Der Marsch in den Watten

Nordseemarschen sind nicht nur schwer, auch verschlossen und spröde wie ihre ureingesessenen friesischen Bewohner. Wer zuerst in diese fremde weite Landschaft kommt, ertrinkt in der grünen Ebene. Er fühlt sich hilflos, weil fein Knid und Wald und Hügel den Blick begrenzen. Weil er eingesperrt ist in einem Wirr von Gräben, deren Parallelen in der Unendlichkeit zusammenlaufen an den fahlen Böschungen der Deiche, die den mattblauen flodigen Himmel im fernen Rund tragen. Narrenspiel scheint ihm das Winken von Kirchturm und Mühlenflügel des Dorfes, das er mor­gens schon sah und abends knapp erreicht. Angriffsluftig tönt ihm der herrische Kreisch der Kibitzeltern.

Diese Landschaft, die unheimlich scheint, ist nicht öde, sondern seltsam reich. Ihre Fülle lernen mir diejenigen kennen, die den dankbaren Mut aufbringen, in ihren tnappen Reisetagen auf stein­freien Sand und Kurtapelle zu verzichten, um in absoluter Ruhe Fragen an die grafige Ebene zu stellen.

Wenige aber nur fennen die Marsch in den Watten. Die Marschinseln Bellworm und Nordstrand, die nicht nur durch die schwermütige Schönheit und beglückende Weite ihrer Weidenföge erquiden, sondern überdies lebendige Zeugen der Geschichte der Marsch sind, die untrennbar verbunden ist mit dem Ringen zwischen Mann und Meer. So lebendig wie fein Rog zwischen Hoyer und Medemsand, keine Chronik in Kiel   oder der Kopenhagener Staats­bibliothet.

mars des Siegers 1231 abgefaßt­

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Um gleich damit anzufangen, ein Flug durch ein kleines Jahr­tausend mit wenigen Stationen: Das alte Erdbuch König Walde. nennt unter den ,, friesischen Utlanden" noch einen mächtigen Landtomplex zwischen Husum   und dem freien Meer, der fünf Harden mit rund 80 Dörfern enthält. 1362 brach die Manndrenfe herein, die größte Sturmflut, die die Westküste je erlebte. Lundenburg- und Wiedrichsharde verschwanden in der Flut. Nur eine hufeisenförmige Insel blieb nach, deren Arme, heutiges Bellworm und Nordstrand, durch die nördlich bis Langeneß reichende Beltringharde miteinander verbunden waren. Drei Jahrhunderte kämpfte man, um diesen Landrumpf zu erhalten. Deichte neu ein und konnte verschiedentlich sogar Landgewinn ver­zeichnen. Bis 1634 eine neue riesenhafte Sturmflut, die an 44 Stellen die Deiche durchbrach, den Hufeiseninseltörper vollkommen zerfekte. Nur ein fleiner Teil des heutigen Bellworms und die Landtrümmer der Halligen ragten hervor, als die See sich wieder beruhigt hatte.

20 Jahr lang lag der Landsockel deich und schutzlos, bis Holländer und Brabanter, erfahrene Rogbauer, denen man günstige Steuerbedingungen bot, ins Land zogen, um neue Deiche zu ziehen. In knapp 100 Jahren haben diese Nordstrand in seiner heutigen Gestalt gefchaffen. Sie begannen beim Friedrichskog und legten an diesen heran in schneller Folge einen Kog nach dem anderen in vor­teilhafter Deichziehung.

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Nicht ganz in heutiger Form; denn seit fünf Jahren arbeiten die preußischen Wasserbauämter mit neuen, vorteilhafteren, wenn auch tostspieligeren Methoden am Landgewinn. Ein mächtiger Kog die Pohnshallig fonnte schon eingedeicht werden und weithin bis zur Festlandsküfte und zur Hamburger Hallig   bedecken Faschinengärten und Grüppen das Watt, mit Quellerfeldern, die Schlick fangen sollen, auf das neue Köge wachsen auf den alten Fennen.

Bauernhöfe liegen heute verstreut über die Köge der fruchtbaren Infel. Auf breiten hohen Warften. Man weiß, daß Deiche gegen die See nicht immer schützen. Auf dem breiten Mitteldeich haben Handwerker und Tagelöhner ihre Wohnungen. Eine dorfartige Siedlung bildet mur Odenbüll, das um die alte turmlose Kirche der einzige Bau, der die Flut von 1634 überdauerte wieder erstand. Eine zweite katholische Kirche   ist von den Holländern an­gelegt worden. Ja, bis vor 70 Jahren gab es auf der Insel zwei

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verschiedene katholische Gemeinden, eine römisch- katholische und eine jansenistische. In beiden hielt man im Gottesdienst an der hollän­dischen Muttersprache fest.

30 friesische Kirchen liegen rundher um Nordstrand im großen Grab. Kaum ein Stein ist mehr gefunden von Ballum, Buphever und Ilgruf, von Lith, Rungholt  , Ham, Amhusen und all den anderen reichen Kirchdörfern. Ihre Namen aber blieben durch Jahrhunderte lebendig: In den Namen von Wattbänken und Prielzügen, von Warften, Halligen, Borländern und Weiden sind sie noch heute ge­läufig. Wer die Augen aufmacht und gelernt hat zu schauen, der hört nicht nur den Klang der alten Namen, sondern findet auf weiten Wattenwanderungen noch knappe Refte dieser Orte. Nein, fein

| Widerspruch, feine Steine, nur was der Schlid sofort bedeckte, was unmittelbar am Boden lag, blieb erhalten und wurde in diesen Tagen von den Wellen wieder freigespült: Fenneneinteilungen, Pflugspuren, Bändestreifen sind im schweren alten Kleieboden zu ertennen. Die Humusberge der Warften und Deiche ließen Spuren. Ja, hin und wieder findet man Grundpfeiler, Drümpel alter Schleusen. Und weithin an den Rüften trieben Gefäßscherben, Grapenreste, Knochen, ja, Schmuckstüde und Waffen aus after Zeit an.

und

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Wer das Watt tennen lernt, wird bald die Halligeilande Südfall auf schwierigen Wegen Nordstrandischmoor   aufsuchen. Er wird ihre Bewohner fennen lernen, Nachkommen reicher Bauern, die sich in ihrer Halligeinsamkeit mit Schafzucht, Salzgewinnung aus Seetorf und Burrenfischerei ernähren mußten. Ja, viele fuhren zur See, und so entwickelten sich bei den gleichstämmigen, aber abgeschlossenen Halligbewohnern andere Gewohnheiten und Fähige feiten, anderer Hausrat und anderes Gefühl.

Nun laß alles andere fahren und sieh, wann zwischen zwei Ebbzeiten der nächste Wattendampfer nach Nordstrand   fährt. Gleich, ob du Stunden oder Tage weilst, du wirst ruhig von Deich zu Deich über Kornfelder und Weiden voll starten Rindvichs streifen. Wirst dich eintasten in die Welt des Wattes mit seinen salzstinkenden Tang­ind Algenwiesen, seinen Muschelbänken und der Tierwelt seiner Priele. Laß auf dem Vorland die brütenden Möwen zufrieden, und wenn du Glück hast, ganz großes Glüd, ein Stild Hausrat der friesischen Vorfahren zu finden, freu dich darüber, aber laß auch uns die Freude und gib es ab im Husumer   Museum.

Walther Klahn.

Der vervielfältigte Regenwurm Wenn der Onkel im Frühjahr die Blumenbeete im Garten hinter unserem Häuschen umgrub, dann ging ich Dreifäsehoch hinter dem Spaten her, wie die Saatträhe hinter dem Pfluge. Denn mit diesem Schauspiel begann für mich der Frühling, und was fich unter den Spatenstichen offenbarte, war mir Wunder über Wunder. Wurzelwert, braunes und mit grünen, noch blaffen Schoßen, die nach oben drängten, Knollen von Dahlien und Zwiebeln von Tul­pen, das alles hübsch verwoben von Regenwürmern. Diese Regen­würmer waren annähernd fußlang und bis fleinfingerdides war wohl die größte deutsche Art, und ich habe nimmer ihresgleichen mehr gesehen. Bei jedem Regenwurm hob der Onkel bedächtig den Spaten und stach ihn gedankenvoll in ein bis mehrere Stüde  , was zur Folge hatte, daß das lmgraben erheblich verzögert wurde. Als ich, schon damals unheilbarer Pazifist, schüchtern gegen diese Bar barei aufbegehrte, bekam ich verschiedene dumme Jungen" an den Kopf geworfen. Regenwürmer sind schädlich; die fressen ja sonst den ganzen Garten auf!" Nachdem sich das einige Jahre wieder holt hatte, fiel mir zweierlei immer mehr auf: die Regenwürmer schienen mir immer zahlreicher zu werden und der Garten immer üppiger. Und nicht lange darauf, als ich selbst ein Wurm, nämlich ein Bücherwurm, geworden war, lernte ich zweierlei.

Darwin   hatte die überaus nüßliche Rolle nachgewiesen, die der Regenwurm im Haushalt der fruchtbaren Erde spielt: sie wird von ihm regelrecht perbaut und am anderen Ende in noch fruchtbarerem Zustande der Ackererde von neuem verabreicht. Und zweitens er­fuhr ich, daß Regenwürmer die uns verlorengegangene Fähigkeit tonferviert haben, zu neuen Tieren aufzuwachsen, wenn sie halbiert werden. Die gewöhnlichen Hinrichtungsmethoden versagen bei ihnen, tein Wunder also, daß sie im Garten bald taum noch Plaz   hatten. Mein Onkel, der Henter, ahnte von alledem nichts, und ich hütete mich, ihn aufzuklären weiß der Himmel, zu welchen Methoden er sonst gegriffen hätte!

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Ich bin ein Freund von Sprichwörtern, die ich aber zu moderni­fieren liebe. Geteilte Freude ist doppelte Freude! Geteilter Regen

murm

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doppelter Regenwurm!

L. L.

28 977 Worte in sechs Stunden nach New Yort gefabelt. Eins der längsten Rabelgramme, das jemals über den Dzean gesandt worden ist, war der vollständige Tegt des neuen Repa rationsvertrages, der in der Zeit von Mitternacht bis zum Morgen von Paris   nach New York   übermittelt wurde. Er enthielt, 28 977 Worte, die Interpunktionszeichen und sonstigen Zeichen nicht mitgezählt, und das alles wurde innerhalb von sechs Stunden tele graphiert. Dabei ist nicht ein einziger Irrtum im Tert vor­getommen. Man benutzte dazu außer den beiden gewöhnlichen Rabeln noch eine dritte Linie, die von Paris   über Boulogne   nach London   und von dort nach New York   führt; doch wurden mit diesem Kabel nur 4500 Borte weitergegeben.

Rudolf Meißner  : Grablegung

Es ist tein Zimmer. Es ist ein Wohnloch. Obwohl ein gold gerahmter Spiegel über der Waschschüssel hängt.

Sie macht ihm die Tür auf und grüßt nicht. Nicht weil fie auf ihn böse wäre. Aber das Grüßen ist wie der äußere Aufwand beim Diner. Die Zufriedenen tun es.

,, Mach mir etwas zu essen, Ellen!" Sie streicht Schmalz auf. In seiner Manteltasche findet sie ein Stück Burst und Kuchen. Nach drei Minuten beginnt sie: Rlappt es denn jetzt?" ,, Nein. Bas?" Das Stempelngehen."-

Sie fehen sich beim Essen nicht an. Er hat den Rod ausgezogen. Schmaler Junge. Uebrigens aus„ befferer" Familie. Abiturient, Bierundzwanzig Jahre alt. Aber dreckiges Hemd.

,, Ich habe doch teine richtige Anstellung gehabt, weißt du. Meine Schüler haben teine Erwerbslosenversicherung bezahlt für mich."- ,, Romische Vorstellung. Du und deine Schüler. Der Meister be­fommt von seinen Schülern ein paar gebrauchte Stiefel." ,, Benn ich dir so grotesk vorkomme, warum gehst du dann nicht mit einem anderen. Es gibt doch so viele, die die Welt für voll nimmt. Bitte, meinetwegen schon heute!"- ,, Damit ich die Miete zahlen fann für dich?" ,, Habe ich schon." Außerdem sind mir die mit den Achtzimmerwohnungen meistens zu did." Sie lacht und fügt hinzu. Wie viehisch ich geworden bin! Ich habe kein Gefühl mehr für den Anstand, Fritz." Er überhört.

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,, Wovon hast du denn die Miete bezahlt, Friz,"- Ich habe John Walkers Geige verkauft." ,, Und wenn er sie holen tommt?" Er weiß doch unsere Adresse nicht."- ,, Du bist also jetzt ein Dieb. Das ist der Anfang." ,, Du ist doch gern Ruchen, Ellen?"- ,, Mit diesem gestohlenen Kuchen haft du mir den Rüdweg zur Mutter abgeschnitten." ,, Bin ich gemein zu dir?" Ich werde dich wohl erst hassen fönnen, wenn ich an dir versumpst bin." 3weifelst du noch, daß es geschehen wird?"- Er seht sich wie ein Bögenbild vor sie hin.

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In Mutters Garten beginnen jetzt die Obstbäume zu blühen," sagt sie, die Studentinnen aus Bonn   und Tübingen   und Marburg  fahren jetzt heim."

Wenn wir uns Pauls Musikgeschichte pumpen und verkaufen, bekommen wir vielleicht acht Mart. Das reicht für die Reise."- Gibt es denn feinen ehrlichen Ausweg? Kann denn das Verbrechen Schicksal sein, Frizz?-Ich glaube sogar, daß es Aufgabe sein fann."

Seine Worte fallen in fie mie Runen. Sie fürchtet sich jetzt por ihm.

Es wird

Er fagt:„ Wir sind doch nicht Diebe, weil das fchön ist. Wir find doch nicht Diebe, um in der Zeitung zu stehen. Wir sind doch nicht Diebe, weil wir zu einem fetten Amt zu faul wären. Das Der Haß geschieht mit uns. Benn Verbrechen geschieht mit uns. uns das Geld ausgeht, wittern wir die Gefängnisse. Wenn es da überhaupt ein Barum gibt, dann fann es nur dies sein: Das Böje muß irgendwo abbrennen. Wir sind das Irgendwo. immerzu aufgewaschen. Jrdeneiner muß das Opfer bringen, der notwendige Auswurf zu sein. Ich bin der irgendeine. Es besteht da vielleicht ein Zusammenhang zwischen unserem Untergang und der nächsten Generation. Wir gehen in die Gefängnisse, damit die nächste Generation frei geht. Wir werden einander Gehässigkeiten an den Kopf werfen, damit die nach uns sich lieben. Drum wäre es feige und falsch von uns, uns gegen die Sünde zu mehren." ,, Du denkst dir das nur so aus, Friz, weil du dich an einen Strohhalm flammern mußt. ,, Bielleicht denke ich mir das nur so aus. Trösten wird uns das aber nicht viel, Ellen. Das erfte Gefängnis wird unsere Fähigkeit, dies auszudenken, erstickén."

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,, Und wenn du recht hättest, wenn mir ins Grab müssen, damit andere zur Geburt tommen, glaubst du, daß die Rommenden wirklich glücklich sein dürfen?"

,, Es wäre nur eine Chance. Immerhin eine Chance, für die es wert ist, die Sünden der Welt auf sich zu nehmen." Sein grünes Geficht verschließt sich streng.

Sie schluchzt in sein schmuhiges Hemd.

Der heißefte Punkt der Erde ist das sogenannte„ Todestal und liegt in der Wüste Mahore in Kalifornien  . Dieses Tal ist rings von Bergfetten umschloffen, liegt 50 Meter unter dem Meeresspiegel und hat eine durchschnittliche Temperatur von 39 Grad Celsius im Schatten,

Das Wort„ Humbug" stammt aus der Zeit Jakobs II. Don England. Während eines Throntampfes ließ diefer Monarch minderwertiges Geld prägen. Uim beg"( das heißt: wertloses Geld) nannten dies die Jren. Daraus entstand mit der Zeit Umbug, dann Humbug.

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