Morgenausgabe
Nr. 271
A 137
46.Jahrgang
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Donnerstag
13. Juni 1929
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Bas not tut. Deffentliche
Arbeitsmarktpolitik statt Arbeitsmoralpolitik.
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Deffentliche Ratssitzung.
Funkstation des Völkerbundes.- Ostoberschlesisches Schulunrecht.
Die politische Intereffenvertreterin der Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände, die Deutsche Volkspartei , hat durch zwei prominente Wortführer, den Reichswirt= schaftsminister Curtius und den Abgeordneten v. Raumer, in ihrem Kampf gegen den Arbeitslosenschutz Am Mittwoch erledigte der Bölferbundsrat in öffentlicher auch das Stichwort der Unternehmer von der gefährde Sitzung eine ziemlich umfangreiche Tagesordnung. Aus einem Be ten Arbeitsmoral aufgegriffen. Der Reichswirt- richt über die Errichtung einer Funk Sende- und schaftsminister sprach davon ,,, daß wir die Gesetzgebung, BerEmpfangsstation des Völkerbundes in Genf , um seine waltung und die Finanzen überspannt haben, und daß Aktionsfähigkeit und Unabhängigkeit auch in Krisenzeiten schwere Schäden der Arbeitsmoral eingetreten sind"; der Abgeordnete v. Raumer bezeichnete diesen Verfall der Ar- spruchreif ist, d. h. daß die Schwierigkeiten noch nicht überzu sichern, ergab sich, daß die Angelegenheit noch immer nicht beitsmoral als Wissenschaft vom Stempeln". munden sind. Es ist besonders die Schweiz , die sich gegen die Errichtung dieser Station sträubt und darin eine Gefährdung ihrer Neutralität erblickt, in Wirklichkeit aber die nicht unerheblichen Einnahmen für ihre Telegraphenverwaltung nicht gern verlieren möchte.
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Daß es sich dabei nicht um originelle Prägungen, sondern um die Wiederbelebung unbewiesener Behauptungen der Unternehmer handelt, zeigt die Denkschrift der Bereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände. In dieser Denkschrift wird behauptet, daß die Einbeziehung der Saisonerwerbslosigkeit in die Arbeitslosenversicherung nachweislich demoralisierende und allgemeinwirtschaftsschädigende Wirkungen habe. Nach der Meinung der Unternehmer sind das aber nicht die einzigen schweren Beschädigungen der Arbeitsmoral. Die gleichen Auswirkungen sehen sie in der Unterstützung der Arbeitslosen überhaupt.
Neben dieser finanziellen Wirkung ist aber vor allem die arbeitsmoralij dye Auswirkung des gänzlichen Fortfalls der Bedürftigkeitsprüfung, ihre Einwirfung auf die Arbeitsluft und Arbeitswilligkeit sowohl der Erwerbslosen , wie aber auch der übrigen beschäftigten Arbeitnehmer zu berücksichtigen."
Aus diesen moralisierenden Unternehmerbetrachtungen ergibt sich mit aller Deutlichkeit, wie man die furchtbaren Gefahren von der Arbeitsmoral abmenden fann: feine Unterstützung für die Saisonarbeitslosen und Wiedereinführung der Bedürftigkeitsprüfung für alle übrigen Arbeitslosen. Die Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände hat schon vor Jahren die Entdeckung gemacht, daß es auch versicherungstechnisch sehr wohl denkbar wäre, eine Arbeitslosenversiche rung mit Bedürftigkeitsprüfung einzurichten". In Fragen der Moral sind die Unternehmer immer erfinderisch gewesen, weniger erfinderisch, wenn es darum geht, jedem Deutschen die Möglichkeit zu geben, durch wirtschaftliche Arbeit seinen Unterhalt zu erwerben und sich mitverantwortlich dafür zu fühlen, daß die, Ordnung des Wirtschaftslebens den Grundfäßen der Gerechtigkeit mit dem Ziele der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle entspricht. Was bedeuten den Unternehmern diese Grundsätze der Reichsver
Für die Presse ist ein Bericht über die Ausführung der Empfehlungen der Internationalen Pressekonferenz von 1927 von Interesse. Der Rat beschloß, den Regierungen die Anerkennung
eines internationalen Journalistenausweises zu
empfehlen, ebenso die Herabsetzung der Gebühren für Breffetele gramme und für Flugbeförderung von Zeitungspaketen. Eine Konferenz, von Regierungen und Sachverständigen über die Beförderung von Zeitungen per Eisenbahn soll im Herbst tagen.
Auf Anlaß der Sowjetregierung war auf der letzten Tagung der Vorbereitenden Abrüftungstommiffion eine Ent schließung angenommen worden, wonach die Staaten, die das Genfer Giftgasprotokoll noch nicht ratifiziert haben, vom Bölfer Fund ermahnt werden sollten, dies baldigst zu vollziehen. Der Rat machte sich diesen Wunsch zu eigen. Dabei erfuhr man, daß bisher nur 13 Staaten die Giffgaskonvention ratifiziert haben und 11 weitere die Absicht dazu fundgefan
Schulkinder in die Minderheitsschulen Ostoberschlesiens haite wiederholt in den letzten Jahren den Rat beschäftigt. Deutsch - polnische Berhandlungen im Frühjahr in Paris unter dem Vorfiz des Japaners Adatschi haben einige Verbesserungen im Anmeldeund Beschwerdeverfahren erzielt. Diese Neuregelung bietet die Möglichkeit, die Beschwerde zunächst örtlich zu schlichten oder zu entscheiden, ohne daß man den Rat anzugehen braucht. Die Möglichkeit, ungelöste Streitigkeiten in letter Instanz vor den Rat zu bringen, bleibt vorbehalten.
Das gilt natürlich sowohl für die deutschen Minderheitsschulen in Deutsch - Oberschlesien . Dagegen ist bei diesen deutsch - polnischen BerPolnisch- Oberschlesien wie für die polnischen Minderheitsschulen in
handlungen über einen anderen Punkt eine Einigung nicht erzielt worden. Es handelt sich um den von den Polen angeordneten 3wang zum persönlichen Erscheinen jener Eltern, die ihre Kinder zur deutschen Minderheitsschule angemeldet haben, vor rein polnischen Kommissionen. Diesen Zwang greift Deutsch land als vertragswidrigen Pressionsversuch an. Die bisher ergebnislosen Verhandlungen darüber sollen später wiederaufgenommen werden.
Endlich wurde noch beschlossen, eine internationale Konferenz für die Zusammenfassung des Bölkerrechts einzuberufen, wahrscheinlich zum 13. März 1930 in dem Haag. Es follen alle Staaten der Welt eingeladen werden, darunter auch die Bereinigten Staaten, Sowjetunion , Danzig , Aegypten usw.
Am Nachmittag waren die meisten Delegierten unter Führung Primo de Riveras in Toledo . Stresemann und Schubert blieben in Madrid , teils um die wichtige Donnerstagsigung des Rats vorzubereiten, in der das Minderheitenproblem erörtert werden soll, feils auch um Besprechungen abzuhalten. So hatte Stresemann eine mehrstündige Unterredung mit Professor Hesnard, dem Vertrau ensmann Briands an der französischen Botschaft in Berlin . Hierbei wurden weitere Besprechungen Stresemanns mit Briand
haben. Es haben sich also mehr als 25 Staaten nicht ge rührt! Die Frage der Einschulung deutschsprachiger bereitet.
Der Inhalt des Konkordats.
Dor
faffung. obwohl nur von hier aus gelöst werden kann, was Finanzielle Belastung 1,4 Mill. Mart.- Keinerlei Bestimmung über die Schule.
ernsthaft hinter dem Geschrei von der Gefährdung der Arbeitsmoral steckt!
Man schaffe genügend angemessene Arbeitsgelegenheit, und der Spuf von der angeblichen Gefährdung der Arbeitsmoral zerrinnt. Was die Arbeitslosen fordern, ist Arbeit; die Unterstützung ist nur Notbehelf. Man braucht nur die Arbeitsämter aufzusuchen, um immer wieder an diesen Sachverhalt erinnert zu werden.
Der Inhalt des Staatsvertrages zwischen Preußen und| Bedenken gegen den Gewählten nicht bestehen. Andernfalls unter
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der Kurie das Wort Konkordat ist in ihm nicht enthalten erstreckt sich auf folgende Punkte:
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Weiter geregelt wird die Ernennung der Bischöfe. In Deutsch land vollzieht sich die Bischofswahl unter Mitwirkung der Dom tapitel, während sonst in der ganzen Welt die Bischöfe vom Bapst ernannt werden.
Gegenüber der Reichsverfassung, die ja die Kirchen in ihrer inneren Verwaltung völlig freistellt, sichert der Staatsvertrag dem preußischen Staat ein gewisses Aufsichtsrecht.
Es werden zunächst die Verhältnisse in der Organisation er Kirchenverwaltung geregelt, soweit eine Neuordnung durch Wachstum der Bevölkerung und ähnliche Umstände erforder Was wir brauchen. sind nicht Moralpredigten, sondern lich geworden ist: Die Bistümer Paderborn und Breslau Arbeitsmarktpolitit. So erfreulich die starke Ent- werden zu Erzbistümern erweitert, neue Bischofsfige lastung des Arbeitsmarktes ist, der Rückgang ist nicht so werden in a chen und in Berlin , das bisher einen Weihe groß. daß wir aller Sorgen ledig wären. Die weitere Beffe- bischof hatte, errichtet. Das Bistum wird damit begründet, daß in rung hängt wesentlich von der Entwicklung des Bau- Berlin jezt über 500 000 Katholiken wohnen. marktes ab. Auch der Förderung der öffentlichen Wirtschaft fällt hierbei eine große Aufgabe zu. Es mußte alarmie rend wirken, daß vielfach Besorgnisse laut werden, die Beschäftigungsdauer der sogenannten Saisonarbeiter, naments lich im Baugewerbe, werde vielfach nicht lang genug sein, um neue Anwartschaften für den Bezug der Arbeitslosenunterſtüßung im fommenden Winter erwerben zu können. Angesichts solcher Möglichkeiten ist es geradezu grotesk, die Arbeitslosigkeit durch Abbau des Arbeitslosenschutzes be= fämpfen zu wollen, statt die Frage zu erörtern, wie durch vermehrte Arbeitsgelegenheit geholfen werden fann. Ein wirtsames Mittel in dieser Richtung ist die systematische und großzügige Förderung des Wohnung s- baues, hier liegt auch gleichzeitig die Möglichkeit, Umfang und Dauer der berufsüblichen Arbeitslosigkeit entscheidend im günstigen Sinne beeinflussen zu können. Nur von dieser Seite aus fann man ernsthaft, wie die Denkschrift des Deut schen Baugewerksbundes zeigt, dem Problem der berufs lichen Arbeitslosigkeit zu Leibe rücken. Der Witterungseinfluß ist nur ein Faktor von vielen, die Umfang und Dauer der Arbeitslosigkeit in diesem Gewerbezweig bestimmen, er fann mehr als ausgeglichen werden durch rechtzeitige und ausreichende Finanzierung des Wohnungsbautes und andere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Das würde auch eine allgemeine tonjunkturfördernde Wirkung haben. Damit wäre gleichzeitig der Widerspruch beseitigt der in der Tat fache liegt, daß auf Grund einer schlechten Beschäftigungslage die Zeit der Beitragszahlung kurz und die Dauer der Unterstützung relativ lang ist. Eine vorausschauende Arbeitsmarktpolitik könnte dieses Verhältnis umfehren.
Danach wird sich die Bischofswahl in Zukunft folgendermaßen vollziehen: das Domtapitel reicht beim päpstlichen Stuhl eine Lifte ein, aus der der Papst drei Bewerber auswählt. Von diesen dreien wählt das Domkapitel einen zum Bischof. Die päpstliche Bestätigung der Wahl erfolgt aber erst dann, nachdem die preußische Staatsregierung erklärt hat, daß politische
bleibt die Bestätigung. Das gleiche gilt von der Wahl der Bischofsstellvertreter.
Weiter regelt der Vertrag die Voraussetzungen über die Bestellbarkeit zum geistlichen Umf. Auch hier hat die Reichsverfaffung dem Staat die Möglichkeit eines Einflusses im Grunde entzogen. Durch den Vertrag ist jedoch festgestellt, daß Voraussetzungen zum geiſtlichen Amt sind: deutsche Staatsangehörigteit, Reijezeugnis und dreijähriges Studium an einer deutschen oder österreichischen Universität oder einem gleichgestellten Seminar. Neu gegenüber dem bisherigen Zustand ist, daß die päpstliche Hochschule in Rom als Bildungsstätte den genannten Anstalten gleichgestellt wird.
Bon besonderer Bedeutung ist die Regelung der Dotationen. Nach dem Bertrag von 1821 hat die katholische Kirche immer noch einen sehr weitgehenden Rechtsanspruch auf sogenannte Rea1=" botationen in der Form von Domänen, Grundstücken usw. Dieser Anspruch ist bis heute nicht erfüllt worden. Die Kirche berzichtet jegt endgültig auf ihn. Dafür wird die bisherige Gelddotation, die ursprünglich 1,4 Millionen Mart, in den letzten Jahren 1,8 Millionen Mark jährlich betrug, auf Grund des gesunkenen Geldwertes auf 2,8 millionen Marterhöht. Für die in Art. 134 der Reichsverfassung vorgesehene Avlösung der Dotation fommt jedoch mur der frühere( niedrigere) Wert in Frage..
Außer den genannten Bestimmungen find irgendwelche Bestim
Zu diesen auf wirtschaftlichem Gebiet liegenden Maß-| pflicht aller offenen Stellen; das ist die übereinstimmende nahmen kommen die arbeitsmartt politischen Auffassung der Praktiker im Arbeitsnachweiswesen. Aufgaben im engeren Sinne des Wortes, die So stehen wir vor einer Fülle von Aufgaben, die ernstzum Arbeitsbereich der Reichsanstalt gehören. Soziale Re- haft in Angriff genommen werden müssen, will man wirtgulierung auf dem Arbeitsmarkt durch richtige Leitung der sam die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Wichtiger noch als ein freien Arbeitskräfte jetzt voraus eine zwedentsprechende Or Ausschuß zur Feststellung und Beseitigung von sogenannten ganisation der Arbeitsvermittlung und Berufsberatung, Aus- Mißständen im Arbeitslosenschutz ist ein Ausschuß, der in nugung aller Möglichkeiten auf dem Gebiete der Berufs- der Arbeitsmarktpolitik die zentrale Aufgabe unserer Zeit umschulung und Berufsfortbildung. Ein unentbehrliches| sieht. Arbeitsbeschaffung ist wichtiger als alles Gerede von Mittel zur Durchführung dieser Aufgaben ist die Melde der gefährdeten Arbeitsmoral.