7!r. 255- 4«. Jahrgang �00 Dienstag, 4. Zum �929
Die Vereidigung des Oberstaatsanwalts Oer große Tag im Prozeß Rogens-Zakubowski.
L. R. Neustrelih. 3. Juni. (Eigenbericht.) Der einzige lichte Moment in der heutigen äußerst trüben Gc- richtsverhandlung war die Aussage des 38jährigen Landgerichtsrats Klingenberg, einer der Beisitzer im Jakubowski-Prozeß.„Ich war sür die Begnadigung Jakubowskis/ sagte er,„da das Todesurteil auf Grund eines Indizienbeweises gefällt war. Meiner Ansicht nach dürfen derartige Todesurteile nur unter außerordentlichen Umständen vollstreckt werden." Auch darüber ließe sich selbstverständlich streiten. Gegenüber der Selbstsicherheit des Ministers a. D. ch u st ü b t, eines Mannes, der 13 Jahre Richter war, und dem Landgerichtsdirektor von Buchta, dem Vorsitzenden im Jakubowski-Prozeß, bedeutet dieser Satz jedoch einen Fortschritt. Der Minister a. D. chustädt, seines Zeichens Demokrat, bewegt« sich im Gerichtssaal vor dem Zeugentisch, als besände er sich in einer Agitationsoersammlung, mit der s)ond in der Hosen- tojche. Er beklagte sich bitter darüber, daß er wegen seines Bcr- Haltens im Falle Jakubowski während der Wahlkampagne in den Schmutz gezogen sei und bewies gleichzeitig durch seine Aussagen, daß die Vorwürfe, die ihm gemacht worden sind, zu Recht be- st a n d e n haben. Er wies voller Empörung die Unterstellung zurück, er habe seiner Verwunderung darüber Ausdruck gegeben, daß man wegen eines Hingerichteten Russen soviel Aufhebens mache— um im Äugenblick, da er vereidigt werden sollte, zuzugeben, daß er wirklich gesagt habe, er begreife nicht das große Aussehen, das die Hinrichtung Jakubowskis zum Schaden Deutschlands errege, während ja in Rußland Hunderte hingerichtet werden. Auch ein Ärgumentl Gleich ihm verteidigte das Todesurteil auch der Landgerichtspräsident von B u ch k a mir viel Aufwand von Stimmen und innerer Erre- gung. Er mußt« vom Vorsitzenden zu einer ruhigen Haltung gemahnt werden. Schade, daß er nicht Gelegenheit genommen hat, die Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen zu hören, die seinen Kronzeugen Hannes Rogens als einen kompletten Idioten erklärten, der unter keinen Umständen die an ihn gerichteten Fragen habe ver- stehen können! Morgen wird man Kreuzfeld zu hören bekommen. * Im weiteren Verlauf der Vernehmung des Oberstaatsanwalts a. O. Müller, des Anklägers im Jakubowski-Prozeß, fragt R.-A. Dr. Brandt: Warum haben Sie die Haftentlassung von Blöcker und August Rogens beantragt in dem Augenblick, als beide bereits vor der Kriminalpolizei zugegeben hatten, einen Meineid geschworen zu haben. Oberstaatsanwalt a. D. M ü l l e r: Mir gegenüber haben sie das nicht zugegeben. Dr. Brandt: 5iatten Sie vor der Haftentlassung eine Konferenz mit Minister H u st e d t und Präsident v. B u ch k a? Zeug« Müller: Rein, vorher bestimmt nicht. Eine Konserez hat, soweit ich mich erinnere, nachdem stattge- funden. Dr. Brandt: Hatten Sie nicht schon vorher den An- trag auf Eröffnung der Boruntersuchung entworfen? Haben Sie ihn nicht nach der Konferenz zerrissen? Zeuge: Nach meiner Erinnerung nicht. Dr. Brandt: Ich muß Ihnen vorhalten, es wäre doch ein ungewöhnlicher Vorgang, wenn ein Staats- nn>palt einen Antrag, zu dem er entschlossen ist, wieder zerreißt.' Zeuge Müller: Sie haben mir keine Vorhaltungen zu machen! Rechtsanwalt Dr. Brandt: Herr Oberstaatsanwalt. Sie kennen die Strafprozeßordnung nicht. Ich habe schon einmal Ihnen vorhalten müssen, daß Sie mir eine falsche Auskunst gegeben haben! Vors.: Ein Verteidiger darf zwar kein�Vorhaltungen in der Dorwursssorm machen, aber er kann Dinge ins Gedächtnis
zurückrufen. Ich kab« kein Bedenken, in-dieser Form eine Vor- Haltung zuzulassen, aber ich kann ja hierüber einen Gerichts- b e s ch l u ß herbeiführen. Nach kurzer Beratung des Gerichts teilt der Borsitzende mit, daß das Gericht die Frage für zulässig halte. Eine positive Anrede gehört zur Fragestellung. R.-A. Dr. Brandt fragt nun weiter: Haben Sie eine Gegenüberstellung der- jenigen Angeschuldigten vornehmen lassen, die sich gegenseitig be- schuldigten? Zeuge Müller: Ich glaube nicht. Auf Fragen des A o rs itz enden bekundet der tgeuge Oberstaatsanwalt a. D. M ü l l e r, er habe einen D o t m c t s ch e r in der Verhandlung gegen Jakubowski nicht für nötig gehalten. Ein Antrag aus Zuziehung des Dolmetschers sei auch gar nicht g e st e l l t worden. V o r s.: Was war die Meinung des Rechtsanwalts Koch? Zeuge Müller: In der Paus« vor meinem Plädoyer sagte Koch zu mir:„Was soll ich da noch viel reden? Die Sache ist ja ganz klar. Jakubowski hat es offenbar gemocht." Ich habe das auch dem M i n i st e r i u m sofort mitgeteilt. Dr. Brandt: Können Sie sich erklären, daß Rechtsanwalt Koch seine Meinung nach Ihrem Plädoyer so grunb» legend geändert hat? Das wird doch nicht auf Ihr Plädoyer zurückzuführen gewesen sein?(Heiterkeit.) Zeuge Müller: Er ist wohl trotz seiner vorausgegangenen Aeußerung wieder anderer Meinung geworden. R.-A. Dr. Brandt: Regierungsrat S t e u- ding hat einmal einen Steckbrief gegen Fritz Rogens erlasien. Daraufhin haben Sie ein Strafverfahren gegen Steuding wegen Freiheitsberaubung eingeleitet mit dem Vermerk:„Ruht bis zum Abschluß des Versahrens gegen Jakubowski." Zeuge Müller: Ich war der Ansicht, daß Steuding nicht zum Steck- brief berechtigt war. Deshalb habe ich mir diese Notiz ge- macht, daß viellicht eingeschritten tberden müßte. Dr. Brandt: Warum aber erst nach Erledigung) des Prozesses? Das sieht doch so aus, als ob nur eingeschritten werden sollte, wenn Sie gesiegt hätten! Das Einschreiten war doch aus jeden Fall Ihre Pflicht? Zeuge Müller: Es ist nicht Pflicht des Staatsanwalts, sofort einzuschreiten, er soll im Gegenteil abwarten, bis genügend An- haltspuntte vorliegen. Rechtsanwalt Dr. Brandt: Auch der Staatsanwalt unterliegt dem Gesetz! Oberstaatsanwalt Weber: Tatsächlich war die Verfolgung Steuding? objektiv unzulässig. Fritz hatte sich nämlich der Verwahrung entzogen, deshalb war der Steckbrief berechtigt. Es ist ungewöhnlich, daß ein Beamter verfolgt werden soll. Sie sagten, Sie hätten kein Interesse an der ganzen Geschichte gehabt? Zeuge M ü l l e r: Ja. Es tut mir auch leid, daß diese Leute hier(der Zeug« weist auf die Angeklagten hin) damals uns allen die Hucke vollgelogen haben.— Es folgt die Vernehmung des früheren Staatsministers Hustädt über die Ablehnung des Gnadengesuchs für Jakubowski. Dr. Hustädt, der zusammen mit dem Minister Schwabe den Gnadenakt ablehnte und die Boll st reckung des Urteils verfügte, setzt eingehend die Gründe auseinander, die das Ministerium zu dem ablehnenden Schritt veranlaßten, und erklärt dabei: Der Justizreferent des Ministeriums, Dr. P a g e l, hat wiederholt betont, er habe den festen Eindruck, daß an der'schuld Jakubowskis nicht dermindesteZweifel bestehe und daß Jakubowski nach seiner festen Ucberzeugung mit vollem Recht zum Tode verurteilt worden sei. Die Revision wurde vom Reichsgericht verworfen. Zwei Wiederaufnahmeverfahren wurden abgelehnt. Ich selbst habe mit ganz besonderer Gründlichkeit das Beweismaterial durchprüft. Aus das starke Leugnen Jakubowskis konnten wir e r- fahrungsgemäß kein besonderes Gewicht legen. Jakubowski war auch vorbestraft. Ganz unerhört fand ich es, daß der Pfarrer schrieb, er und seine Kollegen seien der Änsicht, daß die Hinrichtung nicht erfolgt wäre, wenn es sich bei dem Täter statt um einen Russen, etwa um einen Mecklenburger gehandelt hätte. Auch der Brief, den Rechtsanwalt Dr. Koch einen Tag vor der Hinrichtung an mich richtete, bot keinen Anlaß, jetzt plätzlich noch die B e g n a d i-
u n g auszusprechen. Natürlich war es für uns ein außerordentlich 'werer Entschluß. Es folgt die Vernehmung des Vorsitzenden des. Schwurgerichts, des Präsidenten von Buchika, der das Todesurteil verkündete. Buchka macht seine Aussage sehr vorsichtig, in langsamer Sprechweise. Er macht gleich eingangs daraus ausmertsam, daß er in den letzten vier Jahren viel erlebt habe und daher keine s e st e Erinnerung mehr an die Hauptverhandlung gegen Jakubowski besitze. Der Zeuge weiß nicht mehr, daß er damals auf den Tisch geschlagen imd zu August Rogens gesagt haben soll: Wenn ich nicht wüßte, daß Sie gar nicht in Balingen waren, dann würde ich überzeugt sein, daß Sie der Mörder sind. R.-A. Dr. Brandt: Haben Sie in der Hauptverhandlung Anhaltspunkte für Ihr« These bekommen, daß Erdrosseln immer Schreie auslöst? Zeuge: Es sind eine ganze Reihe von Sachverständigen bei dem Lokaltermin dabeigewesen. Alle dies« Feststellungen sind ja dann im Schoß« des Gerichts beschlossen worden. R.-A. Dr. Brandt: Also Sachverständige wurden nicht danach gefragt? Zeuge: Das glaube ich nicht. Eine lange Erörterung entspinnt sich über die Frage der Vereidigung des Oberstaatsanwalts Müller, die Rechtsanwalt Dr. Brandt wegen Verdachts der Be- günstigung nicht vorzunehmen beantragt. Müller habe sein Amt dazu verwandt, die Aufklärung des Falles zu verhindern. Oberstaatsanwalt Dr. Weber beantragt die Vereidigung, weil keinerlei Verdacht vorliege.— Der Zeuge selbst betont sein ehrliches Bestreben, die Wahrheit zu finden. Nach Vereidigung der Zeugen v. Buchka und Hustädt tritt eine Mittagspause ein. In der Nachmittagssitzung verkündet der Vorsitzende zuitzichst den Beschluß, daß Oberstaatsanwalt Müller vereidigt wird, da ein Verdacht der Begünstigung nicht gegeben sei. In einer Erklärung wendet sich.R.-A. Dr. Brandt gegen die Angriffe, die Minister H u st ä d t heute vormittag gegen Regierungsrat Steuding ge- richtet habe, und die geeignet seien, die Ehre dieses Beamten in der Oeffentlichkeit herabzusetzen. Äuch der Oberstaatsanwalt bezeichnet diese Angriffe als geradezu unerhört. Amtsgerichtrats K l i n- g e n b e r g, beisitzender Richter im Verfahren gegen Jakubowski, bestätigt, daß Jakubowski in der Verhandlung schließlich z u g e- geben habe, den Dorsweg bis zu den Steinen in der Nähe der Kate gegen 6 Uhr abends gegangen zu fein. Im übrigen habe er es für votsam gehalten, ein Todesurteil, das aus Indizien beruhe, nicht zu oollstrecken. Ein« Bollstreckung sei wohl nur bei besonders gelagerten Fällen am Platz«. Hieran schließt sich die Vernehmung der S a ch v e r st ä n d i- gen über die Todesursache auf Grund des Leichenbefundes. Die Anklage nimmt Erwürgen mit der Hand an. Oer blöde Hannes. Der Sachverständige Obermedizinalrat Starke hat den blöden Hannes Rogens in seiner Anstalt behandelt. Er hält ihn für einen Idioten, nicht für einen Schwachsinnigen. Nachdem er eine Zeitlang hmvegetiert hatte, wie viele andere, sei Hannes an schwerer Tuberkulose zugrunde gegangen. Ein solcher Idiot könne sehr gut einen Menschen seines Lebenskreises richtig bezeichnen, wie es Hannes bei Jakubowski getan habe. Vor Gericht sei er aller- dings wohl durch die Menge Menschen eingeschüchtert. Ober- st a a t s a n w a l t: Ist es möglich, ihm eine Lüge nahezulegen? Sachverständiger: Das ist sehr schwer. Dr. Brandt: Glauben Sie, daß er vor Gericht den Jakubowski tatsächlich als den wieder- erkannt hat, der ihn ausgesucht hat? Sachverständiger: Das glaube ich nicht. Ich glaube vielmehr, daß er mir aus dest Namen Joseph reagiert hat, als er im Gerichtssaal auf Jakubowski hinwies. Prof. Aschaffenburg , Direktor der. Psychiatrischen
dach£ondon:
(Beredlügte Uebersetzung von Erwin Magnus ). Sogar sein Geselligkeitstrieb ließ nach. Er spielte am liebsten allein und verachtete die meisten seiner Mitspielenden. Da er weder Sympathie noch Verständnis für sie hatte und unabhängig von ihnen war, gab er sich nur wenig mit den Männern ab, die er zum Beispiel im Alta-Pacific-Klub traf. Als der Kampf mit den Schiffahrtsgesellschaften am heißesten tobte und seine Angriffe unberechenbaren Schaden in der Hafenwelt anrichteten, wurde er sogar aufgefordert, aus dem Klub auszutreten. Das paßte ihm im Grunde genommen ausgezeichnet, und er schlug sein Quartier jetzt in den Klubs auf, die von den eigentlichen Machthabern der Stadt ge- gründet waren und unterhalten wurden. Diese Männer ge- fielen ihm tatsächlich besser. Sie waren ehrliche Seeräuber, die freimütig erklärten, daß sie nur um des Gewinnes willen spielten und sich nicht hinter eleganter Heuchelei versteckten. Der seit Monaten tobende Sturm der gesamten Presse hatte an Daylights Charakter nicht ein Tüttelchen Gutes ge- lassen. Es gab keinen Punkt in seiner Geschichte, der nicht zum Verbrechen oder zum Laster verzerrt war. Der Um- stand daß er auf diese Weise öffentlich zu einem schändlichen Ungeheuer gestempelt war, hatte fast die letzte schwache Hoff- nung in ihm ertötet. Dede Maion näher kennenzulernen. Er fühlte daß ein Mann seines Kalibers nicht die geringste Aussicht hatte, mit freundlichen Augen von ihr angesehen zu werden und nur durch eine Gehaltserhöhung auf funfund- siebzig Dollar den Monat konnte er sie zwingen, an ihn zu denken Die Aufbesserung wurde ihr durch Morrison mitge- teilt, sie bedankte sich später bei Daylight, und damit war die Sackze erledigt.... Als er sich eines Sonnabends mude und von der Stadt bedrückt fühlte, gehorchte er einer Eingebung, die eine große Rolle in seinem Leben zu spielen bestimmt war. Der Wunsch. aus der Stadt zu flüchten, frische Landluft zu atmen und ander« Eindrücke zu erhalten, war die Ursache. Aber vor sich
selbst entschuldigte er sich damit, daß er nach Glen Ellen wollte, um die Ziegelei, die er einmal Holdsworthy zuliebe gekauft hatte, zu besichtigen. Er verbrachte die Nacht in einem kleinen ländlichen Gast- Hof und ritt am Sonntagmorgen aus dem Dorfe. Alles, was irgendwie ans Geschäft erinnerte, hing ihm zum Halse her- aus, die bewaldeten Höhen riefen ihn. Er hatte ein Pferd unter sich, ein gutes Pferd; es erinnerte ihn an die Mustangs, die er als Knabe in Oregon zugeritten. Er war früher ein guter Reiter gewesen, und er hatte seine Freude daran, wie das Pferd jetzt auf dem Gebiß kaute, und wie das Sattel- zeug knirschte. Er wollte sich erst das Vergnügen gönnen und hinterher die Ziegelei besichtigen, und ritt aufwärts, indem er nach einem Wege spähte, der ihn auf den Gipfel bringen konnte. Beim ersten Gatter verließ er die Landstraße und galoppierte über eine Wiese, auf der Heu gemäht war. Zu beiden Seiten des Weges stand das Korn hoch, und er atmete entzückt den warmen Wohlgeruch- ein, Lerchen flogen vor ihm auf, und von allen Seiten klangen weiche Töne. Nicht ein Gehöft war zu sehen, und nach dem Trubel der Städte genoß er die Stille. Er ritt jetzt durch offene Wälder, über kleine, blumenübersäte Lichtungen, bis er zu einer Quelle kam. Flach auf dem Boden liegend, trank er in tiefen Zügen, und aufblickend durchfuhr es ihn plötzlich, wie schon die Welt war. Es üher- kam ihn wie«ine Entdeckung. Die wichtigsten Geschäfte hatten ihm keine Zeit gelassen, daran zu denken. Während er die Luft, die Schönheit um sich her und den Gesang der Lerche in der Ferne einatmete, kam er sich wi« ein Pokerspieler vor, der vom Spieltisch aussteht, an dem er die ganze Nacht ver- bracht Hot, und der nun aus der stickigen Luft in den frischen Morgen kommt. Am Fuße der niedrigen Hügel fand er ein verfallenes Holzgattsr, vermutlich noch aus der Zeit der ersten An- siedler, die nach der Goldgräberperiode das Land urbar ge- macht hatten. Die Bäume standen hier sehr dicht, aber es gab nur wenig Unterholz, so daß er unbehindert unter dem Gewölbe der Zweige reiten konnte. Er befand sich jetzt in einem mehrere Morgen großen Winkel, wo statt Eichen und Madronjos stattliche Fichten wuchsen. Am Fuße eines steilen Hanges stieß er auf eine prachtvolle Gruppe, die um eine kleine murmelnde Quelle standen. Er hielt sein Pferd an, denn neben der Quelle sah er eine wilde kalifornische Lilie. Es war eine wundervolle
Blume, die in diesem Kirchenschiff von hohen Bäumen wuchs. Wenigstens acht Fuß hoch, erhob sich ihr Stengel, gerade und schlank, grün und nackt, bis zu zwei Drittel seiner Höhe, und dort brach«ine Fülle schneeweißer, wachsartiger Glocken hervor. Es waren Hunderte dieser Blüten, alle an einem Stengel, fein abgewogen und ätherisch zart. Daylight hatte nie etwas Aehnliches gesehen. Mit einem unklaren religiösen Gefühl nahm er den Hut ab. In diesem Frieden war kein Raum für Verachtung und schlimme Gedanken. An dem steilen Hang über der Quelle wuchsen zierliche Farnkräuter: gestürzte, mit Moos bewachsene Baumriesen lagen hier und dort, sanken langsam und wurden eins mit dem Waldboden. Auf einer kleinen Lichtung, etwas weiter fort, schlangen sich wilder Wein und Ielängerjelieber in grünem Ueberfluß um die alten knorrigen Eichenstämme. Ein graues Eichhörnchen huschte auf einen Zweig und be- trachtete ihn. Irgendwoher erklang das Hämmern eines Spechtes. Diese Töne störten nicht die feierliche Ruhe des Ortes, sie gehörten hierher und machten die Einsamkeit erst vollkommen. „Als wäre es«ine andere Welt," flüsterte Daylight leise. Er band sein Pferd an einen Baum und wanderte zu Fuß durch die Hügel. Die Höhen waren gekrönt von Jahr- hunderte alten Tannen, die Hänge von Eichen, Madronjos und Christdozjp bewachsen. Hier gab es keinen Weg für sein Pferd, und er kehrte zu der Lilie am Bach zurück. Zu Fuß, strauchelnd und stolpernd, das Pferd am Zügel führend, er- kletterte er die Hügel. Farnkräuter bildeten einen Teppich zu seinen Füßen, der Wald stieg mit ihm und wölbte sich über seinem Haupte, und immer spürte er die reine Freude und Süßigkeit in seinem Herzen. Auf dem Gipfel kam er durch«in seltsames Gebüsch samtstämmiger Madronjos, und dann tauchte der offene Hang vor ihm auf, der in ein kleines Tal hinabführte. Im ersten Augenblick blendete ihn der helle Sonnenschein, und er blieb stehen, um ein Weilchen auszuruhen, denn er keuchte vor AnstrenMng. In allen Tagen hatte er keine Atemnot, keine so leichte Ermüdung der Muskeln gekannt. Ein kleiner Bach floß talabwärts über eine Wiese, auf der kniehohes Gras und blaue und weiße Anemonen wuchsen. Die Hänge des Hügels waren mit Lilien und wilden Hyazinthen bedeckt, die sein Pferd langsam, fast zögernd durchschritt. (Fortsetzung folgt.)