(Beilage Sonnabend, I.Juni 1929
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Wer ist Zaharof f? Abenteurer, Munitionslieferant, Multimillionär und Kriegsanstifter
Richard Lewinsohn-Morus nennt das Buch, das er über den Krösus Zaharoff schrieb„Der Mann im Dunkel, die Lebensgeschichte des mysteriösen Europäers"*). Der Knabe Bastleios, aus armer Oriechenfomilie, fällt in Konstantinopel durch seinen hellen Blick einem reichen Landsmann aus. Er schickt ihn aus sein« Kosten in die englische Schule. Der Junge lernt, aber daneben betätigt er sich schon als Halbwüchsiger, geldwechselnd und den Fremden- führcr spielend. Als er 20 Jahr« zählt, bietet ihm ein Onkel, Tuch- Händler in Galata , an, ins Geschäft einzutreten. Da kommt«in Zwischenfall, und immer noch spukt die Geschichte im Orient, er sei als Betrüger aus Stambul entflohen. Zaharoff schildert die Ding« anders: Sein Onkel Hab« ihm wegen seiner Tüchtigkeit ein« Tan- tieme versprochen und sein Wort nicht gehalten. Da habe er das Haus verlast«», zuvor aber die Summe, die ihm der Onkel schuldet«, aus der Kaste entnommen. Gewiß ein« etwas levantinische Abrech- nungsmethode! Der junge Zaharoff fährt nach England, der Onkel Tuchhändler aber wendet sich an die Polizei und eines Tages ist Baslleios verhaftet. Im Prozeßverfahren wird er freige- sprachen, aber ein Makel bleibt. Er geht von London nach Athen , doch was er im Westen gelernt hat, bleibt ihm von Nutzen. In die griechische Hauptstadt folgt ihm der üble Ruf, den ihm die Londoner Untersuchungshaft einbrachte. In der balkanischen Mittelstadt schneidet ihn die Gesellschaft. Er hat nur einen Gönner, den Politiker Skuludis , den späteren Ministerpräsidenten. Noch einmal scheint es dann ganz bergab zu gehen. In einer Athener Zeitung wird er als Mörder bezeichnet, der— man nutzt« eine kurz« Abwesenheit aus— bei einer Flucht aus dem Gefängnis erschossen sti. Bei seiner Wiederkchr nimmt ihn Skuludis mit doppelter Sorg- falt unter sein« Fittiche. Aber er führt doch ein Zigeunerleben. Da telegraphiert eines Tages die englische Rüstungsfirma des geborenen Schweden Norde nfeldt an Skuludis die Frage, wen er für die Orientgefchäft« des Hauses empfehlen könnt« Etienne Skuludis empfiehlt Bafil Zaharoff. Am 14. Oktober 1877 schließt die Epoche der kleinen Abenteuer, die ganz großen Abenteuer be- ginnen. Oer Aufstieg beginnt. Jetzt fährt, schreibt, telegraphiert er, von Athen nach Konstanti- nopel, von Sofia nach Belgrad , von Bukarest nach Wien . Es ist die Zeit, da nach dem Berliner Kongreß die kleinen, neugeschaffenen Balkanstaaten rüsten, rüsten und wieder rüsten. Hochkonjunk- tur für Reisende in Waffen! Di« Beziehungen zwischen Griechenland und der Hohen Pforte sind gespannt, Zaharoff ver- kauft an beide Regierungen. Zwischen Serbien und Bulgarien droht Krieg: Zaharoff ' verhandelt mit Belgrad und Sofia . Das Hrst? Unterfeeboot vertäust die Firma. Nordenfeldt. durch Zaharoff an das kleine, verschuldet« Griechenland . In Wien düpiert er den Amerikaner Maxim bei der Borsührung des berühmt ge- wordenen Schnellfeuergewehrs. Aber nachdem der Grieche dem Amerikaner sein« Geschäftstüchtigkeit gezeigt hat. weih er ihn zu gewinnen, in das Haus Nordenfeldt einzutreten. Es ist ein gut aus- gebauter Rüstungskonzern. Er. besitzt Waffenfabriken in England und in Schweden , ein Eisenwerk in Bilbao in Spanien und alle möglichen Nebenbetriebe, und er besitzt— Zaharoff. Die Nordenfeldt Guns u. A m m u ni t i o n Co. Ltd. und die Maxim G u n E o. werden im Jahre 1888 zu einem einheitlichen Unter- rnhmen verschmolzen. Im Zeichen des Rüstungswahns. Basti Zaharoff ist schon längst über die Stellung eines Agenten hinausgewachsen, er hat schon durch den Aktienbesitz, den er sich ver- schaffte, ein gewichtiges Wort im Haus« Maxim-Nordenseldt mit- zureden, als sich die große englische Rüstungssirma B i ck e r s mit dem Angebot meldet, man solle sich zusammenschließen. Im Jahre 1897 geht die inzwischen umgetaufte Maxim Guus u. Ammunition Co. für etwa Ab Millionen Mark an Bickers über. Zaharoffs Wirkungskreis vergrößert sich immer mehr. Europa , die ganze Welt ist im Rüstungswahn. Bickers, Armstrong, Krupp , Schneider- Ereuzot, Skoda , Putiloff und die Amerikaner führen untereinander einen Krieg der Lieserungen, um für einen Krieg der Menschen, einen Krieg zwischen den Völkern die Vorbedingungen zu schassen. Der englisch « Vickers hat seinen Sohn zum deutschen Krupp in die Lehre geschickt, in Spanien sind die Vertreter der Rüstungskonzerne aller Länder Zusammen, um ihre Ware für den Krieg gegen die Bereinigten Staaten von Amerika anzubieten. Vickers, die englisch « Firma, liefert den B u r e n die Maschinen- gewehre. mit denen sie sich gegen die Engländer verteidigen. Di« Konkurrenten erleichtern einander das Handwerk. Sie spielen sich die Bälle zu. Di« Rüstungsindustrie hat Einfluß auf die Press« und die Kriegsministerien. Man muß das Schwert scharf halten! Ein Höllentanz der Lieferung von Mordwaffen ist im Gonge: Zaharoff ist einer der Vortänzer. Das größte Pro- fekt, da? er unter Dach und Fach trägt, ist der Bau eines gewal- t!gen Waffen- und Munitionsarsenals in Zarizyn an der Wolga . Das Unternchmen, sofort mit einem Kapital von öl) Millionen Mark ausgestattet, führt zwar den Namen„Russische Artillerie- werke Gesellschaft", aber Vickers und Schneider-Ereuzot verfügen über einen großen Teil des Gründungskapitals. Die Tripleentente der Rüstungsindustrie ist unter Zaharoffs Führung geschlossen, doch übernehmen die österreichischen, Skoda- Werke friedlich neben den„Feinden" ein Aktienpaket von Putiloff, und die Hamburger werft BloHm u. voß hilft bei der Znslandsehung der russischen Newawerf«. Ein Mitglied der Familie Loewe von der Deutschen Wasfenfabrik Loew« u. Co. g«. hört als Direktor der englischen Vickers-Verwaltung an. die Kriegsindustrie ist international. Am 31. Juli 1914, an dem unser Jean Jaures das erste Opfer des Kriegswahnsinns ward liest man im„Journal Officiel", daß Zacharias Basil Zaharoff durch' den Präsidenten der französischen Republik zum Kommandeur der Ehrenlegion ernannt worden ist
') Richard Lewinfoha-TNorus:„Der Mann Im Dunkel", e Lebensgeschicht« Sir Basil Zaharoffs, des.mysteriösen Euro. iers", 1929. S. Fischer-Verlag. Berlin .
Die«.Große Zeit'. Die„Große Zeit" beginnt. Die Spesen der Rüstungsindustrie hatten sich gelohnt, die Ernte wird reich. Die Gesamtpro buk- tion der englischen Rüstungsindustrie allein wäh- rend- des Krieges weiß phantastische Zahlen: 2S 000 Geschütze, 240 000 Maschinengewehre, 4 Millionen Gewehre, 258 Millionen Schrapnells und Granaten, 10 Milliarden Patronen! Vickers- Zaharoff sind an Lieferungen und Gewinnen hervorragend beteiligt. Das Vermögen des kleinen Abenteurers aus der Levante ist schon jetzt ins ungemessene gestiegen. Da, gerade da, wo er ganz Europäer, Westeuropäer geworden war, muß wieder der gebürtige Grieche Zaharoff m Erscheinung treten. Athen soll mitmachen, das Heimatland des großen Rüfwngslieferanten soll in den Krieg eintreten. Das Foreign Office und der Quai d'Orfayi London und Paris verlangen es, halten es für notwendig. Zaharoff gibt Millionen, gründet Zeitungen, Nach- richtenagenturen, Spionagebureaus. Er schafft es, König Kon- stantin wird gestürzt, V c n i z e l o s erklärt den Mittelmächten den Krieg. Der Ausgang des Krieges führt Zaharoff auf den Gipfel der Macht und des Reichtums. Der König von England verleiht ihm das Großkreuz des Bathordens. Dadurch wird der kleine Frem- denführer aus Stambul englsicher Sir. Frankreich gibt ihm das Großkreuz der Legion. Universitäten schmücken ihn mit dem Doktor- titel bonoris causa. Eine verlorene Partie. Jetzt kommt des großen verwegenen Abenteurers größtes, ver- wegenftes Abenteuer: der griechische Staatsmann, der Bater Groß- Griechenlands , Eleutherios Venizelos . und Basil Zaharoff sitzen zu- sammen in Poris, um«inen neuen Krieg vorzubereiten und Anatolien zu erobern. Es geht um Provinzen, um Länder. Der griechisch-türkifche Krieg 1921 ist Zaharoffs persön- licher Feldzug, ein Feldzug, der— uird hier verläßt den Griechen, der für Griechenloird etwas will, zum ersten Male der Verstand auf Kosten des Gefühls— die ganz große, die welthistorische Ehance ist. L l o y d G e o r g«, der englische Premier, ist auf Seite von Venizelos . Frankreich freilich ist türkenfreundlich. Des griechischen Staatsmannes wertvollster Bundesgenosse ist Basil Zaharoff . Venizelos leitet die Offensive gegen die Türken in Kleinasien ein.
Der Feldzug verläuft siegreich: Griechenland erhält Smyrna als Mandatsgebiet. Hat Zaharoff gesiegt? Ein nie geklärtes Ereignis ändert die Lage von grundauf. Der junge Griechenkönig Alexan- der ist, die einen sagen, von einem Affen gebissen, die anderen sagen, ermordet worden. Die Thronfrage wird aufgerollt. Der Bricher des Verstorbenen, Georg(Morus nennt ihn den Jüngeren, tatsächlich ist es der Aeltere) will nicht König werden, solange sein Vater lebt. Venizelos erhält ein Mißtrauensvotum, der vertriebene Konstantin wird nach Athen zurückgerufen. In Angara hat man ein« Gegenoffensive vorberestet, die griechisch« Armee wird vernichtend geschlagen, das brennende Smyrna ist in der Hand der Türken. Zaharoff hat die ganz große Partie verloren. Man stellt sich um. Politische Folgen kommen. Lloyd George , der ganz den Rot» schlügen des neugebackenen englischen Sir Zaharoff gefolgt sein soll, wird heftig angegriffen. Man spricht von einer Politik ä la Zaharoff von Aegypten bis Indien , der Schatten wächst ins ungeheuerliche. 800 Millionen Mark, sagt ein Abgeordneter im Unterhaus, hat Zaharoff für die Ausrüstung der griechischen Streitkräfte ge- geben. Di« Folge war das Chaos im Orient, und England hatte den Wahnwitz unterstützt. Lloyd Georges Sturz ist nicht zum wenigsten auf diese Katastrophe zurückzuführen, und die miß- glückte Orientexpedition wäre für Zaharoff wahrscheinlich auch finan- ziell schwerer ausgelaufen, wenn er nicht über große Reserven ver- fügt hätte. Jetzt wirft er sich aufs Oel und investiert in wenigen Monaten ein« halbe Milliarde Mark Kapital durch Vickers und die anderen Konzern« seines Einflusses. Es geht auf und ab; Un- summen werden verloren, Unsummen werden gewonnen. Basil Zaharoff , trotz aller Verluste, schwimmt oben. Damit das Groteske in diesem phantastischen Leben nicht fehle: Als über Siebzigjähriger kauft Zaharoff die Spielbank von Monte Carlo . Ein kluger Spieler aber verläßt den Tisch, wenn er die Partie gewonnen hat. Zaharoff zieht sich zurück. Mit 75 Iahren heiratet er eine Jugendliebe, eine Frau aus dem spani- schen Hochadel. Sie stirbt nach einem Jahr«. Heut« sitzt Zaharoff, fast achtzigjährig, in seiner Villa in Paris . Er fft ein verbitterter, lebensmüder Greis. Henninx Duderstadt.
Erlebnis im
Mittags im D-Zug Berlin — Dortmund , lleber aufgetürmt« Gepäckstücke und durch suchend« und sich stoßende Menschen hinweg erobere ich mir endlich einen Platz im Nichtraucherkoupe der dritten Klasse. Mir gegenüber sitzt ein stämmiger Mann im Arbeits- anzug mit Gamaschen und schweren Stiefeln. Vogelgezwilscher über mir veranlaßt mich, weiter im Abteil Umschau zu hatten. Da sitzt wahrhaftig im Gepäcknetz kreuzfidel ein Kanariettvogel im engen Holzbauerchen und trillert un- bekümmert um Rattern und Donnern des nun schon in voller Fahrt dahinbrausenden Zuges seine süßen Weisen. Neben mir sitzt ein« hochgewachsene blonde Frau mit Händen, denen man ansieht, daß sie oerstehen, fest zuzupacken und ordentlich zu wirtschaften und die augettblicklich einen leise weinenden kleinen, vielleicht drei- jährigen Buben, zärtlich schaukeln, der sich auch durch das Singen seines Bögelchens nicht ganz trösten lassen will. Neben ihr ein hübscher blonder, etwa zehnjähriger Junge, und endlich ein frisches, natürliches rotbockiges Mädel von e Ow a 13 Iahren. Ein wenig Beobachtung zeigt, daß sie all« zusammengehören: ein vorsichtig angebahntes Gespräch ergibt weiter, daß die Fa- milie 24 Stunden auf der Bahn liegt und von einem e n t- legenen o st preußischen Gut abgefahren ist. Die Traurig- keit des Bübchens ist also mit Reisemüdigkeit hinreichend entschuldigt. Einig« bittere und scharf-schmerzliche Worte des Mannes und das wehe Zucken um den Mund der Frau bei seiner Rede zeigen, daß es sich um Auswanderer handelt, die— schwer enttäuscht und verbittert— wie so viele andere Landarbeiter Ostpreußen den Rücken kehren und vorerst nur die beiden ältesten Söhn« noch in Ostpreußen als Stallschweizer zurückgelassen haben. Di« vorsichtige Zurückhaltung weicht endlich völliger Offenheit, als man in mir den Parteigenossen erkennt, jlnd nun höre ich von dem Mann sein Schicksal. Am Kriegsende durch günstige Kontrakte nach Ostpreußen als Oberstallschweizer gelockt, verläßt der geborene Westfale mit Frau und Kindern Westdeutschland und geht ins Iunkerparadies Ost- preuhen. Erst« Enttäuschung: Die günstigen Kontrakte werden von den Besitzern, die sich übereitt zum Engagement eines Oberschweizers durch irgendeine Propaganda haben überreden lassen, nicht gehalten. Drei- oder viermal schwere Einbußen an Geld und Arbeitskraft: nach Arbeiten in sozial und wohnungs- mäßig haarsträubenden Verhältnissen, nach mutigem Ankämpfen gegen Tarifbruch des Besitzers und Streikbruch feiger, gelber Ele- ment«—„Ja", bricht es aus der eifrig zuhörenden Frau impulsiv heraus,„wenn die Arbeiter sich nur nicht immer gegenseitig in den Rücken fallen würden und mehr E i ni g k e i t h ä t t e n!"— ist er mit dem fertig, was er als Erlös seines bißchen Hab und Gut im Industriegebiet' mitgebracht hatte. Zäh, mit zusammengebissenen Zähnen, fängt er auf einer neuen Stelle von unten an, sein« Existenz wieder aufzubauen.„Was glauben Sie," sinniert er nachdenklich, die kallgeworden« Pfeife zwischen dtn Zähnen hin- und herschiebend,„haben wir ausgehalten! Ab und zu kam man an einen Besitzer, der ein Mensch war und uns anständig behandelte, aber oft waren es Herren, die ihr« Leute so schlecht behandelten und so gering- schätzten, daß sie das nicht ihren Hunden geboten hätten, die es besser hatten als wir. Für diese Herren waren wir einfach kein« Menschen, sondern Arbeitsvieh ohne jeden Rechtsanspruch und ohne jede Schonung. Dazu di« zermürbende
Arbett, die oft genug Morgens um 3)4 Uhr im Sommer begann und bis in den tiefen Spätnachmittag währte. Und endlich: fast überoll grauenhaft schlechte Wohnungen, nicht brauchbare Oefen. In diesem furchtbar strengen Winter, wo um unser Häuschen VA Meter hohe Schneemauern— so hoch wie das Häuschen selbst— lagen, versagte der Osen auch bei Ueberfeuerung wegen seiner Schadhaftigkeit vollkommen. Wir legten den Kindern Wärmeflaschen' in die Betten, und das Wasser gefror in den Wärme- f l a f ch e n zu Eis." „Der Kleine da," rief die Frau dazwischen,„unser Nod>kömm- ling, hat wochenlang während dieser Kälte in unserer einzigen Stube mit schwerer Lungenentzündung gelegen, und der Arzt fürchtet, daß er an der Punze etwas zurückbehalten hat." Zärtlich streichelt die rauhe arbeitsgewohnte Hand den jetzt endlich«in- geschlafenen kleinen blondschöpfigen Kerl. „Und ist es da«in Wunder, Genosse," sagt der Mann be- kümmert,„wenn jeder Arbeiter, der irgendwie kann, aus Ost» preußen herausgeht? Da schreien die Herren über die Leutenot und holen sich die polnischen Arbeiter herein, aber den deutschen Arbeiter treiben sie mit ihrer hundssd)lecht«n Behandlung und der unmenschlichen Arbeitsforderung, mit den schlechten Löhnen und Wohnungen einfach aus dem Lande heraus!" „Aber„national" find diese großen Herren!" sagt die Frau schneidend. „Jetzt haben wir alles dort verkauft." fährt der Mann fort, „mit dem Herrn mußte ich noch vors Arbeilsgericht, weil er mir nicht alles herausgeben wollte, was mir zukam, und ich gehe nach Westfalen zurück, wieder ins Kohlenbergwerk. Dort wird man wenigstens als Mensch behandelt. Ich tonnte es ein- fach mit diesem Schnauzen, Kujonieren und Herrenmanieren nicht mehr aushalten: Mein Schwager hat in Westfalen ein kleines Siedlungshaus und gibt mir erst mal ein Zimmer ab. Dann werden wir uns schon weiter helfen. Wenns auch vielleicht schwer ist— aber wir werden als Menschen leben." Wir schweigen. In den wenigen Worten liegt das Schicksal einer Familie starker, breiffchultriger, zäher arbeitswilliger Menschen durch zehn Jahre hindurch beschlossen. Was muß man diesen ge- duldigen und ruhigen Mensäzen, die hoffnungsfreudig, bereit ,zu jedem Schassen und voll von bestem Willen nach Ostpreußen kamen, geboten, was ihnen wieder und wieder angetan haben, bis diese zur festen Verwurzelung in ihrer neuen Heimat entschlossenen Menschen Schluß machten und— bei fünf Kindern!— keinen anderen Ausweg mehr sahen, als ihr bißchen Hab und Gut erneut zu verkaufen und zum zweitenmal ins Ungewiss« hinaus wieder in eine andere Umwelt, in den alten Beruf, zu gehen? Nicht so sehr die Not, nicht einmal allein Wohnungselend.— nein die brutale H«rrenmanier einer Kaste, die noch immer nur seinesgleichen als Mensch anerkennt und leine Mitarbeiter. sondern nur Packvieh und Knechte um sich will. So ziehen Jahr für Jahr die besten, intelligentesten Arbeitet aus dem mehr und mehr leergebluteten Ostpreußen heraus: unauf- haltsam wächst der Strom der Auswanderer. Wann wird der Retter kommen, diesem armen Ostpreußenlande, der den Großgrundbesitz und den Herrenwillen einer brutalen Junker- und Pächterkaste zerschlägt und dem Landarbeiter dort di« Möglichkett zum gleich» berechtigten Schaffen auf o st preußischer Erd« gibt?