1. Kapitel. Es ging auf 7 Uhr, als er ankam. Es war noch sehr hell, denn man befand sich mitten im Sommer. Er war mager, klein, und es hatte den Anschein, er hinke. Auf dem Rücken trug er einen Sack von grober grauer Leinwand. Dennoch verursachte seine Erscheinung, als sie ihn daherkommen sahen, kaum Erstaunen bei den Frauen, die unter sich vor den Häusern plauderten, und die Männer, die in den Scheunen oder Gärten geschäftig waren, hoben kaum die Köpfe: kein Zweifel, es mußte ein Landarbeiter auf der Suche nach Arbeit fein, wie man deren all« Tage vorbeiziehen sah. Die einen tragen«in« Sense geschultert und am Halmende baumelt ihr Wäschebündel: andere haben ihre Schuhe um den Hals gehängt. Unter dieser Gattung Menschen gibt es alte, junge, große, kleine, mittlere, dicke und magere. Welcher Art sie immer sein und woher sie auch kommen mögen, man weiß hinlänglich: schwer wiegen sie nicht. Immer dieselbe böse Brut: Säufer, Faulenzer, Rauf- bolde. Unzugänglich, wetterwendisch sind sie, und auf ihrem Mund steht's zu lesen: sie sind der Auswurf aller ehrbaren Menschen. Einer mehr von dieser Sorte ging vorbei und damit basta. Das Wetter war sehr schön, ein rosiger Hauch lag in der Luft: man darf schon sagen, an diesem Abend schwellt« Zufriedenheit alle Herzen. Bei der anhaltend guten Witterung kündete sich das Jahr als ein gutes an, prahlte mit besten Aussichten: die Weinberge unten gediehen herrlich: man hatte bereits Gras in Ueberfluß: das Heu konnte nicht mißraten, und das Getreide erst, das bereits die Farbe zu wechseln begann: selten hatte man es so dicht, so prachtvoll stark, so kräftig in den Halmen gesehen. Gründe genug also, sich zu freuen, nicht wahr? Gleichwohl darf man nicht allzusehr den Dingen trauen: aber das Gegenteil wäre vielleicht noch schlimmer, und vieles Mißtrauen entmutigt. Man sah die Leute von den Feldern heimkehren. Sie blieben beieinander stehen, die Pfeife im Mund«, oder sie riefen sich von weitem an, tauschten Scherzwort«, und um den Brunnen herum standen die Mädchen und brachen jeden Augenblick in Gelächter aus. Der Himmel war grün geworden. Klein« Wolken schwebten drüber hin. Hundert oder zweihundert Häuser, die sich um die hohe Kirche mit dem viereckigen Turm scharen, so liegt alles auf einer Stuf« des Hanges vereint. Sieben- oder achthundert Eingesessene sind's im ganzen, die zwar ein wenig abgelegen hier oben wohnen. Aber sie sind gegen die Nord- und Südwinde gut geschützt durch zwei gleich laufende Felsketten: dazwischen streckt sich ein Tau aus, dos sie beherrschen. Das Dorf hatte eine Verfassung wie alle Dörfer: ein Ammann, drei oder vier Gemeindebeamte, ein Gemeinderat, ein Gemeindeschreiber,. ein Schullehrer, ein Pfarrer. Es gab zwei Wirtschaften, zwei Kramläden. Vor der Kirche breitete sich groß genug ein freier Platz aus, auf den alles nach dem Gottesdienst zusammenströmte. Alle Kamine rauchten: ein jeder wußte, was das bedeutete. Wenn an den mächtigen Felsstirnen oben am Berge ein rosiger Hauch steht und unten die Kamine qualmen: dann ist die Stunde für die Abendsuppe nicht mehr fern. Man gewahrte es übrigens deutlich. Auf allen Feldwegen kamen Menschen daher und wandten sich dem Dorfe zu. Auch die Dorsgassen waren voll Volk: nicht wenig Maultiere trieben vorüber. In der Ruh« eines schönen Abends, wenn selbst die Gartenzäune mit ihrem ausgetrockneten Holz aufzuwachen und wieder Säfte zu treiben scheinen, verspürt man froh all dieses Kommen und Gehen, den Geruch des Abendessens, der aus den geöffneten Türen strömt, das Hantieren der Frauen, die sich in der Küche über den Herd beugen. Der Fremde hatte das Wirtshaus betreten. Die Gaststube war leer. Er nahm Platz an einem der Tische im Hintergrund. Seinen Sack hatte er unter die Bant gelegt: dann wartete er mit auf- gestellten Ellbogen, daß man komm«. Roch einer Weile kam der Wirt selber; er hieß Simon. Er sprach zu dem Wartenden: „Was wünschen Sie?" „Geben Sie mir«inen Holben Wein," sagte der. „Und ich möchte auch gern etwas essen." Er macht« nicht lange Umschweife, wie ihr seht. Auch Simon nicht. Er ging und holte Brot und Käse, brachte alles mit dem Halben Weißwein auf einem Teller. Eine mächtige Messinglampe hing an der Decke: sie brannte »och nicht. Es begann zu dämmern. Der Fremde aß ohne Hast, wie man zu tun pflegt, wenn man keinen besonderen Hunger hat: aber man muß doch essen, wenn Essenszeit ist. Er hustete ein wenig, «r schien heiser. Gemächlich ließ er seine Kiefer unter seinem kurzen Bart arbeiten. Cr trug einen Bart, der am Kinn nicht länger war als auf den Wangen: seine Farbe war schwer zu unterscheiden. Es sah so aus, wie wenn der Gast graue Augen hatte: aber ganz sicher konnte man nicht sein, denn sie waren klein und lagen sehr tief. Immerhin nahm man wahr, daß seine Ras« schief saß. Und was man gleichfalls bemerkte, das war seine Haut, die in dicken Falten an seinem Hals, an seinen Händen und in seinem Gesicht hing, und die weniger eine Haut als vielmehr ein fvnderbares, andersartiges Gewand fein mochte, das er zugleich als Fleisch trug, und das er ganz gut hätte ablegen können, wie man seinen Rock auszieht. So hatte seine Erscheinung etwas Befremdendes: aber er schien sich darüber keine Rechenschaft zu geben oder Verlegenheit zu empfinden. Ganz im Gegenteil: sein Auftreten war sicher, sein Aussehen vollkommen ruhig. Er war einer von den Menschen, die überall zu Haus« zu sein scheinen, wie wenn sie sich ein für alle Mal« gesagt hätten:„Man wird mich nehmen, wie ich bin." Und er lrank und aß weiter, big sein Teller und der Schoppen leer waren. Darauf stopfte er sich eine Pfeif«. Und dann brach wirNich die Nacht an. In diesem Augenblick tiat Simon wieder ein. Er zog einen Schemel unter einem der Tische hervor und stieg hinauf. Er rieb ein Zündholz einmal, zweimdl an seiner Hose. Man sah das Feuer langsam an dem schmutzigen Dochte empor- lecken, und die kleine Flamme mühte sich redlich und lange Zeit, bis sie den Brenner umkreist hatte. Kongolampen nennt man sie: man findet sie in ollen Dörfern. Der Schirm ist von weißem, billigem Porzellan, der Messingbehälter hat in der Mitte ein Loch, durch das der Luftzug streicht und die Flamme unterhält. „Ihr habt hier das Elektrische noch nicht?" sragte der Fremd«.
Simon blies in das Glas, bevor er es wieder an den Brenner steckte. „Nein," gab er zur Antwort,„noch nicht. Und man braucht's ja auch nicht." „Es ist wahr," sagte der Fremde,„mit diesen Erfindungen macht man sich das Leben nicht leichter. Es ist wie mit den Eisen- bahnen: ich habe meine Beine immer noch lieber, sie tosten mich weniger." Und er begann zu lachen. Simon lacht« nicht mit. Denn sein« Art war mißtrauisch und zurückhaltend, vor allem Fremden und Unbekannten gegenüber. Inzwischen ging die Tür auf und es traten, einer nach dem anderen, drei Männer«in. Sie schauten sich um, und sahen, daß jemand da war; aber sie taten, als hätten sie nichts gesehen, und, nachdem sie Simon den Abendgruß geboten, setzten sich alle drei an denselben Tisch in der anderen Ecke des Zimmers, so weit entfernt wie möglich von dem Fremden. Simon war in den Keller ge- gangen, ohne daß sie ihm hätten sagen müssen, was sie bestellten: er kannte ihre Gewohnheiten. Und schon versank der Raum nach und nach in ein bläuliches Dunkel, das immer tiefer und tiefer wurde, und der Schein der Lampe erschien darin bleicher und ihre Flamme schmaler, wie ein kleines Auge. Andere Gäste waren hinzugekommen. Von allen Pfeifen flog ein schwerer, dicker Rauch auf, von jener Art, wie ihn diese scharfen, ein wenig feuchten, grob gehackten Tabake der Dorfläden verströmen: das Päckchen kostet zehn Rappen und man sieht daraus das Bild eines schönen Soldaten in steifer Uniform: er steht aufrecht da, Ge- wehr bei Fuß. Die Zeit verstrich, die Gespräche nahmen ihren Lauf. Nachdem Simon die letzten bedient hatte, hatte er sich an einen der Tisch« gesetzt: auch er begann zu trinken. Bald verstand man kein Wort mehr, weil die Stimmen nach und nach lauter wurden. Man redete hin und her, man stritt beinahe. Von Zeit zu Zeit ließ einer die Faust auf den Tisch donnern: darauf folgte Stillschweigen. Aber bald erhob sich der Lärm von neuem. Der Fremde mochte sich eine der Pausen zunutze:„Verzeihung, ihr Herren," und alle drehten sich nach ihm um. Man hatte ihn vergessen: er war plötzlich wieder unter ihnen. Er hatte seinen Platz nicht verlassen, wo sein, leerer Schoppen und sein leerer Teller standen. Man sah ihn neugierig an. Aber er schien sich nicht darum zu kümmern: es störte ihn gar nicht, daß ihn alle anschauten. „Verzeihung, wenn ich störe. Aber ich möchte gern eine kleine Auskunft haben." Man sah wohl, er wußte, was sich gehört. Und die Verlegen- heit ergriff mehr sie als ihn. Und sie möchten ihr wahrscheinlich kaum entronnen sein, wäre nicht Lhote, der Hufschmied, da gewesen,. der sich glücklicherweise besser als sie alle zu benehmen und aus- zudrücken verstand.
„Sprechen Sie nur frei heraus; vielleicht kann man Ihnen bTo gewünscht« Auskunft geben." „Ich danke sehr," sagte der Fremde. Dann, mich kurzem Nachdenken: „Sie wundern sich vielleicht. Ich komme von weit her, Sie verstehen, und Sie kennen mich nicht. So lange schon bin ich Straßen hin gelaufen, daß ich mich kaum mehr aller Länder er- innere, die ich durchquert habe. Und in der Mehrzahl der Fälle geht's so: komme ich in einen Ort, so ist's zu keinem anderen Zweck als gleich wieder wegzugehen. Aber heute, an diesem Abend, wi« ich hier hinaufstieg, da hat mich etwas angerührt, ich weiß nichk was. Und ich sage mir: wenn du dich ein wenig ausruhtest? Du bist so lange gelaufen: du beginnst deinen Atem zu verlieren: du wirst älter. Warum versuchst du es nicht, dich hier im Lande nieder- zulassen?" Er sprach gesetzt, ein Wort noch dem anderen. Er brachte die Worte heraus, wie man Geldstücke hinzählt, wenn man eine Schuld zu begleichen hat. „Haben Sie vielleicht hier bei Ihnen einen Schuhniacher nötig?" Der Vorschlag überraschte; man merkte es deutlich dem Schweigen an, das ihn empfangen hatte. Es kommt nicht jeden Tag vor, daß der erste best« Wandersmann einfach austritt und er- klärt, daß er sich hier niederlassen möchte. Von diesen Menschen weiß man weder ihren Voter noch ihr« Mutter, man weiß selbst ihre Namen nicht. Man spuckt zur Seite wenn man sie kommen sieht: sie gehen weiter, man hat ausgespuckt und dabei bleibt es. Aber dieser hatte etwas an sich, was die anderen nicht hatten. Warum denn nicht am End«? dachten sie. Und sie schauten sich an und warteten, daß Lhote spreche. Und Lhote würde bei jeder anderen Gelegenheit ohne Zweifel geantwortet haben:„Gehen Sie Ihres Weges!" Aber er sagte das gerade Gegenteil. lFottsetzung folgt.)
Freliac, 21. Juni. Berlin . 16.00 Dr. Viktor Enielhardt: Der Geist der Völker in ihren Bauten Islam . 16..*) Hans Bollmann; Die Sportschan des Monats, 17.00 linterhaltunesrnnsik. Anschließend: Mitteilungen des Arbeitsamtes Berlin-Mitte. 18.40 Dr.-Ing. 0. Wendt:„Als Eisenbahn-Ingenienr in SOdamerika", 19.05 Kurt Oroßmann:„Das Wanderungsproblem". 19.30 Otto Vetter:„Stadt und Kloster Lindoor". 20.00 Abendunterhaltung. 20.45 Orchesterkoniert. Dirigent: Ernst Mehlich . I. Glinka; Ouvertüre.— 2. Debussy: Nachmittag eines Pauns.— 3. Wcber-Weingartner: Aufforderung gnm Tanr.— 4. Ravel: Alborada del Qrasioso.— 5. Borodin: Polowetier Time(Berliner Punk-Oichester). Nach den Abendmeldungen: Bildfunk. Königs Wusterhausen . 16.00 Ob.-Stud.-Dir. Dr. Johannesson: Buch und Kind. 16.30 Prof. Dr. Hans Mersmann : Einführung in Sonate und Sinfonie. 17.00 Nachmittagskomert von Leipzig . 18.00 Dr. Kurt Neu: Die internationale Krise des Kohlenbergbaues. 18.30 Englisch für Fortgeschrittene. 18.55 Prof. Dr. Kurt Krause: Blumen and Insekten. 19.20 Wissenschaftlicher Vortrag für Aerzte. Thema und Name des Dozenten werden in den ärztlichen Fachzeitschriften bekanntgegeben. 20.00„Dies ist die Stunde, die Frühling und Sommer trennt", eine Kantate tür jirei Sprechstimmen von Paul Claudel (deutsch von Roman Wocrner). als kammerhörspiel bearbeitet von Hans Oeser. Laeta; Fansta; Beata. Regie: Hans Oeser. Anschließend: Uebertragungen von Berlin .
VK4S DER TAG BRINGT. .......................................................................................................................................
Hollands BIumenzwiebel'Ausfuhr. Nach einer soeben im Haag veröffentlichten Statistik wurden im Jahre 1928 94 798 759 Pfund Blumenzwiebeln ausgeführt, deren Wert auf 7l>9Z<Z<XX) Mark berechnet wird. Der größte Teil dieser Ausfuhr im Werte von über 26 Millionen ging nach England und den Dominiösts; dann kamen die Vereinigten Staaten mit über 18 Millionen Einfuhr, Deutschland mit über 13,2 Millionen und Schweden mit 9,5 Millionen. Die gesamte bebaute Fläche für Blumenkultur betrug im letzten Jahre 4800 Hektar. Neuer Vulkan in den Anden. Während die ganz« Welt aufmerksam den Ausbruch des Vesuvs verfolgt, kommt aus Buenos Aires die Nachricht, daß in den Anden — und zwar in der argentinischen Provinz Mendoza — ein neuer Vulkan mit Rauch und Feuer in die Erscheinung getreten ist. Der neue Krater bildete sich auf dem Eerro Nevada, der fast 4899 Meter hoch ist, in einer Höh« von 3819 Meter zwischen der Lagune Llan- canelo und dem Fluß Atuel. Wie aus der Stadt San Rafael, die im Norden des Vulkans liegt und von ihm etwa 199 Kilometer ent- fernt ist, gemeldet wird, entströmen dem Krater große Mengen Lava. Mit der Tätigkeit des neuen Vulkans bringt man auch das kürzlich erfolgte Erdbeben in Verbindung, das an Dauer und In- tensität zu den stärksten Erschütterungen gehört, die seit dem berüch- tigten Erdbeben vom Jahre 1861, bei dem die Stadt Mendoza zerstört wurde, verzeichnet worden sind. Tunnelrekord in USA . Noch m diesem Jahre wird in Amerika «in Tunnel eröffnet warben, der einen Größenrekord aufstellt. Auch in bezug auf die Schnelligkeit der Bauausführung sind alle bisherigen Leistungen übertroffen worden. Der Tunnel oerläuft unter dem Gebirgszug der Kaskadenkette im Staate Washington . Er mißt 12,874 Kilometer in der Länge und wurde in drei Jahren fertiggestellt, während bei- spielsweise der Bau des Moffat-Tunnels im Staat Colorado , der über drei Kilometer kürzer ist, eine Arbeitszeit von viereinhalb Jahren beanspruchte. Vier europäische Eisenbahntunnels, von denen drei etwas länger sind als der des Kaskadengebirgcs, bedurften einer Arbeitszeit von sieben bis vierzehn Iahren. Die Schnelligkeit der Bauausführung des Kaskadentunnels erscheint um so bemerken». werter, als die Tunnelwände in Eisenbeton ausgesührt wurden, eine Vervollkommnung der Baumethoden, die die anderen erwähnten Unterführungen nicht zeigen. Sumpfbiber auf der Wanderung. Ein Freund des Kosmos schreibt aus Argentinien : Vor einigen Iahren betrieb ich im Lagunengebiet des Parana ein« Transiederei. Eines Tages fuhr ich auf meinem Motorboot, begleitet von einem Halbindianer, auf den Gewässern herum, und dabei begegneten wir einem Auswanderungsstrom von mindestens 3999 Sumpfbibern. Sie durchquerten den breiten Flußarm, ließen sich weder durch das
Motorgeräusch, noch durch die Ruderschläge verscheuchen, tauchten nicht einmal unter, sondern stiegen am anderen Ufer ans Land und zogen, einer langen Riesenschlange gleich, vorwärts, als seien sie hypnotisiert. Massenwanderungen kleiner Nagetier«, wie der Lem- minge und Wanderratten, sind ja bekannt; daß aber ein so großer Nager wie der Sumpfbiber in so gewaltigen Massen auswandert, ist jedenfalls ein« seltene, meines Wissens noch nicht beobachtete Erscheinung. 42 Stunden unter dem Zug. Die Beamten des Pariser Gare du Lyon erlebten kürzlich eine große Ueberraschung, als der Orientexpreßzug«inlief. Unter einem Wagen kroch ein großer Bursche hervor, dessen Gesicht mit einer dicken Schicht von Schweiß und Ruß bedeckt war. Der seltsame Reisend« war sofort von einer großen Menge umgeben, konnte aber auf alle Fragen nichts erwidern, da er kein Wort französisch sprach. Schließlich bekam man heraus, daß es sich um«inen acht- zehnjährigen Serben Stefan Patzen handelte, der die ganze Strecke von Bukarest unter dem Eisenbahnwagen verbracht hatte und in dieser unbequemen Stellung 42 Stunden ausharrte. Er hatte sich für diese abenteuerliche Fahrt mit zwei Litern Wein und einem Leib Brot verproviantiert und war recht hungrig. Das Ende seiner Reise hatte er sich allerdings anders vorgestellt. Er hatte geglaubt, daß der Zug in einer Vorstadt anhalten und er dann unbemerkt entkommen könnte. Da seine Zähigkeit und Ausdauer dein Stationsvorsteher Eindruck macht«, so ließ er ihn nicht vechaften, sondern überantwortet« ihm dem serbischen Konsul. Die zensierte Liebe. Vor dem Zivilrichter hatte sich dieser Tage in Paris ein Portier zu verantworten, weil er sich weigert«, einem Mieter Postkarten auszuhändigen, die Inschriften trugen wie:„Ich lieb« Dich", oder „Ich bete Dich an" oder auch„An Deinen Lippen möcht' ich..." usw. Der Hausmeister verteidigt« sein Vorgehen damit, daß er im Interesse der guten Sitten seines Hauses gehandelt habe. Der Richter war indessen anderer Meinung und verurteilte den Sittenapostel mit der Begründung, daß er seine Befugnisse erheblich überschritten habe. Außerdem bestände die Gefahr bei einer Duldung dieser Zensur, daß ein radikal eingestellter Portier die Steuerzettel und Rekrutierungsbefehle als unsittlich beanstande. Es müsse des- halb ein Exempel statuiert werden.» In der Preußischen Dichterakademie wurde ein Vortrag gehalten. Ein Schriftsteller, der zu spät kam, erst nach dem Vortrag, fragte einen Kollegen: „Wovon hat er denn gesprochen?" Der Gefragte sann eine Weile nach und sagte dann achsel- zuckend: „Dos hat er nicht gesagt!"