ftr. 243• 46. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Dienstag- 25. Mai 4 929
Oer Aufstieg der Partei. Bericht des Parteivorstandes: 426000 Mitglieder gewonnen!
Magdeburg , 27. Mai. (Eigenbericht.) Den Rest der ersten Dormittagssitzung des Parteitages füllt« der Bericht über Organisation, Kasse und presse aus. Konrad Ludwig als Berichterstatter führte aus: Die Partei zählt heute in 891k Ortsgruppen 949 Z0L beitrage zahlende Mitglieder, darunter 291 962 Frauen. Gegenüber dem Kieler Parteitag vor zwei Iahren sind das 126 999 Mitglieder mehr. Die Parteieinnahmen aller Bezirke 1928 betrugen 10 35Z 7SZ,S4 AI. An Mitgliederbeiträgen gingen ein: 6 8S3 838,19 Mark. Seit 1924 hat die Partei für Wahlen 8 384 873 M. auf- gewendet, 1928 allein 2 569 612 M. Oeffentliche Versammlungen wurden im letzten Jahre 44 792 abgehalten, Mitgliederversammlungen 66 899. Rund 115 Millionen Flugschriften wurden verbreitet. Die Partei zählt 153 Bertreter im Reichstag, 529 in den Landes- Parlamenten 24 im Preußischen Staatsrat, 358 in den Provinzial- landtagen, 4917 in den Kreistagen, 7662 Stadtverordnete in 1214 Städten, 31 348 Vertreter in 3152 Gemeinden, 889 Bürgermeister, 897 Gemeindevorsteher und 529 Stadträte. Seit Kiel wurden 47 Ausschlußversahren eingeleitet. 8 Mitglieder wurden vom Partcivorstand mit sofortiger Wirkung ausgeschlossen, durch Schiedsgericht wurden ausgeschlossen 13; in zwölf Fällen liegen Einsprüche gegen die Entscheidungen dem Parteitag vor. Eine besondere H i l s s k o s s e mit Beiträgen der Versicherten ist vor zwei Jahren für die Personale der technischen Betriebe er- richtet worden. Es erhalten bereits 149 Invaliden und 49 Witwen Zuschüsse von 13 M. bis 92,59 M. pro Monat zu den staatlichen Renten. Voraussetzung ist fünfjährige Parteizugehörigkeit. 1928 wurden hierfür 135 471 M. aufgewendet. Von den 196 Parteizeitungen werden nur noch acht in privaten Druckereien hergestellt. Zahlende Abonnenten sind 1 253 247 vorhanden. Der Umsatz unserer Drucke- r e i e n betrug 1928 rund 75 Millionen Mark, für Löhne und Ge- hälter wurden 22� Millionen Mark, an Steuern 2,6 Millionen Mark ausgegeben. Beschäftigt werden in unseren Betrieben 5996 technische Angestellte, 574 in den Redaktionen und 273 in den Buchhandlungen. Dos bilanzmäßige Vermögen der Betriebe beziffert sich auf 52 Mil- lionen Mark. Bom Parteivorstand wurden in den letzten fünf Iahren 5,7 Millionen Mark für Neueinrichtungen und Umbauten an 55 Berlage gegeben. Gegen 1 Uhr vertagt sich der Parteitag auf 3 Uhr nachmittags. Dann erstattete Heinrich Schulz den Bericht des Neichsbildungsausschusses. Schon vor 35 Jahren hat der Redner im Arbeiterbildungsverein Magdeburg-Buckau einen literarischen Vortrag gehalten. Das Er- gebnis war eine Strafe von 14 Tagen Gefängnis wegen Auf- teizung zum Klassenhaß. Die Aufreizung wurde in der Rezitation der Herweghschen Verse„Mann der Arbeit, aufgewacht- gesehen Noch vi«ls Jahre später wurden die Arbeiterbilimngsbestrebungen von der Staatsgewalt versolgt. 1919 noch wurde ein n a t u r- wissenschaftlicher Vortragsabend polizeilich aufgelöst und der Redncr, der über die Entstehung der Erde reden wollte, durch bewaffnete Schutzleute abgeführt. Der Wandel der politischen Machtverhältnisse zeigt sich deutlich darin, daß der Staat die Bildungsbestrebungen der Arbeiterschaft kräftig unterstützt. Wir wollen die öffentlichen Schulen im Geiste staatsbürgerlicher Gesinnung und Völkerversöh- n u n g geführt sehen, ober wir lehnen es im Gegensatz zu den Kommunisten ob, die Schulen in den Dienst der Partei zu stellen. Wir wollen aber nicht auf die sozialistische Erziehung der Arbeiter- iugend verzichten. Diesem Zweck dient die Bewegung der Kinder- freunde. die noch mehr als bisher in ollen Bezirken unterstützt werden sollte. Die Zeltlager im Freien haben sich ausgezeichnet bewährt. Dort wird der Geist der Solidarität, der Hilfsbereitschaft und das Verantwortungsbewußtsein gepflegt. Die eigentliche Jugendbewegung der Partei zählt weit über 59 999 Mitglieder. Gewarnt werden muß vor einer Zersplitterung der Iugenbewegunq dadurch, daß sich jede Organisation ihre eigenen Iugendgruppen«inrichtet. Wenn lösche Gruppen bei den Gewerkschaften und Ärbeitersportvereinen verständ- lich sind, so muß bezweifelt werden, ob ein gleiches Bedürfnis vor- liegt beim Reichsbanner und bei den Volksbühnen. Die Organisation der sozialistischen Studenten in Deutschland und Deutschösterreich zählt etwa 3599 Mitglieder. Die Bildungsarbeit unter den erwachsenen Arbeitern wird von der Partei eifrig ge- fördert. Zwei erprobte Parteigenossen arbeiten ständig an der Vec- nnstaltung von Bildungskursen im ganzen Reich. 78 Kurse mit etwa 5999 Teilnehmern haben wir im letzten Jahre gehabt, dazu eine große Reihe Sonderkurse für Redakteure, Sekretäre und Funktionäre. Daneben haben wir die freien sozial! st i- schen Hochschulen, Ferienkurse und die Beschickung von Schulen in T i n z und Nordschleswig. Dos Organ der Dil- dungsbestrebungen,„Die sozialistische Bildung-, hat sich nach der Umgestaltung gut entwickelt. Im ersten Quartal des Erscheinens hat sich die Abonnentenzahl verdoppelt. Daneben wird viel Gutes ge- stiftet durch unsere Bücherei und vor allem durch die Ver- onstaltung der Urlaubsreisen. Alle diese Bestrebungen sind zusammengefaßt Im Sozialistischen K u l t u r b u n d, der im Herbst sein« nächste Kulturtagung unter dem Leitwort„Film und Funk- abhalten wird. Wir müssen den .?ilm. aber auch das Funkwesen sür unsere kulturellen Bestrebungen benutzen, dürfen ober auch nicht die alten Bildungsmittel, Bücher. Theater und Musik, vernachlässigen. Die Volksbühnen verdienen ganz besonders unsere Förderung und Fürsorge. Neben dielen positiven Aufgaben hat unlerc Bildungsbewegung die negative Auf- gab« der A b w« h r der K u l t u r r e a k t i o n. Das Schmutz- und Schundgesetz hat seit seinem Bestehen seine Ileberflüssigkeit bewiesen. Wir wollen kein Korn aus die leeren Mühlen dieses Gesetzes leiten. Trotz aller Fortschritte dürfen wir nicht— selbst auf die Gefahr hin, daß Gras Westarp nicht der einziao bleibt, der sein Rundfunkobonnement abbestellt— vergessen, daß vor gor nicht langer Zeit hier in Magdeburg noch ein Herr Kölling möglich war, und daß vor kurzem eine Anklage wegen Gottes- l ä st e r u n q gegen einen Künstler wie George Grosz erhaben u�vden konnte. Den Dunkelmännern muß das Handwerk gelegt werden Wir arbeiten weiter unter der Parole: Gegen jede Reaktion auf kulturellem Gebiet, für Fortschritt, Freiheit und Volk!(Beifall.) Leber die Tätigkeit des Borstandsbureaus für die Frauenbewegung berichtet Marie Iuchacz: Die Frauenbewegung geht zahlen- mäßig vorwärts, sie wächst auch innen, und daraus kommt e» uns am meisten an. Das gleiche M ä n n er wa h l r e cht hat seinerzeit
im Obrigkeitsstaot der Arbeiterpartei Gelegenheit gegeben, kraft ihrer s Opposition den Typus des reinen Agitators herauszu- bilden. Die Frauen sind aus dem Zustand der vollkommenen Rechtlosigkeit gleich als wahlberechtigte Bürgerinnen in einen Staat hineingekommen in dem die Arbeiterklasse ein unentbehrlicher Macht- faktor geworden war. So ist der rein agitatorische Frauentypus stark zurückgetreten. Jede Bewegung muß freilich mir der Agitation beginnen, muß aufwecken, Anregungen geben, Gedanken ausstreuen Aber die Agitation darf nicht Selb st zweck werden, sie muß überragt werden durch die fach- liche Leistung, die Respekt erringt. Wir haben in der Arbeiter- und Frauenbewegung noch sehr viel Agitotionsarbeit zu leisten, aber wir müssen doch schon die durch die Agitation erweckten Menschen mit der sachlichen Leistung befassen und an ihr beteiligen. In diesem Geist« hat das Frauensekretariat des Parteivorstandes syst«- matisch gearbeitet. Wir haben die Kunst der politischen Erziehung nicht zuletzt darin erblickt, die Frauen zum sozialen Mitoer- antwortungsgefühl zu wecken. Darum haben wir sie auch in den internationalen Frauenwochen zu den Problemen geführt, an denen die Frauen mit ihrem persönlichen Erleben beteiligt sind. Mit den Kursen über die sozialdemokratische Gemeindepolitik haben wir die Frauen auf Arbeitsgebiete geführt, die ihnen eben- falls besonders naheliegen. Wir wollten dadurch die Zahl der in der Gemeindeverwaltung tätigen Frauen vermehren, um damit rück- wirkend wieder eine stärkere Beteiligung der Wählerinnen herbei- zuführen. Jede Berufsschicht muß in der Agitation bei den Fragen ge- packt werden, die sie besonders interessieren', das trifft auf die Be- amtcn und Lehrer genau so zu wie auf die Frauen. Aber die Frauen sind vielleicht etwas weicher, etwas sensibler: deshalb muß die Bewegung zu einem dauernden Erleben für die Frauen ausgestaltet werden. Aus solchen Höhepunkten wie dem gestrigen Tage erwächst ein« innere Verbundenheit mit der Be- weaung, und gerade unsere Frauen werden donkbar sein sür jeden geistigen und seelischen Lichtblick, den die Bewegung ihnen gibt. Wir müssen anknüpfen an die Fragen des Frauen- und Kinder- schütze?, der Bevölkerungspolitik, der Gesundheit?- und Woh- nungspolitik, in die die Frauen mit ihren Lebensschicksalen unmittel- bar verknüpft sind. So werden wir den Familienegoismus der Frauen in ein« echt soziale Gesinnung umwandeln: denn die Triebkraft ist in beiden Fällen durchaus die gleiche. Zweck unserer Erziehungsarbeit ist, das Schicksal nicht nur der eigenen, sondern das aller Kinder in den Frauen lebendig zu machen, selbst in denen, die durch den Krieg dazu oerurteilt sind, einsame Menschen zu bleiben. Die«Schwierigkeit der Organisation?» arbeit unter den Frauen liegt vielfach nicht nur an ihnen, sondern auch daran, daß die Bewegung nicht versteht, sie richtig oufzu- schließen. Eine Massenbewegung wie die unsrige muß Ver- st ä n d n i s haben für alle Schichten der Bevölkerung.(Lebhafter Beifall.) Oer Bericht der Kontrollkommission wird von unserem alten Vorkämpfer Wilhelm Bock erstaltel. Herzlich begrüßt, führt er aus, daß die Kommission 1927/28 acht Revisionen vorgenommen und die Kassenfllhrung der Partei in musterhafter Ordnung gefunden hat. Der Bezirk Leipzig ver- langte eine endgültige Entscheidung darüber, ob der Partei- o o r st a n d berechtigt sei, eine von einem Bezirksparteitag aufgestellte Kandidatenliste für die Reichstags wählen zu ändern. Der Parteivorstand hatte auf der Leipziger Kandidaten- liste die von dem sächsischen Bezirksparteitag in die sechste Stelle eingesetzte Frau Schilling, dem Verlangen der Unterbezirke ent- sprechend, in die fünfte Stelle gerückt. Die Kontrollkommission mußte dem Bezirk mitteilen, daß der Parteivorstand nach dem Parteistatut zu dieser Handlung berechtigt war. Die Zusammen- arbeit mit dem Parteivorstand war kameradschaftlich und kollegial. Die Kontrollkommission beantragt E n t l a st u n g für den Partei- vorstand. Debatte. Mit der Debatte über den Borstandsbericht verbunden ist die Frage der Teilnahme der Partei an einer Koalitionsregie- r u n g und die Panzerkreuzerfrage, soweit von der Stellungnahme dazu das Verbleiben der Sozialdemokratie in der Reichsregierung abhängig ist. Dagegen sollen die Einzelheiten aus der Tätigkeit der gegenwärtigen Reichsregierung beim Bericht der Reichstags f r a k t io n erörtert werden. ZNäder-Altenburg: Bogels Referat war auf den Ton gestimmt: „Und siehe da, es war alles sehr gut!- Wir sind dagegen der Mei- nung, daß die Täiigkeit des Parteivorstandes ollerschärfster Kritik bedarf. Der Wahlsieg der Arbeiterschaft am 29. Mai v. I. war ein Vertrauensvotum für die zielklare Oppositionspolitik der letzten Reichstagsfraktion. Jetzt hat man den Kieler K o a l i- tionsbeschluß falsch angewendet. Man hätte erkennen müssen, daß aus dieser Koalition für die Arbeiterschaft nichts heraus- zuholen war. Der Reichswehretat ist fast unverändert ge- blieben. Die Haltung unserer Minister brachte schwere Der- stöße gegen die Parteidisziplin. Wir haben das Gegen- teil von dem getan, was wir im Wahlkampf versprochen haben. Niemand ist grundsätzlich gegen eine Koalition, aber wir wollen keine Befürwortung solcher Koalition ohne Programm. Hilserding hatte z. B. erst Geld in Hülle und Fülle, dann aber brauchte er plätzlich 599 Millionen. Wendt-Berlin : Im Gegensatz zur Kieler Entscheidung sollte der Magdeburger Parteitag klar aussprechen, daß, wo immer für einen Beruf eine freie Gewerkschaft besteht, jedes Parteimitglied ver- pflichtet ist, ihr anzugehören. Unverständlich war den Parteimitgliedern der Kabinsttsbeschluß zum Panzer- kreuz er. Warum konnte man nicht erst die Entscheidung des neuen Reichstags abwarten? Wels hat nachträglich im Reichstag den Standpunkt der Partei einwandfrei vertreten und die Fraktion hat mehrfach in dieser Frage die unerhörten Zumutungen der bürgerlichen Koalitionsparteien zurückgewiesen. Aber uns er- scheint es unerträgli ch, daß nicht auch die Minister mit der Fraktion gegen die zweite Rot« stimmen sollen. Was heute beim Panzerkreuzer geschieht, kann sich morgen bei den Z ö l l e n oder den Erwerbslosenfragen wiederholen. Wir dürfen das vertrauen zu unseren Ministern im Lande nicht verloren gehen lassen: mir müssen aber auch den Schein vermeiden, als ob wlr nicht zu unseren Wahlreden stünden. Unsere Wähler sind keine Rekruten, die sich rechts und links kam- mandieren lassen. Seydewih-Zwickau : Die sogenannte Opposition ist durchaus ge- willt, die Kritik in kameradschaftlichem Geist« zu führen. Sie er- kennt den Gegnern in der Partei den guten Willen zu, verlangt ober auch von ihnen die Anerkennung, daß ihre Kritik von dem Wunsche getragen ist, der Partei zu dienen. Bogel ist im Irrtum,
wenn er sagt, dem Kölner Beschluß des Parteiousschusies für die Kaalition-politik hätten die Sachsen im Parteiausschuß nicht wider- sprachen. Tatsächlich haben damals die sächsischen Vertreter beantragt, daß ein Eingehen auf eine Koalition abhängig gemacht werden müsse von Voraussetzungen. Das ist aber unter- blieben. Die Kritik an der Koalitionspolitik ist am Ende darauf zurückzuführen, daß die Reichstagsfraktion im Gegensatz zum Kieler Parteitagsbeschluß die Ausstellung von Bedingungen für den Ein- tritt in die Regierung unterlassen hat. Unsere vier Minister machen wir nicht persönlich verantwortlich sür die koaUtionspolitii. Schuld ist die Fraktion und nicht der einzelne Minister.(Bogel : Und trotzdem kamen Ausschluß- antrüge gegen die Minister!) Wir haben solche Ausschlußanträge ebenso mißbilligt wie der parteivorstand. Ein Punkt, m dem der Kurswechsel hätte sichtbar werden müssen, ist der R e i ch s w e h r e t a t. An dem Charakter der Reichswehr hat sich seit dem Eintreten der Sozialdemokratie in die Regierung nichts geändert. Die Tatsache, daß unsere Minister nicht wegen des Panzerkreuzerbeschlulses aus der Regierung ausgetreten sind, ist damit begründet worden, daß sie noch ihre Aufgaben auf dem Gebiet der Sozialpolitik zu erfüllen hätten. Seitdem sind beinahe drei Vierteljahre vergangen, aber die angekündigten Fortschritte in der Sozialpolitik sind nicht gekommen. vielmehr ein Stillstand eingetreten, den die Arbeitermassen draußen unangenehm empfinden. Wir meinen deshalb, daß wir die Verantwortung für die jetzige be- dingungslose Köalitionspolitik nicht länger tragen können, und darum fordern wir den Austritt aus der Regierung. Eckstein-Breslau : Nach dem Wahlerfolg vom Mai hatte die Sozialdemokratie die Ausgabe, die aus dem Bürgertum zu uns ge- stoßenden Wähler bei der Partei zu erhalten. Die seither astrieben« Politik war aber nicht geeignet, diese Massen bei der Partei zu halten und neue Arbeiterinassen für die Partei zu gewinnen. Die Begründung für den Panzerkreuzerbeschluß war unrichtig, ebenso die Behauptung des Finanzministers Hilserding, die©teuer- eingönge feien damals so hoch gewesen, daß nach dem RelchsrolZ- beschluß der Kreuzer gebaut werden konnte. Unrichtig ist auch die Behauptung, daß das Kabinett verpflichtet war, den Etat des Bürgerblocks auszuführen. Der Reichskanzler soll im Partei- ausschuß übrigens erklärt haben, er fühle sich als Reichskanzler nur an die Verfassimg, nicht an Partsibeschlüsie gebunden.(Hermann Müller : Das ist ein Irrtum. Ich habe gesagt, ich sei jederzeit bereit, mein?lmt aufzugeben und die Konsequenzen zu ziehen!) Dann bedauere ich, daß die andere Darstellung ohne Dementi durch die Presse gegangen ist. Wir haben das Wahloersprechen gegeben. unter Führung des Porteivorsitzenden Müller, den Panzerkreuzer nicht zu bewilligen. Unter dem Reichskanzler Müller wird er gebaut. Unter dem Parteivorsitzeden Müller haben wir das Wahl- versprechen der Kinderspeisung gegeben, unter dem Reichskanzler Müller ist sie nicht gekommen. Unter der Führung des Parteivor- sitzenden Müller haben wir das Wahlversprechen gegeben, den Reichswehretat auf 599 Millionen zu senken(Widerspruch), unter dem Reichskanzler Müller wird dieses Bersprechcn nicht ausgeführt. Diese Koalitionspolitik hat den Massen die Auge» über den Charak- ter der deutschen Republik geöffnet. Der deutsche Staat ist auch in der Form der Republik nur das Werkzeug der herrschenden Klasse gegen die Arbeiterklasse. Ziegler Breslau begründet Anträge Breslau und Königsberg , alljährlich einen Preußenparteitag abzuhalten. Es fehlen jetzt die Instanzen, die die Politik in Preußen kontrollieren und mitbestimmen. August Siemsen -Iena: Am besten von Bogels Referat gesiel mir der Schlußsatz, daß wir als Mitglieder einer revolutionären Partei uns selbst revolutionieren müssen, um neue Menschen zu werden. In den Schulen Herrschi noch weiterhin der alte Geist, eine nationalistische, konfessionelle, bürgerliche Erziehung. Wenn die Partei die neuen Blenschen hoben will, muß sie auch in der praktischen Politik viel stärker und nachdrücklicher die Bedeutung der Schule vertreten. In den eigenen Erziehungsorganisationen der Partei, bei den Kinderfreunden und m der Arbeiterjugend wachsen die neuen Menschen, die Bogel verlangt hat. Nun mögen diese werdenden Genossen die schwierigen Tagesfragen nicht restlos übersehen und beurteilen können: aber wir dürfen sie trotzdem von der Politik nicht fernhalten, sondern müssen sie in unseren Organisa- tionen zu Kämpfern für den Sozialismus erziehen.(Bogel : Genau dasselbe habe ich ja gesagt!) Ich meine damit, daß die Sozialdemokratie einschließlich der Minister alles aufbietet, um den Panzerkreuzer zu verhindern: denn für Halbheiten fehlt der Iugend das Verständnis. Wir brauchen ein« Politik der Geradheit und Klarheit: wir müssen nicht nur das sozialistische Ziel vor Augen hoben, sondern auch eine geradlinige Politik treiben, die in Geist und Mitteln dem sozialistischen Ziel entspricht.(Bestall.) Sollmann-Köln: In der Debatte ist von der Freude an der Koalitionspolitik gesprochen worden. Ich bin noch keinem Genosten begegnet, der eine solche Freude empsände.(Stürmische Zustim- mung) Wenn wir schweren Herzens unser« Genossen in die Koali- tionsregierung entjandt haben, so deshalb, weil nach unserem Wahl- sieg eiae andere Möglichkeit gar nicht bestand. Eine Halbheit bleibt die Koalitionspolitik immer für alle daran beteiligten Par- teien. Ich habe mich sehr scharf gegen den Kabincttsbeschluß vom 19. August 1923(Panzerkreuzer) gewandt, ober warum sollte ich das heute noch einmal wiederholen? Aus unserer Zwangslage kommen wir durch parleitagsreden nichl heraus. Der Reichstag hat leider zweimal ausdrücklich beschlossen, den Panzerkreuzer zu bauen. Wenn die Minister den Beschluß nicht auesühren wolle», müssen sie zurücktreten.(Breitseheid: sie müßten dann selbst zurückgetreten sein!) Ich wünsche diesen Rück- tritt nicht, ober ich halte andererseits für notwendig, daß die Hab tung der Fraktion deutlich macht: die Sazioldemokratstche Partei lehnt die Verantwortung für dies« Reichstags- b e s eh 1 ü s s e ab Gewiß kann es eine Politik geben, die das Ber- trauen der Masten zu den Ministern erschüttert, aber man kann auch das Vertrauen der Masten durch verantwortungslose Kritik und durch verantwortungslose Opposition erschüttern.(Lebhafter Beifall.) Ich habe dos Recht und die Pflicht, auch meine Freunde in der Regierung scharf anzufassen, wenn ste noch meiner Meinung irren. Aber ich habe auch die Pflicht, den Genossen im Lande ihre Gründe darzulegen, und jo kann ich Kritik oerbinden mit einer Anterstützunq des vertrauen» der Blassen in die Partei und ihre Führer. (Sehr wahr!) Ich gelte in der Partei als ein sehr irommer Mann. (Heiterkeit und Zuruf: Sei doch froh!) Ich beschwere mich nicht