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Freitag 14. Zum 1929
Unterhaltung unö
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Beilage des Vorwärts
Aus 9lönig&uads ffieich
Sie leben w i e die Tier«! Der Staudamm von Assuan ist 2 Kilometer lang, 47 Meter hoch, die obere Sohle 11 Meter breit. Man braucht eine halbe Stunde, um darüber hinweg zu gehen. Durch 18l> Wassertore schießt der Nil in großen Wasserfällen. Man wird den Staudamm noch um 7 Meter erhöhen, um noch mehr Wasser aufzuspeichern. 20 Meter wird das Nilwasser jetzt aufgestaut, über 3<)l> Kilometer nilaufwärts. Die Arbeiter, die die Erhöhung bauen werden, erhalten 5 Piaster, d. i. 1 Mark den Tag. Sie schlafen unter freiem Gimmel und leben von Bohnen und Gurken, die dort das ganze Jahr wachsen. Fleisch wird nur an hohen Festtagen gegessen. Ihre Familien haben sie irgendwo fern im Lande. Die Aegypter bauen hauptsächlich Zucker und Baumwolle. Es ist di« beste in der Welt. Durch den Staudamm hat sich der Nationalwohlstand um jährlich 50 Millionen Mark erhöht. Mehr als eine halbe Million Feddan, d. i. mehr als eine Million Morgen neues Land ist fruchtbar gemacht worden. Statt einer oft unsicheren Ernte gibt es jetzt drei sichere Ernten im Jahr. Der Reichtum für das Land ist unermeßlich. Di« das Land bebauen, das sind die Fellachen. Ich fragt« den Direktor der Handwerkerschule in Asiuan: Sind die Fellachen durch den Staudamm denn nun reicher geworden, hat«r sich wohltätig für die Landbevölkerung ausgewirkt? „ITiez� live like animals," antwortete er mir. Sie leben wie di« Tiere. Die reichen Aegypter aber sind noch reicher geworden. Sie verbringen den Winter in Paris . Ihre Frauen sind mit Perlen und Diamanten über und über behängt. Nirgends sieht man so viel davon als auf den großen Festen in den elegantesten Hotels der Welt in Kairo . Wenn König Fuad nach Europa kommt, dann bringt er seine eigene Leibwache mit, ausgesuchte Sudanesen. Denn in Aegypten hat er sie nötig, wenn die„aniinah" einmal erwachen. Da« laufende Band Mensch! Reiche Amerikaner und Europäer fahren im Winter nach Aegypten . Dort ist ewige Sonne, Pyramiden, Königsgräber. Tempel und der Nil . Es regnet nie. Sie Sonne scheint nniner. Wenn man am Morgen aufsteht, weiß man, es wird schön Wetter und warm sein. Die Pyramiden, die König-gräber und die Tempel sind vor über 7000 Iahren gebaut. Die Pyramiden sind dos größte Bau- werk der Welt. Sie sind größer als der Petersdom in Rom und die Wolkenkratzer in New Port sind Maulwurfshügel dagegen. 55 000 der größten Schiffe der Welt würden nicht ausreichen, um die Stein« der größten Pyramide mit einem Male zu verladen. Sie ist 145 Meter hoch, sie war noch höher. Die Spitze ist abgebrochen. König Theops hat sein Leben lang daran gebaut— damit er würdig und für alle Ewigkeit den bösen Geistern und Menschen unauffindbar bestattet sei. Diese haben die Pyramide ober doch aufgebrochen und ihn gestohlen. Man sieht, niemand kann für alle Ewigkeit Vorsorgen. C» ist noch heut««in ungeklärtes Rätsel, wie die Pyramiden mit den geringen technischen Mitteln ihrer Zeit denn nun wirNich gebaut worden sind. Dick« gelehrte Bücher und Romane sind darüber geschrieben worden. Wir wisien nur so viel sicher, daß Sklaven daran gearbeitet und aber Tausend« von Menlchen dabei den Tod gefunden haben. Denn der SNave ist ja nichts wert. Und wenn feine Kraft nicht mehr ausreichte, holt« die Nilpferdpeitsche des Aufsehers die letzte Kraft aus ihm heraus, bis er verreckte. Josef war ein Großunternehmer in Sklaven. Die Pyramiden sind mit Menschenfleisch gebaut. Zu ihren Füßen sitzt die Sphinx. Sie lächelt ewig durch die Jahrtausende. Auch ihr Rätsel Ist nicht gesöst. Der trockene Sand, den die ewige Sonne schafft, hat die Pyra- miden, die Sphinx zu ihren Füßen, Tempel und Königsgräber«in- gehüllt in sein weiches Bett und der Neugierde und den Zerstörun- gen der Menschen über 7000 Jahre lang entzogen. Amerikaner, Engländer und Deutsche. Neugierige, Gelehrte
und Reiche, haben den Sand beiseitegeschafft, um der Sphinx und den 7000 Jahren ihr Geheimnis abzulauschen. Lächelt die Sphinx darüber? Jetzt können es nur noch die Amerikaner. Sie allein haben die Dollars. Di« sind im Weltkrieg aus Menschenblut ge- heckt. Die den Sand beiseiteschaffen, das sind dw ägyptischen Fel- lachen, sie erhalten nur Piaster. Kinder von 8 bis 12 Jahren. Ihr Lohn beträgt 1 Piaster, d. i. 20 Pf. den Tag. 12 Stunden müssen sie dafür arbeiten. Die Klügeren betteln, denn der Fremde gibt mindestens einen halben Piaster, meistens einen ganzen. Zu zweit nebeneinander arbeiten die Kinder, in einer langen Kette. Unten in der Grube nehmen sie den aus Binsen geflochtenen Korb auf ihre schmalen und schwachen Schultern. Oben werfen sie seinen Inhalt ab. In der Mitte steht der Aufseher— er erhält 5 Piaster. Er singt vor, si« antworten ihm im Refrain, ganz wie die Bibel es uns beschreibt. Im ewig gleichen Kreise bewegen sich di« Kinder um ihn: das laufende Band Mensch. Die Nilpferd- peitsche fährt dazwischen, wenn das Band erschlafft. Bor 7000 Iahren?' � Das Dorf ohne Männer.' Das Dorf liegt abseits vom ftuchtbaren Niltal, schon m der Wüste. Die Frauen holen jeden Morgen Wasser aus dem Nil. Sie tragen es auf ihren Köpfen. Früher waren es wohlgeformte Ton- krüge, jetzt sind es alte, verbeulte und verrostete Oel- und Benzin- können..Shell" und„Ford" steht draus. Jle Frauen haben einen leichten, schwebenden Gang, ein« unendliche Grazie der Bewegun- gen. Das kommt davon, daß sie das Wasser auf dem Kopf tragen. Bis zu Z0 Liter fassen die Krüge. Es ist recht warm, 30 Grad im Schatten. Alle haben sie aber lange, schwarze Gewänder an. Die wehen im Winde, das gibt ein anmutiges Bild. So tragen sie jeden Morgen und Abend das Wasser in ihr Dorf. Um die andern Dörfer liegen die fruchtbaren Aecker, hier aber gibt es keine, kein Baum, kein Strauch. Nur Sand und ekelhafte Hunde. Wovon leben die Menschen? Als ich ins Dorf kam war gerade eine Frau gestorben. Die Klageweiber saßen in ihrem Gehöft. Sie sind alle alt und häßlich. Ihr eigenartiges Klagegeschrei schrillt weit durch die Wüste. Dafür werden sie bezahlt, wie das schon aus der Bibel berichtet wird. Wenn«in besseres Geschäft winkt, hören sie mit dem Klagen auf. Als ich sie photographierte, hofften sie auf«in besseres Geschäft. Meine Piaster aber saßen nicht locker. Der Erfolg war, daß ich mehrere Hände Sand ins Gesicht bekam. Die Gehöfte in diesem Dorf waren reicher und besser gebaut als in den Dörfern im fruchtbaren Niltal. Di« Frauen flechten Binsenarbeiten, Teller, Platten, Körbe und dergleichen. Diese sind sehr hübsch, aber sie verkaufen sie nicht. Der Wohnraum— sie hoben nur einen— ist ohne Fenster, er hat nur eine Tür. Sie brauchen auch keine Fenster, da sie den Tag über draußen sind und die Tür ausstehen lassen können. Es regnet ja nie. Der Wohn- räum ist geschmückt mit den Flechtarbeiten. E» war nicht so leicht, ihn zu besichtigen. Ich bot viel Piaster. Schkleßlich erhandelte mein junger Dolmetscher au» dem Dorf, der auf der Handwerkerschule englisch lernt, die Erlaubnis zur Be- sichtigung, ober nur unter einer Bedingung. Ich durfte das Hau» nicht allein mit der Hausfrau, sondern nur gemeinsam mit mehreren Frauen betteten. Die Frau war um ihren Ruf besorgt. Das Dorf hat nämlich kein« Männer. Nur«inen Monat im Jahr sind die Männer da. Die übrige Zeit find sie in Kairo in den großen Hotels und bedienen dort die reichen Amerikaner und Engländer. Die großen Hoteliers sagen, sie seien die angenehmsten, besten und zuverlässigsten Bediensteten der Welt. Sie haben zu Hause die besten Häuser, und ihre Frauen brauchen als einzige in Aegypten keine schwere Feldarbeit zu machen. Einmal im Jahr kommt der Mann einen Monat ins Dorf. Wenn die Knaben 12 Jahre sind, nimmt sie der Bater mit nach Kairo . Dort werden sie Liftboy. Die Mädchen aber bleiben im Dorf ohne Männer. Dr. F o t h.
Stich grifar: �VifCUVluldU
„Soll ich scharf ausrasieren,' fragte Friseur Schnutenfeger den Kunden, der schon ungeduldig wurde. „Bitte," brummte der. „Dann ist es gut," meinte Schnutenfeger gleichmütig,„ich sehe nämlich grade, daß die Zähne schon durch die Backe kommen". Ehe der Kunde Zeit hatte, sich aufzuregen, fuhr Schnutenfeger fort:„Mit dem Rasieren, das ist die reine Lotterie. Manchmal kommt einer mit einem Bart, den man am besten mit dem nassen Handtuch fortreibt oder gar mit einem Stück Radiergummi, und manchmal kommt wieder einer, der hat einen Bart, so hart, daß sich das Messer biegt, wenn man ihn abkratzt." „Was will das schon besagen," meinte Schaumschläger, der seit einer halben Stunde dabei war, sein Messer abzuziehen.„Ich habe mal einen Kunden gehabt, der hatte einen Bart, so stark, daß man ihn mit der Säge wegnehmen mutzte." „Wenn's darauf ankommt, da habe ich mal einen rasiert, dem feine Stoppeln konnte man glatt als Grammophonstifte verwenden," antwortete Schnutenfeger. „Ob ein Bart hart ist oder weich, daraus kommt es nicht an," meldete sich nun Nackenschnitt, der Damenfriseur, zum Wort,„die Hauptsache ist, daß man mit dem Messer umzugehen weiß. Ich habe früher, als ich noch rasierte, einen Kunden gehabt, der hatte es meist so eilig, daß er nur eben mit seinem Motorrad vor dem Loden hielt, dann mußte ich mich hinter ihn setzen und. ihm die Haare schneiden. Aber mit Hundert-Kilometer-Geschwindigkeit." „Ist da» nun auch schon was?" fragte Schnutenfeger. „Nein," gab Nackenschnitt zurück,„das Schönste kommt noch. Wir hatten nämlich auch noch den damaligen Meister im Tausend. meterlauf als Kunden. Der hatte nun wieder das. was man einen schnellen Bart nennt. Und zwar wuchs ihm der Bart so schnell, daß er, wenn er beim Tausendmeterlauf frischrasiert startete, er mit einem Vollbart durchs Ziel ging. Er hatte verschiedene Male Schwierigkeiten mit den Zielrichtern, weil ihn aber der Vollbart beim Lauten hinderte, mußte ich be. jedem Start de, Meisters neben-
herlaufen und ihm den Bart, so wie er lang wurde, wegrasieren." „Wenn du so tüchtig bist, da wäre ich aber lieber Herren- frsseur geblieben, als daß ich den Weibern die Läuse aus der Putz. wolle' kämmte." „Das hast du gut sagen, aber einen Tag habe ich einem Kunden, dem die Haare nach innen wuchsen, anstatt eines Haarwuchsmittels Farnkrautsamen auf die Glatze geschmiert. Ihr könnt euch denken, was das für ein Hallo war, als der plötzlich wie ein wandelnder Urwald durch die Gegend lief." „So, dos hast du gemacht," trumpfte nun Schnutenfeger auf. „Den Kerl kenne ich, dem habe ich nämlich mit der Axt den Kopf kahl schlagen müssen. Nachher fragte er mich noch, ob ich kein Mittel für den Schnurrbart wüßt«. Er hätte nämlich gerne einen, ober die Haare wollten und wollten bei ihm nicht kommen." „Jhätte er doch Honig nehmen sollen, der treibt," meint« Schaumschläger. „Oder Hühnerdreck, der zieht," sagte Nackenschnitt und ging in seine Kabine zurück. „Sa, das ist ein gutes Mittel," meinte Schaumschläger.„Ich hatte mal einen Kunden, der mußte, ehe ich es bei ihm anwandte, jedesmal, wenn er zu uns kam, Geld fürs Suchen bezahlen, und nachher kamen wir kaum mit der Grasmähmaschine durch." „Dann hättet ihr's doch machen sollen, wie die Franzosen es 1812 in Rußland machten," sagte Nackenschnitt und sah noch einmal durch den Vorhang, der ihn von den anderen trennte. „Wie haben die's denn gemacht?" „Die rieben sich den Bart mit Petroleum ein und brannten den ganzen Salat ab." „Das sollte man heute auch noch manchmal machen, da könnte man Messer sparen und Seife." „Na, die spart ihr doch sowieso," meldete sieb nun der Kunde zum Wort, der die ganze Zeit gewartet hatte, ob wohl jemand sich über seinen eingeseiften Bart erbarmen würde,„denn Schaum schlagt ihr doch auch ohne Seift genug",, i_
SinSMick infflamSuns&ichterwerkStoU Zu den wenigen Dichtern unserer Tage, die bereits jetzt der Weltliteratur angehören, zählt der große norwegijche Erzähler Knut Hamsun , dessen Romane auch bei uns einen immer wachsenden Leser- krei» finden und dessen Stil die deutsche Dichtung bedeutsam beeüi- flAßt hat. Die erste wissenschaftliche Biographie hat diesem Meister jetzt Walter A. Berendsohn in einem Werke gewidmet, das dem- nächst bei Albert Langen in München erscheint. Obgleich Hamsun nicht gern von seinem Leben und seinem Schaffen redet, gelang es dem Verfasser doch, eine große Anzahl unbekannter Wellen in mehr als 100 noch nicht beachteten Beiträgen in Zeitungen, Zeil- fchriften usw. aufzufinden. So bringt er uns die eigentümlich dämo-<' nifch« Persönlichkeit dieses Genies, die sich allmählich von dem ihm innewohnenden Landstreichertum zur Seßhaftigkeit auf eigener Scholle läuterte, menschlich nahe und läßt uns auch einen Blick in feine seltsame Dichterwerkstatt tun, aus der diese wundervollen Dichtungen hervorwachsen. Der jung« Hamsun hat in der Zeit, da er durch seinen ersten Roman„Hunger" berühmt wurde, wie in einem Rausch geschaffen. Wie ihn damals seine Visionen über- fielen, ähnlich wie Goethe in der Zeit, da er den„Ewigen Juden " dichtete, erzählt Hamsun einmal mit den Worten:„Plötzlich fallen mir«in paar gute Sätze ein zu einer Skizze, einem Feuilleton, feine sprachliche Glückstreffer, wie ich noch nie ihresgleichen gefunden hatte. Ich liege da und wiederhole diese Wort« vor mich hin und find«, daß sie ausgezeichnet sind. Bald fügen sich mehr hinzu. Ich werde mit einem Male vollkommen wach und greife nach Papier und Bleistift, die auf dem Tisch hinter meinem Bette liegen. Es ist, als sei eine Ader in mir aufgesprungen, ein Wort folgt dein anderen, die Handlungen und Gespräche quellen in meinem Hirn auf, und ein wundervolles Behagen ersaßt mich. Ich schreibe wie ein Besessener und fülle eine Seite nach der anderen, ohne einen Augenblick Pause. Gedanken kommen so plötzlich über mich und strömen so reichlich, daß Ich eine Menge Nebensachen verliere, weil ich sie nicht schnell genug niederschreiben kann, obwohl ich aus alle« Kräften arbeite." So schuf der Dichter, nachdem einmal die während eines oben- teuerreichen Iugendlebens aufgespeicherte und zurückgehaltene Quelle plötzlich losgebrochen war. Als er dann nach der langen Wnnder- zeit in die Heipwt zurückkehrte, sich hier ansiedelte und«in Bauer wurde, da verlangsamte sich mit dem ganzen Rhythmus seines Wesens auch der Vorgang der dichterischen Schöpfung, aber dies« Rückkehr zu den Stätten der Kindheit brachte ihm neue Blüte und neue Reife, und von ollen Werken, die«r seit dieser Zeit, seit!8W, geschaffen, gilt, wa» er von seinen Gedichten sagt:„Ich versuche, von dqn Menschen und von allen Erinnerungen an das moderne L«ben weit wegzukommen: ich versetze mich in die Tage meiner Kindheit, als ich noch die Tiere daheim hütete. Damals erwachic mein Naturgefühl: ich lebte jedenfalls von meiner ersten Kindheit an auf Wiesen, im Walde und in den Bergen, und ich lernte alle Tiere und Vögel kennen, die seitdem meine guten Bekannten fürs ganze Leben geblieben sind. Das Meer gehört auch mit in die Naturumgebung, in der ich feit meinem vierten Jahre aufgewachsen bin." Hamsun schafft jetzt nicht mehr im Rausch, sondern in reg.'l- mäßiger Arbeit, so wie es uns von feinem Schassen an einen: seiner schönsten Werke„Segen der Erde" berichtet wird: Tagtäglich kam er in seinen Arbeitsraum, pünktlich wie ein Angestellter, von 9 bis 1 und von 8 bis 7 Uhr. Er hatte alle verfügbaren Tische in das Zimmer genommen, dazu Bretter, die von Tisch z» Tisch logen. Auf diesen Flächen waren bald Hunderte von Zetteln und Zettelchen ausgebreitet, beschrieben mit zierlicher, deutlicher Schrifi, in Gruppen geordnet. Das war das werdende Buch. So find unendlich viele Vorarbeiten für jede einzelne Stelle nötig, bevor di« endgültige Formung entsteh.. SCeufchreckenplagen in 3)eulfchland Furchtbare Verheerungen haben die Wanderheuschrecken in neuester Zeit besondere in Marokko und in Palästina angerichtet, mit Flammenwerfern und Drahtverhauen ist man ihnen zu Leibe gegangen. Jetzt wird von einem ungeheuren Einfall dieser gc- fräßigen Insekten in Bulgarien berichtet, und damit erscheint diese biblische Landplage wieder in Europa . Unser Vaterland ist ja glück- licherweise in den letzten Jahrzehnten von solchen Verwüstungen verschont geblieben, und überhaupt war im 19. Jahrhundert Ire Heuschreckenplage gering. Bis ins 18. Jahrhundert aber hat sie auch bei un» gewütet, wie Earl W. Neumann in seiner Neuausgabe des Inftktenbandes von„Brehms Tterleben" in der bei Reclam erscheinenden Jubiläumsausgabe mitteilt. Die europäischen Wanderheuschrecken haben bis ins 18. Jahr. hundert hinein die deutschen Gaue immer wieder heimgesucht. Die ältesten Nachrtchttn reichen bis ins Jahr 873 zurück, aus dem die Chroniken des Klosters von Fulda und die Tantener Jahrbücher von entsetzlichen Verheerungen durch die Insekten berichten. Besonders furchtbar war die Plage im 14. Jahrhundert. Damals drangen die zahllosen Schwärme von Syrien aus nach Ungarn vor, verbreiteten sich von dort nach Polen , Böhmen und Oesterreich und teilten sich dann in zwei Hausen, von denen der eine Italien , der andere Frankreich , Bayern , Schwaben , Franken und Sachsen überfiel. Im Jahre 1543 wurde die ganze Gegend um Halle und Leipzig von Heuschreckenschwärmen zu einer Wüste gemacht. 1693 zogen sie aus Böhmen nach Thüringen und verheerten die Gebiete von Jena , Erfurt und Weimar . Ein Augenzeuge berichtet darüber folgendes:„Die Heuschrecken waren am 3. August aus Ungarn nach Oesterreich gekommen und streiften von da noch Böhmen und weiter ins Bogtland und ins Altenburgische. Nun flogen sie über die Saale nnd langten zwischen dem 18. und 20. August in Thüringm an. Es waren ihrer jo viele Millionen, daß sie wie schwarze Wolken daherzogen. Bei Tage, wenn es anfing, heiß zu werden, erhoben sie sich vom Erdboden und suchten neue Weide, bei Nacht aber saßen sie auf der Erde und fraßen alles weg, was grün war. Ein Teil von ihnen machte sim an die Bäume, und zwar in solcher Menge, daß sich die Zweige zur Erde beugten. Der am 20. August an Jena vorbeiziehende Hauptschwarm bestand aus drei Haufen, die deutlich getrennl voneinander flogen, und zwar mit einem Geräusch, das den. Brausen eines Wasserfalls gleichkam. Ein SIdwind hob sie auf und trieb sie nach Norden auf die nächstgelegenen Berge, wo sie alles Gras verzehrten. Um die Sfadt Weimar traf man sie zwei.Hand hoch. Alle Heuschrecken waren gelblich, die Männchen kleiner und heller als di« Weibchen. Schwan «, Enten und Hühner, auch Schw-ine mästeten sich an ihnen. Da Regen und Kälte eintraten, konnten die Insekten nicht weiter kommen: sie starben um Naumburg und in anderen Saolegegenden ab, nachdem sie vier Wochen lang dort . gewütet Kotten."_____.-- j.>„