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Nr. 259 46. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Können höhere Schuhzölle helfen?

Rationalisierung leistet bessere Dienste.

In verschiedenen deutschen   Industriegruppen macht sich seit| Die Einfuhr würde also demnach im Jahre 1927 nur 3,4 Broz. einiger Zeit eine verschärfte schu 3 öllnerische Attivität und im letzten Jahre rund 6 Proz. der deutschen   Schuh. bemerkbor. Nach den Baumwollindustriellen ist seit einigen Monaten produktion ausgemacht haben. Von den etwa 105 000-110 000* auch die deutsche Schuhindustrie bei der Arbeit, die Regierung Facharbeitern in der Schuhindustrie waren jedoch im April etwa und die Deffentlichkeit im Sinne einer Heraufschraubung der Schuß- 35 000 arbeitslos. Also auch bei restloser Drosselung der aus zölle zu bearbeiten. ländischen Schuheinfuhr mit Hilfe unübersteigbarer Zollmauern würden höchstens etwa 4000 Schuharbeiter mehr Arbeit finden, während die Situation für die große Masse der beschäf tigungslosen Schuharbeiter sich nicht gebessert häite. Außerdem müssen sich auch die Unternehmer selbst sagen, daß ihre Forderung auf eine 50 prozentige Erhöhung der jetzt geltenden Schuhzölle die Schuheinfuhr aus der Tschechoslowakei  , dem gefährlichsten Konkurrenzlande, so gut wie gar nicht berühren würde. Nach dem geltenden Zolltarif wird ein Doppelzentner Schuhe mit 180 Marf verzollt, so daß die Belastung bei dem leichten Schuhwerk je Paar etwa 70 Pfennig beträgt. Die Mehr­belastung bei einer weiteren Heraussetzung der Schuhzölle um 50 Proz. würde also 35 Pfennig je Paar ausmachen, und es ist mit ziemlicher Bestimmtheit damit zu rechnen, daß das Ausland bei einem gegenwärtigen Einfuhrwert von 8,59 Mart je Paar auch diesen Zoll ohne besondere Schwierigkeiten überspringen kann.

Das vereinte Vorgehen der Schuhindustrie und des Schuh­handels hat sich auch bereits politisch ausgewirit. So hat besonders infolge des Vorgehens der Pirmasenser   Schuhfabrikanten der handelspolitische Ausschuß des Reichstages Ende April gegen die Sozialdemokraten und Kommunisten eine Entschließung angenommen, in der die Reichsregierung erfucht wird, " schleunigst auf eine Beseitigung der auf dem Schuhgebiet be­stehenden internationalen Bindungen hinzuarbeiten". Die Reichs­regierung soll beschleunigt einen Gesetzentwurf vorlegen ,,, Der einen wirksamen zeitlichen Schutzzoll für die deutsche Schuhindustrie ge­währt und damit der deutschen   Schuhindustrie die Möglichkeit gibt, durch Rationalisierung und verstärkte Ausnutzung der Betriebe eine bessere Beschäftigung der jetzt zum größten Teil arbeitslosen und furzfristig arbeitenden Schuharbeiter herbeizuführen."

Es wird von feiner Seite bestritten,

daß die Verhältnisse in der deutschen   Schuhindustrie, von der kurzen Konjunktur 1927 abgesehen, in den letzten Jahren durchaus un­günstig gewesen sind. In den letzten vier Jahren hat sich die Arbeitslosigkeit bei den Schuharbeitern durchweg schärfer aus­gewirkt als in sämtlichen anderen Industrien. In der Krise von

1926 waren rund 28,6 Proz. der organisierten Schuharbeiter arbeitslos gegenüber einem Gesamtdurchschnitt von 18,2 Proz. bei sämtlichen Fachverbänden des ADGB  . Im Jahre 1928 übertraf die Bollarbeitslosigkeit im Schuhgewerbe den Durchschnitt der Arbeitslofichkeit in den Fachverbänden des ADGB  . fast um das Dreifache, während fast sechsmal soviel Kurzarbeiter in der Schuhindustrie gegenüber dem Gesamtdurchschnitt der übrigen Gewerkschaften vorhanden waren. Auch die wachsende Zahl der Konturse, die im letzten Jahr gegenüber 1927 um mehr als 50 Proz. zugenommen hatte, zeigte eine deutliche Zuspizung der Lage im deutschen   Schuhgewerbe. Bon den Fabrikanten wird num in erster Linie auf die

dauernde Einfuhrsteigerung ausländischer Schuhe hingewiesen, beren Beseitigung mit Hilfe erhöhter Zölle eine Ge­fundung der Industrie herbeiführen soll. Vergleicht man die Außen­handelsziffern von 1913 mit den letzten drei Jahren, so läßt fidh  sich allerdings eine starke Verschiebung zuungunsten des deutschen  Schuh- Außenhandels nicht verfennen. So betrug die

Einfuhr.*** Ausfuhr

1913

1194

1926 1927 1928 in tausend Paar 1560 2990 4257 4217 2100 2280 2064

Der Hauptanteil dieser Einfuhrmengen entfällt auf leichtes Damenschuhwerk bis zu 600 Gramm Gewicht je Paar. Von der Einfuhr des letzten Jahres entfielen 3,1 Millionen Paar, also fast 80 Broz, auf tschechische Schuhwaren, und zwar größten teils auf Bat'a- Erzeugnisse. In dem ersten Quartal des laufenden Jahres ging die Einfuhr erheblich zurück, denn gegen­über einer Einfuhrmenge von 1,15 Millionen Paar im ersten Bierteljahr 1928 wurden von Januar bis März 1929 nur 0,85 Mil­fionen Paar eingeführt. Der Wert der eingeführten Schuhmengen sant in der entsprechenden Zeit von 11,3 auf 7,9 Miu. Mt., also um rund 30 Proz

Der Hinweis der Unternehmer, daß die katastrophale Arbeitslosigkeit unter den Schuharbeitern hauptsächlich durch die Einfuhrsteigerung in den letzten Jahren bedingt sei, ist jedoch falsch. Man kann die gesamte deutsche Schuhproduktion im Jahre 1927 auf etwa 90 millionen und im vergangenen Jahre infolge des Konjunkturrückganges auf etwa 70 Millionen schätzen.

Ein OPEL  

Die Forderung nach wirksamen 3öllen würde also die Heraufschraubung der gegenwärtigen Zölle um das Doppelte und Dreifache bedingen. Die handelspolitischen Folgen einer derartigen Maßnahme wären aber, besonders bei den gegenwärtig schwebenden deutsch  - tschechischen Handelsvertragsverhand Iungen, nicht abzusehen. Da sich der Außenhandel zwischen den beiden Nachbarländern in den letzten Jahren sehr kräftig entwickelt und sich die Außenhandelsbilanz start zugunsten Deutsch lands verschoben hat die deutsche Einfuhr nach der Tschechei stieg im letzten Jahr von 0,52 auf 0,65 Milliarden Mark, während die tschechische Einfuhr nach Deutschland   sich von 0,56 auf 0,54 Mart sentte, steht für Deutschland   in der Schuhzollfrage sehr viel auf dem Spiel

-

Von der Zollseite tann also eine wirkungsvolle Beseiti­gung der Schuhfrise nicht erfolgen. Dagegen sollten die Unternehmer, anstatt unmögliche Zollpläne auszuarbeiten, an eine gründliche Rationalisierung der Pro. duktion und des Abfazes herangehen. Die Absatzmöglichkeiten auf dem innerdeutschen Markt sind für die einheimische Schuhindustrie noch längst nicht ausgeschöpft. Während der Ameri taner jährlich etwa drei bis vier Paar Schuhe verbraucht und der

amerikanische   Inlandsmarkt damit die Gesamtproduktion der ameri fanischen Schuhindustrie, die in den letzten beiden Jahren zwischen 300 und 330 Millionen Baaren lag, tonsumiert. auch in England je Kopf der Bevölkerung jährlich etwa zwei bis drei Paar Schuhe verbraucht werden, entfallen auf den Kopf der deutschen   Bevölke­rung jährlich etwa nur Paar Schuhe. Eine Steigerung des Ver­brauches je Kopf in Deutschland   um nur ein halbes Paar jährlich würde einem Mehrkonsum von 30 Millionen Paar entsprechen, also dem Siebenfachen der Schuheinfuhr vom Jahre 1928.

Wenn die anhaltende Schuhtrise in Deutschland   aber auch zum Teil auf die schwache Kaufkraft der Verbrauchermassen zurüd­zuführen ist, so liegt die Wurzel des Uebels doch in der gegenwärtigen Uebersetzung und der Zersplitterung der deutschen Schuhindustrie in zahlloje fleine und fleinste Betriebe. Es ist bezeichnend, daß trog der Absatzschwierigkeiten im letzten Jahre die größeren, gut durch organisierten Unternehmungen, die zudem noch über ein eigenes Abjagnet verfügen, durchaus rentabel gearbeitet haben.

So konnte die Siegle Schuhfabriken A.-G. bei Stutt­ gart  ( Salamander) in den letzten beiden Jahren die sehr hohe Di vidende von 14 Pro 3. zahlen, und nach den bisherigen Mit­teilungen besteht kein Grund zur Annahme einer Dividendensenkung in diesem Jahre. Konrad Tad hat seit 1925 Jahr für Jahr seine Dividende von 5 Proz. um 1 Proz. heraufsetzen können und zahlte für 1928 bei weiterhin erhöhten Umjägen 8 Proz. Auch der kürzlich erfolgte Abschluß der Vereinigten Schuhfabriken Ber

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Donnerstag. 6. Juni 1929

neis Wessels in Bamberg   wies eine Dividende in Höhe von 6 Proz. wie im Vorjahre aus. In der Erfurter Industrie gelang es trotz allgemein schlechterer Beschäftigung der Erfurter Mecha­nischen Schuhfabrik 2.-G., einem der führenden Unter. nehmen im dortigen Bezirk, seine Verluste vom Vorjahr durch die im letzten Geschäftsjahr erzielten Gewinne abzudecken. Die Be triebseinschränkungen wurden Anfang des Jahres wieder aufgehoben, und feit Februar arbeitet dieses Unternehmen wieder voll. Diese Beispiele beweisen,

daß von einem allgemeinen Niedergang der deutschen  Schuhindustrie feineswegs gesprochen werden kann, und daß ein großer Teil der führenden Unternehmen auch bei den gegenwärtigen Zöllen rentabel arbeiten fann. Schuhindustrie zur Selbsthilfe und nimmt einen gründlichen Ausleseprozeß in ihren eigenen Reihen vor, vereinfacht sie zugleich ihr noch vielfach unwirtschaftliches Fabrikationsprogramm, und sorgt sie für eine durchgreifende Reinigung des Schuh­handels, so schafft sie freie Bahn für wirksame Breissenkungen und entsprechende Absatzsteigerung. Nur von dieser Seite aus wird die Schuhindustrie der Krise zu Leibe gehen und wird bei diesen Maßz­nahmen auch der Zustimmung der Gewerkschaften ge wiß sein können, die den Zollattacken der Unternehmer ablehnend gegenüber stehen müssen.

R. B.

Die Beschäftigung steigt noch immer.

Roch 800 000 Arbeitslofe.

Die Aufwärtsbewegung des Arbeitsmarktes hat sich nach dem Bericht der Reichsanstalt für die Woche zum 1. Juni noch in allen Bezirken fortgesetzt; es ist bemerkenswert, daß in der entsprechenden Vorjahrswoche der Aufstieg nur noch von den, landwirtschaftlichen Bezirken getragen wurde. Immerhin hat sich auch diesmal der Aufschwung weiter verlangsamt. Gegenwärtig dürfte, nach dem Stand vom 3. Juni, die Zahl der Arbeitslosen nach der Schäzung der Landesarbeitsämter na he an 800000 Liegen. Mithin ist sie noch um 170 000 höher als zur gleichen Borjahrszeit; nur Niedersachsen   hat den Vorjahrsstand erreicht. Kon­junttureinflüsse und Saisonbewegungen lassen sich bisher nur schwer voneinander unterscheiden.

Die Beschäftigung im Baugewerbe ist im Vergleich zu 1928 noch sehr unbefriedigend; teilweise überwiegen schon wieder die Zugänge von Arbeitslosen( Geldmangel). In der Metall­wirtschaft ging die Arbeitslosigkeit in den meisten Bezirken etwas

ftärfer zurüd.

Die gute Beschäftigung in der Metallindustrie, die offenbar möglichkeiten im Baugewerbe sind als günstige Zeichen für weitere megen Kapitalmangel nicht entfernt ausgeschöpften Beschäftigungs­

Entlastung anzusehen.

Deutschland   im Ruffenhandel. Deutschlands   Ausfuhr nach Rußland   um 30 Proz. aefunfen.

Bon Oktober 1928 bis März 1929 hat die russische   Ausfuhr über die europäischen   Grenzen rund 341 Millionen Rubel betragen gegen rund 301 Millionen in der gleichen Zeit des Vorjahres. Die russische   Einfuhr ist mit 311 gegen 352 Millionen nicht unerheblich zurückgegangen. Deutschlands   Anteil am russischen Außen. handel steht auch heute noch an erster Stelle. Die russische  Ausfuhr nach Deutschland   ist von 84,4 auf 89,3 Millionen Rubel gestiegen, dagegen ist die deutsche Einfuhr nach Rußland Don 124,3 auf 89,3 millionen zurüdgegangen. Der ruffische Einfuhrrüdgang entfällt damit zum größten Teil auf die Minderung der deutschen   Einfuhr.

Auf der anderen Seite ist die russische   Ausfuhr nach Eng land, den Vereinigten Staaten   und Frankreich   stär fer gestiegen als diejenige nach Deutschland  . Und die Emfuhr der drei Länder nach Rußland   ist in erheblich geringerem Maße zurüd­gegangen als diejenige Deutschlands  . Diese Entwicklung zeigt deut­lich, daß sich gegenüber dem Vorjahre die geschäftlichen Verbin­dungen Rußlands   mit England und den Vereinigten Staaten   sowie Frankreich   erheblich erweitert haben. Dabei ist allerdings zu be­rücksichtigen, daß die Lieferungen auf den deutschen   300- millionen­Kredit in der Berichtszeit eine immer geringere Rolle gespielt haben.

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ZOBERBIER

67- A 32 de BH