ger als die Konservativen, dafür aber eine größere Zahl von Mandaten. Die Eigenart des britischen Wahlsystems, die bis jetzt immer der bürgerlichen Mehrheit im Unterhaus zugute kam, oerhalf diesmal der Arbeiterpartei zum Sieg. Damit ist aber nicht gesagt, daß bei einem anderen Wahlrecht, z. B. unter dem Proporz unsere britischen Genossen einen bescheide- neren Erfolg zu buchen gehabt hätten. Bei einer anderen Verfassung hätte das gesamte politische Leben im Lande einen anderen Verlauf gehabt, und es ist zwecklos zu raten, ob die besitzenden Schichten dabei besser oder schlechter abgeschnitten hätten. Ausschlaggebend ist nicht, yb die Arbeiterpartei zwanzig Mandate zu viel oder zu wenig erhielt, sondern viel- mehr, daß sie«in gewaltiges Stück Weg weiter zurückgelegt hat und dem endgültigen Siege näher gerückt ist. Um die geschichtliche Bedeutung der jüngsten Wahlen richtig zu erkennen, muß man sich die Entwicklung der politi- schen Verhältnisse Englands in den letzten 100 Jahren ver- gegenwärngen. Fünfzig Jahre hindurch beschränkte sich im wesentlichen der Inhalt des politischen Lebens des Jnselreiches auf den Kampf zwischen den Konservativen und Liberalen. Bald gelangte die«ine der beiden großen Parteien, bald die andere zur Macht. Dieser Wechsel der beiden Parteien, die bei allen Gegensätzen gerade in der wich- tigsten Frage— nämlich der Heiligkeit des Besitzes �— vollständig einig waren, symbolisierte die Ewigkeit des Kapita- lismus. In den achtziger Iahren geriet das alte britische Zwei- Parteien-Systchn ins Wanken. Im Unterhause trat die scharfe Opposition der irischen Nationalisten auf. Eine Zeitlang wurde das irische Problem zum Brennpunkt der politischen Auseinandersetzungen. Neben den Liberalen, die unter der Führung Gladstones die Versöhnungspolitik Irland gegen- über trieben, und den Konservativen entstand eine mittlere Gruppe der Unionisten. Es war die Blütezeit des britischen Liberalismus, zugleich aber die Zeit der Entstehung der neuen Gewerkschaften und des Aufwachens der politischen Arbeiter- bewegung im Lande. Nicht alle unsere Leser erinnern sich wahrscheinlich, daß die Arbeiterklasie in England 3 0 I a h r e später als in Deutschland die Waffe des Wahlzettels ergriffen hat: im Jahre 1900 wurden zum erstenmal in fünf- zehn Wahlkreisen Arbeiterkandidaten aufgestellt. Der Erfolg des Versuches war allerdings bescheiden: nur zwei Kandidaten wurden gewählt. Bei den nächsten Wahlen im Jahre 1906 führte die Arbeiterpartei bereits in SO Wahlkreisen selbst ständig den Kampf. Es gelang ihr, 29 Sitze zu erobern. Neben den großen alten Parteien des Unterhauses war die neue Fraktion verschwindend schwach. Aber so groß war ihre An- ziehungskraft, daß eine Reihe von Parlamentsmitgliedern, die nicht als Arbeiterkandidaten gewählt worden waren, sich ihr anschlössen. Seitdem beginnt die Arbeiterfraktion eine Rolle im britischen Parlament zu spielen,— ausschlaggebend konnte diese Rolle allerdings nicht sein. Im Unterhause, das im Dezember 1910 gewählt wurde, in den Kriegsjahren die Koalitionsregierung ins Leben rief und diese bis zum Schluß des Krieges unterstützte, war die Arbeiterpartei durch eine 42 Mann starke Fraktion vertreten. Erst nach dem Kriege beginnt der glänzende parla- mentarische Aufftieg der Arbeiterpartei. Im Nebel der Nach- kriegspsychose konnte sie allerdings nur mit einem bescheide- nen Erfolg abschneiden. Im Jahre 1918 erhielt sie zum ersten- mal Millionen von Stimmen, diese brachten ihr aber nur 57 Sitze. Aber schon bei den Wahlen im Jahre 1922 mußte die öffentliche Meinung Englands erkennen, daß die Arbeiter- partei sich zu einer politischen Kraft entwickelt hat, die allein den Konservativen Widerstand leisten kann. Mit der Dämme- rung des alten Liberalismus steigt der Stern der Labour Party am politischen Himmel Englands auf. Die Arbeiter- führer beginnen zur Uebernahme der Macht zu rüsten. Das politische Leben des Landes spitzt sich immer mehr zu einem Zweikamps zwischen Labour und den Konservativen zu. Nur sieben Jahre dauerte der Kampf, und die stolze Partei des Besitzes liegt am Boden. Die folgenden Zahlen zeigen das Wachstum der britischen Arbeiterpartei in den letzten Iahren: Wachstum der L ab our-P arty. sä„ä 1900...... 15 2 62698 1906...... 50 29 323195 1910 Januar... 78 40 505690 1910 Dezember., 56 42 370 802 1918...... 361 57 2244945. 1922...... 414 142 4241 383 1923 427 191 4438508 1924 514 151' 5489077 1929 615 288 8 300 000 Freilich ist die Möglichkeit eines Rückschlages nicht aus- geschlossen. Die Arbeiterpartei kann ihre Position im Unter- Hause für einige Jahre wieder verlieren. Auch eine Zahl von Wählern kann sich wieder zu den Liberalen oder Konserva- twen wenden. Dies wird aber nichts an der Sache ändern. Die Arbeiterpartei hat in England unerschöpfliche Reserven. Sie ist bestrebt, sämtliche Proletarier um sich herum zu sam- mein. Es ist ihr gelungen, in dieser Hinsicht Erfolge zu er- reichen, die in einer so kurzen Frist noch von keiner anderen Arbeiterpartei in der Welt erreicht worden sind. Man darf nicht außer acht lassen,. daß in England die proletarischen Schichten 79 Proz. der gesamten Bevölkerung ausmachen! (In Deutschland beträgt der Proletarisierungsgrad 66 Proz., in Frankreich 49 Proz., in Italien 43 Proz.). Die großen bürgerlichen Parteien konnten bei dem demo- kratischen Wahlsystem in England die Macht behalten, solange es ihnen gelang, sich auf die proletarische Wählerschaft zu stützen. Baldwin ebenso wie Lloyd George hielten sich nur dank der Rückständigkeit der Arbeitermasien des Landes am Ruder. Ihre Regierungskunst bestand im wesentlichen darin, das Vertrauen der besitzlosen Mehrheit des Volkes zugunsten der besitzenden Minderheit zu mißbrauchen. In diesem Sinne stellten die Konservativen ebenso wie die Liberalen immer nur Minderheitsregierungen dar. Mit dem jüngsten Wahlsieg der Arbeiterpartei beginnt aber- eine neue Seite der britischen Geschichte: es kommt zur Macht eine Regierung der Arbeiterklasse, d. h. der schaffenden Mehrheit. Im riesigen Kampf, der die Welt umspannt und den Inhalt der modernen Geschichte der Menschheit bildet, hat die Arbeiterbewegung eine der wichtigsten Schlüssel- Positionen erobert.___ Sitzung des Reichskabinclls. Amtlich wird mitgeteilt: Das Reichskabinett beschäftigt« sich in seiner am Mittwoch unter dem Vorsitz des Reichskanzlers abgehaltenen Sitzung mit den deutsch - estnischen Handelsbeziehungen und verabschiedete den Entwurf eines Gesetzes über den deutsch -estnischen Handels- und Schiffahrtsoertrag vom 7. Dezember 1928. Der Gesetzentwurf wird unverzüglich dem Reichsrat übermittelt werden.
Höhere Kartoffel- und Butterzölle! Aeue Oemonstrationsanträge im Reichstag.
Die landwirtschaftlichen Spitzenorganisationen haben mit ihren bisherigen, selbst bis zur Deutschen Voltspartei hin abgelehnten Zoll- erhöhungsanträgen zur Verteuerung der Lebenshaltung noch nicht genug. Die Deutschnationalen, die Christlich -nationale Bauernpartei des Herrn Hepp und die Deutsch « Bauernpartei haben im Reichstag Anträge eingebracht, durch die auch Kartoffeln und Butter erheblich höhere Zölle erhalten und entsprechend verteuert werden sollen. Bei den Kartoffeln denkt man sich die Sache so, daß man die im Zollgesetz vorgesehenen Fristen, die gegen die übermäßige Einfuhr ausländischer Frühkartoffeln schützen, noch mehr ausdehnt und daß für Kartoffeln vom 15. Februar bis 10. September der erhöhte Zoll- satz o o n 4> M a r t und für die Zeit vom 11. September bis 14. Februar der-höhere Zollsatz von 2 Mark je Doppelzentner gelten soll. Noch unbescheidener ist der zweite Antrag. Ein Doppelzentner Butter soll nach dem Dorschlag der landwirtschaftlichen Organisationen
und Parteien durch Reichsgesetz in Zukunft mit 80 Mark bei der Einfuhr verzollt werden, so daß jedes Pfund Auslandsbutter einen Zoll von 40 Pf. tragen würde. Die Anträge sind unsinnig und, was die Butter anbelangt, reine Demonstrationsanträge. Mit Zöllen kann man niedrigen Kartosfelpreifen und den Schwankungen der Kartoffel- preise nicht beikommen. Die inländischen Kartoffelpreise find aus- schließlich von der Größe der Kartoffelernte und vom Wetter ab- hängig. Und soweit man diese Faktoren ausschallen könnt«, wäre es im wesentlichen nur durch Kartoffellrocknung für Fullerzwecke mög- lich. Der heute geltende Zollsatz für Butter ist durch den f i n n- ländischen Handelsvertrag gebunden. Er beträgt 27,50 M- und kann vom Reichstag nicht ohne weiteres verändert werden. Es ist selbstverständlich, daß auch diesen Demonstration?- antragen die Mehrheit des Reichstages nur ablehnend gegenüber- stehen kann.
Curtius (Deutsche Volkspartei ). Sine Frattionsrede de« Zieichswirischastsminifier«. Der Reichswirtschaftsminister Dr. Curtius hiell gestern im Reichstag eine Rede, in der er sich scharf mit der deutsch - nationalen Opposition, dann aber auch mit dem sozialdemo- kratischen Koalitionspartner auseinandersetzte. Soweit sich diese Auseinandersetzung' auf die grundsätzliche Stellung zur kapitalistischen Wirtschaftsordnung bezog, ist kaum etwas zu ihr zu bemerken. Jedermann weiß, daß ein Volksparteiler kein Sozialist ist, und daß die letzjen Fragen der Wirtschaftsordnung von einer Koalition nicht gelöst werden können. Weit bedenklicher ist es, daß der Minister zu brennenden Tages- Problemen in einer Weise Stellung nahm, von der man nur sagen kann, daß der Parteimann mit dem Minister durch- gegangen ist. Das gilt besonders von seinen Ausführungen über die Arbeitslosenversicherung. Grundsätzlich hat auch Dr. Curtius die Arbeitslofenver- ficherung als einen großen sozialen und wirtschaftlichen Fort- schritt anerkannt. Er hat aber gleichzeitig erklärt, daß dabei Gesetzgebung, Verwaltung und Finanzen überspannt worden und schwere Schäden der Arbeitsmoral eingetreten find. Aus dieser Feststellung folgerte er, daß eine „grundlegende Re f o r m" der Arbeitslosenversicherung durchgeführt werden müsse und der Kreis der Persiche- rungspflichtigen nicht unangetastet bleiben könne. Roch weniger aber könne man diese Reform mit Beitrags- erhöhungen beginnen. Es ist durchaus ungewöhnlich, daß ein Minister in einer Frage, die im Kabinett noch nicht entschieden ist, im Reichs- tag seine Parteistellung vertritt und der Kabinettsentscheidung damit vorgreift. Das Kabinett hat Durch fein Sofortprogramm lediglich die Beseitigung einiger Mißstände angeregt. Die Frage der Saisonarbeiter und des übrigen Kreises der Ber- sicherungspflichtigen ist bisher ebenso wenig entschieden wie die Frage der-Beitragserhöhung. Die Regierungsparteien wollen erst heute mit einer interfraktionellen Erörterung dieser Probleme beginnen. Die Sozialdemokratie wird dabei keinen Zweifel daran lassen, daß sie nicht bereit ist, den Ab- bau der Erwerbslosenversicherung mitzumachen oder zu dulden. Das hat die sozialdemokratische Fraktion bereits vor Wochen in einer Erklärung festgelegt. Der Magdeburger Parteitag hat diese Haltung in der deutlichsten Weise unter- strichen und daran wird festgehalten werden. Wenn daher die bürgerlichen Parteien die von der Sozial- demokratie und den Gewerkschaften zugestandene befristete Beitragserhöhung bekämpfen und danzit verhindern, daß die Erwerbslosenoersicherung rechtzeitig die Mittel ansammelt, die zur Aufrechterhaltung ihrer Leistungen erforderlich sind, so wird ihnen nur zweierlei übrig bleiben: ent- weder die nach Beseitigung der Mißstände zur Aufrechterhal- tung der Leistungen der Erwerbslosenversicherung notwendi- gen Ausgaben, soweit sie nicht durch die laufenden Beiträge gedeckt werden können, aus allgemeinen Reichs- Mitteln zu bezahlen, oder im schärfsten Kampf gegen die Sozialdemokratie einen Abbau der Leistungen zu erzwingen. Die Rede des Reichswirtschaftsministers hat in der sozial- demokratischen Fraktion starkes Befremden hervorgerufen, und ihr Vorsitzender, Genosse Dr. B r e i t s ch e i d, hat Herrn Dr. Curtius sofort von dieser Wirkung unterrichtet.
Vom kommunistischen Karussell Teddy Thälmann wieder obenauf.— Es wird abgesägt. Der kommunsstische Parteitag wird nunmehr endgültig vom 9. bis 14. Juni in Berlin stattfinden. Ueber die per- sonellen Auswirkungen der Mainiederlage erzählt der links- kommunistische„Volkswille": „Es steht fest, daß dem guten Teddy einmal wieder seine gute Fratticmsnase geholfen hat. Er hat erneut den Segen Stalins von seiner Rechtfertigungsreis« nach Moskau mitgebracht. Es stand schlecht u-m den guten Mann. Di« Neumann, Heckert, Pfeifer, Florin, Remmele usw., die schon so viele verraten haben, hatten schon die Säg« angesetzt, um die Teddy-Eich« zu fällen. Man hatte einige Bezirksparteitage zu diesem edlen Zweck« ausgenutzt. Heckert hatte sich dabei reichlich weit vorgewagt und Pfeifer erzähtle seine bekannten Geschichten. Zehi aber ist Teddy neugestärkl ins Karl- Liebknecht-haus zurückgekehrt und hat wieder einmal die Aermel aufgekrempelt, um auszuräumen. 35 Kündigungen allein im Karl-Liebknecht- H a u s sind die erst« Folge gewesen. Aber das ist nur der A n f a n g. Auf dem Parteitag geht das Aufräumen erst recht los. Thälmann hat Vollmacht, sich«in Pol.-Bureau aus seinen Getreuen zusammenzusetzen. Di« nachfolgenden Mit- teilungen sind mit allem Vorbehall wiedergegeben, denn man kann nicht wissen, ob nicht bis zum Parteitag oder während desselben noch wieder ein anderer Wind wehen kann. Wir sind vorsichtig, denn bei Gott und den Komintern ist kein Ding unmöglich. Teddy hat also bis heut« noch den Auftrag, ein Pol.-Bureau einzusetzen— pardon, wählen zu lassen—, das sich aus einem ganz engen Kreis zusammensetzen soll. Heinz Neumann und Heckert werden ihm nicht. mehr angehören. Rem- mele ist noch als Konzsssionsfchulze wi«der hineingekommen. Merker wird an Stelle von Heckert die Gewertschafts» arbeit leiten, Ulbricht , Dahlem werden dabei fein dürfen,
und schließlich wird bei dieser Neuumstellung Wilhelm Pieck einmal wieder erben. Er war von den Neumann-Peifer usw. schon so gut wie kaltgestellt, da rettet ihn zu guter Letzt noch das Mai- wunder. Wenn dieser neue Thälmann -Sieg nicht gewesen wäre, dann hätte dem guten Pieck nicht einmal der Nervenzusammenbruch geHolsen, der damals den Beschluß seiner Ersetzung durch em Kalle- gium von fünf Mann verhinderte. Aber dem Verdienst« wird seine Krone: Wilhelm Pieck ist wieder ganz oben. Zum Schluß hat es noch ein ganz neuer Mann geschafft: Walter S t o« ck e r ist auch wieder da. Er spricht Engirsch und. kommt deshalb als Berater Teddys in Auskmdssragen ms Pol.-Bureau. An semer Stelle wird Wilh. Koenen die Leitung der Reichstagsstaktion übernehmen. Wer von jetzt ab die Thesen schreiben darf, steht noch nicht fest. Jedenfalls darf es Neumann nicht mehr. Kein Wunder, daß deshalb die in der Peuvag-Druckerei schon fertig gesetzten Thesen für den Parteitag zurückgezogen und durch neue ersetzt wurden. Bei der Gelegenheit sei auch vermerkt, daß in den neuen Thesen die G« w e r k[ cha f ts Ii ni e wieder einmal verbogen wurde. Di« wievielte gilt nun?" Danach wird also Heinz Neumann als Sünden- bock für die Mainiederlage in die Wüste geschickt uyd unter Thälmann ? Leitung ein Zentralkomitee der unbeschränkten Willfährigkeit gebildet. Bis zur nächsten Drehung des Karussells._ Oer„Ausschuß". Namensmißbrauch eines bekannten Dichters. Ein nebelhafter„Ausschuß zur öffentlichen Untersuchung der Maivorgänge" ladet zu einer Kundgebung ein, in der er öffentlich Zeugen vernehmen will. Als Mitglied dieses Ausschusses wird auch Dr. Alfred Döblin , der bekannte Dichter, genannt. Dr. Döblin teilt uns nun brieflich mit, daß«r zwar die ab- jettive, amtliche und parlamentarisch« Untersuchung für notwendig halte, dem besagten Ausschuß jedoch nicht angehöre! Sein Name ist also zu R« t la m« z w e cke n mißbraucht worden. Uebrig bleibt eine rein kommunistische Propaganda Vorstellung. Das fall vorher festgestellt werden. Oie Pazifistenspaltung. Zwei Gruppen der FriedenSgeseNfchast in Berlin . Am Dienstag ist unter Führung des gegenwärtigen Präsidiums der Friedensgesellschaft in Berlin eine neue Orts- g r u p p e dieser Organisation gegründet worden. Dem vorläufigen Atbeitsausschuß gehören Oberst Lange und der frühere General- sekretär der Liga für Menschenrechte Berger an. Man will mit der weiteren Besetzung des Vorstandes vorläufig warten, weil der Arbeitsausschuß mit dem Vorstand der aufgelösten Gruppe oer- handeln soll. Es fft nach unseren Informationen jedoch nicht damit zu rechnen, daß der Borstand der bisherigen Gruppe irgendwelchc Konzessionen macht. Wahrscheinlich wird demnächst m Berlin «in« zweite Gruppe der Friedensgesellschaft unter einem anderen Namen entstehen. Keine Entschädigung für Phosgen. Klage gegen den Hamburger Staat abgewiesen. Hamburg , 5. Juni. (Eigenbericht.) � Die sechste Hamburger Zivjlkammer wies die Klage des Fabrikbesitzers Stolzenberg gegen den Hamburger Staat auf Entschädigung für dreihundert versenkte Phosgen enthaltene Stahlflaschen kostenpflichtig ab. In der Urteilsbegründung wird ausgeführt, die Lagerung des Phosgens habe, wie die seinerzeilige Katastrophe gezeigt habe, die Oefsentlichkeit in hohem Maße gefährdet. Um die der Allgemeinheit weiter drohende Gefahr abzuwenden, habe das Gas vernichtet werden müssen. Daher habe der Kläger sämtliche Kosten zu tragen, die durch die Beseitigung des Phosgen enfftan- den seien. Wie wilde Tiere! Ein Gerichtsurteil über Nationalsozialisten. Köln , 5. Juni. Bor dem Schöffengericht hatten sich sieben Nationalsozialisten wegen Landfriedensbruches zu verantworten. Sie hatten anläßlich des Gautages des niederrheinischen Reichsbanners am 18. März einen Ueberfall auf R e i ch s b a n n« rl eu t e verübt und dabei ein beispiellos rohes Verhalten an den Tag gelegt. So hatten sie u. a. ein junges Mädchen, das ahnungslos mit seinem Bräutigam spazieren ging, niedergeschlagen und einen 60jährigen Reichsbanner- mann, Vater von sechs Kindern, durch Fußtritte so mißhandelt, daß er in schwerverletztem Zustande ins Krankenhaus gebracht werden mußte. Das Gericht verurteilte die drei Angeklagten H i 1 g e r s. Kellermann und Bök« zu einer Gefängnisstrafe von achtzehn Monaten und zur Zahlung einer Buße von 100 bis 700 Mark an die Verletzten. In dem Urteil wurde zum Auedruck gebracht, daß bei der Strafzumessung strafoerschärfend in Betracht gezogen werden müsse, daß die Angeklagten in ihrem Parteihaß„in geradezu tierischer Roheit über unschuldige ahnungslose Leute hergefallen seien, wie wild« Tiere, dienachOpfern gesucht hätten."