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Sonnabend

22. Juni 1929

Andreas Latzko  :

Unterhaltung und Wissen

Bedienung in Indien  

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und so barst über dem jungen Servier, nein, nur Tellerkuli, der Himmel auseinander, er stieg von der untersten Stufe der sozialen Leiter über Dutzende von Zwischenfasten hinweg in schwindelnde Höhe, durch Türen mit tausendjährigen Vorhäng­schlössern, die er aus eigener Kraft niemals hätte sprengen können! Aufstieg.

Es ist das eine ungelöste Preisfrage, auf allen ausfahrenden| einen Handlanger, Dampfern das Thema endloser Tischgespräche, ob es unerläßlich notwendig sei für den Europäer, mit einem farbigen" Boy" be­lastet, Indien   zu genießen. Für den Engländer existiert das Pre­biem natürlich nicht, denn es ist üblich", einen eingeborenen Diener zu haben, der in der Eisenbahn und in den Rasthäusern das mitgeschleppte eigene Bettzeug des Masters ausbreitet und mer­gens wieder zusammenschnürt, und was üblich" ist, wird kein Engländer versuchen, abzuändern. Weit renitenter ist der Deutsche  , der ja schon Italien   im Drachenblut des Mißtrauens gebadet be= sucht, und der grimmen   Ambition, sich fein falsches Kupferstück an= hängen zu lassen, oft ein Großteil der lange ersehnten Reise­freuden zum Opfer bringt. Es widerstrebt seinem Ordnungssinn, eine längst entlarote, gar nicht mehr verschleierte Gaunerei still schweigend zu dulden.

Der vollkommene Narr.

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Kann es denn einen voll­

Der Keri hält mich wohl für einen Trottel, und lacht mich hinter dem Rücken noch aus!" lautet die Formel, die falsch ist, weil sie in der falschen Voraussetzung wurzelt, es gäbe irgendeine Möglichkeit für den Europäer, von seinen farbigen Hilfskräften nicht ausgelacht zu werden! kommeneren Narren geben, als den mit Torheit geschlagener Master, der aus dem herrlichen Europa  , wo alle Menschen ein un­erschöpfliches Schedbuch haben, Armut, Tropenhize, Injeften, Giftschlangen und Raubtiere unbekannte Begriffe find, freiwillig in das Land der hungrigen Kulis herüberkommt? Schon die mangelhafte Nachbildung der europäischen   Pracht, die man auf den Dampfern und in den großen Hotels von Bombay und Kalkutta  zu sehen bekommt, entzündet lodernde Sehnsucht nach dem para­diesischen Erdteil, das die närrischen Weißen ohne Zwang verlassen, um unter der ungewohnten Höllenglut der Tropen mehr als der legte, nackte Hafenkuli zu leiden! Wer fo, trotz aller Qualen, in Eisenbahnabteile und enge Schiffstojen gepfropft Tage und Nächte durchrast, zerfallenen Palästen, alten Tempeln, schmutzigen Ba­faren und anderen alltäglichen Anblicken zuliebe, für die der dümmste Eingeborene nicht zehn Schritte weit ginge, ja, muß der nicht mit Narrheit geschlagen sein?

Die einzige Entschuldigung, die für dieses sinnlose Treiben geltend gemacht werden kann, ist der fürchterliche Reichtum, der auf jedem weißen Sahib lastet, und ihn zwingt, im Schweiße seines Angesichts Geld auszugeben, wie der arme Kuli sich plagen muß, eines zu verdienen. In dieser Gegenüberstellung liegt der ver­föhnende Ausgleich, man bemüht sich, dem geplagten Master an Die Hand zu gehen, ihm das Vergeuden nach Kräften zu erleichtern, und die gutmütige Belustigung artet nur in gehässige Verachtung aus, wenn der Sahib in unbegreiflicher Verblendung die ehrliche Bemühung seines Dieners sabotieren, und das Befreitwerden von feiner Geldlast durch lästige Kontrolle und Rechnerei verzögert.

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Am hizigsten werden die Angelsachsen, ganz besonders die round the world- Reisenden aus Amerifa umworben, die von Thomas Cook   verfrachtet, willenlos ihr Programm absolvieren, und natürlich auch ihren Boy von Cook beziehen. Wen Cook empfiehlt, der muß erprobt und verläßlich sein. Diese Sicherheit ist eine Art Markotikum, der Reisende ist gegen das Verschwinden seiner goldenen Uhr und seiner Gepäckstüde garantiert, hat aber ohne Widerrede dem erfahrenen Diener zu gehorchen, der bei jedem leisesten Emanzipationsverfuch auf das fettige Batet seiner amtlich be­glaubigten Zeugnisse klopft. Wie ohne jährlichen Pairschub die zahllosen Biscounts, Lords und rigth honourables aufgebracht werden können, die mit ihren prunfvollen Unterschriften für die Bortrefflichkeit sämtlicher in Indien   zirkulierenden Reiseboŋs ein­itchen, bleibt ein unlösbares Geheimnis. Sicher ist jedenfalls, daß alle diefe Boys im Reisefach ergraut, dreißig, fünfzig, oder noch mehrmal durch ganz Vorder- und Hinterindien gefollert sind, und ihren Sahib mit der Präzision des Fordschen Systems an allen Sehenswürdigkeiten vorbei, und durch alle Kaufläden hindurch in den Abfahrtshafen bugsieren, lieferbar gegen Quittung, in Form eines meiteren begeisterten Attestes. Nicht aus Tücke gegen den unbekannten Nachfolger werden dem treuen" Bon alle Tugenden angedichtet, der schlichte Mann aus Illinois   oder Connecticut  fühlt sein Gehirn funterbunt mit Erinnerungen und Eindrücken tapeziert, genau wie seine Koffer mit den Reflamezetteln der be­fuchten Gasthöfe beflebt sind, und die hohen Kosten der Fahrt scheinen ihm nur Gewähr für Qualität und Quantität des Ge­noffenen.

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Der weiße Paria.

Für den Mitteleuropäer, der seine Route selbst ausgearbeitet, Quellenwerte studiert, und die Spesen vorauskalkuliert hat, ist diese Art des Instradiertwerdens unerträglich. Bleibt ihm also nur die Bahl, entweder sein ganzes Gepäck einem Farbigen anzuvertrauen oder einfach ohne Diener zu reisen.

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Ber fennt nicht jene Commisvoyageure der eigenen Tüchtig. feit, die, wo man sie auch trifft, überall in Selbstlob reisen, und immer alles bedeutend billiger, besser, gründlicher besichtigt haben wollen, als jeder andere Reisende? Sie rühmen sich trium­phierend, ohne einen Bon ganz Indien   durchquert zu haben, was durchaus feine besondere Geschicklichkeit, nur den vollkommenen Ber­zicht auf höfliche Behandlung voraussetzt. Ein Sahib, der sich selbst mit den Kulis herumzanft, eigenhändig sein Bett bereitet und ver­padt, ist eben tein Sahib! In der Vorstellung des Eingeborenen figuriert der Europäer, der zugreift, statt zu fommandieren, als weißer Baria. Er fann in seiner Heimat nur einer unausdenkbar riedrigen Rafte angehören, jeder beffere Hotelmandur fürchtet sich was zu vergeben, wenn er die Berührung mit Leuten von so ge und die mitreisenden Europäer ver ringer Herkunft nicht scheut,

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achten den Schädling erst recht, der die Belange" seiner Haut­farbe nicht refpeftiert.

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Erst wankte er auf seinen breitgetretenen nackten Füßen, zu schwach für die Bürde solchen nie erträumten Glücks, aber nach zwei Tagen kommandierte er schon wie ein General den Gänse­marsch unserer Gepäckträger, empfing herablassend die Huldigungen weißbärtiger Rutscher, Führer und Tempelhüter, und sah mit un­nachahmlicher Würde auf seine höchsten Vorgesetzten von gestern hinab. Alter, Wissen, Erfahrung, Leistungsfähigkeit wirken sich nur aus innerhalb einer und der selben Kaste, in die unmittelbare Ge­folgschaft des weißen Sahib emporgehoben, zum Mittler seines ge­heiligten Willens ernannt, rangierte der achtzehnjährige Benjamin himmelhoch über dem Graukopf des gelehrtesten Mandurs.

unsere Erwartungen, bewachte mit seinen gefletschten weißen Trotz dieses berauschenden Aufstieges erfüllte er glänzend alle Zähnen wie ein scharfer Hund unsere Gepädstüde, trug würde. voll wie ein Hohepriester Kamera und Stativ, verjagte die Zudring­lichen, und hielt bei allem Diensteifer die großen Rehaugen immer meit geöffnet, verschlang gierig das Rauderwelsch der Führer, um belehren und leiten zu können. Nur Basare waren ihm gefährlich, in der nächsten Stellung bereits als richtiger Boy" seinen Master sofort winselte er hartnädig um fleinen Vorschuß", und erschien alsbald glückstrahlend mit den unsinnigsten Gegenständen, die er wenige Stationen weiter mit 99 Proz. Berlust verschleuderte, um neue Schäße erstehen zu können. Als er in Rangoon  , nach drei monatiger Dienstzeit, tränenüberströmt von uns Abschied nahm, trat er sofort mit einem jovialen alten Amerikaner die Rückfahrt an, dieselbe Route, die er mit uns gefommen war, und seine Augen funfelten schon in froher Erwartung all der Bestechungsgelder, die er auf Grund seiner angeknüpften Bekanntschaften mit Führern, Chauffeuren und Rutschern unterwegs einzuheimsen gedachte!

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Nur den Kanchinchinga und den Mount Everest  , die himmel hohen Firne des Himalaja   dürfte sein neuer Master niemals er blickt haben, wenigstens mit in der Gesellschaft Benjamins, den bestimmt niemand ein zweitesmal in das schlechte Land" hinauf­zwingt. Nur den Sarrong um die Hüfte und das dünne Leinen jäckchen über dem Oberkörper, hatte er in Ralfutta vertrauensvoll den Zug bestiegen, und der Basar von Darjeeling war nicht reich genug an wollener Unterfícidung, um seinen verwöhnten Leib vor der verhaßten Kälte zu schützen. Einen ganzen Monatsgehalt baute er in wärmenden Hüllen an, wo man hinsah, lugten unter der Heimatlichen Kleidung die spaßigsten Stußen, Sweater und Unter jädchen hervor, ja er ließ sich sogar überreden, die geheiligte Tradition seiner stolzen, neu eroberten Raste zu brechen, und schlief im Wohnzimmer, vor dem Kamin, statt vorschriftsmäßig auf dem Korridor, vor unserer Schwelle zu schlafen!

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Man muß die komplizierte Unerbittlichkeit der indischen Kaften­vorschriften fennen, um die ganze Tragweite dieses Opfers zu be­greifen, das den armen, frierenden Benjamin um alles Ansehen hätte bringen können. Kein noch so hohes Geldgeschenk, tein drohend erhobener Reitstock wird für gewöhnlich den Inder zu einem Ber­stoß gegen die Gepflogenheiten seiner Kaste, zu einer kleinen Dienst­leistung, die nicht in sein Fach schlägt, bewegen fönnen!- So wenig gesellschaftsfähig die nachfolgende Episode sein mag, sie ist so außergewöhnlich charakteristisch für den lähmenden Einfluß der in dischen Arbeitsteilung, daß der Leser über dem aufschlußreichen Einblick das Anstößige vergessen, und aus diesem einen Beispiel be= greifen wird, warum auch der bescheidenste Haushalt eines meißen  Unterbeamten eine farbige Dienerschaft von wenigstens zehn bis zwölf Köpfen beschäftigen muß.

Das große W.

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Wir hatten eine kleine Expedition an den Fuß des Mount Everest   organisiert, drei Tagesritte hin, drei zurück, mit fünfmaligem Uebernachten in den Rasthäusern, die für inspizierende englische Offiziere errichtet, auf schriftliches Ansuchen beim Gouverneur auch europäischen Zivilisten zur Verfügung stehen. Sechs Männer aus Nepal   trugen das Futter für unsere drei Reitpferde, andere drei wieder die Nahrung für die sechs Haferträger, und so fort! Die und so fort! Die Betten, das Heizmaterial, alles mußte mitgenommen werden, so daß insgesamt 27 Kulis hinter uns drei Europäern einhermarschier­ten, unter Führung des tibetanischen Koches, der verantwortlich für die ganze Unternehmung zeichnete. Verzweifelt meldete er am Ende des ersten Marschtages schon, daß einer seiner Kulis unterwegs desertiert sei. Uns schien die Sache nicht schlimm, waren doch sechs­undzwanzig andere da, aber es stellte sich heraus, daß einzig der Deserteur der Kafte der Sweeper"( Reiniger, Kehrer) angehört hatte, und also ein Erfaß nicht möglich war! Für diese Kaste ist hinter jedem Landhaus, jedem Gouverneurspalast und jedem noch so prächtigen Hotel Indiens   eine Art Galerie entlang der Rüdfront des ganzen Gebäudes angelegt. Dort stehen bei Tag und Nacht die mehr oder weniger zahlreichen Sweeper und harren ihres Amtes, das etwa der Wirksamkeit des Wassers in unseren mit W. C. be­zeichneten Nebenlokelitäten entspricht.

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Dieses große W. also war aus unserer Expedition ent­sprungen, und es geschah das unvorstellbar Komische, daß nach unserer Rückkehr eine zweite Kleine Expedition aufbrechen mußte von Darjeeling, ein Mann aus der Kafte der Eweeper eigens den Sechstagemarsch antrat, gefolgt von vier anderen Kulis, die wieder die Nahrung und das Heizmaterial für ihn und sich selbst auf den Schultern trugen! Drei Tage hin und drei zurück marschierten fünf Menschen durch die ungaftlich kalte Wildnis der Himalaja  wälder, weil unter den sechsundzwanzig anderen, Heu, Holz, Matragen oder Konserven schleppenden elenden Atulis feiner sich batte verloden lassen, seine Raftenvorschriften zu übertreten. Auch der bescheidene, von unserer Gnade aus dem Nichts gehobene Ben jamin erklärte lieber sterben zu wollen! Denn: Schläge waren bald verschmerzt. Und Geld? Was stach er dennoch von den anderen ab, wie wir später erst begriffen: frontmte ihnen auch das fürstlichste Geldgeschenk, wenn sie es nicht in Gesellschaft von Ihresgleichen vertrinken konnten, ausgestoßen weil er Christ war und darum die Haare geschoren und wie ein aus der Gemeinschaft der Heuträger oder Pferdewärter, für nicht Gymnasiast hochgefämmt trug, statt zum Knoten geschlungen und mit einem Schildpattkamm hochgesteckt. Sein helles Knabengesicht Standesgemäßes Benehmen, wie man in Europa   entlarvte gefiel uns, wir wollten feinen erfahrenen Reisemarschall, nur| Defraudanten nicht mehr fennt!

Aus dieser Klemme, alles zu überzahlen oder verächtlich zu werden, rettete uns Benjamin, ein achtzehnjähriger, gertenschlanter Singhalefenjunge, der im glänzenden Speisesaale des Queens Hotel zu Randy unsere Teller wechselte. Den Sarrong um die Hüften, Parüber ein weißes Leinenjädchen, genau wie alle seine Kollegen,

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Beilage des Borwärts

Erna Büsing: Auf den Schienen

Glücklich zog er in dieses Zimmer, dessen Fenster die Blicke auf das Bahngelände führte. Nun mar er dem Bekanntsein, der Eng­herzigkeit und dem Tratsch der Kleinstadt entflchen. Und wie er frohlockte über die Großstadt, in der ein Menschenmeer durch die Straßen wogt und flutet, in der Verkehrsmittel stündlich, minutlich, ja, in jeder Stunde die Menschenwünsche nach der Ferne realisieren, wo das Haus, in dem er wohnte, so voller Bewohner steckte, daß alle Einwohner einer Meinstadtstraße glatt in ihm verschwunden wären. Er tauchte unter in dem mächtigen Strom. Er war ich, endlich ich. Er begegnete weder dem Lehrer noch dem Pfarrer, brauchte weder dem Freunde seines Vaters noch irgendeiner wohl­meinenden Tante Rede und Antwort zu stehen. Er brauchte nicht mehr zum Leben zu kommen, das Leben kam zu ihm, es tam in Jeine Stube, denn Wasserglas und Waschschüssel klirrten, wenn die Züge vorüberbrausten. Selig sah er auf den Fahrplänen nach, wohin die Züge fuhren. Bald kannte er ihre Wege auswendig, im Rhythmus seines Alltags stand ihre Fahrgeschwindigkeit.

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Doch nach dem anfänglichen Glück, eine Beschäftigung zu finden, lernte er sie bald fennen die Arbeitslosigkeit. Und die Schwermut seiner Stimmung, sie zog auch in sein Zimmer ein. Wie dunkel doch mit tausend Neuigkeiten, aber jeder Schritt in der Großstadt kostete dieses Zimmer war, mit dem einen Fenster, diesem Luftloch nach dem rauchverpesteten Bahngelände. Die Stadt war für ihn erfüllt Geld. Er durfte die Sohlen seiner Stiefel nicht unnötig strapazieren, er durfte kein Fahrgeld ausgeben. Wenn auf der Straße die Licht­fülle eines Sonnentages lag, dann dachte er mit Schrecken an das Sie fraßen Mais, der in einer blantgeputzten Aluminiumschüffel lag. ewige Zwielicht seines Zimmers. Und einmal stand er vor dem Schaufenster einer Bogelhandlung, in der drei blaue Aras saßen. Blau die Vögel, gelb der Mais, silbern die Schüssel, er prägte sich diese drei Farben ein, um in seinem Bewußtsein etwas Leuchtendes mit in die stumpfe Dumpfheit seines Zimmers zu nehmen. Ein Farbenfled sollte über dem emig schwarzen Anblick des Bahn­geländes stehen.

Jeden Tag suchte er nach Arbeit, jeden Tag machte er ver­gebliche Wege. Und fein Mensch fannte ihn, keiner bequemte sich zu einem freundlichen Wort. Die Leute hatten nicht einmal Zeit zu einem Lächeln, die Haft fraß sie auf. Er hungerte nach Menschen und man speiste ihn ab mit ein paar gleichbleibenden Worten, mit nichtssagenden Bertröstungen, mit schroffen Ablehnungen zu der Knappheit an Geld gesellte sich jetzt die Armseligkeit seines eigenen Lebens. Das Leben tam nicht zu ihm und er konnte nicht zum Leben kommen. Er war eingemauert in sein Zimmer, das in einem Hause flebte, das nahezu auf dem Bahngelände stand. Da draußen war das Leben, aber das Leben machte für ihn die Pforte nicht auf. Er war ein Nichts, dem selbst ein Wunsch schon strafbar dünkte. Er hatte nur noch eine Sehnsucht, die Sehnsucht nach dem Aus­spannen von dem zermürbenden Feierabend der Arbeitslosigkeit. Die Großstadt, die ihn erst so scheinbar freundlich aufnahm, sie hatte ihn jetzt zurückgeschleudert in das Schneckenhaus eines möblierten 3immers. Er hat Weh nach einem Menschen, der ihn versteht, aber alle sind sie schroff, fühllos, eingefapfelt in sich selbst, um eigenes Leid nicht offenbaren zu müssen. Unaufhörlich jagen an seinem Fenster vorbei die Züge in unbekannte Fernen, aber sein Schicksal hat sich wie eine Barrikade ihm über den Weg gelegt. Schließlich waren Verlangen, Furcht, Verzagen, Zorn für ihn an diese Züge geknüpft.

Und eines Tages, da lag er auf den Schienen und ein Lokomotiv­führer bremste vergebens.

Eine ungemütliche Wohnung. Die ungemütlichste Wohnung dürfte zweifellos der Krater des Besuvs sein. Dort hat Prof. Malladra, der Direktor des Vulcanologischen Observatoriums sein über den letzten jüngsten Ausbruch des Besuv in die Welt gesandt. Heim aufgeschlagen, und von dort aus hat er auch seine Meldungen Er ist während der letzten Ausbrüche stets auf seinem Posten ge= blieben, zum Unterschied von seinem Vorgänger, dem Prof. Matteucci, der sich mehr als einmal in die Zwangslage verseẞt sah, den Elementen zu weichen. Bei dem großen Ausbruch des Jahres 1906 blieb der Professor 70 Stunden im Observatorium, ob­gleich das Gebäude von Strömen glühender Lava blockiert war. Leute, die von sicherer Stelle aus das Haus beobachteten, waren worden war. überzeugt, das er ein Opfer feines wissenschaftlichen Interesses ge­Als die Gefahr vorüber war, trat der Professor er­fchöpft, aber unversehrt aus dem Hause, glücklich über die Be­obachtungen, die er während der gefährlichen Stunden hatte ver­

zeichnen können. Er war glücklicher als der ältere Plinius, der be­

lanntlich bei dem Versuch, seine Wißbegierde zu befriedigen, bei dem ersten bekannten Ausbruch des Vesuvs sein Leben einbüßte.

wo

44 Operationen an einem Mann. Ein Kriegsverletzter ist erst ieht geheilt nach der Heimat zurückgekehrt, nachdem er in ver­schiedenen Krankenhäusern 44 Operationen hat durchmachen müssen. Es ist der Major James Gillies von dem fanadischen Hilfskorps. Er fam Anfang 1915 nach der Front und wurde sechsmal schwer verwundet. Die letzte Verwundung erhielt er bei Cambrai  , ihm die untere Kinnlade vollkommen fortgeschossen wurde. Er fehrt jetzt mit einer neuen Kinmlade nach Kanada   zurück. Während der legten 11 Jahre war er in vier verschiedenen Krankenhäusern, und die schwierigsten Operationen wurden an ihm ausgeführt. Nach zahlreiche Hautüberpflanzungen vorgenommen und ihm dem schließlich eine fünstliche Rinnlade eingesetzt worden war, fühlt er fich wieder ganz der alte". Ich hätte niemals gedacht, daß man all das mit einem Menschen vornehmen fönnte," erflärte er. Aber num fühle ich mich wie neugeboren. Da einzig Schlimme iſt, daß ich den Winter über nicht in Kanada   bleiben fann, weil die große Kälte, die neue Haut beschädigen könnte. Ich muß also jeden Winter nach England zurückkehren."

Entstehung der Eigennamen. Geschlechts- und Eigennamen fanden erst im zwölften Jahrhundert bei dem niederen Adel und drei Jahrhunderte später bei den Bauern Eingang. Sie wurden meist den Wohnorten, Berufen, förperlichen oder geistigen Eigen­schaften entnommen. Bei den alten Deutschen   gab es noch feine Geschlechts und Eigennamen; nur ein paar besonders ausgezeichnete Geschlechter führten solche, so bei den Markomannen und Quaden die Geschlechter der Luder und Marbode, bei den Longobarden und Thüringern die Anawat, Ruginger, Raupen, Gausen und Beles. während der Geschlechtsname auch nach seiner allgemeinen Ein­führung wenig in die Erscheinung trat, führte schon in ältesten Beiten jeder einen vom Bater gegebenen Rufnamen.

Analphabeten im Often. Eine neue internationale Statistik ver­gleicht die östlichen Städte Europas   in bezug auf die Analphabeten, die in ihnen wohnen. Kiem fann die traurige Ehre für sich in

Anspruch nehmen, mit 44,6 Proz. an der Spike zu matschieren. Es folgen Lodz   mit 31,9, Bufarest mit 25,6, Moskau   mit 22,4, Barschau mit 17, Leningrad   mit 13,8, Budapest   mit 4,8, Wien   mit 2 Brozent, während Brag mit% Prozent bei weitem am günstigsten

abschneidet.