Einzelbild herunterladen
 

Beilage Freitag, 5. Juli 1929

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

Streik in Elisabethton

USA., Kapitel: Lohnpolitik/ Von Margaret Bowen

"

Auf einmal kommt Fräulein Brown herüber und ruft: Pact eure Seide zusammen!"

Haspelabteilung zur Frühstückspause heraus. Jemand schrie: ,, Die Sortierabteilung streift!"

In Elisabethton, in dem amerikanischen Südstaate| gingen weiter. Ich dachte, sie wollten meinen Mädchen doch noch die Anführerin hielt. Auf dem Weg zum Waschraum tam gerade die Tennessee , liegen die amerikanischen Tochterfabriken des deutschen Zulage geben, die ich verlangt hatte. Glanzstofftonzerns, die American Glanzstoff und die American Bemberg Company. Die internationalen Kunstseiden­fonzerne sind Hochburgen des Profits, sie haben in dem letzten Jahr­zehnt mit dem Siegeszug der Kunstseide Riesengewinne von Mil­lionen und Millionen eingeheimst. Das Kunstseidentapital ist inter­national, und international ist auch der Lohndruck gegen­über der Arbeiterschaft.

In Amerika wandert die Kunstseidenindustrie, dem Zuge der Textilindustrie folgend, nach den Südstaaten, dem Reservoir der billigen Arbeitskraft. Im Land der hohen Löhne" werden so in diesen Bezirken die weißen wie die schwarzen Arbeitskräfte aufs schamloseste ausgebeutet, und die deutschen Unternehmun­gen bilden hierbei keine Ausnahme.

Die Belegschaft der amerikanischen Glanzstoffwerke ist wegen der unerträglichen Arbeitsbedingungen Mitte März dieses Jahres in Streit getreten. Die Streifenden wurden mit den brutalften Mitteln bekämpft. Durch unermüdliche Organisierungsarbeit, durch die tatkräftige Unterstützung der American Federation of

Drei Arbeilerinnen aus den amerikanischen glans stoffwerken mit ihrem Wochenlohn: 22, 31 und 35 Mk. für 56 Arbeitsstunden

Labor und durch das Eingreifen des amerikanischen Arbeitsmini­steriums haben die amerikanischen Glanzstoffarbeiter nach mehr als zweimonatigem Streit ihr Recht erkämpft: Eine Lohnerhöhung von 8 bis 12 Pf. pro Stunde wurde zugebilligt, die Gewerkschaft an­erkannt und eine Betriebsvertretung zugelassen.

Der Streit von Elisabethton ist ein gutes Beispiel für die Macht gewerkschaftlichen Zusammenschlusses. Bevor sich die Arbeiter von Elisabethton gesammelt hatten, waren sie ein Ob­jekt in den Händen der Betriebsleitung und nichts mehr. Sobald fie sich im Streit zusammengefunden hatten, stellten sie eine Macht da, über die die Betriebsleitung nicht mehr hinwegschreiten konnte. Aber erst durch den Anschluß an die Gewerkschafts­bewegung rissen sie den Sieg an sich.

Allerdings: dieser Sieg war nur ein vorläufiger. Der Kampf zwischen Betriebsleitung und Arbeiterbewegung ging weiter, auch als der Lohnfriede geschlossen war. Es war jener Guerilla­frieg, jener Krieg im Dunkeln, den man überall in der kapitalistischen Welt beobachten kann. Hatte die Betriebsleitung klein beigeben müssen, so versuchte sie sich durch Schikanen und Maßregelungen fleinlichster Natur für ihre Niederlage zu rächen. Menschlichkeit ist es nie gewesen, von der sich das Kapital hat leiten lassen, obwohl es für und mit Menschen arbeitet!

Die Leiterin der neugebildeten Textilarbeitergewerkschaft in Elisabethton, Margaret Bowen, gab auf dem Kongreß der amerikanischen Tertilarbeiterinnengewerkschaft den folgenden feffeln den Bericht über die Ereignisse:

,, Ich wurde am 31. Oftober 1928 in Elisabethton in der Waren­schlußtontrollabteilung eingestellt. Ich rechnete damit, 16 Dollar in der Woche zu verdienen. Mein erster Lohn betrug freilich nur 10,08 Dollar. Zwei Wochen wurde ich angelernt, und dann kam ich als Aufseherin in die Sortierabteilung, wo 52 Mädchen unter mir arbeiteten. Mit meinem Verdienst war ich zunächst ganz zufrieden, denn ich dachte, daß man mir wahrscheinlich in zwei bis drei Wochen eine Zulage geben würde. So arbeitete ich denn in der Sortierabteilung für 10,08 Dollar weiter. Erst bei der ersten Februarauszahlung erhielt ich eine Zulage und stieg auf ganze 10,64 Dollar die Woche, meine Mädchen verdienten noch bedeutend weniger.

Ich wurde wiederholt um eine Zulage für meine Mädchen vorstellig und wurde aber immer abgewiesen. Am Freitag, dem 12. März, vor Beginn des Streits, bat ich meinen Vorgesetzten erneut, mich aufzubessern; auch das wurde abgeschlagen. Darauf verlangte ich nochmals eine Zulage für meine Mädchen und wurde mieder abgewiesen. Ich arbeitete in der Abteilung, in der die beste Seide fabriziert wurde. Wir sortierten diese Seide und erledigten dann die Aufträge für Deutschland und Amerika . Als

Ich glaubte, meine Abteilung fäme in einen anderen Fabrit­raum, da ich darum gebeten hatte. Die Mädchen wurden mit der Seide in einen anderen Saal gebracht, und ich blieb allein zurück. Ich fragte: Was hat dies zu bedeuten, Fräulein Brown?" Fräulein Brown: ,, Sie sollten darauf stolz sein, daß Sie eine Abteilung unter sich haben."

Ich: ,, Haben Sie mir meine Abteilung weggenommen?" Fräulein Brown: ,, Oh, Sie bekommen eine Abteilung." Nach kaum fünf Minuten erzählte mir eines meiner Mädchen, daß der Lohn der Sortiererinnen auf 11,20 Dollar und der der neuen Abteilungsleiterin auf 12,32 Dollar erhöht worden war, und ich stand da mit meinen 10,64 Dollar. Natürlich war ich darüber wütend. Die Mädchen, die mir neu geschickt wurden, schlugen vor: Margaret, wir wollen die Arbeit niederlegen." Ich lehnte ab. Meine alten Mädchen ließen mir sagen: ,, Lege die Arbeit nieder, Margaret. Wir halten mit dir und wir werden auch unsere Auf­ficht dazu zwingen." Doch ich überlegte: Unsere 2 Abteilungen fönnen gegen 14 nichts ausrichten. Wenn genügend Mädchen die Arbeit niederlegen, bin ich einverstanden.

Auch die stellvertretende Oberaufsicht drängte auf Arbeitsnieder­legung; sie wollte mit uns gehen. Acht Abteilungen schlossen sich mir noch an, so daß wir im ganzen neun waren. Wir wollten am Dienstag, dem 12. März, um 1 Uhr die Arbeit niederlegen. Um 11.30 Uhr haben wir unsere Frühstückspause, in der wir über unsere Forderungen beraten wollten.

Das Mädchen, das meiner früheren Abteilung als Aufsicht zu­geteilt worden war, wollte nicht mitmachen, sie verdiente 12,32 Dollar die Woche. Die Mädchen meinten: ,, Gut, Bessie Mae, du kannst ja drin bleiben, du wirst bald aber herausfomnien." Während des Frühstücks bekam die Oberaufsicht Wind von dem Streit und lief zum Betriebsleiter Mr. Gill. Er versammelte alle Abteilungs­leiterinnen und sagte:

,, Ich gebe euch 20 Cent die Stunde, wenn ihr den Streiferstickt!"

Er erwähnte jedoch nicht von den Anstistern des Streits über­haupt.

Ich war wütend über diesen Bestechungsversuch und erzählte meinen Mädchen nichts davon. Es war 12.20 Uhr, als er mit mir sprach, und ich ging zu meiner Abteilung zurück und schimpfte unauf­hörlich. Die Mädchen fragten mich: Was zu Teufel hat er dir gefagt?" Doch ich schwieg und ging in den Waschraum. Ich wurde den ganzen Morgen beobachtet, da man mich für die

"

Sommerliche Stadt.

Von Bruno Schönlank .

Einen freien Tag trägt die Woche im Schoß... O, mie ist die Sehnsucht nach dem Sonntag so groß, Wenn der Sommerwind durch die Straßen geht, Und gleißende Sonne über dem Häusermeer steht Und sie hämmern müssen und hobeln und Schreibmaschine tippen Und doch träumen möchten von Wiesen, Wäldern und Meeres­klippen.

Jeden Bahnhof umflattert Sehnsucht heiß: Hinauszufahren auf blankem Gleis In die sommerlich blühende, die reifende Welt, In die sommerlich blühende, die reifende Welt, Die allen die goldene Schale hält.

Doch der Werktag kreischt in die Phantasien Und läßt die Berge und Meere entfliehen. Einen freien Tag hat die Woche allein: Ach, wär es ein Sonntag mit schimmerndem Sonnenschein, Mit Lerchenjubel über mogender Felder Glast, Mit Quellenrauschen unter blühender Sträucher Rast. Ein Tag mit jubelndem, buntem Menschenwogen, Die an das Herz ihrer Mutter, der Erde, geflogen!

Ein armer Narr!

Von Heinrich Hemmer

,, Kaufen Sie Land?"

,, Ich? In dieser Wüste?" Armer Narr! dachte ich und ließ

Draußen fand ich die ganze Belegschaft 550 Leute. Nur 17 waren dringeblieben, mit ihnen auch die stellvertretende Ober­aufsicht. Als ich aus dem Tor trat, holte mich der Betriebsleiter Mr. Gill ein: Margaret, Ihre Mädchen dürfen die Arbeit nicht verlassen."

Ich darauf: Wissen Sie, was heute früh geschehen ist?" Er: Nein".

,, Nun, man nahm mir meine Abteilung, erhöhte den Lohn der Sortiererinnen und den der neuen Leiterin. Ich höre auf zu arbeiten und bleibe mit den übrigen Mädchen fort."

,, Bitte schön, hier ist die Tür!" ,, Dante sehr," sagte ich und ging.

Ich war im Komitee, das mit der Leitung verhandeln sollte. Wir ließen ihr mitteilen, daß wir jetzt hierzu bereit wären. Aber die Leitung lehnte ab, und wir warteten den ganzen Nach

Die Streikleitung

D

mittag bis 6% Uhr abends. Es ging ein Gerücht um, daß wir mit Wasserschläuchen vertrieben werden sollten, aber nichts derartiges geschah. So standen wir jeden Nachmittag in der Fabrik und warteten. Die 3- Uhr Schicht, die am Nachmittag ging, ließ uns sagen: Wenn ihr fein Angebot bekommt, schließen wir uns morgen an!" Am nächsten Morgen waren wir schon vor 6 Uhr vor der Fabrik. Die Lumpen gingen hinein es waren 17 Auf­seherinnen. Natürlich konnten wir sie nicht zurückholen, aber wir nahmen sie uns nachher vor.

-

Die Belegschaft aus den beiden Haspelabteilungen teilte uns mit: ,, Wenn ihr bis 9 Uhr feinen Bescheid habt, machen wir mit."

Die Männer sandten einen Vertreter: ,, Wenn bis 12 Uhr fein Angebot vorliegt, geht der Kampf. los."

Wir baten nochmals die Fabrikleitung um Verhandlungen, und wieder wurden wir abgewiesen. Es war ein regnerischer Tag, und wir standen herum. Die 3- hr- Schicht und die Spinner gesellten sich zu uns. Wir hatten jetzt die Masse, die wir brauchten, hinter uns. Da niemand von der Direktion zu uns tam, öffneten wir 10 Minuten vor 9 Uhr die Tore und gingen hinein. Die Türen waren verràmmt. Wir kamen in den Spinnraum und nahmen alle Leute mit, die dort arbeiteten; dann schleppten wir die Arbeiter aus dem Haspelraum.

Ein Polizist schlug ein Mädchen mit seinem Gummitnüppel, als wir wieder heraus kamen. Nun begann eine Schlägerei. Ich verließ die Fabrik um 11 Uhr, ging zum Gewerkschaftshaus und trat in die Gewertschaft ein. Wir hatten zu dieser Zeit Don organisierter Arbeit und ihrer Bedeutung noch feine Ahnung. Nun fingen wir erst an, uns zu organisieren und gingen dann überhaupt nicht mehr vor die Fabrik. Am Montag trat die Beleg­schaft von Bemberg in Sympathiest reif ein, sie streiften nicht um Erhöhung der Löhne, die sie vielmehr im Gegensaß zu uns schon früher durchgedrückt hatten. Wir setzten die Organisations­arbeit fort, jeder kleine Zwischenfall brachte uns neue Mitglieder. Wir haben jegt 4613 Mitglieder von insgesamt 55.00 beschäftigten Arbeitern.

Am 22. März fam eine Verständigung zustande. Es wurde zu­gesichert, daß gegenüber den organisierten Arbeitern feinerlei Maß­regelungen getroffen werden sollten. Trotzdem fanden in weniger als zwei Wochen 390 Maßregelungen statt. Ich nahm meine Arbeit erst gar nicht wieder auf, da ich von vornherein annahm, daß man mich heraussetzen würde. Die Fabrikleitung nahm Ent­laffungen wegen der nichtigsten Vorfälle vor. Eine Arbeiterin wurde entlassen, weil ihr während der Arbeit schlecht wurde, eine andere, weil sie sich die Nase puderte. Einige Mädchen bekamen die ver­andere wieder nicht, einige wurden

ich um die Lohnerhöhung bat, fragte mich mein Vorgesezter, Herr den Makler stehen, der mich auf der Präriestraße angehalten hatte, sogar willkürlich im Lohn herabgesetzt. Als nun eines Montags

Burnett:

,, Wozu brauchen Sie eigentlich einen höheren Lohn? Sie ver­bienen ja genug."

"

Herr Burnett," entgegnete ich ,,, ich war trant, ich habe zwei Arztrechnungen zu bezahlen; außerdem 5 Dollar Kostgeld die Woche, 1 Dollar Wäsche, 1 Dollar Fahrgeld. Jetzt tönnen Sie sich aus­rechnen, was mir bleibt. Ich kann mir fein Kleid kaufen, und man verlangt doch von uns, daß wir jeden Morgen adrett und in einem sauberen, netten Kleid erscheinen. Bei diesem Lohn können wir uns nichts anschaffen."

Am Dienstag, dem 12. März, am Morgen des Streitbeginns, unterhielten sich Fräulein Brown, die die Oberaufsicht innehatte, und Mr. Burnett in meiner Nähe, so daß ich Brocken des Ge­sprächs auffing.

Burnett: Was halten Sie von Fräulein Chambers?" Fräulein Brown: Dieses Mädchen arbeitet hier in der Fabrik am längsten."

Burnett: ,, Wie steht es mit Fräulein Soundso?" Fräulein Brown: ,, Alles gut."

Und so sprachen sie über fast alle Mädchen meiner Abteilung und

wo schon ein paar geschmacklose Häufer und ein Grand Central ( Hotel) aus der Dede ragten.

,, Kaufen Sie Land?" fragte der Wirt vom Grand Central Hotel, nachdem ich mich so weit gestärkt hatte, daß ich ohne Uebelkeit zu verspüren in die trostlose Gegend hinausblicken konnte. Armer Narr! dachte ich und ging auf mein Zimmer.

Morgens sechs: Kaufen Sie Land?" fragte der Arzt des Ortes, mich weckend. Ich bin ein Landsmann von Ihnen." Ein

Narr! dachte ich, mich im Bette umwendend.

Als ich neulich in die Tasche griff, um mit meinen letzten paar Groschen den Kellner vom Romanischen Café" zu bezahlen, fiel mein Blick auf eine amerikanische Zeitung, die ein Fremder hatte liegen lassen. Ich las den Namen der nun volfreichen kanadischen Präriestadt, die ich vor zwanzig Jahren voll Mißtrauen besucht hatte:- hinter den Ziffern einer Reford- Weizenernte. Das Blatt entfiel meinen Händen und ich starrte auf mein eigenes Geficht in Spiegel.

Armer Narr!" dachte ich.

90 Mann auf einmal entlassen wurden, brach ein zweiter allgemeiner Streit aus.

Jetzt sind die Straßen der Stadt voll von gegen uns herbei­geholten Truppen, und Maschinengewehre stehen vor den Fabriken, damit die organisierten Arbeiter die Streitbrecher nicht an der Arbeit hindern können. Bei uns Streifenden ist indessen große Not eingetreten, denn niemand von uns fonnte sich bei dem geringen Lohn irgendwelche Ersparnisse zurücklegen. Viele Arbeiterinnen find schon in Schulden geraten, und einige von ihnen darunter zwei zahlen fonnten, verklagt und zu Gefängnis verurteilt. In 15jährige Mädchen wurden, als sie ihr Rostgeld nicht der Fabrik beschäftigt man jetzt als Ersatz zehnjährige kinder. Man gibt ihnen, nur um sie zu halten, denselben Lohn von 8,96 bis bis 10,80 Dollar, den unsere erwachsenen Dollarbeiterinnen erhalten haben.

Seit Beginn des ersten Streits arbeite ich nun schon zwei auch dauern, solange er will, wir werden nicht nachgeben, bis wir Monate lang Tag und Nacht in der Gewerkschaft. Möge der Kampf zu unserem Recht gekommen sind."

( Ueberfekt aus dem Amerikanischen von Jenny Menbelfabr.)