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Neuer Ausbruch des Vesuvs.
Die Bergdörfer in großer Gefahr.
Vt« ntutt heftiger Ausbruch des Vesuv ist lur Gange, so daß die Be» Hörden bereitet die Räumung der kleine« Vesuvorte A d i« o und C a m» pitello angeordnet haben. Vom Platzkommandante« von Neapel wurde alles verfügbare Militär für die Räu» mungsarbeiteu nach de» bedrohten Gc- biete« entsandt. Der aus dem Znferno» tal kommende Lavastrom rückt mit einer Geschwindigkeit von zehn Metern in der Minute vor.. Der Strom ist ?0 Meter breit und 10 Meter hoch. Das zwischen dem Hauptkrater des Vesuvs und dem Monte Tomma gelegene Jnfernotal ist bereits von Lava ausgefüllt. Der Strom rückt jetzt in drei Armen vor. Der erste wendet sich gegep den Ort Campitello. der ernstlich bedroht ist. Der zweite Arm fließt durch die Wälder am östlichen Abhang des Vesuvs gegen Derzigno und der dritte gegen Boscoreale . Bon dem stark bedrohten Dorfe Der» zigno ist die Lava nur noch einen Kilo» meter entfernt. Die Bevölkerung dieses Dorfes hat ihre Habe bereits auf Militarlastwageu geladen und ist zur Flucht bereit. Die zur Lavafront führenden Straßen sind von Neugieri» gen und Truppen angefüllt. Die Ge» meindewälder von Xerzigno find vollständig zerstört. Der Ober- kommissar von Neapel sowie die Militärbehörden haben alle Anordnungen für die Rettungsmaßnahme» der be- drohten Gemeinden getroffen. Eine Ttochi voller Schrecken. Neapel , 5. Juni. Die Eruptionstätigkeit des Vesuv , die»ach dem letzten Ausbruch gegen S Uhr abends aufgehört zu haben schien. ist im Laufe der Nacht mit solcher Heftigkeit wieder aufgeflammt, daß man sich entschlossen hat. das Dorf Terzigno. dessen erste Häuser bereits von derLavabedeckt sind, vollständig zu räumen. Geleitet von Carabinieri. die darüber zu wachen haben, daß niemand in der Gefahrzone zurückbleibt, ver- ließen die Einwohner die Häuser, viele unter Tränen. während in aller Eile die Akten der Bürgermeisterei und des Standesamtes auf Lastkraftwagen geworfen und in Sicherheit gebracht wurden. Im einzelnen wird zu dem neuen Ausbruch aus Neapel ge- meldet: Der Ausbruch des Besuv dauert mit unverminderter Heftigkeit an. obwohl der Direktor der Vesuvwarte am Dienstag nachmittag auf Grund seiner Wahrnehmungen am Krater eine Beruhigung des Vulkans vorausgesagt hatte. Nachmittags 2,20 Uhr erfolgte Plötzlich ein« Reihe gewaltiger Eruptionen, woraus ein« riesige Rauchsäule ausstieg. Gleichzeitig strömten gewaltige Lavamassen aus dem Krater, die sich fast aus die ganze Oberfläche des großen Kraters ausdehnten, während eine Unmenge großer Steine bis zum Gewicht von zwei Zentnern zum südlichen und östlichen Abhang des Kraters geschleudert wurden. Der Lavastrom am O stabhang kam eine Zeitlang zum Stillstand, aber am Abend brach der Vesuv von neuem aus. Frühere Desuvkatastrophen. Die Ausbrüche des Vesuvs gehörten immer zu den furcht- borsten Naturkatastrophen der Well. In unbestimmten Zeit- abständen schleudert dieser mächtige Kratermund Tausende von Kilogramm glühender Erbmassen auf die rund um den Vesuv liegenden Ortschosten. Ein« der größten Katastrophen war der Aus- bruch am 18. Dezember IKAl. der 20000 Menschen. l«b«n forderte und viel« Ortschaften unter glühenden Lava-
£in neuer Ausbruch des Vesuv maffen begrub. Im Jahre 179s folgte ein ähnlich starker Aus- bruch, der 2S Todesopfer zur Folge hatte. Ueber ein Jahrhundert waren es dann nur kleinere Ausbrüche, die auch weniger Gefchr für die Menschen brachten. Erst in den Apriltagen des
Jahres 1906 folgte wieder ein heftiger Durchbruch. In fünf Tagen vom 8. bis zum 13. April verrichtet« der Vesuv seine grou- same Arbeit und überschüttete bis hinein nach. Neapel die ganze Umgebung mit einem glühenden Aschenregen. Auch in diesen Tagen wurden eine ganze Reihe von Ortschaften von der Lava eingeäsdhert, wodurch 10 800 Personen obdachlos wurden. Das Observatorium in der Nähe de- Vesuvs wurde voll ständig zerstört. In Neapel stürzte eine Markthalle zusammen und begrub unter sich 15 Personen, die nur als Leichen ge- borgen werden konnten. Nach einer Pause von über 20 Iahren hat also der Vesuv die in seinem Innern brodelnden glühenden Massen wieder über seinen Kraterrand gestoßen. Naketenexplosion in Lialien. Mailand . 5. Inn ». In der Rahe von Stilimbergo im Frianl ent- stand in einem Laboratorium zur Entladung von Raketen eine gewaltige Explosion, die infolge der großen Pulvervorräte eine Aeuersbrunste hervorrief. Das ganze Raketenlager ist in die Luft geflogen. Das ganze Laboratorium wurde zerstört. Nur wenige Arbeiter konnten sich retten. 12 Arbeiter kamen ums Leben, fünf wurden schwer, sechs leichter verletzt.
Neichsbahnverhandlung gescheitert. Im Reichsarbeitsministerium fa»»ben heute unter dem Vorsitz des Herrn Ministerialdirigeitten Dr. M e v e s die Verhandlungen über die Verbindlichkeit des Schieds- spruchs für den Rcichsbahnbetrieb statt. Trotz aller Be- mllhungen gelang es Herrn Dr. Meves nicht, die Reichsbahn zur Annahme des Schiedsspruchs zu bringe». Tie Vertreter der Gewerkschaften erklärten. daß sie, nachdem sie dem Schiedsspruch zugestimmt haben, ohne weiteres zu einer Verständigung bereit wären. Da es zu einer Verständigung nicht gekommen ist, ist anzunehmen, daß der Reichsarbeitsminister de» Schiedsspruch nunmehr für verbindlich erklärt.
Nach dem der Ausschuß für den Reichshaushalt am Dienstag in später Nachtstunde die Beratung des Derkehrsministeriums zu Ende geführt hatte, begann er Mittwoch früh mit der Etatsberatung des Reichswehnninisteriums, und zwar zunächst der Heeresabteilung. Als Einnahm« der Heeresabteilung sind 13'/- Millionen aufgeführt, hierunter Erlös aus dem Verkauf unbrauchbarer oder entbehrlicher Geräte, Ausstattungsgegenstände usw. 1,3 Millionen. Dieser Posten gab dem Berichterstaller Abg. S t ü ck I e n(Soz.) Veranlassung, in ausführlicher Weise auf die skandalösen Vorgänge einzugehen, die vor kurzem in dem Prozeß wegen der Zustände im Zucht- haus Sonnenburg aufgedeckt worden sind. Große Mengen teils neuer, teils kaum gebrauchter Sachen seien zu weit niedrigeren Preisen von der Heeresverwallung verschleudert worden. Stllcklen verlangte genaue Auskunft über die Verhältnisse. Im weiteren be- sprach er die in Gang befindliche Verlegung d«r Garnisonen und erklärt« sich mit dem Grundsatz der Aushebung kleiner Garnisonen im Interesse der Sparsamkeit vollkommen einoerstanden. Jetzt sei die Reichswehr auf 143 Standort« oerteill, was natürlich im Interesse der Sparsamkeit nicht zu billigen sei. Nicht einverstanden könnt« er sein mit der Art. w i e diese Umgarnisonierungen von der Heeres- Verwaltung betrieben werden. Selbstverständlich rissen die Gemeinden sich darum, entweder bestehende Garnisonen nicht zu ver- lieren oder neue zu erhalt«». Er habe den Eindruck, daß im Wehrminisierium eine Gemeinde gegen die andere ausgespielt werde und diejenige die Garnison erhalte, die am meisten bietet, das heißt, den Wünschen aus Grundstücke, Errichtung der notwendigen Bauten usw am meisten entgegeukomm«. Do» führe dazu, daß der Reichstag in dieser wichtigen Frage ausgeschaltet werde, da er nur bei her Anforderung von Mitteln mitzusprechen Hai*. Als erster Dislussiousreduer nahm Abg. Dr. Leber
(Soz.) das Wort. Zum ersten Male habe der Reichstag sich mit einem Wehretat zu beschäftigen, der gegen das Borjahr nicht unerheblich gesenkt ist. Zwei Punkte der offiziellen Reichswehrpolitik feien besonders verhängnisvoll. Erstens die Traditions» je u ch e, die im großen und kleinen die Reichswehr beherrsche und forme, und zweitens die Zwangsvorstellung, daß der Persciiller Ver- trag ohne alle Rücksicht auf inzwischen geänderte Verhältnisse ans- geschöpft werde» müsse. Die Tradillonspolitik mit ihrem Feudalismus sei auch heute noch, trotzdem sie im Kriege restlos bankerott gemacht, ein lvesenliicher Charakterzug der Reichswehr . Sie habe zu der Eni- fremdung zwischen Republikanern und der Wehnnacht geführt und sei auch heute noch«in schwacher Punkt in unserem Staatswesen. Wie das Ofsizierskorps vom Feudalisnius beherrscht sei, so lasse auch der Mannschaftsersatz fast nach alles zu wünschen übrig. Politische Gesinnung des Baters, Gewerkschostszugehörigkeit u. dgl. spielen in den Auskunstsformularen«ine wichtige Rolle. Hat der Aufnahme- suchend« an einem Streik teilgenommen, wird er nicht in die Lage kommen, die Republik zu verteidigen. Gehört« er dagegen einer Streikbrecherorganisation an, stehen ihm Tür und Tor offen. W i e viele Soldaten seien. Offizier- geworden? Solchen, Aufstieg stehe eben das feudale System im Wege. Auch die Angaben über die Arbeitslöhne und ihr« Er- höhung fordern zu schärfster Etatskritik heraus. Die Reichsioehr will 6 Millionen Mark mehr ausgegeben haben, das macht bei 10 000 Arbestern rund 600 Mark auf den Kopf. Mit größtem Noch- druck behaupten die betreffenden Arbeiterorganisationen, daß davon gar keine Rede sein könne. Derartige Summen seien niemals von ihnen auch nur oerlangt worden,