10 Pf. 3lr. 296 B142 46. Jahrgang.
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Obstruktion im Reichstag.
pawle Westarp: Ohne Zoll kein Etat!
„Äeln Kanitz, keine Kähne!" war die Parole der Agrarier vor dreißig Iahren. Damals wollten sie kein Geld für die Flotte bewilligen, wenn der Dorschlag des Grafen Kanitz auf Schaffung eines Monopols zugunsten der Getreideproduzenten nicht angenommen wurde. Kein Etat ohne Verabschiedung der neuen Zoll» erhöhungen, insbesondere ohne den neuen Mehlzoll— das war heute morgen die Parole des Grafen Westarp und der deutschnationalen Reichstagsfraktion. Das etwas plötzlich, um nicht zu sagen ü b e r f a l l m ä ß i g in Erscheinung ge- tr:tene Ermächtigungsgesetz für den Reichs- ernährungsminister zur Erhöhung des Mehlzolles auf den autonomen Zoll im deutfch-französifchen Handelsvertrag hat in der sozialdemokratischen Fraktion stärkste Bedenken her- vorgerufen und neue Verhandlungen notwendig gemacht. Die Genossin Toni Sender beantragte infolgedessen, auf durchschlagende Gründe der Geschäftsordnung gestützt, die vorläufige Absetzung dieses Punktes von der Tagesordnung Darüber kam es oann zu lebhaften geschäftsordnungsmäßigen Auseinandersetzungen, die zu einer Unterbrechung der Sitzung auf eine Stunde führten. Nach Wiederaufnahme der Verhandlungen erneuerte Graf Westarp seinen Vorstoß. Da war es immerhin be» merkenswert, daß auch die Kommuni st en da- zwischensprangen und durch den Abg. S t o e ck e r sehr richtig erklärten, was die Deutschnationalen bezweckten, sei weiter nichts als ein Erprefsungsmanöoer. Darum müßte die dritte Lesung des Etats ohne Rücksicht auf deutsch - nationale Wünsche fortgesetzt und beendet werden. Zuvor schon hatte auch Genosse D i t t m a n n wiederholt in dem gleichen Sinne gesprochen und das Haus entschied auch dem- gemäß. Boshafte Leute könnten nun behaupten, die Kommunisten hätten sich für die rechtzeitige Verabschiedung des Reichs- Haushalts eingesetzt und damit eine eminent staatserhaltende Arbeit geleistet. Hoffentlich wird es ihnen in Moskau nicht allzu arg angekreidet werden, daß sie ausnahmsweise einmal auf die richtige Seite gefallen sind und etwas Vernünftiges getan haben. Die Obstruktionisten am Werk. Der Reichstag hat auch heute schon um 1t> Uhr angefangen. Ein Gesetzentwurf über die Hertunftsbezeichnttng des Hopfens wird nach kurzer Besprechung, die sich besonders mit dem Widerstand Bayerns gegen dies« Regelung befatzl, dem Ausschuß überwiesen. Nunmehr sollt« die Beratung über die Getreide- zSlle und mehrere Anträge und Gesetzentwürfe handelspolitischer Natur beginnen. Abg. Toni Sender (Soz.) erhob Einspruch gegen die Beratung einer Vorlag«, die die Regierung zur Ratifi- zierung eines deutfch-französischen Zusatzabkommens ermächtigen will. Der Einspruch wurde darauf gestützt, daß die Vorlage noch nicht im Besitz der Abgeordneten ist. Nunmehr erhoben die Kam- munisten Einspruch gegen die Beratung der Zoll- antrage selbst, weil die Drucksache darüber zwar schon in Ver- .eilung begriffen, diese aber noch nicht bis zu den Bänken der Kommunisten vorgeschritten war. Nach der Geschäftsordnung mußte diesen Einsprüchen stattgegeben werden, worüber die Agrarier in ziemliche Erregung gerieten. Nunmehr berichtete Abg. Dr. Brüning<Z.) von der Ausschuß- beratung über Lohnsteuersenkung und Abg. Simon- Schwaben(Soz.) über eine Neuregelung des Biersteuerverfahrens. Zur Lohnsteuersenkung oerlas der Schriftführer hierauf einen um- fanareichen Antrag der Kommunisten, der erst heute eingegangen ist und nicht mehr gedruckt werden kann. Deshalb erhebt Abg. Gras Westarp(Dnat.) Einspruch gegen die Beratung, offenbar als Revanche für die Absetzung der Zollanträge. Abg. Müller- Hannover (Komm.) beschwert sich über Ungenauigkeiten des Aus- fchußberichtes. Auch dieser Gegenstand wird vorläufig abgesetzt. Nun soll die drille Beratung des Etats fortgesetzt werden. Abg. Graf Westarp(DnatI verlangt auch hier Absetzung, da verschiedene Parteien die Etatsberatung erst nach Erleingung der Zollavträge beenden wollen. (Fortsetzung auf der 2, Seite.)
SPD. verteuert das Brot Soprozeutige ZollerhShung für Mehl wu de» Spv.-Stimmeu beschlossen Auch Gekrelöezölle am die HSlsle gesteigert\~~Z~A
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3)er Wminn als Weihode, % Wir g«ben hier drei Zeitungsköpfe von heute: Oben die„Rote Fahne", links unten die nationalisti- sche„Deutsche Zeitung" und rechts schräg die„Kreuz- Zeitung ". Alle drei be- handeln die gleichen Reichs- lagsbeschlüsse. Einmal„ver- teuert die Sozialdemokratie da� Brot", gibt dabei die „Zollvorlage auf der ganzen Linie preis" und die„ge- prellte Landwirtschaft" klagt Stein und Bein. Preis- rätsel: W o wird die Wahr- heit am meisten verbogen?
Briand für August-Konferenz. Uoung-plan erst nach der Gchuldenratifizierung.
Paris , 27. Juni. (Eigenbericht.) Außenminister Briand hat am Mittwoch in den Wandelgängen der Sammer mitgeteilt, daß die internationale Regierungskonferenz über die Durchführung des Joung-Planes erst im August stattfinden werde. Angesichts dieser Tatsache wäre es also unmöglich, daß das sranzöfische Parlament den Poung-Plan gleichzeitig mit. dem interalliierten Schuldenabkommen ratifiziere. Die Mitteilung Brkbnds scheint eine entscheidende Stellungsänderung der französi schen Regierung ankündigen zu sollen. Bisher ist Frankreich für eine möglichst sofortige Einberufung der internationalen Re- gierungskonserenz eingetreten, wei(� sie das Argument der all- gemeinen Uebernahme des Poung-Planes bei der Ratifikatioas- debatte über die interalliierten Schulden benutzen wollte. Da nun aber die englische Arbeiterregierung London als Verhandlungsort für die Regierungskonferenz vorgeschlagen hat und also damit der Vorsitz der Konferenz an den englischen Premierminister Mac- donald fallen würde, scheint es Frankreich mit der Inkraftsetzung des Poung-Planes durchaus nicht mehr so eilig zu haben. Frankreich hat jedoch die Forderung aufrechterhalten, daß die inter - nationale Konferenz in einem neutralen Lande abgehalleu werden solle, z. V. in der Schweiz , da dort Poincarö als der Rang- älteste den Vorsitz führen würde. Die sozialistische Kammerfraktion hat am Mittwoch ihre Interpellation über die Ratifizierung der interalliierten Schulden zurückgezogen. Die� Radikale Partei hat sich in einer Entschließung sür die sofortige Räumung des Rhein- landes ausgesprochen. Die finanzielle Liquidierung des Krieges, heißt es in dieser Entschließung, könne erst dann ihr« vollen Frücht « tragen, wenn alle mit dem Kriege zusammenhängenden Fragen, vor allem die Besatzungsfrage, aus der Welt geschafft seien.
Englische Aufforderung. Resser keine Saarverhandlungen. London . 27. Juni. „Times" berichten: Die britisch« Regierung hat durch ihre Botschafter in Paris und Berlin die französische und die deutsche Regierung um Aeußerung ihrer Ansichten über die Organisation der kommenden Reparationskonsereuz ersucht und gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, in Anbetrocht der Tatsache, daß die neue Regierung soeben erst ihr Amt angetreten Hot. würde es Macdonald. Henderfon und Snowden Schwierigkeiten bereiten. London zeitweise zu verlassen, nach britischer Ansicht sei daher London der geeignete Platz für die Zusammenkunft. Gleich« Mitteilungen erfolgten an die belgische und die italienische Regierung. Die deutsch » Regierung hat. wie verlautet, bereit» aus die britische Anfrage in dem Sinne geantwortet, daß die Argumente für die Wahl London » l
als Zufammenkunftsort der Konferenz nicht leicht beiseite geschoben werden könnten; die französische Antwort wird heute oder morgen erwartet. Die britische Regierung beabsichtigt, den Poung-Plan zu ratifizieren, es ist aber zu erwarten, daß sie vorher einige Fragen über seine Anwendung auswerfen wird, und zwar insbesondere über die Verteilung der Summen, die von Deutschland in die Zentralbank eingezahlt werden, sowie über die Sachlieserungen. hinsichtlich deren man hier der Ansicht ist, daß beispielsweise die Lieferung von Reparationskohle an Italien einen un- fairen Wettbewerb mit der britischen Kohle darstelle. Hinsichtlich des Saarbeckens hat Stresemann selbst sich mit Nachdruck geäußert.„Times" führen die vom Reichsaußen- minister gebrauchten Worte an und fahren fort: Die unbeschränkte Verbindung der Forderungen auf Räumung des Rheinlands und Rückgabe des Saargebietes ist bedauerlich und irreführend. Di« Möglichkeit einer Zurückziehung der Besatzung»- truppen vom Rhein vor Beendigung der Vertragsperioden war im Friedensvertrag selbst vorgesehen, und die englische Oesfentlichkeit hat auf jeden Fall seit langer Zeit die Empfindung, daß bei der endgültigen Regelung des Reparationsproblems die weiter« Bei- beHaltung der Truppen im Rheinland zwecklos und nur aufreizend sein würde. Aber die Ausbeutung der Saarbergwerke durch Frank- reich ist ausdrücklich im Bersailler Vertrage bis 1935 als Ent- schädigung für die Zerstörung der Kohlenbergwerk« im Norden Frankreichs vorgesehen, und sür den frühere» Ablauf der fran- zösischen Rechte sind keine Vorkehrungen getroffen worden. Jede Aenderung der augenblicklichen Derembarung würde daher eine Aenderung des Vertrages von Versailles bedeuten, für die voraussichtlich die Zustimmung aller seiner Unterzeichner notwendig sein würde. Wenn wirklich beabsichtigt wird, diese Angelegenheit bei der Erörterung des Sachverständigenberichts auf der kommenden Konserenz zur Sprache zu bringen, so wird da» die Arbeit der Konferenz übermäßig kompliziert gestalten. Amerika -Regierung bleibt der Weltbank fern. Washington . 27. Juni. Staatssekretär Stimson hat bei der gestrigen Pressekonferenz im Staatsdepartement noch einmal klargestellt, daß die amerikanische Regierung keine Aenderung der von ihr in der Frage der alliierten Kriegsschulden sowohl wie der Reparationen befolgten Politik beabsichtig«. Weder direkt noch indirekt würden demnach Bevollmächtigte der amerikansschen Regierung an der Einziehung der deutschen Reparationen durch Vermittlung der geplanten internationalen Bank oder an anderen Funktionen dieser Art beteiligt sein. Die Frag«, ob die Bereinigten Staaten auf der demnächst zur Erörterung des Sachverständigenberichts zusammentretenden poli- tischen Konserenz wenigstens durch einen inoffiziellen Beobachter vertreten sei» werde, wurde von Stimson nicht erörtert.