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BERLIN  Mittwoch 19. Juni

1929

Der Abend

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Nr. 282

B140

46. Jahrgang.

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Schwere Eisenbahnkatastrophe

Zehn belgische Arbeiter tot- Viele Verletzte.

Brüssel  , 19. Juni.  ( Eigenbericht.) Heute früh um 5 Uhr hat sich in Belgien   wieder eine furchtbare Eisenbahnkatastrophe ereignet. Zwei in entgegengesetter Richtung fahrende Arbeiter züge der Linie Charleroi- Gent stießen in der Nähe des Bahnhofs von Viane Morbeke auf cinander. Der Zusammenprall war furchtbar. Ein großer Teil beider Züge wurde zertrümmert. Man

zählt bisher zehn Tote; die Zahl der Verlekten ist

noch unbekannt.

Eine weitere Mitteilung befagt folgendes:

Infolge eines Erdrutsches entgleiste am Mittwoch früh die Loko­motive eines Eisenbahnzuges bei Moerbete in der Nähe von Gram mont( Ostflanden) und legte sich quer über die Schienen. Wenige Augenblicke später fam aus entgegengesetzter Richtung ein Zug, der Arbeiter aus Gent   beförderte, und fuhr auf die Trümmer auf. Die Wirkung war entfehlich. Mehrere Wagen wurden zerstört. Bisher fonnten zehn Tote und fünfzehn Berlegte geborgen werden Schienensenfung als Ursache des Unglücks.

Grammont, 19. Juni.

Die Ursache des Eisenbahnunglüds bei Grammont fiegt in einer Sentung der Eisenbahnschienen, die sich in dem Moment ereignete, als zwei Züge darüber hinweg­fuhren. Eine Lokomotive fiel um, die andere entgleiste und ein Wagen dieses Zuges, der mit Arbeitern überfüllt war, fuhr auf die Lokomotive auf und wurde zertrümmert. Die Sentung ist, wie man annimmt, darauf zurückzuführen, daß auf der Strafe gearbeitet wurde.

Erdrutsch in Columbien  .

30 Zote. Eine Stadt fast völlig zerstört.

In Kolumbien   hat sich am Dienstag ein schwerer Erd­rutsch ereignet, wobei 30 Personen getötet und zahlreiche verlegt wurden. Die erste Meldung über das Unglück aus Popaya gibt noch kein flares Bild. Danach hat ein Landrutsch Tausende von Tonnen in den Lauf des Quilcale- Flusses verschoben, und hier­durch ist dieser über die Ufer getreten. Die Stadt Sevilla  am Flusse Cauca wurde überflutet. Sevilla   soll fast völlig zerstört und die Bewohner zur Räumung gezwungen worden sein.

Das Großfeuer in Moabit  .

Die Löscharbeiten dauerten bis zum Morgen.

Die Löscharbeiten an der Brandstätte in 211­Moabit 104 dauerten bis in die Morgenstunden hinein. Immer wieder fladerten an verschiedenen Stellen Flammen auf, die aber nach furzer Zeit gelöscht werden konnten. Gegen 23 Uhr rückte das Gros der Wehren ab, nur eine starte Brandwache blieb zurück. Heute früh wurden dann die Auf= räumungsarbeiten fortgesetzt, die gegen Mittag beendet waren. Das zerstörte Fabrikgebäude bietet besonders in der zweiten und dritten Etage, wo das Feuer am schlimmsten wütete, ein troft­loses Bild. Selbst von den maschinellen Einrichtungen ist wenig übrig geblieben. Die Höfe sind von großen Schutt­haufen bedeckt, die Fassaden der Fabrikgebäude und umliegenden Wohnhäuser haben unter der Hize start gelitten. Der Schaden ist noch unübersehbar, soll aber nach einer vorläufigen Schäßung mehrere Millionen Mark betragen.

Leider ist durch die Brandkatastrophe der größte Teil der Ar­beiter, Arbeiterinnen und Angestellten arbeitslos geworden. Zu­dem haben viele von ihnen ihr ganzes Geld, das sie in ihren Säften an den Arbeitsplähen aufbewahrten, eingebüßt. Die Garderobentäume befarden sich im Keller und blieben vom Feuer völlig verschont; zahlreiche Kleidungsstücke sind ( Fortsetzung auf der 2. Seite.)

Heimwehr  - Giftgas gegen Arbeiter.

Die faschistischen Bürgerkriegsvorbereitungen.

Wien  , 19. Juni.  ( Eigenbericht.) Die ,, Arbeiter- Zeitung  " seht ihre Enthüllungen über die Heim­wehr fort. Sie bringt eine Reihe von Dokumenten aus dem Jahre

1928, aus denen sich ergibt, daß noch im letzten Jahre die Heim­wehren in Graz   Handgranaten sowie Bergafungs­fpriten verteilen ließen und Uebungen mit Giftgafen vor­nahmen. Als furze Zeit vor dem Heimwehraufmarsch in Wiener Neustadt  , wo diese Gasgranaten verwendet werden sollten, die fteyrischen Sozialdemokraten davon erfuhren und bei der Grazer  Polizeidirektion Anzeige erffattelen, hat der Stellvertreter des Polizeidirektors in Graz   die Sache verfuscht und sich an die bürgerlichen Blätter gewandt, daß sie darüber nicht berichten mögen,

Demokratie gegen Diftaturgelüfte.

Bandervelde und Löbe in Warschau  .

Warschau  , 19. Juni.  ( Eigenbericht.)

Am Dienstag abend fand in dem größten Warschauer Lokal die von der Polnischen Sozialistischen Partei einberufene große inter­nationale sozialistische Rundgebung statt, zu der 4000 Bersonen erschienen waren, während weitere Hunderte feinen Ein laß mehr fanden. Nachdem der Bizepräsident der Polnischen Sozia­ listischen Partei   die Versammlung eröffnet und ein hoch auf die Internationale in polnischer, französischer, deutscher und englischer Sprache ausgebracht hatte, führte Vandervelde im Namen der belgischen und französischen   Parteien aus: Die Unabhängigfeit Bolens sei eine historische Notwendigkeit. Solange es ein demo= tratisches Deutschland   gebe, solange sei auch die Unab= hängigkeit Bolens garantiert. Der Kampf gelte den Diktatur­gelüften von rechts und links. Die Dittatur werde jedoch immer

Die Rettungsarbeiten im brennenden Haus.

fleiner. Ist es nicht erhebend, daß als Nachfolger Bismards, der die deutschen   Sozialisten ausrotten wollte, jetzt ein Sozialist Rampf um die Demokratie mit allen Mitteln zu führen, denn dieser in Deutschland   das Amt des Reichskanzlers verwaltet? An die polnische Arbeiterschaft richtet Bandervelde den Appell, den Kampf ist nicht nur ein Kampf um die Demokratie Polens  , sondern um die Demokratie der ganzen Welt.

wollendem Beifall seine Rede. Bell Stolz und Ergriffenheit sei er Reichstagspräsident Löbe begann dann unter nicht enden­in dieses Haus getreten. Sei er doch als schlesisches Arbeiter­find in nächster Nähe aufgewachsen. Dem Rufe, in Warschau   zu

sprechen, sei er mit um so größerer Begeisterung gefolgt, als er in

Deutschland   danach strebe, die deutsch  - polnischen Beziehungen zu beffern.

Das andere Polen  .

Kattowi, 18. Juni.

Am Sonntag fand in Kaffowih eine Tagung des Vereins der Polinnen statt, bei der Wojewode Dr. Graszinski in einer längeren Ausführung bemerkte, daß dank der bisher ge­leifteten Arbeit der deutsche Einfluß in Oftoberschlesien wesentlich geschwächt worden sei. Als Beweis führte er die letzten Schul­anmeldungen für die Minderheitenschule an. Der Wojewode schloß deutschen   Erbseind. feine Ausführungen mit der Aufforderung zum Kampf gegen den

Frühstück für Stresemann.

Poincaré   erscheint erst hinterher.

Paris  , 19. Juni.

Zu dem Frühstück, das der französische   Außenminister Briand  zu Ehren Dr. Stresemanns heute veranstaltet, sind außer Dr. Stresemann noch geladen Botschafter v. Hoesch, Staatssekretär v. Schubert, Staatssekretär Plender, Ministerialdirektor Dr. Zechlin. Es nehmen daran außerdem von den französischen  Ministern und offiziellen französischen   Persönlichteten teil: Außen­minifter Briand  , Justizminister Barthou  , Finanzminister Cheron, Innenminister Tardieu, Arbeitsminister Lou­cheur, Kriegsminister Painleve  , Minister für öffentliche Arbeiten Forgeft, die Vorsitzenden der Auswärtigen Ausschüsse in Rammer und Senat Abgeordneter Paul Boncour   und Senator Lucien Hubert. Ministerpräsident Poincaré   wird nach Beendigung des Frühstücs am Quai d'Orsay erscheinen.

Sonntagsruhe wird abgeschafft. Die neuefte Sozialreform in der Sowjetunion  . Riga  , 19. Juni.  ( Eigenbericht.)

In zahlreichen Fabriken von Leningrad   wird ab 1. Juli die Sonntagsruhe aufgehoben und die ununterbrochene Arbeitswoche eingeführt. Die Sowjet­instanzen glauben dadurch nicht nur die Produktion zu heben, sondern auch die Arbeitslosigkeit zu vermindern. Die Aufhebung der Sonntagsruhe erfolgt, um den Kampf gegen die ,, kirchlichen Einrichtungen" zu fördern und da­mit zu erreichen, daß die Arbeiter vom sonntäglichen Gottesdienst ferngehalten werden. Die einzelnen Ar­beitergruppen sollen verschiedene Wochentage als Ruhe­tage haben.

Glutwelle über New York  . Burahme der Hibe.- Fünf Menschen dem Hihschlag erlegen. New York  , 19. Juni.

. Die Hihe hat sich in den lehten 24 Stunden noch gesteigert. Am Dienstag bewegte sich das Thermometer zwischen 28 und 33 Grad Celsius. Fünf Menschen erlitten Hihschläge. Nach dem amt­lichen Wetterdienst besteht noch feine Aussicht auf Regen.