Beilage
Donnerstag 30. Mai 1929
Wels erbittet und erhält zunächst die Zustimmung des Partei tages dazu, daß bei der Wahl des Parteivorstandes die Vor: standsposten der in die Regierung eingetretenen Genossen Hermann Müller und Hilferding freigehalten werden. Die
Aussprache über den Fraktionsbericht wird eröffnet durch Stampfer: Von einem Koalitionsrausch kann ficherlich keine Rede sein. Aber der Koalitionsfazenjammer ist auch ohne vorausgegangenen Rausch vorhanden. Das muß mit aller Deutlichkeit gerade von einer Seite ausgesprochen werden, die niemals zu den grundsäglichen Gegnern der Koalitions politik gehört hat. War es unbedingt notwendig, die Panzer freuzerfrage so aufzuziehen, wie es geschehen ist? War es notwendig, diese Entscheidung dem Brüsseler Kongreß als Ueberraschung zu servieren? War im Fall der Einreifeerlaubnis für Trozti eine Entscheidung notwendig, die im Gegensatz zu der Ankündigung Loebes und zu dem einstimmig ausge sprochenen Willen des Fraktionsvorstandes stand? War es nicht möglich, im Laufe des lehten Jahres Vorkehrungen zu treffen, die uns die fürchterliche Notwendigkeit erspart hätten, eine Steuerfreie Anleihe zu bewilligen, die auf dem seltsamen, unseren Brinzipien widersprechenden Grundsaz beruht: Wer Geld hat, braucht feine Steuern zu bezahlen? Wenn vier Partei genossen in der Regierung sigen, sollte auch die Beunruhi gung unserer Partei in der Frage der Arbeitslosenver= ficherung vermieden werden können. Genosse Hermann Müller , Bismard war auch eigensinnig, aber er hat auch von den Imponderabilien im Boltsleben gesprochen, die berücksichtigt werden müssen.( Müller: Ich auch.) Die Berücksichtigung dieser Imponderabilien möchte ich unseren Genossen in der Regierung angelegentlichst empfehlen.
Sollten wir einmal in der Sozialpolitik zu entscheiden haben zwischen der Regierung auf der einen Seite und den Gewertschaften auf der anderen Seite, dann würden wir zweifellos nach dem Grundsah entscheiden: Partei und Regierung find zwei, aber Partei und Gewerkschaften find eins!
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( Beifall.) Troß allebem glaube ich, daß unsere Genossen in der Regierung richtig handeln, wenn sie ausharren, um die große Aufgabe dieser Regierung zu erfüllen: die Erleichterung der Dawes Lasten herbeizuführen und die längst fällige Räumung von Rhein und Saar zu erreichen. Sind diese Ziele erreicht, dann ist auch die Bahn frei für die wichtigen Arbeiten auf dem Gebiete der Innen- und Außenpolitik, dann wird auch die deutsch französische Freundschaft hergestellt werden tönnen, die die unbedingt notwendige Grundlage des gesicherten Friedens ist. Dann wird auch eine weitschauende Finanzpolitif getrieben werden können unter Berücksichtigung der sozialen Gesichtspunkte, wie sie heute leider nicht möglich ist. Dem Finanztapital macht es ein ganz besonderes Ver gnügen, den Verfasser eines berühmten Buches über das Finanztapital recht eng an der Kandare zu halten. Uns macht das teine Freud'e. Wir wollen nicht einen armen Staat, der von der Gnade der reichen Leute abhängig ist, sondern einen reichen Staat, der seine Pflicht gegen die Masse des Boltes erfüllen kann. Ich hege den Wunsch, daß es unseren Ministern gelingen wird, diese Aufgabe zu erfüllen, mit dem Bewußtsein jener Kraft, die in den Massen der Sozialdemokratischen Partei vorhanden ist. Dann werden wir alle hinter unseren Ministern stehen wie ein Mann! ( Beifall.)
Aufhäuser: Darüber besteht kein Zweifel, daß die Art, wie die Koalitionsregierung arbeitet, unbefriedigend ist und daß auch das vorgestrige Botum des Parteitags nicht etwa als Zustimmungstundgebung zu dieser Regierungspolitik ausgelegt werden tann. Breit scheid hat selten mit einem solchen Mangel an Ueberschuß von Begeisterung geredet wie gestern. Er vergleicht die jetzige Koalis tionsregierung mit einer Kameradschaftsehe. Soviel Freudlosigkeit verträgt aber auch eine Kameradschaft zehe nicht. Die Tatsache, daß die Rolitionsregierung soviel Betriebsunfälle erlitt, hat nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Gründe. Wir haben auch in der Koalitionsregierung pofitive Erfolge ge= habt und durchgejezt gegen die anderen Parteien, wenn unsere Minister an die Frattion und an die Partei appel. lierten. Die Mißerfolge traten immer denn ein, wenn die Fraktion vor fertige Tatsachen gestellt wurde. Wir haben beispielsweise erlebt, daß auf den Einspruch der Volkspartei hin die schon beschlossene Unterstügung der Ausgesperr= ten in Nordwestdeutschland beinahe unmöglich gemacht worden wäre. Hier hat nur die preußiide Regierung die Unter stügung ermöglicht.( Müer: Nein, es war der gesamte Be schluß beider Kabinette.) Bei der Anleihe sind wir auch vor fertige Tatsachen gestellt worden. Die Sozialreaktion wird auch bei der Ler Brüning versuchen, unfere sozialpolitischen Wünsche 34 vereiteln. Da ist es notwendig, daß durch eine Entscheidung des Barteitags unseren Ministern der Rücken gestärkt wird. Auf häuser empfiehlt dann eine Entschließung zur Annahme, in der es heißt:
„ Der Parteitag erwartet für die Zukunft den vollen Einsatz der parlamentarischen und außerparlamentarischen Kräfte für die folgenden dringendsten Forderungen:
Gefeßliche Festlegung des Acht stundentages und Ratifi zierung des unveränderten Washingtoner Abkommens; Aufrechterhaltung der Leistungen und des Versonen Preises der Arbeitslosenversicherung und finanzielle Sicherung durch Erhöhung der Beiträge;
Ausbau der Invalidenversicherung als Vorauslegung der Zustimmung der Sozialdemokratie zur veränderten Ler Brüning; baldige Vorlage des Tarifvertragsgefeßes. Im Falle einer Herabsetzung der deutschen Reparationslasten feinerlei Ermäßigung der Steuern der Befizenden, sondern Berwendung zur Ersparnis: a)? ur Sanierung des Reichshaushalts. b) zur Sicherung der Sozialeinrichtungen, insbesondere der Bereitstellung der Reichs. darlehen für die Arbeitslosenversicherung, c) zur Senkung der die Massen belastenden Steuern.
Entschiedene Abwehr jedes Berjuchs, die Reparationsleistung zum Borwand für Abbau der Sozialgesegaebung zu benutzen. Verhinderung der Bollerhöhung bei Ablauf des Zolltarifs und Forderung des Zollabbaues durch deutsche Initiative. Ablehnung der geplanten Reichsausgleichsgelder" für Getreide; Bor 'age eines Gefeges zur Kontrolle der Kartelle.
Ausbau der bestehenden Selbstverwaltungsförper und Schaf fung ähnlicher Einrichtungen für die übrigen Schiüffel ndustrien. An einer Koalition mit bürgerlichen Parteien, die eine Bermirklichung dieser akuten Tagesforderungen nicht zulassen oder gar die Sozialdemokratie mit Maßnahmen belastet, die sich gegen die Arbeiterinteressen wenden. kann die Sozialdemokratie fein Interesse haben."
Toni Sender: Niemand in der Fraktion war oder ist grund. feglich gegen die Koalitionspolitik. Unsere Minister müssen aber
starte eigene Initiative entfalten und stete engste Fühlungnahme mit der Fraktion und durch sie mit den breiten Massen halten. Statt dessen haben sie
wiederholt die Fraktion vor vollendete Tatsachen gestellt. Langdauernde Krisen sind der Demokratie gewiß schädlich, aber noch gefährlicher können ihr Mißstimmung und Unzufriedenheit der Massen werden. Den Mut zur Unpopularität haben wir alle bewiesen, aber wir müssen wenigstens selbst die Ueberzeugung haben, daß wir auf lange Sicht die Interessen der Ar. beiter richtig vertreten und wollen nicht ganze Ketten unpopulärer Handlungen begehen. In dieser Situation darf die höchste Körperschaft der Partei auf eigene Willensanstrengungen nicht verzichten. Der provisorische 3011tarif läuft ab und der neue Zolltarif soll erhöhte Schußzölle bringen, das bedeutet Schädigung der deutschen Wirtschaft, Stärkung des Kartellwesens und weiteres Hochtreiben der Preise. Wir müssen bei der Entscheidung darüber feststehen, denn wir sind die einzige Partei, die fähig ist, schöpferische Politik zu machen.
Löwenstein- Berlin : Sollmann hat weise zur Toleranz gemahnt und Breitscheid hat vor der Anzettelung neuer Religions triege gewarnt. Aber wenn wir in den letzten Jahren einmal in die Arena religiöser Kämpfe gestiegen sind, so waren sie uns durch die schärfte Unduldsamkeit der Gegner aufgezwungen. So haben wir den Kampf um das Schulgeset mit vornehmer Objektivität geführt, die Gegner aber mit dem ganzen Raffinement der Demagogie, mit allen Mitteln religiöser Verhegung und der ganzen Brutalität einer Mehrheit, die nicht nach der Verfassung fragt. Erst jetzt haben die Deutschnationalen wieder beantragt, daß Kinder, die die weltliche Schule besuchen, Don den Erziehungsbeihilfen ausge schlossen sein sollen. Ueber das Konkordat ist Breitscheid mit leichter Rhetorit hinweggegangen. Aber selbst wenn wir von dem Inhalt des Kontordats weiter gar nichts wissen, so müssen mir doch
Dpr Abpnd
Shalausgabe des Vorwants
Form und Rechtsfolgen eines jeden konkordats ernster nehmen. Ich stelle mit Genugtuung fest, daß das preuß Konkordat nichts über Schulfragen enthalten soll, aber marum schließt man überhaupt mit dem römischen Papst Verträge wenn die sozialistische Regierung Braunschweigs mit dem JGB. über preußische eigenstaatliche Angelegenheiten einen unbefristeten Bertrag schließen würde, der gegen den Willen des JGB. nicht abgeändert werden kann, welchen Lärm würde die ganze Bourgeoisie schlagen? Ist erst eine vertragsmäßige Bindung erfolgt, dann fanm fein Reichsgefez fie lösen, und die Möglichkeit einer Berbesserung des Reichsrechts ist auf Generationen verbaut. Darum teine Bindungen, deren Tragweite für Gegenwart und Zukunft wir nicht voraussehen.
Anna Siemfen: Das preußische Konkordat wird sich gewiß vom bayerischen unterscheiden, weil Breußen noch nicht einmal zu einem Drittel katholisch ist. Aber nichtsdestoweniger hat die breiteste Deffentlichkeit lebhaftes Interesse am preußischen Konkordat, und die Verhandlungen hätten deshalb, in breitester Deffentlichkeit geführt werden müssen. Verhandlungen mit der Kurie waren nach der Weimarer Verfassung wohl unvermeidlich, aber ihr Abschluß, sollte nicht erfolgen in Form eines Staatsvertrages, sondern lediglich in Form eines Geseges. Die Machtansprüche der katholischen Kirche können nur durch öffentliche Kritik zurückgedrängt werden. Fragen aus dem Jenseits gehen die Partei gewiß nichts an. Aber
die Kirche ist feine Gemeinde von Heiligen, die das Jenseits vorausschauen, sondern eine ungemein reale Machtorganisation in der Wirklichkeit. Die Kirche regelt alle möglichen praktischen Fragen von der Stellung der Mode bis zum Privateigentum. Die Partet hat darüber zu machen, daß die politische Haltung ihrer Minister nicht durch die Abhängigkeit von bestimmten gesellschaftlichen Machtorganisationen beeinflußt wird. ( Lebhafter Beifall.) ( Fortsetzung im Hauptblatt.)
Zwei Autogramme werden versteigert
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deutscher Mann in tenuer Pflichtenfüllung für ſein Vaterland
Ich death germs an die Zukunft. in der Gegenwort
weil die dinge.
mehr als sons uns darauf hinesen und vol kein denkender mehr. keinen kan. des Hertelternacht
fallend begreßen liegt, und wo der Rennen kann. Deutsche Avus seine Sänge in winden von dem der Weisen aller Zeiten un geschlangen hat, das Land est Deutsch und wird deutsch bleiben!
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schälter bischer um gekäänet, in val. hnen der Friede die Verschheit to. glückt und die Hermen до втра alle Gegensätze gewischen Geschlichten, Klassen und Nationen aufhebt. Berlin , den 18 Sez. 1894.
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CA.. Bene
Die Sammlung eines Autographenliebhabers hat diese beiden Extreme vereint, auf der gleichen Versteigerung gelangen sie zum| gemäsch:„ Der deutsche Aar"... Seine Fänge in ein Land gea Verkauf. Zwei Autogramme zmei Welten. Im Rahmen weniger schlagen" Beilen spiegelt sich die abgründige Wesensverschiedenheit zweier Männer der gleichen Epoche.
Wilhelms Autogramm: Auch wenn sein Schnörkel nicht darunter stünde, der Urheber wäre unverkennbar. Der steile Schristcharakter deutet auf übersteigertes Ichgefühl, der Riesen schnörkel im Namenszug( pricht für eitle Selbstgefälligkeit. Dementsprechend der geistige Inhalt des Sages: verstiegener, romantischer Größenwahn.( Man überlege nüchtern den Sinn: Wo irgend einmal ein deutscher Soldat in der Weltgeschichte gefallen ist, das Land ist deutsch und bleibt deutsch ! Auch China ?! Auch Nord amerika ?! Auch Rußland und wo sonst noch deutsche Soldaten geblutet haben?!) Welche Vorstellungen sind es, die den Schreiber des Autogramms in Begeisterung versezen: die Vorstellung des Todes( der anderen!) und die Vorstellung der blutigen Er oberungen. Die Scheußlichkeit beider Vorstellungen hat sich der Schreiber masfiert durch großspuriges, pathetisches Phrasen
Rund um die Erde in zehn Tagen.
Die Verkehrsjachverständigen Europas und der Bereinigten Staaten erörtern den Ausbau der internationalen Luftlinie, um dem Reisenden die Möglichkeit zu geben, unter Benutzung von Flug zeug, Luftschiff und Flugboot den Erdball ummer schneller zu umtreijen. Was man erstrebt, ist ein sorgfältig ausgebautes System. bei dem alle Errungenschaften der Berkehrstechnik ausgenugt werden. Bevor Flugboote, die sowohl in der Luft als auch auf dem Baffer verwendet werden tönnen, prattifche Bedeutung gewinnen, wird man für den Flug über die Ozeane fich großer, Schneller Luftfchiffe bedienen müffen, und man denft jetzt an den Bau von großen Luftschiffen, die außer der Bemannung und einigen Tonnen Bost 160 Bassagiere mitführen. Wenn diese Pläne verwirklicht sein werden, dann wird man, wie Harry Harper in einer englischen Fachzeitschrift mitteilt, in 14 Tagen und nach der Durchführung eines noch besseren Systems in etwa 10 Tagen rund um die Erde
In treuer Pflichterfüllung für sein Vaterland gefallen". Und persönlich tat der eitle Renommist das Gegenteil von alledem: er schlug seine Fänge" in Holland ein, aber ni erobernd, sondern hilfeflehend sich anklammernd..
August Bebel: Die Schrift Schlichtheit, der Namenszug ohne Bose. Die Gedanken des Schreibers: bei einer besseren Zufunft, beim Glück seiner Mitmenschen.
Wilhelm schwärmt vom Tode seiner Untertanen, Bebel davon, wie einst ewiger Friede die Menschheit beglücken, Harmonie thr Dasein erfüllen wird und er kämpft dafür, er handelt nach seinen Worten.
Zwei Autogramme
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zwei Welten!
P. S. Ironie der Weltgeschichte der Auktionskatalog schäßt Wilhelms Autogramm mit 1200 Mart ab, Bebels mit 12 Marf! Blutige Ruhmsucht eines Psychopathen verhält sich zur Menschheitsliebe eines wahrhaft Großen im Sammlerhirn mie 100 zu 11
E. K.
reifen können. Ein solcher Flug um die Erde wird sich etwa fol. gendermaßen vollziehen: Man steigt in San Franzisko auf und fliegt in einem der schnellsten Lugusflugzeuge über Nordamerika bis nach New York , wo der Reisende und sein Gepäd fofort in ein großes Luftschiff umsteigen, dessen Typ bereits feststeht. Mit diesem Fahrzeug reist man nach Paris oder Berlin , und in fin hefteigt man einen sogenannten Luftschlafwagen", mit dem man ostwärts über Rußland bis nach Tofio fliegt. Dort steht bereits ein anderes großes Luftschiff bereit, das den Reisenden über den Stillen Ozean nach San Franzisto zurüdführt. Der Reisende, der mit dem Luftschiff non New York nach London gelangt ist, kann auch im Flugzeug von London über Paris und die Schweiz nach Italien fliegen. Dort wird er in ein großes Flugboot, ein wirkliches„ Luftschiff" umsteigen, das ihn nach Aegypten trägt. Unter abwechselnder Be nutzung von Landflugzeugen und Flugbooten geht es dann nach Australien , während der letzte Teil der Reise über den Stillen Oze wieder im Luftschiff zurückgelegt wird.