Einzelbild herunterladen
 
Unterhaltung unö �Bissen
m�tVahlschl Pralle Sonne füllt die enge Gassenschl«ucht mit gelbem Leuchten. Fünfstöckige Häuser wachsen an den Dächern zusammen. Die Trikoloren(Hände schieben fi« aus holbgeschlossenen grünen   Iotou- sien hervor) kreuzen sich von hüben und drüben und werfen spitze Schatten auf die Mauern. Aus der Tür tritt er. tänzelnd. Zwischen seine Bastschuhe und die granitene Regenrinne schiebt sich ein« Schicht Sonnengold. Das Blau seiner pludrigen, an den Knöcheln zusammengebundenen Hosen und das Rot feines Gürtels überstrahlen die Farben der Fahnen. Mit heldischem Ruck wirft er die Strähne schwarzen Haares aus der braunen Stirn. Sein kühnes scharfgekantetes Ge- ficht, halb nach oben gewendet, sammelt allen Lichtglanz auf Kinn und Nase. Seine starken Zähne blitzen. Plötzlich, da er sich vor Freude nicht mehr fassen kann, zieht er aus der Hosentasche den Revolver, hält ihn hoch über sich und knallt sechs Kugeln in die Luft. Bei jedem Schutz hüpfk er van einem Bein aufs andere.Vive Napoleon!" schreit er. Blasse Hände klatschen Beifall. Violett« Seidenschärpen wehen zwischen den hölzernen Fensterläden. Sieg, grotzer Sieg! Er verschwindet stolz und lachend in der Ouergaff« und wird von schwarzen Schatten«ingeschluckt. * In Afaccio siegen bei jedem Wahlgang die Bonapartisten. Das gehört zur Tradition. In Corte   dagegen, der alten korsischen Haupt- stadt und unvergleichlich malerisch gelegenen Räubcrfestung, siegen eben so sicher di« Republikaner   im Zeichen des Generals Paoli, der «in Sippenfeind der Bonapartes war und«in« korsische Sonder- Politik zugunsten der Engländer trieb, als der Stern Napoleons  bereits das Firmament Europas   überstrahlte. Diese Ereignisse liegen hundert und etliche Jahre zurück, und die Geschichte hat inzwischen zu wilderen Tänzen aufgespielt. Insel- nolker leben jedoch langsamer als kontinentale. Der Geist ihrer Heroen wandert nicht aus, selbst wenn die Körper von der letzten Seefahrt nicht zurückgekehrt sind. Der Sieg war sicher. Aber würde«r die Herzen erheben, wenn nicht wenigstens der Anschein bestünde, ihn ruhmvoll und unter Opfern erkauft zu haben? Die letzten Tage vor den Wahlen Der- wandelten die friedlichen Ströhen   und Plätze der Stadt in Schlachtengelände. Zunächst bekämpften sich die streitenden Parteien. Republikaner an roten und Bonapartisten an violetten Schleifen kenntlich, durch die Macht des Gesanges. Stundenlanges Geheul durchtobte die Häuferschluchten. Marseillaise   und Ajaccienne steigerten sich, wenn die Züge einander begegneten, zum wüsten markerschütternden Gebrüll. �Später begann das Rcvolverschietzen. Jeder korsische Mann trägt sei» Schietzeisgn bei sich. Es wird nur in die Luft geschossen� aber imt scharfer Munition. Das knallt lauter. Die Taufende von Bleikugeln, di« allabendlich gegen die Sterne geschleudert wurde«, haben jchliehlich all« wieder zur Erde zurückkehren müssen. Zum ersten Male nach dem Krieg« sehnte ich mich nach dem Stahlhelm als schlichter Kopsbedeckung.. Rotfeuer qualmten nachts zwischen den hohen Gassen. Dom Berge aus gesehen, schwelte die Stadt wie der Brand des nero- Nischen Roms in rotkolorierten Filmaufnahmen. Kanonenschläg« explodierten und zerrissen die düstere Glut durch grelle Blitzgarben. Feuerwerksrösche sprengten unter die dichtgedrängte Menge republikanische oder napoleonische Argumente. Es gab nur wenig« Verwundete. In einem Dorf der Ilmgegend starb ein junges Mädchen durch den Querschlag einer verirrten Kugel. Man lobte allgemein die Mätzigung und Zurückhaltung der Parteien und meinte, es hätte viel schlimmer kommen können... * Der Sieg ist erfochten. Der letzt« Kandidat auf der bonapartisti  - schen Liste hat einige tausend Stimmen mehr heimgetragen, als der erste aus der republikanischen. Die Demonstration der Sieger ist auf 6 Uhr angesetzt. Schon
acht in«/fjacclo seit Mittag krachen die Kanonenschläge. Fahnen, Fahnen. Vor den Häusern Napoleonbüsten. Altäre mtt violetten Schleiern umwunden. Pferde, Maulesel, Hund« und Kotzen tragen violette Maschen. Von den Autokühlern wehen violette Wimpel. Und die Motorrad- fahrer! Neun Fahnen hat einer am Gestänge seiner Maschine fest- gebunden, große und klein«, die größte, beinahe ein« Regiments- standarte, quer vorn am Lenker. So sitzt er blauweitzrot umwallt, kann kaum di« Straße vor sich sehen und rast dennoch mit offenem Auspufstopf, irrsinnig hupend, auf dem Eours Napoleon   auf und ab, daß Mensch und Tier angstvoll beiseite springen. Nun formiert sich der Zug. Die lebendig« Stadt marschiert durch ihre toten, ausgestorbenen Quartiere. Musik, Bläser mit den hellen durchdringenden Clairons. Wer hört sie? Gesang von vielen Tausenden mit dem Hunderlsach wiederholten Kehrreim:Napoleon  ... Na-poleon." Man errät ihn nur aus den offenen Mündern und den zitternd gespannten Halsadern. Lauter schon und doch eben nur wie ferne Brandung vernehmbar das Surren der Motorfohrzeug«, die alle im ersten Gang laufen ohne Schalldämpfer. Ein imponierendes Geräusch. Das große Hörspiel aber, auf das es ankommt bei dieser Volks- belustigung, wird von drei Instrumenten vorgetragen. In jedem Augenblick strecken Hunderte von Fäusten Pistolenläufe empor und knallen die sechs Schuß der Magazinladung im Schnellfeuertempo heraus. Dos ist der Orgelpunkt. In jedem Auto stehen drei oder vier Männer und schießen doppelrohrige Jagdflinten und Karabiner ab, laden so rasch, als ging« es ums Leben, schießen wieder. Dos ist die Melodie. Die gewaltigsten Kanonenschläg« geben den Pauken- rhythmus. In dieser schrecklichen Prozession tanzen alle Menschen, Männer, Frauen, Mädchen und Kinder, zwei Sprünge auf einem Bein, dann wiegen sich die Körper, zwei Sprünge aus dem anderen. Cor- magnole. Bluttanz. Es zieht vorüber eine höllisch« Vision, stampfend, schießend, brüllend. Man kann es glauben: der den Raum Europas   mit Schlachtendonner füllt«, der sein« todesmutigen Kohorten zwischen Buadalquioir und Beresina oerbluten ließ für Phantom«, di« viel- leicht in seinem Hirn lebendige Gestalten waren: Ruhm, Welt- Herrschaft, er wirft seinen Schatten noch heut« über die einfach« Seele dieses Bergvolks, das ihn wie einen Gott verehrt. Napoleon  , Napoleon  . Als man im vorigen Jahr hier, am historischen Ort,«inen Film drehte, warfen sich viele Menschen vor dem Schimmel in die Knie, auf dem der Schauspieler in Uniform und Haltung des kleinen Korporals durch di« Straßen ritt... Weit hinter dem Zug promeniert ein Dutzend Gendarmen ohne Waffen. Sie schauen geflissentlich ins Blau« und tun, als hätten sie Sonntagsurlaub. Ich kenne ihren Chef und gehe ein Stück Wegs an feiner Seite. Er stammt aus der sanften Provence und findet die barbarische» Sitten der Insel abscheulich.Was wollen Sie, M'sieur," resigniert er,ich kann nicht 20 000 Menschen ins Gefängnis stecken. Morgen ist alles vorbei.. Wirklich, es ist vorbei. Gravitätisch thronen wieder die Markt- freuen hinter den Festungen aus Schafkäse. Die Händler bieten sechs Kragenknöpse, ein Paar Manschettenholter und goldene Schmucknadeln für einen Franken an. Die Fischer flicken ihre Netz« und ernste Männer beraten unter Palmen würdig die Weltloge. Hunde und Katzen balgen sich um Knochensplitter, die unter dem Hackbeil der Metzger hervorschwirren. Man ahnt nichts mehr von ihrer politischen Meinung. Sie tragen weder rot« noch violette Schleifen. Di« Gendarmen haben wieder ihre dicken Revolver- toschen umgeschnallt, während di« Zivilisten unbewehrte harmlose Staatsbürger sind. Ordnung regiert und der cäsarische Gott schläft auf Denkmals« fockeln den Triumph aus. Schon welken die Kränze aus Irisblüten zu seinen Füßen.
emn xud.ri,. gegen den Mricg «n»!*m neuen Buche Smil Ludwia»Juli 14*', bei die Bot. «eschicht- de»«ri-ae» b. donbell. neebiienlUchen«il m.t»en«dmi«ung de» iZerloze» Stnß R o w a d l t Berlin  , den nachsolgrndcn Abschnitt. Wo blieb die Vernunft? Hat sie Europa   verlassen, seit sie ein paarmal mit vergebens flehenden Blicken hinter den Sesseln der Diplomaten erschien? Ist sie der sacht miniercnden Gestalten müde, die hinter den geschlossenen Türen alter Palais ungestört an den kleinen Höllenmaschinen arbeiten, damit sie pünktlich zur bestimmten Stunde explodieren und unter gewaltigem Getöse den Erdteil be- graben? Hofsnungslos hat die Vernunft die Kabinette verlasien, sie ist auf die Straß« gegangen. Es rauscht durch die Städte. Unter di« Millionen hat sie sich gemischt, da sie die zwanzig bis dreißig Herren Europas   verließen, unter die Namenlosen, da sie die großen Herren mit den langen Namen verraten haben. Jetzt reizt sie die. Sklaven zum Protest. Di« sind bereit, man braucht sie nicht zu überreden! Dumpf und schwitzend murren sie: hinter ihren Schraubstöcken und Drehbänken, Kesseln und Dampfhämmern, Motoren und Walzen hören sie, was ihnen die Zeitung vom drohenden Gewitter spricht. Aber abends trotten sie aus der steilen Grauhcit, aus der muffigen Enge ihrer Vorstädte In die glänzenden Quartiere des Geldes, und mit einem Male bilden sich Kolonnen, sie ordnen sich gu fünft, zu acht, die Mädchen Höngen   sich ein, die Frauen lassen ihr« Arme hängen und schieben neben dem Manne her. Böse blitzen Knopfe und Augen der bewaffneten Polizisten herüber, noch lassen sie sie durch. Jetzt oerlassen ihre Polsterstühle Minister und Botschafter, Staatssekretäre, Generale und Kanzleiräte, Lords, Grafen   und Großfürsten, sie treten an die offenen Fenster: denn die Strohe rauscht. Klingt es nicht wie Marschtritt, bevor wir noch den Befehl gaben zu marschieren? Wer rottet sich zusammen, bevor Kaiser oder Präsident das Dekret unterschrieb? Wallt ihr's erzwingen. Frieden! Frieden! Wir wollen keinen Krieg!" rauscht es tausendfach vom Brandenburger   Tore herüber, um die Ecke der breiten Wilhelmstroße, und mit dem Geriuh der übersommerten Linden steigt etwa? wie Dampf aus den verschwitzten Kleidern der Tausende zu den Fenstern des niedrig langen Ministeriums empor.
Friedenl Frieden! Nieder mit dem Krieg!" rauscht es zur gleichen Stunde von, Wiener Burgring herüber, und von den Stufen des sorgsam verschlossenen Parlaments dringen die Rufe über die Wipfel des durchtummclten Volksgartens an die Barock- fenster des Ballhausplatzes. A bas la guerre! Vive la paix!" rauscht es zur gleichen Stunde von den beiden großen Seinebrücken zum Quai dDrsai herüber, und an den dunklen Fenstern des Clyfee dröhnen die Tritte hinüber, und die hinreißenden Rhythmen der Marseillaise  prasseln, Völkerfreiheit fordernd, zum Hause des Präsidenten empor. Peacel Peacel No war!" rauscht es zur gleichen Stunde vom Trafalgar-Square  , und die Träger des Friedensgedankens fordern von den Stufen des größten Kriegerdenkmals den Frieden der Welt. Nur in Petersburg   ist um diese Stunde das Rauschen ver- stunnnt: rasch hat man hier di« Demonstranten mit Knuten und Säbeln, mit Pserdehufen und Revolvern vertrieben, zertreten, erschossen. Hinter einem Schleier, heiliger als der von Sais, arbeiteten die Diplomaten der großen Mächte dem Kriege entgegen, dem sich die entscheidenden Chefs der Aemter nachher sämtlich entzogen. Jene ober, di« sie im Schweigen ihrer Kabinette zum Tode ver- urteilten, die.eine maßlose Forderung des Staates zwang, zu marschieren, wann immer die Trommel wirbelte, waren erwacht und schienen entschlossen, sich zu wehren: machtlos erhoben die Friedens- vereine der Welt die Jdcalistenstimme, machtlos tot der Vatikan   ein paar zaghafte Schritte. Weil das Schicksal Europas   fast ganz von einer Klasse gestallet werden sollte, war eine andere Klasse berufen, es zu wenden. Weil Philosophen und Lehrer des Rechts nur wie aus luftleerem Raum ihre moralischen Gedanken zum Frieden den Völkern zuriefen, braucht« die Geschichte den heiligen Egoismus der Aermsten und Bedrängtesten zum Rufe gegen den Krieg. Unverrückbar starrten die obersten Blocke der kunstvollen Pyramide in die Wüste umher: da singen die untersten Stufen an, stöhnend unter dem Druck der Jahrhunderte, langsam, Zoll für Zoll sich zu rühren. Weil der Krieg vor ollem aus der Arbeiterklasse lastet und ihr nicht bloß das Brot nimmt, sondern auch das Blut, weil der bewaffnete Friede di« produktiven Kröst« lähmt..., wird de- schloffen, sich völlig dem Friedenskongresse in Gens anzuschließen,
um möglichst bald zur Abrüstung sowie zur Bildung und Der- einigung der Freien Staaten Europas   zu gelangen.." Dies war der erste Beschluß der Arbeiter gegen den Krieg gewesen, gesaßt vom Kongreß in Lausanne  . Ein vierzigjähriger Fried« hatte diese Geister nicht eingeschläfert: jetzt war der Augenblick, das groß« Nein emporrauschen zu lasten!
mTtoviohr:SonderbaretKaffeehäufer Die wenigsten Menschen gehen ins Cafe, um Kaffee zu trinken. Es ist hier wie bei den meisten Dingen im Leben: Di« Begleit- umstände sind wichtiger als die Sache selbst. Die Eofetiers wissen das schon lang« und suchen mit allerhand Genüssen besonderer Art aufzuwarten. Aber mit Musik und Zeitungen ollein ist es nicht mehr getan. Man muß schon besondere Attraktionen haben. Manche Eafätiers haben Glück. Sie brauchen nur mit ihren Gäste« zu prunken, di« sie nichts kosten, sondern ihnen noch etwas einbringen. Aber viele müssen sich den Kopf zerbrechen und originell sein. In einem neuen Berliner   Eafö mitten im Herzen der Stadt ist dies« originell« Idee eine Rolltreppe. Do» Tafä liegt im ersten Stock. Man geht keine Trepp« herauf und fährt auch nicht mit dem List. Man benutzt di« moderne Rolltreppe. Erwachsene benutzen sie mit dem gleichen Vergnügen und der gleichen Ausdauer, wie Kinder rodeln. Viel« kommen nur, um Rolltrepp« zu fahren, rasen dann die Treppe herunter und fahren wieder herauf. So lange, bis sie müde und so durstig sind, daß sie doch oben im Cafä landen. Wer hat sich nicht schon über die fünf Minuten, di« man oft beim Friseur warten muß, grün und gelb geärgert? Wer sich fortan ohne Acrger rasieren lassen will, der geht in«in bestimmtes Cafe, fitzt bei Musik und fröhlichem Geplauder, bis«in Page der Reih« nach herausbittet. Man läßt sich schnell rasieren Wer die Haar« schneiden und sitzt mit affenartiger Geschwindigkeit schnell und ver- schönt wieder an seinem Tisch in diesem Eofä. Bei einem anderen Caft ist es sehr schwer zu sagen, ob das ein Eafä mit Kunsthandel oder ein Kunsthandel mit Eafä ist. Bilder hängen an den Wänden, Bilder werden gezeigt. Die Verkäufer rechnen mit der altbekannten Tatsache, daß. wie der Appetit beim Essen, die Kauflust beim Sehen kommt. Man hat das Argument, daß man nicht zu kaufen, sondern nur Kaffee zu trinken kam. Dennoch wandert manch einer, der nur einen Schwarzen nehmen wollte, mit einem Kolossal-Orlginal-velgemäld« noch Hause. Im Berliner   Westen ist«in Cafö, das einen sonderbaren Ein- druck macht, wenn man zum ersten Male hineinkommt. An jedem Tische sitzt nur ein« Person, und neben fast jeder Toffee Kaffee steht «in Glas Tinte. Und olles schreibt. Ruhe herrscht hier, absolute Ruhe, keine Musik, kein Geflüster. Selbst die Kellner gehen leise wie auf Filzpantoffeln, tztur Federn hört man über das Papier kratzen. Da werden Briese geschrieben, Liebesbriefe zumeist. Männer, die kein Heim mit einem schonen Schreibtisch haben, Backfische, die eine Beaustichtigung fürchten, flüchten hierher. Hier stört niemand, hier hat alles nur das gleiche Interesse: gegen den Mietpreis einer Taste Kaffee Schreibgelegenheit und Weltabgeschiedenheit benutzen zu dürfen. Aber welch« Brief«, außer den zartbesaiteten, schreibt man heute noch mit der Hand, ohne sich ein« wirtschaftliche Blöße zu geben? All der kleinen Kaufleute, der Reifenden, der unentdeckten Iourna- listen, die keine Moschine haben, nimmt sich ein anderes Casä an. Es gibt jedem Befucher das Recht, auf einer Schreibmaschine zu tippen. Da kommen sie an, die hastigen und unruhigen Zeitgenosten, stürzen einen Kaffee herunter und tippen:Auf Ihr Geehrtes von vorgestern...", und schreiben di« berühmtenbinnen"-Briese und die mitwidrigenfalls". Da kommen sie an, die verträumten und phantastischen Zeitgenossen, lasten den Kaffee neben sich kalt werden und tippen mit einem Finger die Feuilletons, die von Redaktion zu Redaktion wandern und doch nicht das Licht der Druckerschwärze erblicken. In wieder einem anderen EafS braucht der glückliche Wirt nichts weiter zu tun als zu lächeln und die scharenweise hereinflutende Bohäme zu begrüßen. Die Boheme, die nicht pumpt, die gut ge- kleidet ist, Geld hat und möglichst im eigenen Auto vorfährt. Da fitzen Leute, di« nicht nur vom Theater, vom Film und vom Kaba- rett reden, sondern wirklich dort zu finden sind. Da sind Männer mit langen Künstlerlocken, di« noch herumlaufen wie zu Schuberts Zeiten. Da sind Männer nach der letzten Mode gekleidet, wie aus den Journalen eleganter Schneider entsprungen, da sind vor allem Frauen, schone Frauen aller Jahrgänge, fast so viele wie im Eofö der Manneqins. Das ist im Textilviertel ein kleines, unauffälliges Lokal. Wer durch die Drehtür geht, der muh irgendwelche Beziehung zur Text'ilbranchc haben, zwischen zwölf und zwei ist Hochbetrieb. Bald ist kein Stuhl mehr frei. Ein« Fülle schöner, junger Frauen, dazwischen Männer au  » der Konfektion, denen man den Beruf schon am Anzug ansieht. In der Ecke sitzen sechs entzückende Mädels. Man weiß nicht, wtlche man zuerst anschauen soll. Immer neu« kommen, verteilen sich an allen Tischen, kommen und gehen. Jeder kennt jeden. Hier trinken die Manneqins ihren Mittagskaffee. Dazwischen nierden Geschäfte gemacht und Flirts, Engagements geschäftlicher und privater Natur. Man lächelt beim Kommen, man drückt sich die Hand beim Gehen, und der Teufel weih, was man inzwischen verabredet hat. Ein Eaft der Cngagementslosen ist in her Straße, In der die Theateragenten Ihr« Bureau« haben. Hier hocken von morgens bis' abends die engagementslosen Schauspieler, Opernleutr, Artisten vom Kabarett, vom Bariet«, vom Tingeltangel, die vielen Filmstatisten, die auf der nahen Filmbörse wieder kein« Arbeit bekommen haben. Da sitzen sie herum, machen traurige Gesichter, sch�npfen von elf bis zwölf auf die Agenten, von zwölf bis ein» auf die Direktoren, von eins bis zwei auf die ganze Welt, und am Nochmittag geht es in umgekehrter Reihenfolge wieder weiter. Zwischendurch klappern sie die Bureaus der Agenten ob, bis sie wieder müde und traurig m ihrem Stommeafi landen. Das Cafe der Bnesmarkensammler schließlich ficht schon ganz wie eine Börse aus. Da sitzt kaum einer auf seinem Platz. Alles wandert umher van Stuhl zu Stuhl, sieht Bekannten und Unbe- kannten über die Schulter und lächelt dabei mitleidig oder bricht in anertennende Bewunderung au». Jeder zieht«in Büchlein au» der Tasche und blättert darin. Do» sind lauter Briefmarken-Tauschhefte. Hier wird mit einer Leidenschaft getauscht, die Nichtsammler ver­ständnislosbesserer Dinge" für wert halten. Aber wo» kann es für diese Leute besseres geben, als diese Popierchen zu sammeln! Manchmal ist so ein Tausch schwierig. Bon wegen Wert und so. llnd manchmal einigen sich die Tauschenden nicht. Dann entscheidet der Ober. Auch er ist, wie es sich hier gehört, Sammler.