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Morgenausgabe

Rr. 307

A 155

46.Jahrgang

Böchentlich 85 3t, monatlich 3,60. tum voraus zahlbar. Boftbezug 4.32 32. einschließlich 60 Bfg. Boftzeitungs- und 72 Bfg. Boftbeftellgebühren. Auslands abonnement 6.-M. pro Monat.

Det Borwärts erscheint madhentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illuftrierte Beilagen Bolf und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Biffen". Frauen ftimme". Technit", Blid in bie Bücherwelt" und Jugend- Borwärts

hidom- rich

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Donnerstag

4. Juli 1929

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die etRipattige Ronpareillezetle 80 Pfennig. Reklamezeile 5.- Reichs mart. Kleine Anzeigen" bas fettge brudte Mort 25 Pfennig( zuläffig wel fettgedruckte Morte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Bfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme.imhaupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Abr.: Sozialdemokrat Berlin

-

Bostschedlonto: Berlin 37 536. Vorwärts: Verlag G.m.b.H.

Vormarsch in Holland .

Günstige Anfangs- Ergebniffe.

Amsterdam , 3. Juli, 23,40 Uhr.( Eigenbericht.)

sehr beträchtlich. Die Zunahme der katholischen Das bisherige Ergebnis der Namemrwahl läßt fast Stimmen tut sich besonders im Süden des Landes hervor.

überall eine bemerkenswerte Zunahme der sozialdemokratischen Stimmen erkennen.

0,45 Uhr.

Bankkonto: Ban? der Arbeiter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Distonto- Gesellschaft, Depofitentaffe Lindenstr. 8

Bürgerkrieg?

Gefahren des Heimwehrfaschismus in Desterreich. Bon Julius Deutsch , Wien .

Die Enthüllungen der Wiener Arbeiter- Zeitung" über die Umtriebe der österreichischen Heimwehren haben zumindest das eine bewirkt, daß Klarheit geschaffen wurde. Aller­dings eine Klarheit, vor der manchem, der bisher gutgläubig in den Heimwehren ein Instrument zur Verteidigung der ,, Ordnung" erblickte, die Augen übergehen mochten. der Sozialdemokratic feststellen. Selbst in Maastricht , der Entwicklung, festgebannt in der Unfultur einer Welt­Um 0.45 Uhr konnte man überall starke Fortschritte ganz eigenartiger Geift. Ausgeschaltet vom großen Strome In den österreichischen Kleinstädten und Dörfern lebt ein staldemokratie sehr erschwerte, stiegen die sozialdemo- Jahres die Sommerfrischler einige Abwechslung bringen, lebt wo die katholische Kirchenpropaganda die Arbeit der So abgeschiedenheit, in die nur während einiger Monate des von Dreffung bringen, lebt Tratischen Stimmen von 6757 im Jahre 1925 auf 6821. ein verspießertes Kleinbürgertum. Das ist nun rabiat ge­In der Stadt Groningen entfielen von 47763 ab. worden! Es lehnt sich gegen die großen Werke des sozialen Fortschritts auf, die sich die Arbeiterschaft Wiens und der gegebenen Stimmen auf die Sozialdemokratie 16 379. In Rotterdam beträgt die Zahl der sozialdemo. paar großen Induſtriebezirke erkämpfen konnte. Der gesell­fratischen Stimmen nach einer späteren Zählung 91 789 fchaftliche und kulturelle Aufstieg der Arbeiterklasse hebt sich vom Niedergang des Kleinbürgertums zu sichtbar ab, als daß werden fönnte. es von den Spießern am Stammtisch ohne Grollen ertragen

In Rotterdam wurden bisher 75 081 sozialbemo kratische Stimmen gezählt, in Amsterdam in 200 bon 430, also noch nicht die Hälfte aller Wahllokale, 64 336 sozialdemokratische Stimmen, in Utrecht 20 474 sozial­demokratische Stimmen; in Leiden stieg die Zahl unse. rer Stimmen gegen 1925 von 8025 auf 9382, in een warden von 8846 auf 9468, in Alkmaar ven 3677 auf 4230.

Auch in zahlreichen Heineren Orten ist die Zahl der sozialdemokratischen Stimmen gestiegen, die der Rechts­parteien zurüdgegangen. Die Katholiken haben hier und da Stimmenzuwachs zu buchen.

Die Spannung in Amsterdam ist ungeheuer. Zehn tausende stehen trok der späten Stunde auf dem großen Dammplat im Stadtzentrum. Unser Parteiblatt ,, Het Bolt" läßt die Wahlergebnisse auf einer Riefenleinwand erscheinen.

24 Uhr.

Soweit sich bis jetzt übersehen läßt, tann ziemlich sicher damit gerechnet werden, daß die Katholische Staats­partei und die Christlich - Historische Partei gewinnen, die Sozialdemokraten sich halten, die Antirevo Iutionäre und die Konservativ- Liberalen zurückbleiben; die Kommunisten scheinen etwas zu gewinnen.

ober 38,2 Proz.

In Amsterdam betrug fie nach der letzten Zählung 87 805 oder 38,7 Proz.

Alle diese Zahlen stellen bedeutende Stimmen gewinne der Sozialdemokratie dar.

Rücktritt der Regierung.

Amsterdam , 3. Juli. ( Eigenbericht.) Die Regierung ist schon am Wahlvormittag zurüdgetreten; fie ist außerparlamentarisch und wollte durch ihren Amtsverzicht dem nun fälligen parlamentarischen Kabinett den Weg sofort freimachen.

Das Kabinett de Geer ist im März 1926 zustandegekommen, nach dem das Kabinett Colyn, das nach der Wahl 1925 von der Koalition der drei Rechtsparteien gebildet worden war, infolge der Instimmigkeiten über die Frage der Zurückziehung der

Der sozialdemokratische Erfolg in Amsterdam ist holländischen Gesandtschaft beim Vatikan gestürzt war.

Das sächsische Karussell.

Büngers Rechtskabinett.- Der Brief Mückes.- Killinger gegen Mücke.

Dresden , 3. Juli. ( Eigenbericht.)| Dem neuen Kabinett Bünger werden außer den Ministern krug von Nidda und Weber, die bereits der Regierung Held angehörten, der Oberlandesgerichtspräsident Dr. Mansfield als Justizminister und der Bauhener Kreishauptmann Dr. Richter als Innenminiffer angehören. Sowohl Mansfield als auch Richter gelten als parteilos". Das Arbeits- und das Wohlfahrtsministerium bleiben bis auf weiteres unbefeht. zumal die Alifozialisten vorläufig eine Beteiligung an der Regierung abgelehnt haben.

Herr Bünger wird sich heute dem Landtag mit dem neuen Rabinett vorstellen. Sein Kabinett ist ein ausge: sprochenes Rechtskabinett. Trotzdem deutet die demokratische Bresse bereits an, daß die sächsischen Demokraten diesem Ka­binett zu einer parlamentarischen Mehrheit verhelfen würden! Die Entscheidung liegt dann aber immer noch bei den Nationalsozialisten.

Die fächsischen Nationalsozialisten liegen fich wegen des Angebots des Herrn von Müde an die Sozialdemokraten und Kommunisten in den Haaren. Herr Manfred von Rillingen ist über dieses Schreiben sehr erbost, er bes zeichnet es als eine Butscharbeit Müdes. Nun hat aber das Schreiben, das in der kommunistischen Presse ver­öffentlicht wird, folgenden Wortlaut:

Dresden - Loschwih, den 29. Juni 1929.

ftüßen. Dieselben Punkte würden ja auch heute zur Debatte stehen. Ich darf sie daher im Kernpunkt wiederholen. Damals stellte ich zur Bedingung in erster Linie die Vermeidung jedes Aus­nahmegefeges gegen meine Partei, Bermeidung jedes Verbots oder Auflösung aus Gründen, die bei anderen Parteien unter gleichen Verhältnissen nicht zum Verbot oder zur Auflösung führten, Vermeidung aller Polizei- Schitanen usw. usw., Bermeidung einer Beschränkung der Aeußerung der Meinungs­freiheit. Sollten die Herren geneigt sein, die angeregte Besprechung 31 haben, so wäre ich für eine Benachrichtigung, gegebenenfalls fern Schweigen auf mein Schreiben als Ablehnung aufzufaffen ist und mündlich, zu Dank verpflichtet. Ich darf annehmen, daß ein völliges daß ich dann dementsprechend meiner Reichsparteileitung Bericht er statten tönnte. Die Nationalistische Frattion hat daß ich dann dementsprechend meiner Reichsparteileitung Bericht er­statten fönnte.

Renntnis.

faum imftande gewesen, wehrhafte Bataillone zu bilden. Sie Freilich, die Kleinbürger allein wären aus eigener Kraft brauchten Führer, Organisatoren. Die fanden sich in den a b= gebauten Offizieren der alten f. u. f. Armee, die zu vielen hunderten beschäftigungslos in den Kleinstädten herum­jaßen. Soweit die Habsburgeroffiziere nicht ausreichten, wurden sie von Deutschland her ergänzt. Seit dem Rapp- Butsch gibt es zahlreiche Flüchtlinge in Desterreich, die zuerst bei uns ein Asyl suchten und fanden, um später das Asylland zu Stätte faschistischer Verschwörungen zu machen. lichen Macher der österreichischen Heimwehren. Sie haben Die deutschen Rapp- Offiziere sind die eigent­das Provinzkleinbürgertum organisiert und ihre Reihen durch Bauernföhne sowie durch etliche Arbeiter verstärkt, die man mit allen Mitteln des Terrors in die Heimwehren preßte. Diese gemischte Gesellschaft wird durch keine große Idee zu­fammengehalten. Sie will nichts Positives, sondern begnügt fich mit einem impotenten Raunzen über den Fortschritt der Arbeiterklasse. Zusammengehalten werden die Heimwehren, wie man jetzt aus Dokumenten flar und eindeutig beweisen fonnte, durch das bare Geld der Unternehmer. Große Summen verschlingen die Heimwehren und ihre Führer. Und da ist kein Unterschied zwischen jüdischen und christlichen Unternehmern! Beide Gruppen öffneten bereit willig ihre Rassen, um den ,, Bekämpfern des Bolschewismus", als die sich die Heimwehren dem erschreckten Kapital anboten, Mittel für ihre Ausrüstung zur Verfügung zu stellen.

Diese Mittel sind tatsächlich sehr sinngemäß verwendet worden. Die Unternehmer fönnen ihre Freude daran haben, was die Heimwehren mit Geld alles zustande brachten. Sie fauften Maschinengewehre und Gewehre in großen Mengen. Mehr noch, sie errichteten ein eigenes Laboratorium zur Herstellung von Gift­gasen in Graz und veranstalteten llebungen mit den dort erzeugten Handgranaten. Sofern das Geld der Unternehmer nicht mehr ausreichte, fand man andere Wege, jetzt veröffentlicht wurden, zeugen von einer erstaunlich engen um die Heimwehren auszurüsten. Zahlreiche Dokumente, die Berbindung der Offiziere des Bundesheeres, der Gen­darmerie und der Polizei mit den Heimwehren.

Ich darf ergebenft bitten, dieses Schreiben als vertraulich zu behandeln. Mit vorzüglichster Hochachtung Ihr ergebenster Helmuth von müde, Abgeordneter der Settion Reichsleitung der Nationalfozia- feiner Glanzzeit. Die Steidles und Pfriemers listischen Deutschen Arbeiterpartei."

Herr Hitler und Herr von Müde, die Reichs leitung, flopfen links an, dieweil Herr von Killingen rechts anklopft. Neueste Phase des sächsischen Bürgerblock farussels: Razbalgerei bei den Nationalsozialisten.

die sich ganz so gehabt wie seinerzeit die Hitler- Armee vor So ist schließlich eine illegale Armee entstanden, der Münchener Novemberrevolution. Ihre Macher halten ebensolche bramarbisierenden Drohreden, wie Adolf Hitler zu gleichen auf ein Haar dem eitlen Gernegroß vom Isarstrand. Ebenso wie die Leute des Hafenkreuzes beschäftigen sich aber auch die Führer der Heimwehren nicht allein mit innerpoliti­schen Problemen. Sie machen auch in Weltpolitik. Da werden zum Beispiel in wüfter Kannegießerei Prospekte auf Pro­fpefte ausgeheckt, die ermöglichen sollen, mit Italien und die Kleine Entente als der Feind. Aber andere, insbesondere die Tiroler, können diesen Kurs nicht mitmachen, weil sie von Mussolinis Faschisten zu oft gedemütigt worden sind. So mird nun mächtig hin und her gestritten, und je nachdem, ob der heimwehrliche Stammtisch in Steiermart oder in Tirol

An die Herren Borsitzenden der sozialdemokratischen und fom- Bünger eine parlamentarische Mehrheit erhält, das Arbeiteringarn gemeinsame Sache zu machen. Dieser Richtung gilt

munistischen Frattionen im Sächsischen Landtag , Dresden .

Sehr geehrte Herren!

Die Entwicklung der innerpolitischen Ereignisse, die sich an die Wahl des jetzigen Herrn Ministerpräsidenten geknüpft haben, ver­anlassen die Reichsleitung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei in lleberlegungen einzutreten, ob die zukünftige Regierung überhaupt lebensfähig ist.

Ich darf mir daher erlauben, als Abgeordneter der Sektion Reichsleitung" der NSDAP . mit Ermächtigung und im Auftrage meiner Parteileitung an Sie heranzutreten mit der Frage, ob Sie geneigt sind, mit mir Berbindung aufzunehmen zur Klärung der Frage, ob eine Unterstützung einer von Ihren Bar­telen gebildeten fächsischen Regierung durch die nationalsozialistische Fraktion fich ermöglichen läßt.

Wobei man nicht übersehen darf, daß gleichviel ob Herr land Sachsen zunächst von einem um reaktionäre Beamte vermehrten Rechtsfabinett regiert wird.

Schlechte Aussichten für Bünger.

Dresden , 3. Juli. ( Eigenbericht.)

Die Kommunisten haben im Sächsischen Landtag bereits ein

Mißtrauensvotum gegen die Regierung Bünger

eingebracht. Inzwischen haben die Aufwertler beschlossen, für das Mißtrauensvotum zu stimmen, so daß einschließlich der fogialdemokratischen und kommunistischen Opposition insgesamt 48 von 96 Stimmen für das Mißtrauensvotum abgegeben werden dürften. Stimmt auch nur einer der beiden Altsozialisten für das

einen Siz hat, gibt es sehr verschiedenartige außenpolitische

Tendenzen...

Der ganze Heimwehrunfug wäre sicherlich nicht von Be­deutung, wenn hinter ihm nicht politische, Draht= zie her stehen würden, die im öffentlichen Leben Desterreichs eine beträchtliche Rolle spielen. Der frühere Bundeskanzler Seipel und seine engeren Freunde find es, die( zum Teil gegen den Willen der christlichsozialen Bauern und Arbeiter) die Heimwehren fördern und stützen. Erst die Bundesgenossen­unverschämtes Auftreten. Sie mißachten nun ganz offen die Anordnungen der derzeitigen Regierung wie die der christlich­fozialen Landeshauptleute. Ganz zweifelsohne find sie längst

Die Herren werden sich aus dem vorigen Landtag erinnern, daß Mißtrauensvotum, was nicht unwahrscheinlich ist, so ist eine Mehr schaft mit diesen Politikern ermöglichte den Heimwehren ihr dieselbe Frage schon einmal gespielt hat und daß damals heit von 49 Stimmen gegen das Kabinett Bünger vorhanden. Die Zusicherungen gemacht werden konnten, die es uns ermöglicht haben neue Regierung tann also bereits am Donnerstag wieder gestürzt würden, eine von Ihren Parteien gebildete Regierung zu unter­