Nr. 271 46. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Sozialdemokratie und Landesverraf.
Eine Abrechnung im Reichstag.
In der Reichstagsfizung am Mittwoch sprach gegen die Ausführungen des Abg. Berndt( Dnat.), der die Sozialdemokratie des Landesverrats beschuldigt hatte,
Abg. Landsberg( Soz.):
Im Laufe der Jahre ist Herr Berndt auf die äußerste Rechte gerüdt. Früher war ihm die Sozialdemokratie nicht so unsympathisch, als er sich um ihre Stimmen in der Berliner Stad verordnetenverjammlung bewarb, um zum Stadtrat gewählt werden zu können. Heute richtet er gegen meine Partei die gehässigsten Angriffe. Wenn es richtig ist, daß man immer wieder zu seiner alten Liebe zurückkehrt, so wäre es möglich, daß wir Herrn Berndt noch einmal als Bertreter des entschiedenen Liberalismus sehen ( Heiterkeit), wobei ich allerdings nicht weiß, ob der Liberalismus seine erste Liebe gewesen ist.( Lebh. Heiterkeit.) Ich bitte aber nicht zu glauben, daß ich eine solche Entwicklung erwünschte oder ersehnte;
Herr Berndt würde uns mit seiner Nachbarschaft viel unangenehmer sein, als auf der Seite unserer Gegner. ( Sehr gut! bei den Soz.) Im einzelnen will ich gegen ihn nicht polemisieren. Ich glaube ihm aber einen Dienst zu erweisen, wenn ich folgende Mitteilung mache Herr Berndt entrüstet sich gern trop des bekannten Bismardwortes, daß Entrüstung tein politischer Faktor sei, vielleicht entrüstet er sich auch darüber- Die Franzosen geben in Wiesbaden eine Zeitschrift ,, La Revue rhenan" heraus. Ich habe eine Nummer dieser Zeitschrift gesehen, in der nicht eine einzige deutsche Firma inserierte. Erst auf der legten Seite fand ich die deutsche und französische Ankündigung einer deutschen Firma, nämlich des Ufa Palastes des Herrn Hugenberg! ( Lebh. Heiterfeit.) Herr Berndt hat nun die bekannte grüne Mehrbroschüre als landesverräterisch bezeichnet und in feiner ersten Rede Zweifel an der Zuverlässigkeit der Sozialdemokratie m der Frage der Landesverteidigung geäußert, ja sogar von einem programmatischen Bekenntnis der Sozialdemokratie zum Landesperrat gesprochen. Wenn diese grüne Broschüre landesverräterija) ift, warum tun Sie dann nicht, was Sie in der Angelegenheit der Groener Dentschrift getan haben. Damals erklärten Sie, Sie hätten gefürchtet, sich der Begünstigung schuldig zu machen, wenn Sie eine Strafanzeige nicht erstatteten. Mit dieser Begründung haben Sie die Strafanzeige gemacht Sie haben Uebung in solchen Anzeigen( Heiterfeit links), warum erstatten Sie jetzt feine? Statt dessen haben Sie etwas anderes getan. Das deutschnationale Mitteilungsblatt Auf der Wacht" enthält in seiner Nummer vom 1. März d. I. folgendes Injerat:
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Wer kennt die wahre Gesinnung der Sozialdemokratie? Nur mer das Sonderheft des„ Klassenkampf" ,, Sozialdemokratie und Wehrprogramm" gelesen hat. Nach Mitteilung des Verlages ist die Schrift bis auf menige Eremplare vergriffen. Wir liefern, soweit unfer Vorrat reicht, dieselbe zum Preise von 60 Pf.
Deutschnationale Schriftenvertriebsstelle G. m. b. 5. ( Stürmische Heiterfeit und lebhafte Zurufe links.) Eine mert: würdige Methode, landesverräterische Literatur zu befämpfen, indem man fie propagiert. Diefes deutschnationale Blatt wird aller dings in derselben Druckerei hergestellt, die lange Zeit auch das berüchtigte tommunistische Wizblatt Der Knüppel" und sogar das bekannte Hindenburggedicht gedrudt hat.( Große Heiterfeit links.)
Herr Berndt sollte überhaupt etwas vorsichtiger mit dem Borwurf des Landesverrats sein.
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Wenn wir 3. B. zur Zeit der Bürgerblodregierung nach Amerika geschrieben hätten Gebt diefer Regierung teine Anleihe, denn fie verwendet das Geld zur Sanierung verfrachter Raiffeisenbanken und zur Rettung banterotter Gutsbesitzer" wie hätten Sie da über Landesverrat geschrien! ( Sehr wahr! fints.) Unterscheiden sich denn die Briefe Hugenbergs nach Amerita von derartigen Behauptungen? Obwohl ihm eine Anzahl deutsche Zeitungen zur Verfügung stehen, hat er selbst die Briefe nach Amerita nicht abgedruckt, bevor sie von Amerika her bekannt geworden sind. Er hat die Warnung nach Amerika geschrieben, der deutschen Regierung fein Geld zur Verfügung zu ſtellen, weil sie es nur für marristische Experimente verpulvern würde. Ich weiß nicht, was damit gemeint ist. Meines Wissens hat die Reichsregierung nicht die Absicht, Herrn Hugenberg den Lokal- Anzeiger" abzukaufen, um dessen Leser republikanisch zu bearbeiten, so wie die angeblich über den Parteien stehende Regierung des früheren Obrigkeitsstaates Zeitungen getauft hat.( Unruhe rechts.) Db auf die Briefe Hugenbergs der Begriff des Landes nerrats angewendet werden fann( Zuruf rechts: Probieren Sie es doch einmal!) Nein, das tun wir nicht, denn wir wünschen durch= aus, daß Herr Hugenberg an der Spize Ihrer Partei bleibt.( Sehr gut links Lärm rechts.) Wenn Sie ebenso geschloffen hinter Herrn Hugenberg stünden, wie wir sein Berbleiben an Ihrer Spize wünschen, dann könnten Sie zufrieden sein.( Lebhafte
Heiterkeit links.)
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Die Deutschnationalen haben mit einer ganzen Reihe ihrer prominenten Persönlichkeiten entschieden Unglück gehabt. Beim Abftimmungstampf in Oberschlesien fiel uns in den Rücken ein sehr fiuger und wortgewandter Mann, der die ganze Provinz bereiſte, um die deutschen Wähler zur Stimmabgabe für Polen zu bewegen: das war Graf Oppersdorf, ehemaliger Hospitant der deutschnationalen Fraftion des Reichstages.( 3uruf rechts: Aber wann?) Bei einem ehemaligen Hoipitanten der jozialdeinofratischen Frattion würden Sie sich auch noch nach Jahrhunderten nicht abhalten laffen, ihn uns an die Rockschöße zu hängen.( Seiterfeit.) Im Memellande war es Herr Gaigalat, ehemaliges Mitglied der konservativen Fraktion des reußischen Lantages, der für die Bereinigung mit Litauen geworben hat, und fein Adjutant war Herr Bonin, ehemals Redakteur der konservativen Zeitung in Tilsit und jezt Herausgeber eines litauischen Wochenblattes in deutscher Sprache. Als in Versailles über das Schicksal Deutschlands entschieden werden sollte, da reiste ein Mann aus Sachsen abwechselnd nach Prag und Paris , um zu erreichen, daß die Wendei zur tschechoslowakischen Republit der sächsische deutschnationale Landtagsabg. Barth. Der pfälzische Separatistenführer Orbis war bayerischer Landtagskandidat der Rechten. Bismard ist wegen der Veröffent lichung des Rüdversicherungsvertrages zwischen Deutschland und Rußland Landesverräter gescholten worden, und der Miesbacher Anzeiger" hat den bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Held als Landesverräter an Bayern bezeichnet. Sie( nach rechts) tun uns mit dem Borwurf des Landesverrats nicht weh, aber Sie sollten einsehen, daß Ihr agitatorischer Rugen davon viel geringer ist, als der außenpolitische Schaden, den Sie mit solchen Vorwürfen Deutsch land zufügen.( Lebh. Zustimmung links, Unruhe rechts.). Wie fönnen Sie nach dem Erlebnis dieses Krieges an der Bejahung der Landesverteidigung durch die Sozialdemokratie zweifeln? Haben Sie einen Führer, der sein Blut hergegeben hat für das Land, wie unser Ludwig Frank ?
fomme: es war
Wir stehen treu zur Landesverteidigung. Wir sind Pazifisten, wir erwarten den Sieg des Pazifismus allerdings erft von einer politischen Konftellation, die nicht mehr Deutschland das Aschenbrödel sein läßt. Auch wenn eine Familie unter fich fämpft, fo muß fie bei
gemeinsamer Not zusammenhalten. Es gibt feinen in unseren Reihen, der sich von diesem Bekenntnis ausschließt. Es besteht nur Meinungsverschiedenheit darüber, ob eine Landesverteidigung durch eine gerüstete Armee oder durch ein Volksaufgebot auszuüben wäre. Diese Meinungsverschiedenheiten sind durch die bekannten
Beschlüsse des Magdeburger Parteitages
gelöst. Się( nach rechts) behaupten, daß wir dem Reich militärische Notwendigkeiten verweigern und Sie verweisen auf den Panzerfreuzer. Sind Sie zu solchen Vorwürfen berechtigt? Haben Sie immer das bewilligt, was militärische Sachverständige als notwendig forderten? Das bekannte Wort Dem Militarismus feinen Mann und feinen Groschen" ist von den Konservativen in die Form gebracht worden Kein Kanik, feine Kähne!"
( Sehr gut! links.) Den Mittellandkanal haben Sie abgelehnt, ob wohl die militärischen Sachverständigen seine große militärische Bedeutung im Fall eines Weltkrieges betonten. Sie aber haben abgelehnt, weil Sie fürchteten, der Mittellandfanal würde eine Einfallspforte für billiges Getreide aus Holland sein. Also antimilitaristisch sind Sie auch, nur müssen dabei agrarische Vorteile herauskommen.( Sehr gut! fints. Unruhe rechts.) Sie fönnten mit dem Vorwurf des Landesverrats endlich aufhören. Ich habe mich etwas ausführlicher mit diesem Vorwurf des Landesverrats beschäftigt, dessen unhaltbarkeit feststeht, auch wenn er von einem politischen Nomaden erhoben wird.( Heiterkeit links.) Abg. Berndt( Dnat. persönlich): Ich bin früher überhaupt nicht parteipolitisch organisiert gewesen, wie übrigens der größte Teil der Beamtenschaft. Den Errungenschaften der Revolution ist es vorbehalten geblieben, in diese gute Tradition Bresche zu schlagen. Bestimmt aber war ich nicht Sozialdemokrat oder Demokrat. Der beste Beweis dafür ist, daß mir die Nationalliberale Partei ein Landtagsmandat angeboten hat. Zur Zeit meiner Wahl als Bürgermeister von Schöneberg war ich längst deutschnationaler Abgeordneter. Also die Behauptung Landsbergs darüber ist eine gehässige, niedrigstem Haß diftierte Berleumdung.( Ordnungsruf; stürmische Entrüstungsrufe links.)
Don
Abg. Landsberg( Soz.):
Herr Berndt ist vollständig im Irrtum, daß ich von Haß gegen ihn erfüllt wäre. Meine Empfindungen für ihn find wesentlich anderer Art.( Sehr gut! links.) Er hat berichtigt, was ich nicht behauptet habe. Ich habe nicht von seiner Bürgermeisterwahl in Schöneberg gesprochen, sondern daß er mit den sozialdemokratischen Stimmen zum Stadtrat von Berlin gewählt worden ist und diese fozialdemokratische Unterstügung erbeten hat.( Hört, hört! links.) Im Auftrage Berndts hatte ein Mitglied der deutschnationalen Fraktion die sozialdemokratischen Fraktionsführer Singer und Stadthagen gebeten, die Wahl des Herrn Berndt zu unter ftüßen.( Lebh. Hört, hört! links.) Wir werden dafür sorgen, daß diese Borgänge in der Presse mit epischer Breite geschildert werden, und Sie, Herr Berndt, werden dann Gelegenheit haben, den Beweis vor Gericht zu erhalten. Ich habe nicht behauptet, daß Sie politisch organisiert gewesen find.
Es ist immer die Eigentümlichkeit gewiffer sehr vorsichtiger Menschen gewesen, die Zugehörigkeit zu einer Organisation zu vermeiden, weil ihnen das einmal in der Karriere schaden könnte. ( Sehr gut! links.) Aber Sie werden nicht bestreiten können, daß Sie fich als entschieden liberaler Mann mit start demokratischen Anfichten ausgegeben haben, und das wird, wenn Sie flagen, auch bewiesen werden.( Stürmischer Beifall links, Unruhe rechts.)
Die Abstimmung.
in der Ausschußfassung angenommen. Unter Ablehnung aller Oppositionsanträge wird der Haushalt Eine Entschließung der Deutschnationalen , die gefeßgeberische Maßnahmen gegen Ent artungen und Verwilderungen in Literatur und Theater fordert, ebenso eine zweite Entschließung auf Sicherstellung der politischen und religiösen Neutralität des Rundfunks werden gegen die Linte angenommen. In einem weiteren Beschluß wünscht der Reichstag Verbesserung der Fahrpreisermäßigungen für Jugendfahrten und Nachprüfung des Impfgefeßes. Eine tommunistische Entschließung auf völlige Trennung von Staat und Kirche wird in namentlicher Abstimmung mit 235 gegen 161 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt, ebenso eine fommunistische Entschließung auf ungültigkeitserklärung des bayerischen Kontordats mit 199 gegen 57 Stimmen, bei 130 Stimmenthaltungen der Sozialdemokraten und der Demokraten. Mit ähnlichem Stimmenverhältnis wird auch ein fommunistischer Antrag auf Berbot des preußischen Konkordats abgelehnt. Angenommen wird eine deutschnationale Entschließung auf Borlegung eines Reichshebammengefeßes.
Donnerstag. 13. Juni 1929
tungsrates gemacht hat. Vollen Dank verdien: die Arbeitsleistung des gesamten Personals bis zum Minister und seinen Beratern, ohne die die geleistete Arbeit nicht bewältigt worden wäre.
Noch mehr Geld ans Reich kann die Post nicht abliefern, sie muß im Gegenteil mehr Neuanschaffungen machen, schon auch im Interesse der Vollbeschäftigung der Industrie. Bei einer Vereinheitlichung der Post und der Reichsbahn unter einer Leitung würde auch die Bost einen privaten Charakter annehmen, den wir nicht wünschen. Auch würde dann die Verwaltung jo umfangreich, daß ein einzelner Mensch sie nicht leiten tönnte. Die Post als Reichsinstitut darf in der Frage der Staatsform nicht neutral sein.
Jede Reichsverwaltung fann nur republikanisch sein, und muß republikanische Erziehungsarbeit ausüben, wo immer es möglich ist.
Nach dieser Richtung haben wir noch verschiedene Klagen, wenn wir auch Fortschritte mit Befriedigung verzeichnen. So hat der Minister allen Bostanstalten aufgetragen, an Feiertagen die Reichs= flagge aufzuziehen.( 3uruf links: Das tun aber nicht alle!) Auch die Poststellen, an denen die Kraftwagen halten, sollten so flaggen, nötigenfalls müßten ihnen Flaggenstangen geliefert werden. Es ist vorgekommen, daß bei einem Begräbnis von einem Kranz der Reichspost die schwarzrotgoldene Schleife abgerissen worden ist, daß ein Bostamisvorsteher öffentlich gegen die Aufstellung eines Dentsteins für den Reichspräsidenten Ebert agutiert, daß in Strausberg und anderswo in Diensträumen Stahlhelmagitation getrieben und Parteibureaus errichtet werden. Das ist nur möglich, wenn die Oberpostdirektionen ruhig zusehen; dazu hat man ihnen die größere Selbständigkeit nicht gegeben.( Sehr gut! links.) Auch in der Bersonalpolitik geschieht nicht alles, worauf die Republik Anspruch hat. Das Recht zur Anhaltung von anstößigen Sendungen wird noch immer mißbraucht.
So hat man die Empfehlungskarte einer durchaus seriösen Firma zur Bestellung von Vorbeugungsmitteln gegen Empfängnis und Geschlechtskrankheiten nicht befördert, weil ein durchaus nicht etwa obszöner Bierzeiler von Joachim Ringelnak darauf stand.( Heiterfeit.) Entsprechend einem Erlaß des Ministers sollte auf die Sauberkeit der Diensträume noch mehr Bedacht genommen werden. Die Beamtinnen der Berliner Fernsprechämter mit Handbetrieb find furchtbar überlastet.
Die Nachtverbindungen werden besonders gebucht, etwa um den wenigen Beamtinnen noch mehr Arbeit aufzuhalsen? Wenn wir demnächst 3 Millionen Rundfunkhörer haben, so find das 72 Millionen Mart Einnahme im Jahr. Davon erhält die Reichs
rundfuntgesellschaft 36 Millionen. Wie steht es mit der Erneuerung der Verträge?
Die Reichsrundfunkgesellschaft soll alles haben, was sie braucht, aber niemand versteht, daß auf der einen Seite aus dem Bollen und drauflos gewirtschaftet wird, während man eine Herabjehung der Teilnehmergebühr als unmöglich erklärt. Dabei würde sie sicherlich durch rasche Zunahme der Teilnehmerzahl den Ausfall sehr bald decken. Auf das Verlangen, Schwerkriegsbeschädigten sowie Bollinvaliden und Erwerbslosen die Rundfunkgebühr zu erstatten, hat das Reichsarbeitsministerium, dem die Reichspost den Antrag übermittelte, geantwortet, dafür habe man fein Geld. Das verlangt auch niemand; die Reichspoft soll diese Einsicht zeigen.( Sehr richtig! links.)
Die Personalvorschläge des Reichssparkommissars gehen doch zu weit. Wir wollen das Berufsbeamtentum auf öffentlich- rechtlicher Bafis erhalten. Wir fchäßen und achten die Arbeiter und Angestellten, glauben aber nicht, daß sie ohne weiteres die Berufsbeamten ersetzen fönnen. Wir wollen fein Privileg für das Berufsbeamtentum, halten aber seine Beseitigung für nicht angängig. Es ist anerkennenswert, daß der Achtstundentag wenigstens für einige besonders schwere Betriebe wieder eingeführt ist. Wir wünschen, daß auf diesem Weg weiter gegangen wird.
Ungerecht ist es, Beamtinnen nicht fest anzustellen, wenn fie so unvorsichtig waren, ihre Heiratsabsicht zu verraten. Dann bekommen sie hämlich, wenn sie heiraten, nur den vierten Teil der Abfindungssumme. Hätten sie die Heiratsabsicht geheim gehalten, so wären sie feft angestellt worden und hätten die ganze Abfindungssumme erhalten. So darf man jedoch die Ehrlichkeit nicht bestrafen. Man sollte die betreffenden Beamtinnen nachträglich pro forma fest anstellen und ihnen die drei Viertel der Summe nachzahlen. Noch immer fanzen Bayern und Württemberg aus der Reihe, führen besondere Betriebsformen ein usw. Auch die Post- Mainlinie sollte verschwinden, damit wir eine einheitliche Reichspost bekommen. Der Austausch des Personals zwischen Nord und Süd, West und Ost würde den Zusammenschluß noch stärken.( Beifall der Soz.) Abg. Dr. Köhler( 3.): Der Verwaltungsrat verhandelt wie auf offenem Markt. Die hohe Abgabe an das Reich ist nur annehmbar, weil der Minister versichert hat, daß die Folge davon nicht etwa eine Gebührenerhöhung sein soll. Wegen der beunruhigenden Denkschrift des Sparkommissars verlangen wir Aufklärung der Deffentlichkeit
Abg. Torgler( Komm.): Die Mehrabgabe von 35 Millionen an das Reich ist ein Geschenk an die Befizenden, denen dadurch Besiz steuern erspart werden. Die Massen kommen dadurch um die Senkung der Rundfunkgebühren.
Mißtrauens anträge der äußersten Rechten und Linken gegen Reichsinnenminister Severing werden gegen die Deutschnationalen, Nationalsozialisten und Kommunisten abgelehnt. Ein Abg. v. Raumer( D. Bp.): Der Prozentsaz der Ablieferung an demokratischer Antrag auf Vorlegung eines neuen Wahlgesetzes das Reich müßte dauernd festgelegt werden. Die Zusammensetzung wird gegen Demokraten und Zentrum abgelehnt. Angenommen des Verwaltungsrats sollte geändert werden. wird ein demokratischer Antrag auf Aufhebung der innerdeutschen Abg. Mollath( Wp.): Die Erhöhung der Abgabe an das Reich Ländergesandtschaften. Ein deutschnationaler Reichsschulgeseteniwurf ist geradezu eine indirekte Steuer; muß fie auch geleistet werden, wird gegen die Stimmen der Linken dem Schulausschuß überwiesen. wenn die Einnahmen der Post den Boranschlag nicht erreichen, fo angenommen werden Zentrumsanträge auf Borlegung eines Reichs- ift Tariferhöhung, die notwendige Folge. bühnengesetzes, Reichsberufsschulgesetzes, Lichtspielgesetzes und eines Gesetzes über den Schuß der Jugend bei Luftbarkeiten. Das Abkommen über die Gründung eines Welthilfsverbandes wird in allen drei Lesungen angenommen. Die zweite Beratung des Reichspostetats leitet Reichspoftminster Dr. Schäße!
ein: Betrieb und Einnahmen der Reichspost haben eine aufsteigende Linie gezeigt. Die Verkehrseinrichtungen werden mit aller Kraft ausgebaut. Zur Beseitigung der Konkurrenz im Kleingüterverkehr zwischen Boft und Eisenbahn schweben aussichtsreiche Verhandlungen. Die Versuche der Berkraftung" des Landbestelldienstes verlaufen erfolgreich. Neue Luftpostlinien haben wir nach London und Stock holm eingerichtet.
50 Proz. aller Hauptanschlüsse im Fernfprechwefen werden Mitte dieses Jahres automatisiert sein, bis 1938 foll das ganze Telephon soweit fein. 138
Die Zahl der Rundfunkteilnehmer beträgt 2,8 millionen. Im internationalen Post. und Telegraphenwesen hat Deutschland seine Vorfriegsstellung wieder erhalten. Der Telegraphenverkehr wird verbeffert und vereinheitlicht. Infolge der Rationalisierung haben wir 7609 Beamte weniger, die Zahl der nichtbeamteten Kräfte ist um
8405 gestiegen.
Abg. Steinkopf( Soz.):
Bon einer Aenderung des Reichspoftfinanzgefehes wird man in der jezigen Zeit besser absehen. Wir wünschen für die Reichspoft auch nicht ein System, das bei der Reichsbahn den Großindustriellen v. Siemens zum Vorsitzenden des Bermal
Abg. Dr. Reinhold( Dem.) wünscht mehr Wirtschaftsvertreter in den Verwaltungsrat. Die Postgebühren sind zu hoch. Von 1924 bis 1928 hat die Reichspoft Milliarden Vermögenszuwachs angesammelt, den fie freilich braucht. Wir sind
grundsätzliche Anhänger des Achtstundentages, aber gegen Schematisierung, besonders im Poftbetrieb, wo er nicht immer eingeführt werden kann. Abg. Leicht( Bayer. Bp.): Herr Torgler hat heute so erstaunlich sanft gesprochen; er scheint mir besonders talentiert zum Friseurberuf zu sein, denn er fann so gut bei den Haaren herbeiziehen ( Heiterkeit), 3. B. die Gefahr einer Tariferhöhung.
Reichspoftminister Dr. Schätzel:
Größeren Einfluß sollte der Reichstag haben, aber der Zeitpunkt scheint zu einer Aenderung nicht geeignet zu sein. Die Reichs post fann nicht wie die Reichsbahn nur mittelbar dem Reich unterstehen.
Der Sparkommissar verlangt, daß wir die Rundfunkgebühr nicht ermäßigen, folange Funttelegraphie und Telephonie schwer notleidende Betriebe find.
Die Boftarbeiter haben eine geringere Lohnerhöhung als die übrigen Reichsarbeiter bekommen, stehen aber darum nicht schlechter, denn sie waren vorher schon besser bezahlt als die anderen. Die Freigabe der Kurzwellensendung bedarf noch der Zustimmung des Reichsinnenministeriums, die noch aussteht. Aus dem Berliner Fernsprechbuch werden die Reflameanzeigen nach Ablauf der Verträge verschwinden.
Nach weiterer unwesentlicher Debatte vertagt das Haus um 6% Uhr die Weiterberatung auf heute, Donnerstag, 11. Uhr.