Oer Volkspark Rehberge. Großes Spiel« unk» Sportfest am Sonnabend. Das Dezirksamt W e d d i n g hat, wie das Nochrichtenamt Berlin meldet, mit Rücksicht daraus, daß die Neuanlage des Volks- parks Rehberge allen Teilen der Bevölkerung dienen soll, der am Sonnabend stattfindenden Einweihungsseier den Charakter eines V o l k s f e st e s gegeben. Schon von den frühen Bormittagsstunden ab wird die Umgebung des Voltsparks durch die von den Schulen veranstalteten Staffelläufe belebt. Am Nachmittag werden 20000 Schulkinder in vier großen Zügen unter Musikbegleitung zum Festplatz ziehen. Um 15� Uhr wird der Spiel- und Sportbetrieb auf den Wiesen einsetzen. Für die kleineren Kinder wer- den Gesellschaftsspiele und volkstümliche Belustigungen stattfinden. Die größeren Kinder werden auf den verschiedenen Spielwiesen Turnspiele, Bolkstänze und gymnastische Uebun- gen vorführen. Wettkämpfe aus allen Gebieten des Sportes werden ausgetragen. Im Tanzring wird ein Mundharmonika- or che st er konzertieren. Außerdem werden einige Laienspiele vor- geführt. Wer große Musikkapellen werden zur Unterhallung beitragen. Alle an der Deranstaltung teilnehmenden Kinder erhalten durch die Bereitstellung einer Spende des Oberbürgermeisters Milch und Keks. Die feierliche Einweihung des Platzes erfolgt um 18 Uhr am Sporthaus. Die Schulkinder und die Sportvereine werden dazu in der Kampfbahn Aufstellung nehmen. Ansprachen werden gehatten vom preußischen Wohlfahrtsmini st er, vom Oberbürger- m e i st e r und vom B ü r g e r m e i st e r des Verwoltungsbezirks Wedding. Der Koslecksch« Bläserchor wird den künstlerischen Teil der Feier bestretten. Fünfhundert Sänger werden von 19� bis 203� Uhr Volkslieder vortragen. Bei Eintrttt der Dunkelheit wird
C.&dtamtis,
detten Roman ,Das Regiment des Böten" mir am Freitag abzudrucken beginnen, nimmt unter den Sdimeizer Diditern mie in der zeitgenössischen Literatur überhaupt eine Sonderstellung ein. Seiner Abstammung nach Welsdisdiroeizer, schreibt er seine Werke französisch. Art und Inhalt seiner Dichtungen zeigen dagegen durchaus jene Sdimeizer Prägung, die ohne deutschen Einfluß nicht deutbar märe. Es ist notmendig, bei ihm von einem Stilproblem zu sprechen. Seine Sprache unterscheidet sich, durch ihre Eigenart von der anderer Autoren.. Sie ist zu gleicher Zeit von höchster Einfachheit und von außergemöhnlirher Ausdruckskraft. In ihrer bedrückenden Wucht gleicht sie den Bergriesen, inmitten derer er lebt. Die Alpen und ihre Bemohner sind auch der Gegenstand seiner Dichtungen. Die Anmut und die selbst durch die Schmermut durchklingende I�bensfreude eines C. F. Meyer oder Gottfried Keller sind in ihnen nicht zu finden. Sie stehen außerhalb der Bürgerlichkeit Sie sind proletarisch. Das Leben der Bergbemohner in seiner niederdrückenden Schmer e, ihre Abhängigkeit von einer alles eher als freundlichen Natur tritt uns in düsteren Farben entgegen. Wenn Knut Ramsum einem seiner Werke den. Titel„Segen der Erde" gab, müßte man über das Gesamtmerk Ramuz das Motto„Fluch der Erde" setzen. Das große Grauen in den Bergen, nach dem Ramuz einen seiner Romane bemannte, gespenstert— oft ins Mystische gesteigert— immer wieder durch seine Werke, handele es sich nun um den Nooellenband„Die Sühne im Feuer" oder um die Romane„Ein Dichter kam und ging",„Es geschehen Zeichen" und
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Das Regiment des Bösen
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(Grell Füßli-V erlaß, Zürich -Lcipzig-Berlin ). Schon im„Regiment des Bösen", dem ersten Roman, den Ramuz schrieb, prägt sich die Eigenart des Dichters ganz aus. Wie hier der Fremde, der sich als Schuster im Dorf niederläßt und die Dorf bemohner unheiloerbr eilend in seinen Bann zwingt, allmählich zum Symbol des Bösen, zum Abbild des Teufels wird, das ist so gestaltet, mie es nur Ramuz oermag. Die Uebersetzung des Romans murde von Emil Wied n er unier Mitwirkung von 4 Iber t Baur besorgt.
etn Riesenfeuerwerk abgebrannt. Mit einem Fackelzug der Schüler nach dem Leopoldplatz findet dann die Feier ihren Abschluß. Kinderfest im Volkspark Tempelhof. Die bereits traditionell gewordenen Kinderfeste des Bezirks- jugendamtes Neukölln erfreuen sich von Jahr zu Jahr steigender Beliebtheit. Auch das diesjährig« erst« Fest hatte, obwohl der sonst üblich« historische Festzug ausfiel, Massenandrang. Tausende von Kindern und Erwachsenen belagerten die große Spielwiese, und fröhliche Scharen tummelten sich unter Aufsicht erfahrener Spiel- leiter. Auf der großen Freilichtbühne zeigt« die Kindergruppe aus der Ballettschule Betty Zabekow hübsche, einfache Tänze. Drei Kasperletheater waren stundenlang umlagert und hielten die Kinder im Bann. Ein Freikonzert erfreute die Massen mit fröhlichen Weisen. Bei Eintritt der Dunkelheit marschierte ein Zug von Stock- lorernen hinter der Musikkapelle. Das Riesenfeuerwerk beschloß den Tanz, der noch lange in den Herzen unserer Kleinen nachwirken dürfte._ Münchener Generalversammlung der Arbeitersänger Bei der Generalversammlung des Arbeiter-Sängerbundes gaben die Münchener Arbeiterchöre zwei Konzerte mit außer- gewöhnlichem Erfolg. Madrigal« Chorwerk«, Chöre von Lendvai und Och», sowie Beethovens Neunte Symphonie standen auf dem Programm. Beschlossen wurde, 1933 in Nürnberg «in zweites Bundessängerfest abzuhalten, in dem proletarische moderne Musik vorherrschen soll. Die Interessengemeinschaft zwischen dem Deutschen Sängerbund und dem Reichsoerbond gemischter Chöre wurde (gegen 9 Stimmen) sanksioniert. Die Tagung, die Dienstag nachmittag beendet wurde, nahm«inen harmonischen, durchaus erfreu- lichen Verlauf._ H. ficine Geheimsthungen mehr. Der amerikanische Senat nahm mit 60 gegen 9 Stimmen eine Entschließung an, wonach in Zukunft die Senatssitzungen immer öffentlich sein müssen. Geheimsitzungen sind künftig verboten. Diese Entschließung ist gefaßt worden, weil vor einiger Zeit der Vertreter einer amerikanischen Nachrichten- oaenwr einen vollen Bericht über eine Geheimsitzung von einem Senator erhalten hatte. Var dem Obersten Gerichtshof hatte er sich geweigert, feinen Vertrauensmann zu denunzieren. Bund Deutscher Mieter e. V. verband Berlin *, v. Am Donnerstag, dem 20 b. Mt«.. findet im Restaurant �Engelhardt', »rückenftraß« 6 d(an der Jannowchbrucke), abends 8 Uhr. eine Fvnktionärveriammlung statt. Tagesordnung: Bericht von der To- «prng des Landesverbandes Preußen in Bielefeld . wetker für Berlin : Bewölkungszunahme und etwas Gewitter- Neigung mit nur geringem Temperaturrllckgang. Für Deutschland : Im Osten weiterhin trocken und sehr warm, rm Westen und Süden strichweis, Gewitter mtt vorübergehender geringer Abkühlung.
Brasilianisches Leben. Zu Aluizio Azevedos Roman„Ein brasilianisches M'eihaus".
Um einen Hof, auf dem unzählige Waschfrauen ihr Wesen treiben, hat ein kühnes spekulatives Genie Mietkasernen errichtet. Zusammengepfercht wie das liebe Vieh wohnen hier gegen hohe Verzinsung die Arbeiter des Steinbruchs, der Gummi- und der Ammoniak-Fabriken. Früh um 5 Uhr gehen die Männer zur Arbeit, während die Frauen sich wie die Besessenen auf ihre Wasch- zuber stürzen, um den kargen Verdienst der Eheherren wenigstens etwas aufzubessern. Es ist eine West, wie man sie. in Berlin , Paris oder London kennt, die sich von diesen nördlichen Regionen nur durch ihr südländisch blühendes Temperament unterschsldet. Am Sonntag hört man nicht Grammophone und Lautsprecher Steps oder Walzer krähen, sondern die Männer begleiten auf ihren Gitarren brasilianische und argentinisch« Tangos, die mit mehr oder minder Talent von den Frauen als pikante Ankitzelung gewisser Nerven im Unterleib ausgeführt werden. Die Siedlung liegt nicht weit von den großen Avenue» Rio de Ianeiros, wo man genau so wie in Europa die großen Sänger und Filmstare bewundern kann. Es handelt sich also um ein exxotifches Milieu, um das Wunderland der Amazonas , das letztens ein Deutscher als das Dorado verschollener Romantik pries. Wir Europäer sind gewöhnt, Latein» amerita, das ja zum größten Teil in der tropischen Zone liegt, nur als das Land kühner Abenteuerlichkeiten zu betrachten. Daß es in Mexiko beispielsweise auch anders zugeht, hat der Deutsch -Mexi- kaner Travcn in einer Reihe von Romanen geschildert, die den Zauber der Ferne, den romantischen Dunst restlos zerstören. Jetzt liegt in der Serie„Romane der Welt'(Knauer-Verlag, Berlin ) ein Werk des brasilianischen Schriftstellers Aluizio Azevedo „Ein brasilianisches Miethaus' vor, das Brasilien ebenfalls völlig entromantisiert. Wie schon gesagt, man tnfst hier ein Milieu, das ebenso trost- los ist wie das europäische der Lohnarbeiter, nur daß hier ein« leichtere Gemütsart die Probleme, um die sich nördliche Völker bc- mühen, nicht zu lösen versucht. Man versucht den Dingen die liebenswürdige Seite abzugewinnen, man lebt mehr in den Tag hinein Für den Außenstehenden allerdings erscheint dieses Dasein ebenso elend wie das in East End, das Jack London in seinem „Menschen der Tiefe' schilderte. Wie überall stehen auf der anderen Seite die Ausbeuter, die mit der Kurzsichtigkeit der Enterbten Geschäfte machen. Den Kam- plex der Mietkasernen hat in diesem Roman ein Portugiese er- richtet, der sich selber nicht den geringsten Lebensgenuß gegönnt hat, sondern der nur eins kennt: von morgens bis abends un- ermüdlich schuften und betrügen und jeden erübrigten Milrei- aus die Bank tragen. Moralische Hemmungen sind ihm völlig unbe-
kannt, und vielleicht existieren diese überhaupt nur in den nörd- licheren Bezirken, wo es der Verstand leicht hat, über ein dünner gewordenes Blut zu triumphieren. Und plötzlich erfährt das Leben dieses wackeren kapitalistischen Kleinbürgers eine entschiedene Wand- lung. Sein Nachbar, Großkaufmann und gehörnter Ehegatte, hat sich eine Pairswürde erkauft, und von diesem Augenblick an findet der kleine Krämer keine Ruhe, bis er selbst zu der Geldaristokratie Rios gehört. Je weiter er nun auf der gesellschaftlichen Stufenleiter steigt, desto mehr verschwindet der letzte Rest sittlicher Haltung in diesem strebsamen Zeitgenossen. Aeuherlich von tadelloser Korrekt- heit wird er seelisch immer verkommener, aber dank dieser boden- losen Schuftigkeit heiratet er in eine vornehme ansässige Familie hinein. Ist es wirklich Brasilien ? Könnten diese Vorgänge nicht auch in europäischen Metropolen spielen? Merkwürdig, wie sich die Menschen gleichen, wenn man da- bißchen Nationalfarbe abkratzt. Und merkwürdig ferner, wie in der ganzen Welt der Geist einer Zeit gleiche Erscheinungen schafft, denn Azevedo könnte seinem ganzen Stil und seiner künstlerischen Gestaltung nach ebensogut in New Port oder Moskau residieren wie in der Hauptstadt Brasiliens . Die Romantik vor ungefähr einem Jahrhundert zog in den Be- trachtungskreis der deutschen Literaturen ein, die bis dahin»nbe- kannte? Land bedeuteten und uns heute zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Wie damals der Deutsche übersah, daß neben der eigenen Literatur und der Antike Gleichwertiges in anderen«uro- pöischen Ländern wuchs, so vergißt man heute ebenso leicht, daß die Riesenreiche anderer Weltteile eine Literatur und Kunst ge- schaffen haben, die vielleicht die Problematik der europäischen nicht kennt, die aber, abgesehen davon, dieselbe Einstellung hat und ein starkes Eigenleben führt, dos uns seltsam verwandt berührt. Wie lange ist es her, daß man die Vereinigten Staaten nur als dos Land der Dollarmilliardäre, Wolkenkratzer und laufender Bänder ansah? Wie lange kennt man denn einen Upton Sinclair , Jack London . Sinclair Lewis , John Dos Passos , Dreyser oder Zone Grey? Allgemein kann man sagen, daß der literarische Betrieb der Vereinigten Staaten auch dem nicht enzlisch sprechenden Europa heute teilweise erschlossen ist, aber von den literarischen Schätzen Lateinamerikas weiß man hier trotz Pub'ikationen in Fachzeit- schriften so gut wie nichts. Der Brasilianer Azevedo wird daran er- innern, daß es auch in jenen Ländern Setzerkästen und Rotations- Maschinen gibt und einen Geist? der diese Apparate souverän regiert.„Ein brasilianisches Miethaus' ist eine Milieustudie und ein Choraktergemälde, dazu ein sozialer� Querschnitt von einer fach- lichen Gestaltungskraft, die jede Konkurrenz mit den Sachiichkeits- fanatikern in Europa und in den 11. S. A. ausnehmen kann. F. S.
Anion Schnack:
Tag für Tag.
Du hörst plötzlich von der Straße herauf das dumpse, rollende Geräusch eines Wagens. Noch ist es nicht ganz morgen, aber durch den Vorhang ani Fenster und durch die schmlaen Ritzen des her- untergelassenen Ladens dringt der Schein und der fahle Schimmer von Licht und Helle. Decke dich noch zu, Schläfer von dreißig oder zwanzig Iahren, du hast noch Zeit. Das ist die schönste und glücklichste halbe Stunde deines Tages, die Zeit zwischen Erwachen und Aufstehen. Diese halbe Stunde ist der große Traumflug deiner Seele, deine einzige Abenteuere!, da ist es dir erlaubt, die Wunder und phantastischen Dinge, die zwischen Himmel und Erde locken und glühen, zu er- leben. Mit ungebrochener frischer Einbildungskrost— du weiht es, daß der Tag sie dir lähmen und erdrosseln wird— segelst du aus geheimnisvollen und fernen Meeren umher, schweifst du durch weiße verschneite Wälder auf verwegene Jagd. Eine Hand klopft an deine Türe, die Stimme deiner Hausfrau, von der du ein Zimmer gemietet hast, sagt die Zeit, zu der du auf- zustehen gewohnt bist. Du wirst dich waschen, du wirst dich ankleiden, du wirst frühstücken, alles in Eile und hastig, ohne davon entzückt zu sein, ohne dich mit heiterer Sorglosigkeit an dein Frühstück ge- nießend hinzugeben. Vielleicht kam der Briefträger mit Briefen für dich, vielleicht l)at er dir ein paar neue Bücher ins Haus gebracht, in denen du mit nervösen Fingern schnell herumblätterst, vielleicht ist unter den Briefen einer, den die Hand deiner Geliebten an dich gesandt hat. Alles dies ist noch schön und spannend, denn es verbindet dich ge- heimnisvoll und seltsam mit der Welt, mit den großen bedeutenden Städten, mit der verlorenen Ferne deiner Heimat, mit dem Hause deiner allen einsamen Mutter oder mit dem schönen Garten, den deine Geliebte vielleicht soeben durchschreitet. Aber vielleicht hatte der Briefträger gerade an diesem Morgen nichts für dich, dann wirst du wohl einen Augenblick traurig sein, eine Sekunde vielleicht nur oder auch länger, je nachdem du mit mehr oder weniger Sehnsucht Briefe und Bücher erwartet hast. Und schon hast du dich verspätet, du nimmst deinen Mantel vom Haken und deinen Hut vom Halter, steckst dir eine Zigarette an, wünschst deiner Hauefrau wie immer Guten Morgen, eilst die Treppe hinab und bist auf der Straße. Du hast nicht weit zu deiner Arbeitsstätte, du kannst sogar auf verschiedenen Wegen zu ihr kommen und olle hast du sie schon ab- wechselnd gegangen, denn es war dir so eintönig, jeden Morgen die gleichen Häuser zu sehen und die gleichen Schilder zu lesen, die an- zeigten, daß hier der Schneidermeister Friedrich Eines wohnt oder dort der Bäcker Cmanuel Meyer oder daß da Heringe verkauft wer- den und dort Schuhe. Aber manchmal hast du Glück, wenn du die Straße entlang- gehst, da dir eine Frau entgegenkommt, die dir öfter schon begegnet ist und mit der du immer einen heimlichen und lächelnden Gruß ge- wechselt hast. Aber an diesem Tage siehst du ste nicht, dein Blick bleibt an der Türe haften, aus der sie immer herauskam, doch die Türe geht nicht auf und hoffnungslos und bedrückt trottest du deinen Weg wetter. Und da dir dein Weg heute besonders trostlos und long- weilig erscheint, so sängst du wie schon öfter an, deine Schritte zu zählen oder die Zigarettenstummel, die aus dem Trottoir liegen und wenn es mehr als zwanzig sind, die da weggeworfen und verbraucht am Häuserrond liegen, so freust du dich und glaubst etwas Besonderes erlebt zu haben. So kommst du vor das große Hmis mit den fünf Stockwerken und den zweihundertundzehn Türen. Die achtundsiebzigste Türe ist die Türe deines Zimmers. Du machst sie aus wie jeden Morgen, trittst hinein in den grauen öden Raum, ziehst deinen Rock aus und
schlüpfst in dein« Arbeitsjoppe. Aus dem Nebenzimmer klappern die Schreibmaschinen, eine heisere und knarrende Stimme diktiert einen Geschäftsbericht, wie sie schon Hunderte diktiert hat, und dann kommt auch schon der Burcaudiener zu dir mit einem Stoß von Akten, die das Signum des Chefs tragen.„Nr. C 28 240 a soll sofort erledigt werden'. So beginnt dein merkwürdiger Tag, junger Mami von dreißig oder zwanzig, jahraus, jahrein, Sommer wie Winter, Frühling wie Herbst. Aber in der Well fahren Schisse von Insel zu Insel, Frauen werden entführt, an verwucherte mrh ewigbtühende Küsten braust Tag und Nacht die Brandung, über schneeumfegte Grate klimmen Bergsteiger und sehen unter ihren Füßen Süden und See, durch Wüste und Sand schnaubt eine phantastische Kamelkarawane, in einem wilden abenteuerlichen Nest wartet eine gluläugige Schön« auf einen Mann, der sie küßt und um die Gelenke nimmt. Du aber, dem das Blut noch nicht verkalkt ist und das Herz noch nicht erschlafft, mußt das Aktenfoszikel Nr. C 28 240 a sofort erlsdigen. Emil Rolde im Kronprinzen-palais. Mäßig unterrichtete Kritiker und Künstler haben sich schon öfters an der Ankaufs- und Ausstellungspolitik des Direktors unserer Nationalgalerie heftig gerieben. Jdealzuständ« zu schaffen ist aber für einen durch zentnerschwere Kommissionen und einen dünnen, ganz dünnen Etat gehemmten Museumsleiter wie Ludwig Iusti eine sehr unbillige Forderung, ihre kritische Ausschlachtung bringt allzu billigen Ruhm. Man sollte sich daran halten, was er unter den schwierigsten Umständen wirklich vollbringen kann. Ich habe persön- sich auch mancherlei Wünsche, die ich im Kronprinzenpalais noch immer nicht erfüllt sehe. Aber ich bin geneigt zu glauben, daß sogar diese im Laufe der Zeit sich erfüllen werden, wenn ich die neueste Erwerbung des Museums betrachte: den Nolde-Saai. Bis vor kurzem bildete der Mangel an würdiger Vertretung der Noldefchen Malerei einen der schwersten Angrissepunkte gegen Iusti. Es ist einfach nicht wahr, daß er den nordischen Maler nicht schätzt, es war ihm nur durch Umstände und Personalpolitit, die eine eiserne Mauer bildeten, nicht möglich, einen Lieblingswunsch zu er- füllen. Die Widerstände sind gefallen, wir haben im Obergeschoß im Kronprinzenpalais , im Mittelpunkt des Traktes gegen die Haupt- wache einen herrlichen und unübertrefflichen Nolde-Saal; großen- teils freilich erst in Leihgaben. Mit einem Mal! An den Seiten- wänden köstliche Landschaften aus seiner schleswigschen Heimat, stimmungsschwer und dramatisch, und aus der Südsee: Stilleben, Figurenbilder. Die ganze Hinterwand nimmt die große neunteilig« Passions- darstellung ein mit dem Gekreuzigten als Mittelpunkt: ein er- schütterndes Dokument aufgewühlter Zeit, eines der ganz wenigen Kunstwerke unserer Epoche, das aus wirklich erlebter Religiosität beruht, das nicht durch Krampf, sondern durch die ungeheure Ein- dringlichkeit seiner farbigen Form auf uns wir« und uns die Distanz zu dem Mythos vor 1900 Iahren völlig vergessen läßt, weil fein Erleben unmittelbar und menschlich geformt wurde und darum jeden angeht, der den Namen Mensch mit Recht trägt. vr. Baal F. Schmidt. Gastspiel Glan . Im Anschluß an die Berliner sieslspiele 1929 gibt Dienstag, den LS. Juni. Bensamin Kiglt ein eigenes Gastspiel in der StaalSoper Unter den Linden Sr singt den Cavaradossi in PucciniS „TaScaV Die ToSca singt Mafalda Salvatini . Dirigent: Leo Blech . Da» Leiiinglheater beendet die diesjährige Spielzeit am Sonntag, dem 23. Juni. Die Wiedereröffnung findet Mitte August statt.