Schule und Lugend. Gutachten, die Beachtung fordern.
»Seit Iahreu ist mir die Frage ein Gegenstand ernster Sorge, ob die erzieherischen Maßnahmen und veskimmungeu an den höheren Schulen mit den Ergebnissen der Iugend- kunde, der Heilpädagogik, der Iugendgesehgebnng, der ärztlichen Wissenschast und den durch die Zugendbewegung selbst gegebenen Anregungen noch überall in Einklang sind." Dr. v ecker, Minister für Wissenschast. Kunst und Volksbildung.*) Dies« Sorg« des Ministers Dr. Becker, die wohl von allen Pädagogen geteilt wird, hat ihn veranlaßt, alle Strafakten über Sexualvergchen an höheren Schulen aus der Zeit von Oktober 1921 bis August 1S2S(552 Fäll«, davon betreffen 85 weiblich« Jugend- liche) den beiden Heroorragenden Iugendpsychologen W. H o s f- mann und W. Stern mit der Bitte um Erstattung von Gut- achten zu übermitteln. Es war zu erwarten, daß diese beiden Autoritäten auf dem Gebiet der Jugendkund« und der Jugend- erziehung die ihnen gestellte Aufgabe mit der ihnen eigenen Sach- lichkeit erfüllten. Minister Becker hat durch Herausgabe dieser Gut- achten in Buchform die wertvollen Arbeiten dieser beiden Jugend- Psychologen der breiten Oessentlichkeit zugänglich gemacht. B«ide Sachverständige kommen zu dem Urteil, daß die in Frage kommenden Schulen vorwiegend„der sexualpädagogifchen Aufgabe nicht gewachsen sind und daher keinen anderen Ausweg als die Disziplinarstrafe kennen". Die Ursache dieser bedau«rns- werten Tatsache wäre wiederum zu suchen in der Ausbildung des Lehrers und in der wissenschaftlichen Literatur; auch die medizinische Literatur entspreche ebenfalls im allgemeinen nicht den Ansprüchen des Pädagogen, da sie zu wenig die Eigenart des jugendlichen Lebens berücksichtige und die Problem« vom Standpunkt des Er- wachstnen, nicht von dem des Jugendlichen aus detrachte. So sieht Stern die Hauptaufgabe seines Gutachtens darin, zu zeigen, daß »schon durch die weitgehende Anwendung des Bcgrisfes„Vergehen" als einer isolierten Erscheinung dem wirklichen Tatbestand Gewalt angetan wird, daß es sich um etwas viel Allgemeineres handelt, teils um Ewig-Jugcndliches, teils um einen Kulturwandel in der Gcsamtjugend unserer Zeit, der— man mag wertend zu ihm stehen, wie man will— jedenfalls die Beachtung aller erzwingt, die es mit Erzielzung zu tun haben". Im allgemeinen beschränken sich die Schulen auf B e st r a- f u n g, in vielen Fällen auf Verweisung des„schuldigen" Zöglings von der Schule, ohne sich zu fragen, was denn au« diesen Menschen werden soll, und ohne zu bedenken, daß gerade ein Schüler, der gefehlt hat, in höherem Maße der Erziehung be- dürftig ist als die anderen. Diese Pflicht, zu erziehen, statt zu strafen, ist bekanntlich auch von der Justiz, soweit sie es mit Jugendlichen zu tun hat, übernommen worden. Das Disziplinar- verfahren gegen Schüler sei von der großen Resormbewegung, die in den leßten Jahrzehnten Jugendstrafrecht, Strafversahren und Strafvollzug so stark umgewandelt hat, recht wenig berührt worden. Und so stehe man vor der„Paradoxie", daß in der I u st i z der Erziehungsgedanke, in der Pädagogik ein schroffer Justizgedank« vorherrscht. Ein Jugendgericht sieht sich sogar genötigt, die Fassung des Slbgangszeugnisses eines Schülers zu beanstanden, weil es sich„mit dein Geist des Jugend- gerichtsgefestes wohl kaum in Einklang bringen lasse, da es diesem Gesetz weniger auf eine Bestrafung und auf«ine eventuell damit verknüpfte E x i st e n z v e r n i ch t u n g, als auf«ine Besse- rung gestrauchelter Jugendlicher im erzieherischen Geist ankommt". Es bezeichnet das von der Schule ausgestellte Abgangs- zeugnt» als ein„P r o s k r i p t i o n s m a l eines Gefalle- n e n"I Aus dieser isolierten, von der Refonnbcwegung der allge- meinen Jugenderziehung unberührten Stellung der Schule erkläre sich auch der Spannungszustand zwischen Schule und anderen in der Jugenderziehung und Jugendwohlsnhrt tätigen Instanzen. Nicht nur bestehe im allgemeinen kein Hand-in-Hand-Arlxiten mit diesen im Interesse der Jugenderziehung geschaffenen Einrichtungen, son- dern oft arbeitet die Schul« gegen die Entscheidung dieser In- stanzen, obwohl diese durchaus dem Geist der modernen Pädagogik entsprangen. Stern kommt zu dem praktischen Ergebnis, daß an Stelle der Bestrafung für Vergehen der Schüler die Beratung und Erziehung treten sollen, und. da die Lehrer im allgemeinen die jugendpsychoiogischcn Fähigkeiten nicht besäßen, sollte an jeder Schule mindestens«in„S ch u l p sy ch o l og e" sein, der sich der irregeleiteten und von ihren Trieben gepeinigten Jugendlichen an- nehmen müsse. Der der Not des Jugendlichen Rechnung tragende Zuspruch eines das Vertrauen der Schüler besitzenden Pädagogen müsse an die Stelle der Tribunal« der Lehrerkonserenzen treten. Und auch nicht„ethische Belehrung— weil das Sittliche noch für ihn das Selbstverständliche ist—, sondern praktische Anleitung dar- ") Aus dem Vorwort des Buches: Sittlichkeitsvergehen an höheren Schulen und ihr« disziplinare Behandlung. Gutachten aus Grund amtlichen Materials, erstattet von W. Hosfmnnn und W. Stern, herausgegeben vom Prcuhiscl)en Ministerium für Wissen- schaft, Kunst und Volksbildung. 1928. Verlag Quelle u. Meyer, Leipzig . �
über, in welcher Weise die sittliche Forderung erfüllt werden kann", braucht der Jugendlickze.(Hoffmann.) Der Weg, der aus der Enge führt, ist eigentlich von der Jugend selbst gezeigt worden. Das sagt .zwar Stern nicht ausdrücklich, aber diese Erkenntnis drängt sich einem auf, wenn man seine sehr verständigen Darlegungen über den pädagogischen Wert der Jugendbeioegung und die Entwicklung der Lebensgewohnheiten der modernen Jugend liest. Wie jede große, entscheidende Bewegung sei auch diese Emanzipation der Jugend nicht mit einem eindeutigen Wertakzent zu versehen.„Aber eine große entscheidende Bewegung ist es wirklich!" Daher sei sie auch nicht mit Zuchtmitteln der Strenge oder Strafe wieder rückgängig zu machen. Di« Grenze der Jugendbewegung sei längst überschritten. Viele ihrer Ueberzeugungen und Ein- stellungen seien in viel weitere Kreise der Jugend— freilich oft verwässert und vergröbert— eingedrungen. Diesen Tatsachen einer historischen Entwicklung müsse auch die Pädagogik Rech- nung tragen. Die höhere Schule sollt« sogar das Zusammen- sein von Knaben und Mädchen mit in den Kreis ihrer erzieherischen Tätigkeit ausnehmen. Feste, Ausflüge, Aufführungen. Sport und Tanz, von mehreren Schulen veranstaltet, wären hierzu geeignet. Natürlich erfordert es viel pädagogisches Feingefühl, zu- gleich die suggestive Leitung in der Hand zu behalten, und doch dem jungen Menschen die nötig« Freiheit und das Bewußtsein des nicht schulmäßig Befohlenen zu gewähren.„Gelingt dies, dann ist die Entgiftung der Stimmung und der g ü n st i g« Ein- s l u ß auf die Schüler weit höher zu bewerten als die m ö g- lichen Gefahren, die in einzelnen Fällen daraus erwachsen könnten." Man darf wohl behaupten, daß glücklicherweise in der Lehrer- schaft Persönlichkeiten vorhanden sind, die bereits die Nutzamven- dung aus der Entwicklung der Jugendbewegung gezogen haben. Es sind ihrer aber noch her.zlich wenig«. Und die wenigen haben der großen Masse der in den veralteten Anstauungen befangenen Kollegen gegenüber einen schweren Stand. Gerade von diesem Ge- sichtepunkt aus ist die Schrift zu begrüßen. Sie wird jungen pädagogischen Kräften in ihrem Streben nach Slnerkennung wert- volle Dienst« leisten._ Max Peter«. Ermäßigung der Vergnügungssteuer. Einige Ausführungsbestimmungen. Zur Ermäßigung der vergallgungtsteuer hat die hauplsteuerverwaltung soeben die Richtlinien und die Aussührungsbestimmungea an die Bezirksämter weiter gegeben. Da bei einzelnen Lichtspieltheatern durch einen Besucherrückgang in der Sommerzeit eine Notlage«intreten kann, ist für die Zelt vom 1. Mai bis 15. September vom Amts wegen Stundung mit dem Ziele der späteren Niederschlagung der gestun- deten Beträge unter bestimmten Voraussetzungen zu gewähren: Ergibt die Gegenüberstellung der Besucherzahlen während der üb- lichen Abrechnungszeiten dieses Jahres mit den gleichen Zeiten des Vorjahres einen Rückgang von 10 bis 20 Proz., so ist ein Drittel, ergibt sie einen Rückgang von mehr als 20 Proz., so ist die Hälfte der für den jeweilig in Frage kommenden Abrechnungszeitraum fälligen Vergnügungssteuer zu stunden. Auch bei den S p r« ch b ü h n« n und Großvarietts kann durch einen Rückgang der Besucher in der Sommerzeit eine Notlage eintreten: es ist daher auch hier die gleiche Regelung durch- zuführen, wie sie bei den Lichtspieltheatern getroffen worden ist. Bei G a st st a t t« n mit Konzert oder Tanz soll die Raum- pauschsteuer grundsätzlich nicht erhoben werden. Die Ablösung der Raumpauschsteuer erfolgt wie bisher durch Besteuerung in Form der Perfonenpauschsteuer nach der Durchschnittsbcsucherzahl. verviel- fältigt mit der Mindeststeuer von 6 Pfennig bei Konzert, 15 Pfennig bei Tanz in Cafäs und Restaurants und 10 Pfennig bei Tanz in Saalbetrieben. Eine 2luslegung von Kontrollkarten an den einzelnen Tischen soll in ausdrücklich festgestellten Einvernehmen mit den in Frag« kommenden Verbänden auch weiterhin nicht erfolgen. Di« Besteuerung der sogenannten L u x u» g a st st ä t t e n ist ebenfalls Gegenstand eingehender Prüfungen der Depuation und des Magistrats gewesen. Aus Grund ihrer Beschlüsse hat bei den Lurusgaststätten zunächst eine Nachprüfung zu erfolgen, ob die bisher als Luxusbetriebe besteuerten Unternehmung«« diesen Cha- rakter noch besitzen und ferner, ob die für sie festgesetzten St«uer- kopsbeträge beibehalten werden können.
Schwierigkeit«« zu überwinden haden. Vorbedingung ist die Ver- schickung gonzerKlaffen. Wenn auch die Stadt anerkenncns- werter Weife einen Derpflegungszufchuß von 1,— M. pro Tag und Kind zahlt, bleibt die Aufbringung der Restsumme für viele Eltern eine große Schwierigkeit. Dann darf nicht verkannt werden, daß die begleitenden Lehrperfonen außerordentliche Opfer bringen. Sie müssen sich vier bis sechs Wochen von ihrer Familie trennen, auf etwaigen Nebenverdienst für dies« Zeit verzichten. Sie erhalten
Berliner Schullandheime. Di« Berliner Schullandheim«, über d,« hier kürzlich auf Grund eines Referats des Genossen Stadtschulrat N y d a h l berichtet wurde, erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Aber es darf nicht verschwiegen werden, daß die Schulen bei der Organisation der Verschickung starke
nicht, wie irrtümlich angegeben war, einen besonderen Zuschuß von 3,— M. täglich. Das geschieht nur für solche, die während der großen Ferien die Betreuung von Kindern aus verschiedenen Schulen übernehmen. Sonst erhalten die Lebrer lediglich freie Verpflegung und ein« geringe Entschädigung. Bei wetterer Entwicklung des Schullandheimgedankens wird es Aufgabe der Verwaltung fein, die hier gekennzeichneten Schwierigkeiten zu vermindern. Frauenireffen in Spandau . In Karlslust, auch einem der»malerischen Enden" von Berlin , gaben sich die F u n k t i o n ä r i n n e n aus allen zwanzig Kreisen ein Treffen. Mit roten Fahnen war der Garten des Lokals L o e b e l l festlich geschmückt. Genossinnen mit goldenen Partei- nadeln, und unsere Jungen, alle waren dem Ruf gefolgt. Die Spandauer Kreisleiterin, Genossin K n o t h e, dankte allen Anwesen- den für ihr Erscheinen und spcach den Wunsch aus, daß niemand die weite Reife zu bereuen habe. Die Spandauer wollten mit diesem Nachmittag den Beweis erbringen, daß man auch au» einem gemüt- lichen Beisammensein den Impuls zu neuer Arbeit gewinnen kann. Neue Arbeit erwartet die Frauen bei den bevorstehenden K o m- m u n a l w a h l e n. In der G e m e i n d e p o l i t i k hat die Frau eine Möglichkeit, wie auf keinem anderen Gebiet, ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Genosse G u t h erzählte von der Entwicklung der Arbeiterbewegung in Spandau , die zuerst einen schwierigen Stand gehabt hat. Rein städtebaulich konnte man von der Straßenbahn aus schon beobachten, welchen Aufschwung die Entwicklung diese« 20. Bezirks von Groß-Berlin genommen hat. Die Spandauer Ge- nassen dürfen für sich ruhig den Ruhm in Anspruch nehmen, daß sie«inen ausschlaggebenden Einfluß auf diese Entwick- lung ausgeübt haben. Nach den Worten des Krcisleiters hörten alle Anwesenden die„Internationale" stehend an. Die Grüße und den Dank des Bezirksverbandes überbrachte die Genossin Käthe Kern. Sie sagte, daß sich der Bezirksverband beim Einberufen dieses Treffens von der Idee leiten ließ, daß die Funktionärinnen. die das ganze Jahr die Kleinarbeit machen, auch einmal bei einem geselligen Zusammensein in Ruhe ihr« Erfahrungen austauschen und sich näher kennenlernen sollen. Das eintretende Gewitter konnte die kampferprobten Funktionärinnen nicht sonderlich er- schrecken. Der Regen vertrieb sie zwar in den Saal, die Stimmung konnte aber nicht weggeschwemmt werden. Kurzweilige, geistvolle Vorführungen ließen die Zeit schnell verstreichen. Die Kinder fan- den ihr« Unterhaltung in Gemeinschoftsspielen. Zu den Klängen des Konzertquartetts R o m e i k e wurde getanzt. Zllle konnten be- friedigt den Heimweg antreten, für den man als Beförderungsmittel freilich am zweckdienlichsten Kähne benutzt hätte... » Vor den Mitgliedern des Kreise» Friedrichshain referierte am Dienstag abend in den Andreas-Feftfälen Genosse V u ch m a n n über den Magdeburger Parteitag. Die Kommunisten bekundeten für diese Versammlung ein besonders starkes Interesse. Sie versuchen, einige Leute in den Saal zu schmuggeln. Diese Versuche scheiterten aber. Die Störenfriede wurden von den Ordnern zurückgewiesen. Genosse Buchmann, der vom Kreis Fricdrichshain zum Parteitag delegiert war, gab einen eingehenden Bericht über die einzelnen Tagesordnungspunkte. Klar und prägnant erstand noch einmal vor den Mitgliedern ein Bild van dieser für die Partei so wichttgen Tagung. In den Einzelfragen gab Genosse Buchmann die Haltung der Berliner Delegierten wieder. In der W e h r f r a g e haben die Berliner sür Vertagung der Ab- stimmung über das vorgelegte Programm gestimmt. Genosse Buch- mann erklärte, auch für das sogenannte„Klassenkampf">Programm habe er nicht stimmen können, weil er gegen jede Rüstung sei. Außerordentlich interessant war der Bericht des Referenten über den Aufnrarsch der Magdeburger und der Jugend am Vorabend des Parteitages. An das Referat schloß sich eine Diskussion an, in der noch einmal zu den Einzelsragen Stellung genommen wurde.
Falkcnberger Volksfest! Nachdem im vorigen Jahr« das Falkenbcrger Volksfest ausfiel, findet das diesjährige Bolksfeft am Sonntag, dem 30. Juni, statt. Die Genossen der Siedlung der Gartenstadt des Berliner Spar- und Bauvereins bereiten seit Monaten dieses Fest— Volksfest im wahrsten Sinne des Wortes— vor. Wer jemals Zeug« dieses Festes gewesen ist, wird sich der frohen Stunden stets er- inner». In diesem Jahre aber soll ein kleiner Rückblick auf alles Mögliche und Unmögliche gegeben werden, so findet ein Stierkampf — Auftreten von 12 humoristischen Girls, die alt« Mode— Weider d«r Zopfzeit— gegenüb«r der heutigen Mode— Kürzer, immer Kürzer— bis nichts m«hr die lieblichen Püppchen deckt. Auch Amanullah wird sich im Festzua zeig««, der sich um 2 Uhr vom alten Gutshof in Bewegung setzt. Auf dem schönen Freigelände hinter der Siedlung wird sich dann das bunt« und fröhliche Treiben der „Funkbilder«ntwickeln. Für Kinderbelustigung ist gesorgt. Am Abend Fackeltanz. Freudenfeuer und vieles andere.