Einzelbild herunterladen
 

Albendausgabe

Nr. 302 B150

46. Jahrgang

Wöchentlich 85 31. monatlich 3,60 TR. im Doraus zahlbar Boftbezug 4.32 m. einschließlich 60 Big. Boftzeitungs- und 72 Bfg. Boftbeftellgebühren. Auslands abonnement 6.-M. pro Monat.

Der Bormärts erjdhetnt wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend" Illuftrierte Beilagen Bolf und Zeit und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wiffen", Frauen. Stimme" Technit" Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Montag 1. Juli 1929

10 Pfennig

Die etapa lttg. Ronparet lezetle 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart..Kleine Anzeigen" das fettge brudte Bort 25 Pfennig zulässig zwet fettgedruckte Borte), jedes weitere Wort 12 Bfennig Stellengefuche das erste Bort 15 Pfennig tedes weitere Bort 10 Pfennig Worte über 15 Buchstaben zählen für wet Worte Arbeitsmartt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imhaupt. geschäft Lindenstraße 3. wochentäglich oon 8%, bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin ST 68, Lindenstraße 3

Fernsprecher: Dön boft 292-297 Telegramm- Adr.: Costaldemokrat Berlin

Vorwärts: Verlag G. m. b. H.

Bostichedkonto: Berlin 37 536.

Bankkonto: Bant der Arbetter. Angestelltes

und Beamten Wallftr. 65 Distonto- Gesellschaft. Depofitentasse Lindenstr. 8

Dokumentenfälscher vor Gericht

Aus den Geheimnissen einer politischen Nachrichtenzentrale.

Bor dem Schöffengericht Berlin - Schöne. berg stehen heute der ehemalige russische Wirkliche Staats­raf und Untersuchungsrichter der zaristischen Ochrona, Wladi­mir Orloff und der frühere Leiter der besonderen Abtei­lung des geheimen operativen Teiles der Tscheka und Präfi­dent an der Sowjetvertretung in Berlin , Pawlunowsti Su­marokow. An den Händen des einen flebt kommunisten­blut, an den Händen des anderen Blut von Antikommunisten. Später fanden sich aber die verwandten Seelen.

Die Anklage lautet auf versuchten Betrug und Ur. tundenfälschung in einem Falle und auf vollendeten Betrug und Urfundenfälschung in einem zweiten. Der Prozeß wird sowohl in die eigenartigen Persönlichkeiten der An­getlagten als auch in die trüben Quellen des antisowjetistischen Nachrichtendienstes hineinleuchten. Die zur Verhandlung stehenden Fälle bilden nur einen kleinen Ausschnitt aus der ver zweigten Fälscher- und Nachrichtentätigkeit des russischen Staats. rats Orloff. In der amerikanischen Preise wurden die Sena toren Borahd und Norris verdächtigt, von der Sowjetregierung Bestechungsgelder empfangen zu haben. Man sprach von je 100 000 Dollar. Auch Dotumente tauchten auf, die diesen Ver­dacht zu bestätigen schienen. Eine vom Senat eingesezte Kom miffion stellte fest, daß diese Dotumente Fälschungen feien. Der in Berlin lebende amerikanische Journalist Hubert Knideboder versuchte dem Ursprung der falschen Dokumente nachzugehen. Ein gewisser Pawlunowski, der über gute Be­ziehungen zur GPU. verfügen wollte, erbot sich unter Vermittlung eines Barons Küster und eines Herrn Dasse!, die erforder= lichen Unterlagen zu verschaffen. Er verlangte einen Borschuß von 100 Mart, den er auch erhielt und überreichte Knickeboder Anfang Februar zwei Schriftftücke und einen Chiffrierschlüssel dazu. Knide­boder ließ die Schriftstücke photographieren und übergab sie dann der Polizei.

Pawlunowsti erklärte sich bereit, auch ein drittes Schrift. stück zu verschaffen. Die Polizei hatte aber unterdessen die beiden ersten als Fälschungen festgestellt; es gelang ihr durch einen ganz besonderen Trid, in der Wohnung Knideboders auch vom dritten Schriftstück eine Photographie herzustellen; auch dieses war ge= fälscht. Von P. führten die Spuren zum ehemaligen Staatsrat Orloff.

Die Polizei entdeckte in Orloffs Wohnung eine regelrechte Fäscherwerkstatt:

eine große Anzahl von Stempeln, photographische Apparate, Kar­telen, Photographien von russischen Kommunisten und verschiedene Dokumente, darunter angebliche Berichte des Letters der Auslands­abteilung der GPU. , Trilisser, aus denen hervorgehen sollte, daß die Borahd- und Norris- Dokumente von der Sowjetunion felbst gefälscht worden feien.

Die zweite Anlage ist nicht weniger interessant. Bei dem vom Reichstommissariat für öffentliche Ordnung verhafteten Spion Laursen fand man ein Schriftstück, das nur durch die Untreue eines Beamten des Reichstommiffariats jenem in die Hände gespielt sein konnte. Das Nachrichtenbureau Siemert über nahm es, den Beamten festzustellen. Zu diesem Zmeck bediente es sich P's., der sich auch in diesem Falle einen Vorschuß geben ließ. Er brachte bei Siewert eine Anzahl Briefe an, die angeblich von dem Leiter der Außenabteilung der GPU. , Triliffer, flammen follten, in Wirklichkeit aber, wenigstens zu einem Teile, w.eder gefälscht sein sollen. Außerdem nannte er Siewert angebliche Dedadressen von Sowjetbeamten, unter denen sie poftlagernd thre Korrefpon denz erhalten sollten. Auch diese Briefe waren vor Orloff hergestellt. Die heutige Verhandlung findet unter dem Vorsitz des Amts geridtsrats Feldhahn statt. Die Verteidigung liegt in den Händen der Rechtsanwälte Dr. Jaffé und Fuchs. Det Berhandlung wohnen Vertreter der Reichsregierung, des Reichswehrminifteriums und der Sowjetregierung bei.

Der Angeflagte Orloff

ist ein würdig aussehender Herr im Alter von 47 Jahren, mit einem langen, graumelierten Bart. Die Augen fint von einer großen Brille verdeckt.

Orloff hat das Gymnasium in Warschau besucht und Sura studiert. Im Jahre 1906 Untersuchungsrichter in Lodz , mar er später nacheinander Staatsanwalt, Untersuchungs richter für besondere wichtige Angelegenheiten( Hodverratssachen) während des Weltkrieges und Untersuchungsrichter bei der Obersten Heeresleitung. Nach der Oktober- Revolution will er

aus anti­

bosschemistischen Motiven heraus in den Dienst der Bolschewisten getreten sein. ( Fortsetzung 2. Seite.)

Bundesregalla der Arbeiter Ruderer

Der siegreiche Renn­achter des Turn- und Sportvereins Fortschritt,

Dresden

( Berichte über die Regalta in der Beilage)

Joseph Wauters gestorben.

Ein schwerer Berlust der belgischen und internationalen Arbeiterbewegung.

Brüssel , 1. Juli. ( Eigenbericht.)

Josef Wauters ist in der Nacht vom Sonnabend zum Sonn­fag einer Krebskrankheit erlegen. Er ist nur 54 Jahre alt geworden. Es ist keine leete Redensart, sondern tief gefühlte Wahrheit, wenn wir sagen, daß sein Hinscheiden für den belgischen Sozialis mus einen unerfeßlichen Beriust bedeutet. Wie fein zweiter war er mit allen Fasern mit der Arbeiterklasse des Landes ver­bunden, die ihm unvergleichlich viel zu danken hat. War er schon während der schweren Kriegsjahre ihr wichtigster Helfer und Be rater, so war er es, der in den ersten Nachkriegsjahren als Ar= beitsminister dank seinem großen Wissen, seiner Hingabe und seiner unverwüstlichen Arbeitskraft das gewaltige soziale Wert voll­brachte, das das heutige Belgien so sehr von dem der Borkriegszeit unterscheidet, Achtstundentag, Arbeitslosenhilfe, Altersrente, Arbeiterwohnungsbau waren in erster Linie sein Wert. Ohne seine Tatkraft wäre der gewaltige Aufstieg der bel­gischen Arbeiterflaffe zu einer gewerkschaftlichen, genossenschaftlichen und kulturellen Organisation nicht zu denken. Ihm ist es zu danken, daß Belgien als erstes Industrieland das Washingtoner Abkommen über den Achtstundentag bedingungslos ratifiziert hat. war ein unerbittlicher Feind jedes Chauvinismus. Er war einer derjenigen, die zur Zeit schlimmster nationaler Berblendung mit größter Energie gegen die Besetzung des Ruhrgebiets protestierten. Er war es auch, der seit Jahrzehnten das Zentralorgan der bel gischen Arbeiterpartei, den Peuple ". leitete und es zu der be. deutenden Zeitung gemacht hat, die es heute ist.

"

*

Er

Der Parteivorstand der deutschen Sozialdemokratie hat der belgischen Arbeiterpartei telegraphisch sein Beileid übermittelt. Genoffe Arthur Crispien wird die deutsche Partei bei den Trauerfeierlichkeiten am Mittwoch vertreten.

Das neue Bolfshaus in Paris .

Paris , 1 Juli( Eigenbericht.)

Die französische sozialistische Partei hat am Sonntag in Paris unter würdigen Feierlichkeiten ihr neues Heim eingeweiht. 3ahl reiche Delegationen dec ausländischen Bruderparteien und der Pro­vinzverbände waren dazu erschienen. Nachmittags fand ein fünft.

lerischer Festaft im großen Versammlungssaal des Parteihauses ftott. Unter der Mitwirkung zmeier belgischer Arbeiterkapellent schlossen die Festlichkeiten mit einem großen Bankett, an dem rund tausend Personen teilnahmen. Unter den Ehrengästen be­merkte man u. a. den Generalsekretär der Internationale, Fritz Adler , die deutschen Reichstagsabgeordneten Breitscheid , Crispien und Toni Sender .

Der Führer der französischen sozialistischen Partei, Leon Blum , benutzte die Gelegenheit zu einer politischen Rede. Er sprach vor allem über die innerpolitische Taftit der französischen sozialistischen Partei. Wenn sich die Gelegenheit dazu biete und wenn die Mehr­heitsverhältnisse eine dauernde Arbeit gewährleisten, würde die so­zialistische Barter immer bereit sein, die Führung der Regierung zu übernehmen. Sie lehne es aber ab, mit den bürgerlichen Links­parteien in eine Koalition einzutreten, denn sie wünsche ihre volle Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit zu bewahren. Sie könne daher gegenüber einer bürgerlichen Linksregierung nichts anderes als eine Politik der Unterstützung betreiben, da sie nur bei dieser Politik in der Lage sei, in voller Unabhängigkeit sich von Fall zu Fall zu entscheiden.

Aufgelöstes Kommissariat.

Die Leberwachung der Ordnung gesichert.

Aus der Zeit des Kapp- Putsches und der nationalistischen An­schläge gegen den Bestand der Republik stammt das dem Reichs­minifterium des Innern unterstellte Reichskommissariat für Ueber­machung der öffentlichen Ordnung". Sein Leiter war bisher Oberst a. D. Kuenzer.

Durch eine Berordnung des Reichspräsidenten ist dieses Reich sa tommiffariat jest aufgelöst worden. Die republikanische Staatsform hat fich inzwischen so gefestigt, daß eine besondere Reichsbehörde für politische Ueberwachung nach Ansicht des Ministers nicht mehr erforderlich ist.

Amerikanische Kreuzerbauten. Zwei von den vom Kongres be­willigten 10 000- Tonnen- Kreuzern sind in Auftrag gegeben worden, der eine bei einer staatlichen, der andere bei einer privaten Werit. Die Bauzeit wird drei Jahre betragen.