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Nr. 301 46. Jahrgang

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1. Beilage des Vorwärts

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Love im Gruppen wohnen

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Lehnert. E

.Gute Stube" an der Havel.

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,, Chausseegrabentapezierer" das war so eine Bezeichnung, mit der ein übelwollender Mensch früher den armen Reisenden an efelte. Denn das war ja das Dogma, auf das jeder gute Bürger ein­geschworen war: Wer in der Nacht fein festes Dach über dem Kopf hatte, wer in Chausseegräben, Diemen und Mieten Nachtquartier suchte, der mar ein hoffnungsloser Vagabund. Auch der Reisende hatte vorschriftsmäßig von einer Herberge zur anderen zu mall­fahrten, und wenn ihn die Wanzen, Flöhe und Läufe der Pennen" noch so plagten. Platte reißen" das tat doch mur ein richtiger Stromer, ein Mensch, an dem Hopfen und Malz verloren war. In Berlin besonders tannte man den nächtlichen Gast der Part­bante, der öffentlichen Bläge fast gar nicht. Einfach schon darum nicht, meil sich ein obdachloses Proletariat, wie wir es heute haben, faum in Berlin fand. Handwerfer hatten ihre Zunftherberge, und es war Ehrensache, wenn man auch das Schlafgeld zusammenfechten mußte, abends da anzutreten. Dann kam die Herberge zur Heimat und dann kam das Asyl. Heute ist das alles anders. In warmen Sommernachten sind die Bänke unserer Parts Stammquartier vieler Obdachlosen. Für jeden Geschmack ist sozusagen gesorgt: Selbst in bem so lichten Friedrichshain finden fich doch noch einige dunkle Bänke für den, der gleich schlafen mill, und dem armen Teufel, der da ruhig schläft, tut der gewöhnliche Schupoposten nichts nicht etwa die große Streife fommt. Parador: Dunflere Gestalten find es, die die helleren Bänke lieben; das sind die Herren mit der fliegenden Spielbant, die mit ihrem Kartenspiel

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numeriert und für den Kunden mit einer Hausnummer versehen find. Mag aber das Wetter noch so verlockend sein: Der ordent liche Kunde wird noch immer Wert darauf legen, alle zwei Wochen mindestens ein richtiges Quartier, möglichst in einem städtischen Asyl mit ausreichender Bade- und Waschgelegenheit aufzusuchen, denn das Leben ,, bei Mutter Brün" verschleißt fürchterlich Sachen und Gesundheit. Die Sommernächte, die nicht so furz vor Sonnen­aufgang so falt werden, daß einem armen Teufel ohne Zeltbahn und Decken die Haut schaudert, sind zu zählen, und es herrscht große Nachfrage nach passend gelegenen Feldscheunen und ähnlichen Bau­lichkeiten. In der Großstadt aber hat die Not der Nachkriegsjahre einen neuen Typ geschaffen: den Höhlenbewohner, der sich mit den Abfällen der Großstadt, invaliden Sofas, einem zerbroche­nen Stuhl, einem lahmen Tisch irgendwo an der Peripherie einen Unterstand" baut. Selbst in den besten" Gegenden Berlins hausen diese armen Menschen, die schon lange teine wirkliche Wohnung mehr tennen, und die Kunde von der Auffindung eines neuen Höhlenbewohners" fehrt in den Zeitungen ständig wieder- selbst in diesem bitterharten Winter wurde einer erstarrt in seinem Wohn­loch aufgefunden. An der Heerstraße aber, dicht neben einem ele­ganten Café, steht das Pennerschloß", eine feudale Billa , die freilich nur im Rohbau fertig geworden ist; damn ging dem Bauherrn das Geld aus. Nun ist sie Zuflucht und Freude aller Chausseegrabentapezierer" aus den Pichelsbergen und umliegenden Gegenden, wenn die Nächte mal zu naß werden.

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Wanderküken und Wandervögel.

Sonntag, 30. Juni 1929

liegen zmei junge Arbeitersamariter, die ficher noch nicht oft ge­zeltet haben: In allen Sachen, unausgezogen liegen jie da, haben sich nicht mal die Jacke über Kopf und Schulter gelegt und die Füße eingewühlt, das erste, mas jeder Tippelbruder lernen muß. Sie frieren wie die Schneider. Ich lande über der halbgeöffneten Tür mit einem Kopfsprung im Stroh. Kaum liege ich, so prasselt der Regen aufs Zelt nieder. Morgens sind beide Ufer der Briese dicht besetzt: Man wäscht sich, badet..., und vorurteilsfrei wie die Büßer am Ganges benutzt man dasselbe Wasser zum Zähne­putzen, und wenn man es zehn Meter flußab holen soll. Es scheint unbändiges Vertrauen zur selbstreinigenden Kraft des Wassers zu bestehen. Aber ein fleiner Aufklärungsfilm wäre hier doch vielleicht ganz müßlich.

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Zelte an allen Wassern.

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Mit den ersten warmen Frühlingstagen entstehen an allen Ge­wässern rund um Berlin die Zeltdörfer. Ganz gleich, was sie für Namen tragen, ob Indianerwäldchen", ob Kuhle Wampe" oder Gute Stube" eines ist ihnen allen gemeinsam: Ueberall hier suchen die Menschen Ferien vom Ich, von dem Berufs- und Bureau­menschen, den sie ständig sonst mit sich herumschleppen. Aber sonst ist es schon ein großer Unterschied, ob so ein Zeltdorf an der Havel oder am Müggelfee liegt ungefähr so ein Unterschied, wie zwischen den Mietstasernen Berlins und den Billenstraßen des Westens. Zelt bei Zelt stehen sie dicht gedrängt am Müggelsee, enger, viel enger als die Lauben im Schrebergarten. Gewiß haben sie alle eine wundervolle Selbstdisziplin und Selbstverwaltung: Aber erst, menn man diese Zeltdörfer sieht, wo ein Part dem anderen fast ,, auf der Nase fizt", bekommt man eine Ahnung davon, wie wohl die anderen Wohnverhältnisse dieser Menschen sein müssen, wenn sie diese Ge­drängtheit schon als Befreiung fühlen. Kleine Gärtchen vor den Zelten, die den ganzen Sommer hindurch hier stehen und den ganzen Sommer hindurch bewohnt werden: Und im Westen wie im Osten ist der Junggeselle, der im Sommer seine möblierte Bude auf-, seinen Handkoffer bei einem Freunde in Pension gibt und selbst ins Belt zieht, schon eine ständige Erscheinung. Im Herbst zieht er wider­willig in seine möblierte Bude die anderen friechen wieder in ihre übervölferten Wohnungen. Im Westen sieht es anders aus: Reichlich Raum ist um jedes der Zelte, die an den Orten liegen, die nur dem Paddler oder Segler bequem zu erreichen sind. Bielleicht sind die Zelte im Innern sogar etwas primitiver ein­gerichtet als die Zelte im Osten: Man ist ja des Komforts etwas

Bor Jahren wurde es schon als eine Extravaganz empfunden, MIN wenn man in der Sommerfrische auf Strohsäden statt auf Sprung federmatraßen schlief. Wie anders ist das jetzt! Anerkannt soll es werden: Der Wandervogel, damals noch eine revolutionäre Be­megung, legte die erste Bresche. Die Jugend forderte ihr Recht; statt bran den Sonntagnachmittagsspaziergang mitzumachen, ging fie allein auf Fahrt. Und bald lernten auch die Kinder Wandern und Wandertechnik. Lange noch war freilich ein Scheunenquar= tier der Gipfel der Romantit, und nur in den Sonnen­wendnächten steckte man die Küfen in ein großes, aus einigen Zelt­bahnen zusammengefnüpftes ,, Rüfensted fissen". Erst die proletarische Jugendbewegung fand für die oftmals unterernährten Rinder der Arbeiterschaft die rechte Form, die ihnen wochenlanges Leben in Luft und Freiheit, ohne den 3wang des Kinderheims", ohne Klozleistungen" bei langen Wanderungen gestattete: die Kinder­republit, das Zeltager. Freilich, auch das Zelten will gelernt sein, und darum wird immer vor der großen Reise ein Probezeltlager ab­gehalten. Was ist das Aufstellen der Zelte schon für ein Ereignis! Und wenn endlich an den großen Rundzelten alle Zeltschnüre ge­spannt sind, wenn das Abendbrot gegessen ist, dann kommt erst noch die große Probe auf die Fahrtreife der Küfen. Denn immer wollen die, ganz erfüllt von der Freiheit des Zeltlebens, noch nicht daran glauben, daß eine, strenge Schlafdisziplin notwendig ist, wenn die furze Nachtruhe auch wirklich ausgenutzt werden soll. Aber die Zelt: obleute sorgen bald für Ruhe, und so lag das Kinderland" nach der Sonnenwende um 12 1hr schon im tiefsten Schlaf. Mondlos war die Nacht, und als mich ein nahewohnender Eingeborener" zum Tor des Drahtzaunes brachte, tauchte der junge Reichsbannermann, der nächtlicherweile die Torwache übernommen hatte, wie ein Gespenst vor uns auf. Plötzlich taucht aus dem Dunkel eine Gruppe von Heinzelmännchen auf. Mein Verlangen nach dem mir versproche­nen Schlafplay droht eine Beratung notwendig zu machen. Schließ­und ihrer beachtenswerten Fingerfertigkeit den Obdachlosen die mühlich entscheidet der Führer: Bleibt mal hier ich bringe sie ein­fam für den nächsten Morgenkaffee zurückgehaltenen Groschen ab nehmen. In den warmen Sommernächten erfreut sich auch der Mald rund um Berlin der größten Beliebtheit: Und man geht entschieden sicherer durch die meilenweiten Wälder Bommerns oder Mecklenburgs, als in einer Sommernacht durch den Grunewald, deffen Schonungen , Gebüsche, Bahnunterführungen sozusagen alle

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Der Unterstand" zwischen Abfällen.

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fach ins Saiatätslazarett!" Leise schleichen wir über den Blaz. Mein Führer macht einen Spalt zum Sanitätslazarett auf: Habt ihr noch Play?" ,, Platz schon aber fein Stroh!" Drinnen leuchten zwei Taschenlaternen auf. In ihrem Schein sehe ich zwei Genossinnen, die sich in einer dicken Schütte Stroh mit ihren Kin­dern ganz richtig zeltfertig eingerichtet haben. Nahe dem Eingang

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Gestörte Nachtruhe im Park.

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müde, und hier wird viel eher auf Stroh geschlafen wie auf dem Faltbett", das bei den anderen oftmals auch im Winter als Schlaf­stätte dient. Natürlich fehlt auch hier nicht das Zelt mit Radio und allem Komfort der Neuzeit, aber die Pest des Koffergrammo. phons herrscht hier noch nicht. Hier spielt man mit Wonne In­dianer, natürlich Indianerleben mit Komfort, in dem nicht mal die täglich dreimal zu liefernden Tagesneuigkeiten zu vergessen sind. Der Trainingsanzug ist zum Nationalfoffüm erklärt bei gan; jonnigen Tagen triff der Badeanzug in seine Rechte. Auch hier gibt es Zeltbesizer, die vom ersten bis zum letzten Frost draußen leben und die getreulich auf die sorgsam zugeknöpften Zelte der anderen Einwohner aufpassen, bis die am Wochenende wieder­fommen.

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Aber im Westen wir im Osten: Kein Gemittersturm wird den überzeugten Beltbewohner wieder in die Stadt zurückscheuchen. Und mer die braunen, gesunden Gestalten dieser Großstadtindianer be mundert gleich, ob es ,, Der große Kartoffelpuffer des Ostens" ader die Gänsegriebe des Westens" ist der sieht, was für uns und die Volksgesundheit diese Nächte bei Mutter Grün zu bedeuten haben. R. E.

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