1929
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Der Abend™
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Spalausgabe des„ Vorwärts
154 46. Jahrgang.
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Der Weißenfeer Frauenmörder
Ein polnischer Arbeiter geständig./ Bruder der Getöteten enthaftet.
Heute vormittag ft es der Berliner Kriminalpolizei gelungen, den wirklichen Täter des Weißenseer Frauenmordes zu verhaften. Es ist ein 22jähriger wohnungsloser Pole Marian Przybylski. Der Mörder wurde in der Behausung seiner Freundin in Malchow ermittelt. Man fagte ihm die Tat auf den Kopf zu und unter der Bucht des gegen ihn vorgetragenen Beweismaterials legte er fofort ein Geständnis ab.
Brzybylsti hatte in einem Restaurant von einem anderen Manne im Laufe eines Gespräches erfahren, daß die Händlerin Senger über größere Barmittel verfüge, die sie in ihrer Wohnung aufbewahrt halte. Die beiden tamen schließlich überein, ein Ding zu drehen und das Geld zu rauben. Przybylski wollte den Raub aber allein ausführen und hielt sich in der Mordnacht längere Zeit in der Nähe des Grundstücs auf. Er ist auch der Mann, der von dem Führer eines Sprengwagens beobachtet worden war. Der Täter hielt sich dauernd im Schatten eines Hauses auf. Er hatte auch allen Grund dazu, denn sein Gesicht ist über und über mit Sommersprossen bebedt und er hat grellrotes Haupthaar. Schon das allein hätte genügt, um auf Grund einer Personalbeschreibung von etwaigen Zeugen schnell auf seine Spur zu tommen. Nach seinen Angaben schlug er sein Opfer mit dem Pflasterstein nieder, durchwühlte die Behältnisse und er beutete 400 Mart. Mit dem Gelde suchte er das Weite und taufte sich am anderen Morgen in der Nähe des Schlesischen Bahn hofs neue Kleidung. Bon dort begab er sich nach dem Friedrichs: hain, wo er in einem Gebüsch seine alten abgerissenen Kleider mit den, neuen wechselte. Einen Teil des Geldes will er in Gastwirt schaften verjubelt haben.
Der Täter wird wahrscheinlich noch im Laufe des heutigen Tages dem Untersuchungsrichter vorgeführt werden.
Der bisher im dringenden Verdacht der Täterschaft stehende Bruder der Ermordeten, Alfons Senger, der bis zur Stunde immer wieder seine Unschuld beteuert hatte, obgleich die Indizien schwer gegen ihn sprachen, ist auf Veranlassung der Kriminalpolizei von der Staatsanwaltschaft sofort auf freien Fuß gesetzt worden.
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Wie weiter mitgeteilt wird, ist die Polizei durch den Mann, der mit Przybylski die Unterhaltung geführt hatte, auf die richtige Fährte des Mörders gekommen. Der Mann, der selbst völlig unbeteiligt an dem Raubmord ist, erschien bei der Polizei und gab eine genaue Personalbeschreibung des Polen . Gestern abend wurden aus diesem Grunde zahlreiche Gastwirtschaften abgesucht, ohne daß es gelang, den Gesuchten ausfindig zu machen. In Malchow fonnte jedoch der Aufenthaltsort des Mörders aus= findig gemacht werden, wo er dann auch verhaftet wurde.
Wie die Tat geschah!
Bei der Schilderung seiner Tat gibt Pr. an, daß er von einem Haufen Pflastersteine, die in der Schönstraße aufgestapelt waren, einen Stein an sich nahm. Er mußte längere Zeit vor der Ladentür warten, denn der Sprengwagenführer fam immer wieder vorbei. Dann schlüpfte er unter der halb hochgeschobenen Jalousie hindurch und betrat leise den Laden. Die Kaffe war aber wider Erwarten leer. Durch die Gardine, die die Stube von dem Laden trennte, sah er das elektrische Licht schimmern und schlich sich in das Bimmer. Fräulein Senger war auf der Bank halb sizend, halb liegend, eingeschlafen; sie erwachte aber von den Schritten des Pr. und wollte aufspringen. Da pacte er seinen Stein fester und hieb damit auf den Kopf der Frau ein. bis sie regungslos von der Bank fiel und auf dem Fußboden liegen blieb.
Gestern mittag furz nach 12 Uhr wurde in Dortmund eine furchtbare Bluttat verübt. Aus dem Hause Linienstraße 1, das nur von Proffituierten bewohnt wird, hörte man am Fenster gellende Hilferufe und fah eine unbefleidete Frau, die aus einer flaffenden Halswunde start blutete. Sie versuchte, aus dem Fenster zu flettern, bradh aber zusammen, ehe sie ihr Vorhaben ausführen fonnte. Als man wenige Minuten später in das Zimmer eingedrungen war, fand man die Frau tot am Boden liegen.
Einige Meter von der Leiche lag der Mörder, der ebenfalls aus einer großen Schnittwunde am Hals blutete und bereits tot war. Bei dem Mörder handelt es sich um den Arbeiter Franz Hudschlag aus Menden- Holzen, die Frau ist die Prostituierte Luise Weitschel aus Bochum .
Die Wetterfatastrophe im Süden.
Zwei Berliner Primaner im Chiemsee ertrunken.
Während heute morgen zunächst nur allgemeine Nachrichten über den Wirbelsturm in Süddeutschland vorlagen, werden jezt von allen Seiten Einzelheiten gemeldet, aus denen hervorgeht, daß das Unwetter in der Tat piel verheerender mar, als man urfprünglich annahm. Schwer gelitten haben die Oberpfalz , das Chiemseegebiet und das Bodenseegebiet. Aber selbst der Freistaat Sachsen und die Gegend um Liegniz find schwer mitgenommen worden. Leider sind eine Anzahl Menschenleben, zu beklagen und viele Verlegungen zu verzeichnen. Allem Anschein nech haben bei einem Bootsunglüd auf dem Chiemsee zwei Berliner Primaner ihr Leben lassen müffen.
Bergung fonnte bei dem noch lange stehenden Seegang noch nicht vorgenommen werden. Eine Anzahl von Ruderbooten, die sich beim Eintreten des Gewitters noch auf dem See befanden, wurden glücklicherweise von den noch unterwegs befindlichen Dampfern gefichtet und die Insassen meist in letzter Minute gerettet.
Auch die Oberpfalz heimgesucht.
Die bayerische Oberpfalz ist ein in Norddeutschland ziemlich unbekanntes Gebiet; es wird vom Fichtelgebirge , dem Fränkischen Jura , vom Böhmer Wald und der Donau begrenzt. Witten hindurch führt die Hauptbahnstrecke Berlin - München . Auch dieser Teil Bayerns , ein für die Touristik noch unerschlossenes Stück
Schweres Bootsunglück auf dem Chiemsee . Deutschland , ist von dem Unwetter schwer heimgesucht worden.
Wie aus Priem am Chiemsee gemeldet wird, ging am Donnerstag nachmittag 26 Uhr ein Sturm von unerhörter Wucht, aus Nordwesten tommend, über dem Chiemsee nieder. Das Unwetter fetzte unvermittelt rasch ein, so daß eine Anzahl der Segelboote, die sich in dem unter normalen Berhältnissen ziemlich geschützten Infeldreied Fraueninsel- Kraulinsel- Herreninjel befanden, nicht mehr rechtzeitig an Land famen. Es waren zwei 40- Duadratmeter Schärentreuzer und vier Jollen der in Stod ansässigen hanseatischen Jachtschule, die von einem Stod anfäffigen hanseatischen Jachtschule, die von einem Ausflug auf die Fraueninsel zurückkehrten. Während es den beiden großen Booten gelang, unter Segel Land- und Windschutz zu gewinnen, mußten die vier Jollen das Tuch reffen. Die Jollen frieben zunächst ohne Segel vor Wind auf die Südostspitze der Herreninsel zu, und es war anzunehmen, daß fie unbeschädigt das Land erreichten. Was folgte, steht in der Geschichte des Segelsports fast einzigartig da. Trotz eingeholten Tuches brachte offenbar eine der vielen auf dem See sichtbaren Wasserhofen die vier Boote zum entern. Der aufgewühlte See verhinderte die Mannschaft, fich an den wälzenden Booten festzuhalten, Die Leute mußten immer wieder los lassen, um nicht in das Tauwerk verwidelt zu werden. Zehn von der zwölf Mann starfen Bejahung der Jollen fonnten sich unter Aufbietung aller Kräfte so lange halten, bis die Boote in Landnähe trieben. Sie wurden zum kleineren Teil von Ruderbooten aufgefischt, die übrigen bekamen Boden unter die Füße. Dagegen ist das Schicksal der beiden Primaner Bruno Dewitt- Berlin und Ernst Scheffler Berlin bis zur Stunde noch nicht bekannt. Letzterer wurde vom Boot abgetrieben und von seinen Kameraden nicht mehr gesehen. Dewift wurde cin Stüd von seinem Bordkameraden geschleppt, verlangte dann aber selbst, losgelaffen zu werden und wollte schwimmend das abgetriebene Boot wieder erreichen. Das ist ihm nicht gelungen. Die gefenterten Boote trieben später unbemannt in den sogenannten Weitsee. Die
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Ein über den Bezirt Nabburg niedergehendes Hagel. wetter vernichtete in der Gemartung Glaubendorf die Hälfte der Ernte. Das nach dem vorjährigen schweren Brandunglück wieder neu aufgebaute Dörfchen Luhe hatte start unter dem Hagelschlag zu leiden. Viele Dächer wurden zerstört. Hagelschäden werden noch aus den Städten Wildenau und Vohenstrauß gemeldet. In Vohenstrauß hauste das Unwetter erbarmungslos. Die auf dem Felde befindlichen Landleute trugen Verlegungen davon und mußten ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Auch die Tierärzte hatten alle Hände voll zu tun. In Vohenstrauß selbst wurden die auf der Westseite gelegenen Gebäude schwer beschädigt. Kein Fenster ist dort unversehrt geblieben. In einem Nabburg paffierenden Schnellzug wurden fast alle Fenster zertrümmert. Auch über die Gegend von Sulzach und Rosenberg in der Ober pfalz ging ein schweres Gemitter mit tatastrophalem Hagelschlag nieder. Hühnereigroße Hagelförner, wie man sie seit Menschengedenken nicht mehr beobachtet hatte, zerschlugen Dächer und Fensterscheiben. Auf den Straßen von Sulzbach und Rosenberg liegen die Dachziegel in großen Haufen. Manche Häuser wurden völlig abgedeckt. Die Schloßen verletzten auf Wiesen und Feldern befindliche Personen. Der Schaden ist sehr groß. Viele Einwohner, denen das Unwetter in den Dachwohnungen die Decke fortgerissen hat, sind obdachlos.
Stadt und Land Salzburg find am Donnerstag von einer furchtbaren Wirbelsturmfatastrophe heimgesucht worden. In Salzburg verdunkelte sich plötzlich der Himmel. Staubmassen wurden vom Sturm in die Luft getrieben, so daß man nicht die Hand vor Augen sehen konnte. Von den Dächern wurden Biegel gerissen, von den Fenstern Rolläden auf die Straße geschleudert. Die Fußgänger mußten sich an die Bäume flammern, um nicht umgeworfen zu wer
Studentenrummel gegen Polizei
Die nationalistischen Studenten der Berliner Universität versuchen seit einiger Zeit regelmäßig, die Bannmeile zu durchbrechen. Sie fommen dabei begreiflicherweise in Konflikt mit der Polizei, die mehrfach genötigt war, den Gummiknüppel anzuwenden. Unser Bild zeigt die gestrige Demonstration der Couleurstudenten Unter den Linden.