Donnerstag
20. Juni 1929
Unterhaltung und Wissen
Taller Anatole Perfich: Zoologie in Schubladen
Es gibt in Hamburg noch immer jenes eigenartige St. Pauli | der Kuriositäten, das sich in den legten hundert Jahren nur durch die elektrische Straßenbahn, den Autobus und die erleuchteten Straßenschilder veränderte, sonst nicht oder wenig. Und von einer dieser Seltsamkeiten, die sich jeder fostenlos heute und morgen und sicher auch in nochmals fünfzig Jahren ansehen fann, gehört ein Hinterhof in der Eckernförder Straße 85.
Draußen sieht man ein einfaches, nicht durch Licht verschöntes Schild mit der nüchternen Mitteilung
Johannes Umlauff Naturalienhandlung und Lehrmittel. Tritt man darunter in den Hintergrund, dann thront sogleich an der Wand ein großer Büffelkopf, dann hängt da irgendein Seeungeheuer und hinten steht ein schmales, dreistöckiges Haus mit einem verstaubten Kontor" im Erdgeschoß, und dieses Kontor wird regiert von einem rotgesichtigen aftotum, das mindestens schon dreißig Jahre dort sein seltenes, phantastisches Dasein führt und es, das Fattotum geleitet den Besucher die fnarrenden Stiegen hinauf, schließt an einem rostigen Schloß. Man steht in einem Museum
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Da sind große Glasgehäuse, Hirsche und Zebras , Schakale und Wolfe, Leoparden und Affen starren mit ihren gläsernen Augen
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Aber nicht allein die Körper
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reglos, wie feftgehalten auf Photos, umher das Stockwerk der Säugetiere. Und dann findet man fertig präparierte Strauße und Kondore, Pinguine und Wildenten, Spechte und Adler, Eulen und Fasanen alles was die heimische und fremdländische Fauna bietet, ist hier zu finden. Was nicht fertig steht, was„ fein gang barer Artikel" ist, oder wovon man zuviel hat, liegt in den unzähligen Kasten und Schubladen, ausgebalgt und armselig und des Lebens entkleidet, mit offenem, fleinem Leib. Dahinein kommt bei der einlaufenden Bestellung der fünstliche Körper, und dann hat ein Museum, oder eine Schule, oder ein Jäger ein Schaustück mehr. auch die Stelette sind da, und zwar die seltsamsten. Sie stehen auch unter Glas, angefangen bei den Mäusen und den Hühnern, bis zu den Wirbeltieren. Weißgelb und ein wenig füßlich stinkend von den Präparationen find sie wieder zusammengestüdt. Mag es eine Giraffe oder ein Gnu, mag es ein Luchs oder eine Eidechse sein. Knöchelchen um Knöchelchen, Knochen um Knochen wird aufgezogen auf feinen Drähten, das fertige Gebilde stützt man mit Hölzern und die größeren Stelette bekommen doppelten Halt durch an der Decke befestigte Schnüre. Biederum in unzähligen Schränken und Schub laden findet man einzelne Knochen und Säde, die des Gerüst rines ganzen Tieres, fertig, gefäubert und präpariert, für den späteren Aufbau enthalten. Die ganze Natur ist fatalogisiert und fyftema tifiert und Handelsobjeft, um Gebrauchsobjekt für die Wissenschaft zu werden.
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man drei Räume als Werkstätten. Hier sitzen ein paar Arbeiter und ziehen Muskel um Muskel die Fleischfeßen von Tieren ab, um das Sfelett zu schonen, aber auch, um die Lagerung der Fasern und den anatomischen Aufbau der Tiere immer wieder zu studieren. Die wissenschaftlichen Institute verlangen heute nicht nur ein ausgestopftes Tier, sondern ein Schauftüd, das der Natur getreu nachgebildet ist. Deshalb schafft man vor jeder Präparation einen Gipsabguß dort hinein wird eine Pappmaché ähnliche Masse gepreßt und dieses fertige, grauweiße Tier erhält dann erst den Balg. Das Faftotum erflärt, iman verlange heute vom Fach arbeiter mehr, als mur ordnungsmäßige Behandlung des Ma Arbeiter zur Bedingung, ein gutns Auge für jede Kleinigkeit des die Anforderungen der Museen machen es jedem dieser Tierförpers zu haben, damit eben die Natürlichkeit einer Stellung, in Süddeutschland noch ein paar Präparationsanstalten, doch eines Laufs, einer Aefung zum Ausdruck fomme. Gewiß, es gäbe seien die nur für kleinere Arbeiten von Belang. Und Umlauffs Bruder, der zweite Sproß dieser alten St. Paulianischen Familie, völkerkundlich und halte nebenher sein völkerkundliches Private betreibe auch noch das gleiche Geschäft, aber er museum am Spielbubenplay offen,- diese Trennung sei zur Vermeidung von Streitfällen einftmals in Güte erfolgt.
terials
arbeite
nut
Hier oben sind Waschräume, ist ein schauerlich- alchimistischer die Stelette angefocht werden, nebenan sind Waschräume und dann Ofen, auf dem Gips und die erforderlichen Massen bereitet und ein Zimmer, wo man bereits mit den nötigen Laugen arbeitet. Das alles gar nicht riesig und imposant, und doch auf eine start riechende, seltsame Art mittelalterlich...
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Wie der Betrieb läuft? Wir gehen wieder ins Kontor. Der Alte zeigt mir ein paar Briefe von Farmern aus Auftrafien, Brafilien, Kanada , Sumatra , Japan , Indien dann kommen Kapitäne, die„ drüben" ihre Leute haben, sich hier vor den Reisen Aufträge holen, in Ueberfee die Bestellungen weitergeben. Es dauert ein paar Monate, bis ausgefallene Wünsche befriedigt werden aber Umlauff weiß jedes Tier zu holen. Es gibt Leute, die für ihn nur Schmetterlinge sammeln, andere, die sich auf Affen fpezialisiert haben. Seine Abnehmer wieder sind Zoologische Gärten, Universitäten, Schulen, Museen der ganzen Welt, auch Privatsammler, doch die sterben allmählich aus.
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Obgleich fast alle modernen Museen eigene Präparations. anstalten haben, kommen sie in die Verlegenheit, für sie unerreichbare Gegenstände hier zu bestellen. Man denke an die japanichen Seetiere. Und da die Schulen ihren Bedarf fertig auf Bager porfinden, so senden fie mur einen Bestellzettel: 1 Adler, 1 Hühner. felett, 1 Eichhörnchen, und einen Tag später steht das Tier auf dem Lehrerpult.
Während der letzten Jahre, meint das Faktotum besorgt, sehe Noch eine Treppe höher finden sich Schlangen und Spiritus man trübe in die Welt. Der Wissenschaft fehle das Geld, die förperchen aller Art, einzelne Tieraugen in so und soviel Aus- Mode, Tiere für Privatwohnungen ausstopfen zu lassen, sei durch fapfelungen, teils ganz, teils durchschnitten, zum Studium des Auf die neue Sachlichkeit im Absterben, man halte ständig ein unge baus es gibt nichts, was es hier nicht gibt! Armselige Körper heures Lager mit Hunderttausenden von Mark investierten Kafind in Spiritus gesetzt und harren des wissenschaftlichen Be- pitals und der Umsatz bleibe weit hinter dem der Borkriegszeit trachters, der unter Umständen eine dicke Dissertation über Fehl zurück. Allerdings werde die Sammeltätigkeit auf der Welt eher geburten bei Lieren verfassen will selbst präparierte Schmetter- größer als fleiner und jedes Jahr sterbe eine andere Tierrasse aus. linge, Muscheln, Seesterne, Seepferdchen, selbst Fische, die trocken Diese zwei Punkte verbürgen nach seiner Meinung, den Weiter und lederartig in den Kasten der Aufbalgung warten, sind da. bestand der furiofen Naturalien und Lehrmittelhandlung in und Lehrmittelhandlung in Man findet einen Elefantenzahn im Gewicht von zwölf Bfund, einem verborgenen Hinterhof St. Paulis. einen Badenzahn, man sieht einen Sägehai, deffen mörderisches Instrument allein nahezu zwei Meter mißt aber es sind noch mindestens zwanzig einzelne Sägen dieset Biecher da, gebildet aus einer Hornart, die ebenso hart wie Stahl ist.
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En steht das aus. Es sind sogar Seetiere vorhanden, die in zmeitausend Meter Tiefe in japanischen Gewässern gefunden murden. Burden denn die großen Seebeben haben das alles nernichtet, und nun ist es noch in einer Seitenstraße St. Paulis vorhanden und Museen können es haben. Beiter im legten Stockwert, einem Bodenraum, findet
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Zwei Wellen treffen fich
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Auf den Türmen Berlins hockt ein grauer Sonntagmorgen. In diefer Stunde die Glocken schlagen mit frostigem Gebimmel eine nach der andern drei in dieser Stunde, da alle andern Lokale schließen, da in den Gaststätten die Lichter erlöschen und späte Bummler höflich vor die Tür gesetzt werden, öffnet ein fleines Kaffee im Besten der Stadt bereits seine Türen, saugt alles Nachtvolt auf, das vor dem Schlaf Reißaus nimmt. Drinnen wimmert eine Geige, faucht eine Ziehharmonifa, hüpft eine Guitarre. Kellner. gleiten mit fliegenden weißen Jaden wie Segelboote durch ein Meer von Tabats. qualm, Dunst und Stimmengewirr von Tisch zu Tisch, bringen im längst überfüllten, winzigen Raum immer neue Gäste unter, schlichten hier und da einen Wortwechsel, fetzen allzu laute Krateeler nor die Tür, behalten im dumpf berauschenden Durcheinander mühsam ihre Badanten beisammen.
An den Tischen, vor dampfenden Kaffeetassen, riesigen Portionen Hering oder Kartoffelsalat finden sich friedlich zwei bezechte Welten zusammen. Friedlich fizen gute Bürger, wohlfituierte, gut gekleidete Menschen neben allerlei unbestimmbaren nächtlichen Eristenzen, deren grausam zerstörte Gesichter das fable Zwielicht unbarmherzig Linie um Linie, Furche um Furche enthüllt. Neugierige, wohlbehütete Bürgerfrauen, die hier das Nachtleben Berlins " studieren möchten, chicken enttäuschte Blide von Tisch zu Tisch, lassen schlafgewohnte, fibernächtige Augen aufdringlich zu den gemalten Lippen ihrer Schwestern, der fleinen Dirnen einer großen Stadt, hinüberschweifen, ais müßten sich diese Lippen endlich öffnen, zu sprechen anfangen, jene lasterhaften Geheimnisse enthüllen, die in der romantischen Phantafie einer anständigen Frau" eine wichtige Rolle spielen. Die Lippen aber öffnen sich nur zu einem Lächeln, einem einstudierten troftlojen Lächeln, das die verschminkten Gefichter zu schmerzlichen Masten verzerrt.
Stunden dehnen sich wie die langgezogenen feuizenden Klänge der Ziehharmonika durch den Raum. Die Wohlanständigkeit gibt sich den Anstrich des Lasters, das Bafter" achtet auf bürgerliche Ruhe und anständige manieren. Die Kellner, das Spiel durchschauend, machen von ihrem Recht, fofort nach Empfang der Ware zu faffieren", just an den stillsten Tischen Gebrauch. Die Lärmer haben Geld und werden zahlen. Ein ausgemergelter Mensch bestellt in
Er geleitet mich freundlich zur Tür, macht eine Berbeugung und entläßt mich über den engen Hof. Mir schwirrt es im Kopf, tausend füßliche, etwas übelmachende Gerüche haften noch an mir. Der alte Herr ist jetzt wieder allein in diesem seltsamen Haus. Ob er wohl nach und nach alle Schubladen aufreißt, um die Bälge einstmals flatternder Vögel, cinftmals Wasser atmender Fische zu streichein? Ich stelle mir vor, daß er in den vielen Stunden, da nichts zu tun ist, mit Seesternen und dem zwölf Pfund schweren Turm aus dem Wirbelfnochen eines Drang- Utans.
D( 0) Beilage
des Vorwärts
Alfred Die stehengebliebene Uhr
Polgar:
Im Jahre 1917 ist die Uhr stehen geblieben. An einem Früh lingstag, genau um 2 Uhr 36 Minuten. Ich erinnere mich noch ganz gut, wie es mir, als gewohnheitsmäßigem An- ihr- Vorbeigeher, eines Abends auffiel, daß um sieben Uhr erst zwei Uhr sechsunddreißig mar. Doch machte das Phänomen in einer Zeit, in der diese ohnehin aus den Fugen, keinen besonderen Eindruck. halb brei, gewohnheitsmäßige Vorbeigeber blicken gar nicht mehr Also seither stehen die Zeiger, immer ist es sechs Minuten nach hin auf die Uhr, die in diesen Tagen das Fest ihres zwölfjährigen Stillstandes feiern fann. Es ist eine sehr große Uhr, etwa einen Meter im Durchmesser, zylindrisch geformt, und rechtwinklig, in Höhe des ersten Stockwerts, an die Mauer festgeschmiedet. Sie gehört dem Uhrmacher, der knapp unter ihr sein Schaufenster hat. Wispern aus, die eilende Geschäftigkeit, mit der das Uhrenkleinvolt nie setzt hinter der Glaswand das Schwirren und Zirpen und die Sefunden aufpickt und verschluckt, indes oben die Große, die sechsunddreißig wiederfäut. Ihr Besitzer wird schon wissen, warum 11hr Ruh laut und bewegungslos, seit zwölf Jahren zwei Uhr fechsunddreißig wiederfäut. Ihr Besizer wird schon wissen, warum er sie nicht schlachtet, obgleich sie feinen Tropfen Zeit mehr gibt.
mehr ist das erst eine Uhr, die die Zeit ablaufen läßt, ohne von ihr Ist schon eine Uhr, die geht, ein mit Symbolwerten behaftetes und von gemütschweren Assoziationen umdrängtes Ding, wieviel Notiz zu nehmen oder zu geben. In der organischen Wels heißt ein stand von so furchtbarer Sinnlosigkeit, daß ihn die Natur, durch Mechanismus, der von sich feinen Gebrauch macht: tot. Ein Zuihre Praktiken der Verwesung möglichst rasch zu ändern trachtet.
Rates, Fatales gibt sie dem Hause, an dem sie feftgenagelt, der Bon jener höchst schaudervollen Absurdität weht ein Schatten auch um die vor zwölf Jahren stehengebliebene Uhr. Etwas ganzen Straße, deren Unwahrzeichen sie ist und dessen Bewohner ihr hartnäckiges Sechs- Minuten- nach halb drei nervös und übellaunig macht. Gleich einem Symbol franker Zeit hängt sie da: Chronos hat den Appetit verloren und frißt nicht. Ihr Zifferblatt ist ein gespenstischer Spiegel, aus dem immer das gleiche herausblidt, was immer auch in ihn hineinblicken mag. Unbehagen schafft sie wie jeder Leichnam, der sich obstinat im Leben behauptet.
Aber das sind nur so Spinnwebfäden der Meditation, mit denen sich, bei einiger Schreibepraxis, jedes Ding, das ist oder nicht ist, leicht überziehen läßt. Das Besondere, den Geist zum Grübeln verlockende solcher beharrlich nicht gehenden Uhr, ihre geheimnisvolle, tiefere Pointe steckt mo anders: nämlich darin, daß sie einmal im Tag und einmal in der Nacht, in einem einzigen bestimmten Moment, obgleich sie seit zwölf Jahren feine Zeit mehr angibt, doch die Beit angibt. Bei der Uhr, von der hier erzählt wird, geschicht das eben präzise sechs Minuten nach halb drei. In diesem Moment, alle zwölf Stunden einmal, erfüllt die Tote ihre Lebensaufgabe, indem sie ganz genau mitteilt, wie spät es ist. Sechs Minuten nach halb drei gehorcht sie dem Willen ihres Schöpfers, wird wahr, deckt sich restlos mit der Idee, als deren Ausdruc sie in die Welt der Erscheinungen trat, fügt sich harmonisch ins Gefüge der Mittei und Zwede, ist, was sie sein soll, vom Einn des Daseins aureolisch umleuchtet.
Die Nuganwendung ergibt sich mühelos: Alle Uhren zeigen richtig, man muß nur im richtigen Augenblick auf sie sehen. Alle Menschen sind gut, man muß nur die Chance haben, sie bei ihrer Büte zu ertappen. Für alles Schiefe kommt die Drehungsphase der treisenden Welt, wo es das Gerade wird. Und du bist noch so mißtrauisch gegen die Liebe, in gewissen Augenblicken, alle heiligen Beiten einmal, darfst, mußt du an sie glauben.
Ich fragte den Uhrmacher, warum er das Monftrum nicht in Gang bringe.„ Schad' um die Mühe", sagte der Mann und begründete seinen Spruch nicht weiter. Aber ein Saß, der so wunder voll auf alles paßt, hat das auch nicht nötig.
( Mit Erlaubnis des Verlages Ernst Rowohlt Berlin , dem Buche„ Ich bin Zeuge" von Alfred Bolgar entnommen.)
Elefantenzahn frause, tindliche Bauten errichtet, in der Mitte einen Anekdote aus dem neuen Rußland : Pharifäer
fremdem, südlichem Atzent eine Portion Kartoffelsalat. Aber rasch, ich verreise!" Nein, er wird nicht verreisen, er bleibt nach dem Effen noch stundenlang figen. Er hat einfach Hunger, rasenden Hunger, tann es nicht erwarten, stürzt sich wie ein Tier mit scheuem Seitenblick auf die Speise, leert den großen Teller in Sekunden.
Ab und zu brüllt gröhlendes Lachen auf und zerbricht mißall bie Menschen, die hier beisammen fizen, traurig grüßen sie den tönend das einförmige Murmeln trauriger Stimmen. Traurig sind Tag, der durch die Tür dämmert, traurig, dumpf und voller Etel ſtarren fie aneinander vorbei ins Leere. Hocken beisammen und fühlen sich unendlich einfam, unendlich müde, unendlich überflüssig. Den guten Bürgern, die Neugierde hierher trieb, teilt sich diese beimatlose Stimmung mit, die eigene gesicherte Bofition vergessend, ahnen sie etwas von der ruhelofen Lebensangst gejagter Menschen, denen nichts gehört, als der Hunger, denen Laster, Alkohol und Elend Gefährten find.
Kleine Mädchen, jung noch und müde wie Kinder, verschwinden mit zweifelhaften Kavalieren durch die Tür, schwanken gleichgültig, unüberwindlichen lleberdruß im Blick, der morgendlichen Straße entgegen. Irgendwo, vier Treppen hoch, in der Manjarde einer Mietsfaserne, gehört ihnen vielleicht ein Bett, gehören ihnen ein paar Photographien an den Wänden, eine bedrudte Decke auf dem zer schabten Tisch. Zwei Männer beginnen sich in der Trunfenheit zu zanfen, vergessen im Augenblick die eigenen Worte und starren mit verglasten weit offenen Augen auf die weiße Hand des Geigers, der noch immer die Musik aus den Seiten streichelt. Die Gäste sitzen jetzt schweigend beisammen, als warteten sie auf etwas. Auf irgend etwas, auf den Tag oder das Glück oder die Ruhe. Und der Tag, der Tag ist nun wirklich heraufgedämmert.
Im Kaffee
Draußen hallen feste Tritte übers Pflaster. Ein paar junge Burschen und Mädel, Rucksäcke auf dem Budel, derbe Wanderstiefel an den Füßen, marschieren zum Bahnhof. Summen leise, mit frischen Stimmen, eine Melodie:„ Mit uns zieht die neue Zeit, mit uns zieht die neue Zeit..." Dann sind sie vorüber. wird es von Stunde zu Stunde stiller, die Stühle leeren sich, die Kellner entfernen Speiſereste und Bierlachen. Ein Betrunkener fällt polternd unter den Tisch, zwei junge Wesen in Männerkleidern mit Mädelgesichtern und seidenweichen langen Haaren sind auf ihren Stühlen vornüber gefunten und schlafen.
Nikolai Iwanowitsch Brjufin, Borsigender eines Trusts, fuhr abends im Dienstauto mit seiner Frau in die Operette
Eine gewisse Unruhe bohrte in Brjutins tieffter Seele. Der Lichterglanz des Logenhauses, Mufit, liebreizende Arme und Beine - der bevorstehende Hochgenuß all dieser angenehmen Dinge schien ihm dadurch ein wenig getrübt, daß er es als durchaus peinlich empfand, im amtlichen Dienstauto vor dem Theater vorzufahren.
Weshalb beunruhigst du dich eigentlich?" meinte seine Frau fahren, Hinter dem Theater ist eine kleine dunkle Seitengaffe. Laz achselzuckend. Du brauchst ja nicht direkt vor dem Theater vorzu den Chauffeur dort halten. Von dort begeben wir uns in allen Ehren zu Fuß ins Theater."
Welch ein Glück, eine fluge Frau zu haben!" wollte Brjufin laut fagen; er vertniff sich aber lieber diese Aeußerung und from= melte ingrimmig an das Chauffeurfenster.
Das Auto hielt in der Seitengaffe. Brjufins Frau schlüpfte heraus. Hinter ihr entstieg auch Brjufin, sich scheu nach allen Seiten umschauend, dem Wagen.
Berblüfft blieb er stehen.
Links, rechts, vorne und zu beiden Seiten, treuz und quer überall standen Autos. Der schwarze Benz des Bolkswirtschaftsrots, der Mercedes der Staatsbant, die rotlackierte Fiat- Limousine der Mostauer Kommunalverwaltung und der elegante Eiser des Vollzugsausschusses...
Brjufin schmunzelte und folgte gehobenen Hauptes mit mutigen („ Tschudat", Moskau .) Schritten seiner Frau.
Ein feltsames bodengeschichtliches Ereignis hat sich im hinterpommerschen Ostseeküstengebiet auf der Leba - Nehrung zugetragen. Hier gibt es ein etwa 2 qkm großes Wanderdünengebiet, die soge
nannte Lonzfer Wanderdüne, die ihren Namen von dem Fischerort Lonzfer hat, der vor einigen hundert Jahren von den Sandmassen der wandernden Düne begraben wurde. Die immer noch in Bewegung befindliche Düne hat nun im Weiterwandern die Ruinen von Lonzter wieder freigegeben, und dabei hat man hochinteressante Funde gemad; t, nach deren man das Todesjahr dieses pommerschen Bempeji" etwa auf das Jahr 1540 feftießen zu tönnen glaubt. Neben zahlreichen Gebrauchsgegenständen, GefäßScherben usw. sind auch Geidſtücke gefunden worden, die von der flüchtenden Bevölkerung zurückgelaffen wurden. man, allen Bemühungen zum Troß, die 50 Meter hoch von Meeresspiegel ansteigende Düne noch nicht aufzuhalten vermod; t.
Auch heute hot