Minister Curtius gegen Krätzigs Rede
Aufsehenerregende Polemik im Reichstag.
so scheint uns gerade die Ratifizierung der Genfer Empfehlungen burch Deutschland ein Mittel dagegen zu sein.( Beifall bei der D. Bp.)
Abg. Coibl( Bayer. Bp.): Die Arbeitslosenversicherung muß reformiert werden, Beitragserhöhung lehnen wir ab. In der Zollfrage scheint die Reichsregierung nicht einmütig zu sein. Den Aus wüchsen des Hausierhandels sollte energischer entgegengetreten merden. Das Reich müßte mit seinen Aufträgen die banerische WirtKreditinstitute in Berlin .
Abg. Torgler( Komm.) verlangt zur Geschäftsordnung die Herbeirufung des Reichskanzlers, damit er sich über die Rede des Reichswirtschaftsministers äußere.
Im Reichstag sprach am Mittwoch zum Etat des Reichs-| Weltwirtschaftskonferenz eine ganze Reihe von Zöllen erhöht. Bennschaft mehr berücksichtigen. Wir sind gegen Zentraliſierung der in anderen Ländern Hochschutzölle gemacht werden so müssen wir nicht das gleiche tun.( Gelächter rechts.) Wie falsch es wäre, die Erhöhung der Selbstkosten zum Anlaß einer Zollerhöhung zu nehmen, zeigt sehr deutlich das Beispiel Australiens . Der Ausgleich muß vielmehr durch stärkste Herabdrückung der Selbstkosten, vor allem auf den Gebieten der Steuern und Zinsen gesucht werden. Herrn Kräßig aber muß ich sagen, daß
Abg. Koenen( Komm.): Die antikapitalistische Rede des Abge: ordneten Kräßig war nur ein Ablenkungsmanöver zur Einfangung der Arbeiterschaft für die Große Koalition. Mit den Riesengewinnen des Chemiekonzerns tönnten die Stundenlöhne verdoppelt werden. Der Borwärts" berichtet täglich von gewaltigen Ueberschüssen und Gewinnen der Industrie trotz Krise und schlechtem Geschäfts: gang. Reemtsma und Neuerburg beherrschen 75 Proz. der deutschen Zigarettenindustrie, Kleinbetriebe fallen wie die Fliegen. Diefelbe Ronzentration auch in allen anderen Industrien.
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Abg. Beythien( D. Bp.): Die Ausführungen des sozialdemo fratischen Redners haben gezeigt, daß
Koalitionsbeziehungen teine Gesinnungsgemeinschaft darstellen. Die aus der Pariser Konferenz etwa zu erwartende Lastenerleichterung müsse nicht zuletzt dem Mittelstand zugute tommen. Die steuerliche Bevorzugung der öffentlichen Betriebe ist unerträglich. Mit großer Sorge sieht der Mittelstand der Ausbreitung der international finanzierten, Warenhäuser entgegen.
Abg. Drewitz( Wirtsch.- P.) äußert Stepsis an den Versprechungen der Regierung für den Mittelstand und stellt steuerliche und Kreditforderungen zugunsten des Gewerbes.
Abg. Meyer- Berlin ( Dem.) erwidert dem Borrebner, daß dem Sachverständigenausschuß für Getreidewirtschaft feineswegs nur Freunde des Monopols angehören; die Hinzu ziehung von Vertretern des Getreidehandels und der Müllerei wäre angebracht. Von dem„ Fanatismus des Freihandels", den Abgeordneter Lejeune- Jung behauptet hat, sehen mir nichts, wohl aber non einem Bordringen des Schutzolls, ausgehend vom Ausland. Selbst Handelsverträge nützen nichts mehr dagegen, meil man Verwaltungsproteftionismus treibt, besonders auch in den Bereinigten Staaten, wodurch man die europäische Wirtschaft auf das schwerste bedroht. Sie brauchte das nicht ohne Gegenwehr zu dulden,
man follte mit folchen, autonome Schutzollpolitik freibenden Ländern nicht mehr Meistbegünstigungsverträge schließen. Kartellreform ist notwendig, aber die staatliche Kartellpolitik bei der Kohle hat auch keinen Erfolg gehabt. Wie fann Herr Kräßig der ganzen Industrie Profitfucht vorwerfen, da 46 Proz. der Indus strieattien unter pari stehen? Die Mißbräuche in der Arbeitslosenversicherung sind doch unleugbar; fie find vielfach entstanden durch Zusammenwirten von Unternehmern und Arbeiterit. Sozialdemokratie als größte Partei follte da nicht grollend beiseite stehen, sondern die Führung in der Abhilfe übernehmen. Das Fortschreiten der Kommunalisierung bedroht ben gewerb lichen Mittelstand. Die öffentliche Hand ist zum Verwalten da, nicht zum Fabrizieren und Produzieren; ein derartiges Reichsgesetz wird zu erwägen sein.( Buftimmung der Dem.)
Reichswirtschaftsminister Dr. Curtius: 1 Herr Dr. Lejeune- Jung hat mich aufgefordert, die Wirtschaftsintereffen gegenüber den Bariser Vereinbarungen aufzubieten; ich habe der Wirtschaft gedient, indem ich der Abhaltung der Bariser Konferenz zustimmte, und ich werde die Wirtschaftsintereffen wahren bei der lleberführung der Pariser Ergebnisse in die Bragis. Ich begreife nicht, welches Bedürfnis dafür vorgelegen hat, daß Abgeordneter Kräßig die heilslehre des So zialismus wiederum und so entschieden vertreten mußte. An mir wird er feien Proselyten machen. Seine Vorschläge einer allgemeinen Zwangswirtschaft würden ein ungeheures Dur einander herbeiführen. Im Gegensaz dazu ist die früher schon verwirklichte Rooperation zwischen den großen Gruppen der Unternehmer und der Arbeiter unter staatlicher Führung anzuStreben. Hoffentlich haben wir bald die Hände frei und die notmendigen Mittel, um ganz anders als bisher führen zu können, und jene Pflicht für die Allgemeinheit zu erfüllen, die am besten mit dem Wort Bismards bezeichnet wird: Hilfe zur Selbsthilfe!
Her Kräßig hat als Heilmittel für unsere Wirtschaftsnot Lohn erhöhung empfohlen. Diese ist zu Zeiten gemiß gut, fann aber, in zu starken Dosen, zu schweren Lähmungen führen. Jetzt haben wir jedenfalls dringendere Aufgaben. Man wird mir den Einwand machen, daß durch eine Parteientoalition nicht auch die Weltanschauungen gebunden werden. Das ist auch richtig, und darum war die Sozialdemokratie zu diesen Ausführungen berechtigt. Aber ist es notwendig, jetzt das Trennende voranzustellen, soll nicht vielmehr das Einigende in den Vordergrund gestellt werden?
Herr Wels hat in Magdeburg , wenn ich richtig gelesen habe, ausgeführt, daß die bürgerlichen Parteien Erfolge dieser Regierung gar nicht wünschten, weil sie von der Sozialdemokratie geführt wird. Ich protestiere für mich und meine Freunde auf das entschiedenste gegen eine derartige Auffassung.
Es kommt nicht darauf an, daß wir uns gegenseitig hindern, aber wir dürfen nicht nur negativ, sondern müssen auch gemeinsam positiv eingestellt sein. Ich glaube auch für die sozialdemokratischen Mitglieder des Kabinetts feststellen zu können, daß wir bis heute ohne Rücksichten auf das Prestige unserer Parteien nur versucht haben, dem Staat und der Wirtschaft zu dienen. In diesem Sinne haben wir am 3. Juli v. J. ein Reformprogramm vorgelegt, und wir werden mit dem evtl. Ergebnis der Pariser Konferenz ein neues Reform| programm vorzulegen haben. Die vier entscheidenden Fragen dabei werden sein: Revision des Dames- Planes und Räumung unserer Westgebiete, Reichsreform, durchgreifende Agrarreform und Erleichterung der Wirtschaft auf allen Gebieten. Wir sind gemeinschaftlich ein gutes Stück vorwärtsgekommen, und bis heute sehe ich teinen Anlaß, warum die verantwortungsvolle Gemeinschaft, in der wir uns befinden, nicht fortgeführt werden könnte. diefem Sinne wären aber feierliche Festlegungen, besonders nega tiver Natur, wie Herr Kräßig fie gemacht hat, zu unterlassen. Er hat ich überspizze das vielleicht etwas im großen und ganzen erklärt, daß keine Reform der Arbeitslosenversiche rung und feinerlei Zollerhöhung eintreten dürfe. Die Arbeitslosenversicherung erfläre ich, ebenso wie mein demokratischer Borredner, für einen großen sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt, aber heute steht schon fest, daß dabei Gesetzgebung, Berwaltung und Finanzen überipannt worden sind. Wir wiffen auch, daß Ichwere Schäden der Arbeitsmoral eingetreten sind. ( Lebh. Zustimmung rechts.)
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Gerade in
Wir müffen eine grundlegende Reform der Arbeitslosenversicherung durchführen und dabei fann auch der Kreis der Berficherungspflichtigen nicht unangetastet gelaffen werden. Noch weniger aber fönnen wir diese Reform mit Beitragserhöhungen beginnen. ( Lebh. Zustimmung rechts, Unruhe bei den Soz., Hochrufe der Rommunisten.)
Was die Rollfrage anbelangt, so ist die schußzöllnerische Bewegung im Begriff, sich zu überschlagen und den gesunden Grundgedanken zu erschüttern. Es geht nicht an, für diese Industrie den deutsch - französischen Handelsvertrag, für jene Industrie den deutsch italienischen zu fündigen und darüber hinaus für agrarische Wünsche auch noch mit anderen Staaten Zollfriege anzufangen. Eine solche Isolierung hinter hohen Zollmauern würde nicht zur Gesundung, fondern zur völligen Auspowerung der deutschen Wirtschaft führen. Benn wir die Ratifizerung der Genfer Empfehlun. gen verlangen, so find wir feineswegs blind für die Realitäten und für die deutschen Interessen. Wir haben doch auch troß der
die schwere und gefährlich weiter wirkende krise der Landwirt. schaft unmöglich mit grundsählicher Berneinung gegenüber jeder Zollbewegung gelöst
werden kann. Gewiß ist der Zollschuh kein Allheilmittel und nicht einmal das Hauptmittel, aber die Notwendigkeit der Bekämpfung der Landwirtschaftskrise ist so dringend, wir haben für Jahre Berfäumtes nachzuholen und dafür Schuß zu gewähren, daß ich glaube, mit einer einfachen Ablehnung aller Zollforderungen der Landwirtschaft fommen wir nicht durch. Auf weiten Gebieten bin ich mit dem Ernährungsminister über eine Erhöhung von Zöllen einver
standen.
Der Minister polemisiert dann noch gegen den deutschnationalen Redner in der Frage der Handelsverträge und schließt: Wenn Herr Lejeune- Jung die Befürchtung geäußert hat, die jetzt an die Regierung gelangende
britische Labour- Party fönnte zur Milderung der Arbeitslosigfeit Einfuhrverbote gegen deutsche Industrieerzeugniffe verfügen,
geht weiter.
Dieser Antrag wird gegen die Stimmen der Kommunisten, Deutschnationalen und Hakenkreuzler abgelehnt, die Debatte Abg. Graf Reventlow( Natsoz.): Eine Wirtschaftsdebatte vor dem Borliegen des Berichts der Pariser Konferenz ist zmedlos. Mit den schönen Reden von Bauernfreundschaft stehen die Taten der regierenden Parteien in frassem Widerspruch. Der Bauer fennt leider seine Macht noch nicht überall. Der in den Bauern angesammelte) a B gegen den Usurpator Staat wird einmal diesem neuen Staat ein Ende machen, natürlich mit legalen Mitteln.( Heiterkeit.)
Abg. v. Sybel( Chr. Nat. Bauernp.): Der Wirtschaftsminister an der Katastrophe der Landwirtschaft. Ist der Minister bereit, trägt durch seine Zollfeindlichkeit ein gerütteltes Maß von Schuld den schwedischen und den französischen Handelsvertrag zu kündigen, um die Hemmungen für eine Erhöhung der Agrarzölle zu beseitigen? Abg. Dr. Best( Volksrechtsp.) erinnert an die schweren Schäden, die der Mittelstand durch die Inflation erlitten habe und bezeichnet es als grobes Unrecht, daß das Gesetz die Entschädigungsansprüche der Inflationsverfäufer abweise.
Nach 8 Uhr wird die Weiterberatung auf heute, Donnerstag, 3 Uhr, vertagt.
Der Heeresetat im Ausschuß.
Kritik im Hauptausschuß.- Groener antwortet.
In der Debatte über den Etat der Heeresabteilung des Reichswehrministeriums famen in der Mittwochsizung neben zahlreichen bürgerlichen Abgeordneten auch noch die sozialdemokratischen Abgeordneten Künstler, Schöpflin, Kuhnt und Biedermann zu Worte. Letzterer gab an Hand von Zitaten aus Instruktionsbüchern und militärischen Aufsätzen ein Bild der republikfeindlichen Gesinnung, die immer noch in weiten Kreisen des Offizierstorps vorhanden ist. Abg. Kuhnt( Soz.) spricht über das Militärverbot, das angeblich nicht mehr verhängt werden soll, im geheimen aber noch besteht. So sei über das Gewerkschaftshaus in Stendal der Boykott verhängt worden, während in einem Restaurant im Landbundhaus die Reichswehroffiziere verkehrten. Die Sozialdemokratie sei grundsätzlich gegen jedes Militärverbot, weil ein folcher Bontott fich stets gegen gänzlich Unschuldige richte, ganz abgefchen davon, daß die Anwendung des Militärverbots bisher stets einseitig gewesen ist.
Abg. Schöpflin( Soz.) wandte sich gegen die Auslegung, die das vom Abg. Le b er gebrauchte Bort: die Sozialdemokratie führe Leber den Kampf um die Reichswehr von bürgerlichen Abgeordneten wiederum erfahren habe. Dieses Wort sei seit Jahren in Reden und in der Preffe der Sozialdemokratie gebraucht worden und sei nicht so zu verstehen, daß die Reichswehr eine Parteiwehr werden soll. Die Sozialdemokratie verlangt nur, daß sie zu einem zuverlässigen Machtinstrument der Republit werde.
Genosse Künstler bespricht die Tatsache, daß die Reichswehr immer noch Beziehungen zu illegalen Organi sationen unterhalte. Seit Jahren werde vom Ministerium diese Tatsache teils abgeftritten, teils werden Versprechungen gemacht. Jetzt scheine die Reichswehr selber illegale Organisationen zu schaffen. Das jogenannte Feldjägerkorps, das nichts mit Grenzschutz zu tun habe, sei eine solche illegale Organisation. Die Einrichtung führe den Namen Weser bzw. Weferdienst. Wiederholt haben an den Uebungen dieses Korps Reichswehroffiziere, wenn auch in Zipil, teilgenommen, u. a. ein Major Hederich. Auch mit der Deutschnatio nalen Bolkspartei stehe diese Organisation in engen Beziehungen. Die Einrichtung sei möglichst geheimgehalten worden, aber das Ministerium sollte doch nun endlich wissen, daß solche Dinge nicht Geheim bleiben und bleiben können. An der Hand eines Fragebogens fonnte Genosse Künstler des weiteren darauf hinweisen, daß noch immer Stammrollen geführt werden. So sei selbst ein Mann, der wegen Verweigerung des Fahneneides entlassen worden sei, um Ausfüllung des Fragebogens ersucht worden.
Auf die zahlreichen an ihn gestellten Fragen und die geübte Kritif erwiderte der Reichswehrminister Groener in der Abendsizung. In der Abendsizung nahm der Reichswehrminister das Wort: Reichswehrminister Groener:
Ich habe in der Presse jetzt sehr viel von Wehrprogrammen gelesen und mich darüber gefreut. Es ist mir ein Beweis, daß die Idee von der Notwendigkeit der Wehrfähigkeit des Volkes in immer breitere Kreise bringt. Ueber die besten Wege wird man sich schon verständigen. Was die Politik im Reichswehrministerium betreffe, so stehe ich nach wie vor zu dem Wort, daß die Reichswehr aus ber politischen Dredlinie heraus muß. Mein Ziel ist, daß keine Partei Anlaß haben darf, über eine parteipolitische Einstellung der Reichswehr zu flagen. Die Reichswehr muß vielmehr ein überparteiliches Instrument der Republik sein.
Auf den mehrfach geäußerten Tadel wegen der politischen Instruktionsporträge für Offiziere habe ich zu er= widern, daß die Offiziere den lebhaften Wunsch haben, politisch aufgeklärt zu werden. Zeitungen genügen ihnen für diesen 3wed nicht, auch sind alle Zeitungen naturgemäß politisch eingestellt. Ich habe daher angeordnet, daß von Zeit zu Zeit Borträge über politische Themen für Offiziere gehalten werden. Die Instrukteuroffiziere sind die begabtesten Offiziere des Heeres. Ihre Reden sind sorgfältig vorbereitet und schriftlich niedergelegt, damit keine Entgleisungen vorkommen. Durch solche Vorträge ist bereits viel Gutes gestiftet. Der besonders getadelte Vortrag des Obersten v. Bötticher ist tein Instruttionsportrag gewesen. Die Pressemeldungen über ihn haben ein ganz falsches Bild gegeben und auch der Reichsaußenminister hatte feine Einwendungen gegen diesen Vortrag zu erheben gehabt.
Für die Politif im Reichswehrministerium bin ich allein ver antwortlich, ich glaube auf gutem Wege zu sein, ein immer besseres Einvernehmen zwischen Wehr und weiten Kreisen des Volkes her zustellen. Für dieses Ziel sind die Fragen des Ersages der Offiziere und der Mannschaften besonders wichtig. Die Offiziere müffer auf einem hohen Bildungsniveau stehen, nicht etwa aus gesellschaftlichen Gründen, sondern weil die Kriegskunst heute Köpfe erfordert, und weit höhere Anforderungen als früher ſtellt. Die Anforderungen, die gestellt werden müssen, sind in der Tat enorm. Die frühere Trennung zwischen Kavalleries, Infanterie
und Artillerieoffizier verwischt sich immer mehr. Es gibt nur noch den Offizier. Trotzdem verfahre ich nicht engherzig. Grundsätzlich muß das Abitur verlangt werden. Aber man trachtet auch nach Auswegen. So habe ich z. B. die Anordnung getroffen, daß für besonders hochbegabte Soldaten in Berlin besondere Kurse als Ersatz für das Abitur gehalten werden.
Um die Rekrutierung der Mannschaften fümmere ich mich besonders. Selbstverständlich kommen noch Fehler und Irrtümer vor, die gutgemacht werden müssen. Nur die Tüchtigkeit und die Eignung entscheiden, nicht aber politische Gesichtspunkte. Aus der früheren Aera, in der in der Tat politische Gesichtspunkte maßgebend gewesen sind, ist man heraus. Kommen einem Abgeordneten entgegenstehende Tatsachen zu Gehör, so bitte ich dringend um sofortige Weitergabe an mich, ich werde sofort Remebur schaffen.
Die Reichswehr jetzt sich heute zusammen aus 45 Proz. Angehörigen von Industrie und Handwert, 23 Proz. Angehörigen der Landwirtschaft, 11 Broz. Handel und Verkehr, 10 Proz. freie Berufe, 11 Proz. ohne Beruf.
Was die vielgetadelte Traditionspflege betrifft, so haben auch für mich die Aeußerlichkeiten der Tradition feine Berechti gung, aber der geistige Inhalt einer Entwicklung, die durch Jahr hunderte gegangen sei, behält großen Wert. Persönlichkeitsbildung, Kameradschaft, Liebe zu Jdalen ist auch heute noch viel, wenn nicht alles für jede Wehrmacht.
Die Kürzung des Etats ist ein Leidensweg für mein Ministerium. Sparen fann man nur bei den sächlichen Ausgaben und den Ausgaben für die Ausbildung. Es werden daher in diesem Jahre keine großen Manöver stattfinden. Unter den Abgeordneten scheint aber noch nicht volle Kenntnis über die jetzige Ausbildung zu herrschen. Wir stehen an einem entschei denden Wendepunkt in der Ausbildung. In solcher Beit muß weit vorausschauend gearbeitet werden, sonst wird der Anschluß an die Zukunft versäumt. Die Ausbildung ist heute auch beim Grenadier eine fast wissenschaftliche geworden. Auch der letzte Soldat ist Kämpfer und Führer. Jede Ausbildung fegt sich nun in Geld um, daher ist für die Dauer eine Drosselung der Ausgaben für die Ausbildung nicht möglich. Ebensowenig fönnen bei einem Herr mit so langer Dienstzeit die Ausgaben für die Fürsorge und die Unterbringung herabgedrückt werden. Sie sind im Gegenteil für den Geist der Truppe von ausSchlaggebender Wichtigkeit. Wenn der Abg. Leber bezweifelt hat, ob meine Befehle auch durchdringen, so fann ich ihn versichern, daß dies nach jeder Richtung der Fall ist. Nur erledige ich solche Dinge in aller Stille und nicht in breiter Deffentlichkeit.
Nach dem Minister hielt der Chef der Heeresleitung einen als vertraulich erklärten Vortrag über die geplanten Umlegungen der Garnisonen.
Die Renten der Standesherren. Schleppende Beratungen im Rechtsausschuß.
Der Rechtsausschuß des Reichstags fehte die Beratungen über den Gefeßentwurf zur Regelung älterer staatlicher Renten fort. Borsitzender Abg. Landsberg( S03.) teilte zunächst mit, daß der Reichsjustizminister ihm in Abschrift verschiedene Urteile habe zugehen lassen, die Aufwertungsansprüche älterer staatlicher Renten betreffen.
Es wurde dann§ 2 des Gesezentwurfs behandelt. Dieser bestimmt, nachdem§ 1 Ben Kreis der dem Gesez unterstellten Renten umschrieben hat, daß, soweit eine der in§ 1 bezeichneten Renten für die Aufgabe oder den Verlust von landesherrlichen oder standesherrlichen Rechten, sonstigen Hoheitsrechten oder Standesvorrechten jeder Art begründet ist, fie entschädigungslos fortfält. Dies soll auch dann gelten, wenn es sich um folgende Rechte hanschußherrliche, gerichtsherrliche oder ähnliche Renten; 2. Berechtigung zur Erhebung von Steuern, Zöllen, Pflaster, Wege-, Brücken- und Torgeldern sowie sostnigen Abgaben und Gebühren jeder Art oder ähnlichen Berechtigungen; 3. gewerbliche Zwangs- und Baurechte oder ähnliche Rechte.
Troß ausgedehnter Diskussion fonnte sich jedoch im Ausschuß eine einheitliche Meinung über den§ 2 nicht bilden. Die weitere Beratung und die Abstimmung wurde daher vertagt.
Ridlin und Roffé wiedergewählt. In den Wahlkreisen Dammerfirch und Colmar wurden Ridlin und Roffe zu Generalräten des Departements Oberrhein gewählt. Die beiden waren schon am 14. Oftober vorigen Jahres anläßlich der französischen Generalratswahlen gewählt worden. Ihre Wahl wurde dann vom Staatsrat für ungültig erklärt. Die Wahl am Sonntag hat diejenige vom 14. Oktober bestätigt. Ricklin erhielt in Dammerfirch 1203 gegen 1067 für einen nationalistischen Gegenkandidaten, Roffé in Colmar 3385- Stimmen.