dürften nach gegenwärtiger Voraussicht 4 oder möglicherweise auch 5 Mandate betragen. Das System der Listenverbin- düngen begünstig« in der Regel die Parteien, die Stimmengewinne erzielen. Bei den letzten Wahlen waren dies die Sozialisten: heute kann sich da, System teilweise gegen sie kehren und ihre Gegner begünstigen. Die Ergebniste des Brüsseler Wahlkreises sind noch unvollständig. Sie bestätigen aber bisher dos ollgemeine Bild. Es ist noch möglich, daß einer der Kommunisten sein Mandat be- hält, während der andere im Lütticher Wahlkreis bereits endgültig unterlegen ist. Reben dem Gewinn der flämischen Frontisten ist in Flandern auch der starke Fort schritt der Ehrl st l ich- Demokraten innerhalb der Katholischen Partei bemerkenswert. Da» dürfte dieser Partei sowie der katholisch�liberalen Regierung noch manche Ruß zu knacken geben, lleberhaupt wird die innere Loge dieser Regierung trotz der zahlenmäßig unverminderten Mehrheit nicht gerade rosig sein. Die heterogenen Elemente, die sich im Wahl- kämpfe gegen die Sozialisten geeinigt haben, dürsten schon am Tage de» Zusammentritt» des Parlaments aneinanderprallen, von dem zersetzenden Einfluß der verstärkten srontistischen Fraktion ganz zu schweigen. OaS Ergebnis in(Zupen-Malmedy und St. Vith . Köln , 27. Mai. Nach derKöln . Vztg." hatte die Wahl zur belgischen Kammer in den Kreisen Eupen, Malmedy und St. Vith folgendes Ergebnis: Wahlberechtigt 17 299. Abgestimmt 14 188, Christlich « Volks- partei 7473, Sozialisten 3349, Katholische Union 2622, Libe­rale 671, Kommunisten 73. Die zur Erlangung eines Mandats erforderlich« Stimmenzahl ist also in den drei Kreisen von keiner Partei erreicht worden.

Oeutschland und Frankreich . Eine?tede Herriots. Zürich . 27. Mai. Der ehemalige französisch« Ministerpräsident Herriot sprach auf Einladung de» Lesezirkels Hottingen in der dichtgefüllten Ton- halle über die Notwendigkeit der deutsch -französischen Annäherung Herriot betont«, daß der 8. Februar 1926, an dem Deutschland sein Gesuch um Aufnahme in den Völkerbund stellte, in seinen Augen viel wertvoller sei, als die Daten der berühmtesten S ch l a ch- t e n. Dann gab Herriot einen Ueberblick über das, was bisher auf dem Gebiete der moralischen und praktischen Annäherung zwischen den beiden Völkern getan worden ist, und erwähnte das Stahl- k a r t e l l und die deutsch -französischen Abmachungen über den Absatz von Kali, Anilinsarben und Aluminium auf dem Welt- markt. Schon sind die politischen und wirtschaftlichen Schranken gefallen, so meint« der Redner, es sind nur noch die letzten Schranken, die ethischen, zu durchbrechen, e» muß ein« Gemeinschaft der Seelen erzielt werden. Herriot legte sodann seine Gedanken darüber dar, wie dieses Ziel erreicht werden könne, ohne den Kommunismus oder der D e n a t i o- nalisierung zu verfallen, und erklärte schließlich, es liege nun- mehr an Deutschland und Frankreich , sich zu vereinigen, die Gedanken ihrer großen Geister zu verschmelzen und neue ethische Grundsätze aufzustellen. Damit würden sie nicht nur sich selbst retten, sondern auch Europa , das nach einem kürzlich gefallenen Wort nur noch die Wahl habe zwischen Va s a l l e n t u m und einem Staatenbund.

Da, Mausoleum für Sunjatse« ist fertig. Die Arbeiten wurden von zwei deutschen Architekten beaufsichtigt. Sie kosteten ungefähr 29 Millionen Mark. Das Zimmer, in dem der Sarg Aufftellung finden soll, ist aus Malachit erbaut. In Nanking wurden einige Mitglieder der Kuomintang verhaftet, die sich der Kwangfigruppe angeschlossen hatten.

Manon Lescaut ." Scala-Zlbend in der Lindenoper. Im Rahmen de» Leala-Gastspieles gelangte gestern Puocüri» Manon Lescaut " in der Staatsoper Unter den Linden zur Auf- führung. Das Werk, neu in diesem Hause, übrigens eine der frühesten Opern Puccinis. fesselt durch außerordentlich« Feinheit der musikalischen Arbeit und durch musitalisch-dramatische Intensität Die hinreißende Ausführung unter Toscanini findet den begeisterten Beifall des ausverkauft«, Hauses. K. P.