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Es gibt nichts zu vertuschen!" Erklärung des Staaisanwalts im Orlow-Prozeß.

Die Sitzung wickelte sich heute morgen ruhiger ab. Der Zeuge Sievert kann endlich seine Aussage im Zusammen- hang machen. Man erhalt einen Einblick in die äußerst undurch- sichtigen Verhältnisse beim Nachrichten- und Gegennachrichtendienst. An Stelle des Oberstaatsanwalts hat neben dem Staatsanwalt der Erste Staatsanwalt Köhler Platz genommen. Er erklärt: Der Prozeß hat einen derartigen Umfang angenommen, daß ich als Leiter der politischen Abteilung mich gezwungen gesehen habe, meinen Urlaub zu unterbrechen. Wenn ich im Lause der ver- Handlung vielleicht die eine oder andere Frage beanstanden werde. so lue ich dies nicht, weil ich etwas vertuschen will. Es gibt nichts zu vertuschen. Ich würde der letzte sein, der irgendeine Behördein Schutz nehmen wollte, wenn an ihr Dreck kleben würde. Man wird sich aber bei den Erörterungen aus das be- schränken müssen, was zur Sache gehört." Sowjetvertreter sprechen vonKriegserklörung*. Eine aussehenerregende Erklärung gibt der Rechtsanwalt Fuchs ab. Er sagt: Der Vertreter der Sowjetregierung im Gerichtssaal, der Pressechef Stern, hat gestern den Sachverständigen gegenüber ge- äußert, daß die Sowjetregierung ein für sie ungünstiges Gutachten für eineKriegserklärung" halten würde. Ich protestiere gegen den Versuch, den Bazillus des Bolschewistentcrrors�zuch in ein deutsches Gerichtsverfahren einzuführen. Zum Glück sind aber alle' Organe der deutschen Rechtspflege gegen einen der- artigen Bazillus immun. Der Sachverständige Voß bittet um Schutz gegen derartige Drohungen. Zeuge Sievert berichtet. Der Vorsitzende fordert nun den Zeugen Sievert auf, im Zusammenhang zu erzählen. Der Zeuge beginnt mck seinem Lebenslauf. Er ist in Kurland geboren, hat in Riga Chemie studiert, war Leutnant der Reserve, ist persönlicher Adjutant des Kommandanten des 3. Armeekorps gewesen, hat die erste Zeit des Bolschewismus in Rußland bei der baltischen cheimwchr miterlebt und später in führender Stellung gegen den Bolschewismus in Lett- land gekämpft. In Deutschland hat er ansangs für einen größeren Kreis von Leuten oertrauliche Ost berichte für die Industrie und Landwirtschaft herausgegeben, in denen die b o l- schewistischey Verhältnisse beleuchtet wurden, und hat den Kreis seiner Abonnenten später eingeschränkt, weil seine Berichte auch dem sowjetistischen Nachrichtendienst in die Hände fielen. Als die deutschen Behörden dank seiner objektiven Informationen auf ihn aufmerksam wurden, begann er einen privaten Nachrichten- d i e n st auszuüben. Falsch sei es, sagt der Zeuge, sein Bureau als Spionagezentrale zu bezeichnen. Es habe sich höchstens um eine Spionageabwehr gehandelt. Er habe seine Nachrichten der politischen Polizei stets kostenlos zur Verfügung gestellt. Der Rachrichlenfond«. aus dem er schöpfe, stammle sowohl au« dem Reichskommissarial für össenlliche Ordnung, als auch von einigen anderen Behörden. Sobald er von privaten Auslandsstellen angegangen wurde, holte er zuerst die E r l a u b n i s des Rcichskommissariats ein. Der Zeuge fchidert nun feine Beziehungen zu Orlow und P a w l o n o w s k i. Er hat Orlow bereits im Jahre 1922 als einen Menschen kennengelernt, der in den russischen Dingen die gleich« Arbeit leistete, wie er in den deutschen . Orlow war für ihn gewissermaßen als lebendes Konversationslexikon

für bolschewistische Angelegenheiten sehr wichtig. Pawlonowski wurde ihm im Jahre 1924 oon einem gewissen W a s s i l j e w zugeführt Wassiljew erschien eines Tages bei ihm und erzählte, daß aus der Sowjetvertretung ein Beamter mit einem Haufen wichtiger Dokumente geflohen sei. Pawlonowski hatte damals bereits zwei Nächte im Tiergarten zugebracht, glaubte sich verfolgt, machte einen sehr verängstigten Eindruck und hatte von seinen Sachen nichts bei sich. Sie befanden sich noch am Kronprinzen- ufer 19, der Filiale der S o w j e t b o t s ch a s t. Pawlonowskis Material war nicht so wichtig, wie es anfangs geschienen hatte. Es wurde ihm auch nur bedingt das Versprechen gegeben, es ihm für 10 009 Dollar abzukaufen. Den dritten Teil davon sollte Wasstt- jew und ein anderer Herr bekommen, der gleichfalls den Mittels- mann beim Zustandekommen dieser Bekanntschaft gespielt hatte. Bon besonderer Bedeutung war es aber, daß man von Pawlo- nowski nun erfuhr, daß die SowjMregierung im Auslande. ganz so wie in Rußland , eine Tscheka besitze, die hier mit den raffiniertesten Mitteln arbeitet. Der Zeuge bestreitet nicht, daß er von dem Polizeikommissar Heller drei bis vier Monate lang für Pawlonowski 299 Mark erhalten habe, von denen er für sein Bureau 19 Prozent abgezogen hat. Die Sichtung des Pawlonowskifchen Materials verursachte ein« ungeheure Arbeit. Als Orlow eines Tages bat, ihn mit Pawlonowski bekannt zu machen, erklärte er sich dazu bereit, in der Hoffming, auch selbst von der Aussprache der Beiden etwas zu profitieren. In Wirklichkeit begann ober Orlow, der ihm verschiedentlich schriftlich seinen Dank ausgesprochen hatte, zusammen mit Pawlonowski gegen ihn zu arbeiten. So schrieb Pawlo- nowski an Orlow in einem Brief:«Ich weiß nicht, ob es Sinn hat, Siewerts Nachrichtenburcau zu liquidieren. Er zahlt uns doch Geld." Wie Sievert mit Krofckko zusammenkam. Es kommen dann wieder die gefälschten Trillisser-Briefe zur Erörterung. Pawlonowski hatte erklärt,«inen neuen Der- bindungsmann in Krofchko gefunden zu haben,«inen Angestellten der GPU. Der Zeug« lernte diesen Verbindungsmann unter dem Namen Tscherepuchin nachts im Tiergarten kennen. Bei einer Zündholzbeleuchtung zeigte er Sievert seinen GPU. -Ausweis mit Lichtbild und Stempel: noch überzeugender schien sein russischer Re- voloer, System Nagan. Die Trillisser-Briese sollten von Krofchko stammen. Im Jahre 1927, als der Zeuge mit Pawlonowski bereits gebrochen hatte, schimpfte Krofchko auf Orlow. In Wirk- lichkeit war olles abgekartetes Spiel, und auch Krofchko arbeitete mit Pawlonowski und Orlow gegen ihn. Seine Bemühungen, fest- zustellen, ob die Unterschriften auf den Trillisser-Briefen echt seien, führten zu nichts. Herr Mühleisen vom Reichskommissariat für öffentliche Ordnung hatte aber bald heraus, daß alle acht Briese aufgelegter Schwindel ieien. Der Zeuge bestätigt, daß er die Briest niemals in einem geschlossenen Kuvert erhallen habe. Di« B e- gleitschreiben wurden immer später übermittelt. Theoretisch hält er es für unmöglich, daß die Brief« e ch t waren. Pawlonowskis Geständnis, sie gefälscht zu haben, Halle ihn aber oon der Un- «chtheit der Briefe überzeugt. Pawlonowski hat übrigens bei der politischen Polizei zugegeben, daß sie alle von Orlow g«- fälscht sind. Für diese gefälschten Dokumente hat Sievert 13 999 Mark be- zahlt. Das Gericht geht zur Erörterung der po st lagernden Brief« über.

Die Poinrarä-Krise dauert an. Wilde Wutausbrüche der Ehauvinisten gegen Henderfon.

ihnen nicht gehaßt. Sie betrachten ihn sogar bis zu einem gewissen Grade als das kleinere U e b e l im Vergleich zu gewissen Kliquen, die das Militärdirektorium beseitigt hat. Dies« Kliquen, die sichliberal" oderkonservativ" normten, haben sich abwechselnd an der Macht abgelöst und bereichert. Selbst grundsätzliche Gegner der Diktatur geben zu, daß das frühere Regime nichts taugte, daß es nur eine Karikatur oon parlamentarischem System darstellte, und daß Primo Fronf gegen die schlimmst« Korruption gemacht hat. Die Arbeiter fühlen sich durch das jetzig« Regime nicht eigentlich verfolgt, sondern haben eher umgekehrt das Gefühl, daß man sie schont, ja daß man ihnen sogar mehr entgegen- k o m m t als unter den Vorgängern des Direktoriums. Vor allem auf dem Gebiete der Lohn- und Sozialpolitik sind in den letzten Iahren Errungenschaften erzielt worden, die zu- mindest zeigen, daß Primo de Rivera auf ein gutes Verhältnis zu den Arbeiterorganisationen besonderen Wert legt. Es sind be- sonders dieparitätischen Komitees" geschaffen worden, durch die die Löhne, die Arbeitszeit usw. in gemeinsamen Be­ratungen zwischen den Vertretern der Arbeiterschaft und den Unter- nchmern festgesetzt werden. Die freien Gewerkschaften werden als die gegebene Vertretung der Arbeitnehmer vom Staate anerkannt, ihre Führer werden zu den internationalen Arbeits- konferenzen nach Genf delegiert; das Arbeitsministerium, von einem klugen Professor geleitet, hat bereits«ine ganz« Reihe oon sozial- politischen Gesetzesmaßnahmen geschaffen, die von modernem sozialen Empfinden zeugen und jedenfalls für das wirtschastlich und kulturell noch relativ rückständige Spanien beträchtlichen Fort- schritt gegen früher darstelle». Kein Wunder also, daß die Arbeiterorganisationen, besonders die Gewerkschaften, einstweilen zumindest nicht in offener Feindschaft gegen seinen Träger kämpfen. Schon eher läßt sich«ine objektiver« Oppositionsstimmung bei den Sozialisten feststellen, die zwar in Personalunion weseilllich mit den Gewerkschaftsführern identisch sind, die aber auch viele Intellektuelle in ihren Reihen zählen. Bei den letzteren macht sich eine gewisse Unzu- jriedenheit mit dem allzuloyalen" Kurs der Partei gegenüber dem Regime bemerkbar. Einer dieser Intellektuelle» bemuht« sich eifrig, mir die Notwendigkeit einer stärkeren Aktivität der Arbeiterorgani- jationen gegen das jetzige Regime klarzumachen. Ich stellte eine einzige Gegenfrage:Da bei einem Sturz Primas die Sozialistische Partei noch nicht stark genug wäre, das Ruder selbst zu ergreifen, würden nicht wahr die ersten Nutznießer des Kurswechsels die liberalen" Politiker von ehedem, Romanones und Genossen, sein? Lohnen diese Herren, daß auch nur ein einziger Arbeiter für sie einen Finger rührt, geschweige denn einen Tag Gefängnis ah- fitzt oder gar sein Leben riskiert?"Ganz gewiß nicht!" war die entschiedene Antwort dieses radikalen spanischen Parteifreundes. Wie wirkt sich nun die Diktatur aus? Eigentlich ist es nur die Zensur, die sich störend bemerkbar macht. Alle Blätter müssen ihre Seiten vor dem Druck der Zensur vorlegen, die ausschließlich von Offizieren geübt wird. Diese Offiziere verstehen nicht viel von Politik und sind überdies sehr ängstlich, weil die Oppositionsjourna- listen ihnen oft geistreiche Streiche gespielt l�aben. Mit der Zeit ist es aber zu einer Art modus vivendi zwischen der Oppositionspresse und der Zensur gekommen, die Zeitungen enthalten sich allzu scharfer Kritiken an der Regierung, und die Regierung läßt sich dafür in gemäßigten Formen kritisieren. Schärfer wird die Zensur für Auslandstelcgramme und-tele- phonate geübt, soweit innerpolilisch« Vorgänge in Betracht kommen. Indessen scheint in Spanien tatsächlich nicht allzuviel zu passieren. Die Militärputsche des Offizierkorps find reine Eliquenangclegenhciten, für die im Volke, vor allem in der Arbeiterschaft, nicht das mindeste Interesse besteht. Ucbcr die letzte Offiziersrevoltc sind mir recht komische Einzelheiten erzählt worden, die ich natürlich nur unter Vorbehalt wiedergebe. Di« Seele des Komplottes war neben dem angesehenen ehemaligen Minister Sanchez Guerra , der Militärgouverneur der Provinz Valencia . Dieser ehrgeizige General hatte bereits Verbindung zu verschiedenen örtlichen Befehlshabern in ganz Spanien angeknüpft und sich deren Unterstützung gesichert. Natürlich blieb die Sache nicht geheim, sondern wurde rechtzeitig Primo gemeldet. Dieser entsandte nun einen General als Vertrauensmann nach Valencia , der dem dortigen Militärgouverncur so ganz nebenbei erzählte, Primo beabsichtige gerade ihn in den nächsten Tagen zu befördern und ihm ein wichtiges Kommando in Spnnisch-Marokko anzuoer- trauen. Der Militärgouverneur fiel aus allen Wolken und über- schlug sich förmlich in Lobeshymnen auf den Ministerpräsidenten. Gleich noch der Unterredung sandte er an all« seine Mitverschworenen Telegramme in verabredeter Sprache, um den Putsch a b z u- bestellen. Primas Aertauensleute liehen alle Telegramme be- fördern, nur eins hielten sie zurück, um sich einen konkreten Beweis für die Putschpläne des Gouverneurs zu verschaffen. Das zurückgehaltene Telgramm war für den Platzkommandanten von Ein d ad Real bestimmt, der nun ahnungslos am festgesetzten Tag als einziger losschlagend ganz erstaunt war, als er ver- nehmen muhte, daß sich alle übrigen Garnisonen nicht gerührt hätten. Dann ließ Primo de Rivera die putschistischen Offiziere oon Cindad Real und den anstiftenden Militärgouverneur von Valencia oerhaften, ebenso den ahnungslos in Valencia gelandeten Sanchez Guerra. Man erzählt, daß dieser bei der Vernehmung durch den Untersuchungsrichter auf die. Frage, auf wessen Unterstützung die Verschwörer gerechnet hätten, kaltblütig-ironisch geantwortet Hab«: ..3m Falle des Mißlingens. wie Sie sehen, aus niemanden. 3m Falle des Gelingens aus die Unterstützung aller. Auch Sie. Herr Untersuchungsrichter, wären dann begeistert zu mir gestoßen!" Ernster sind die Studentendemonstrationen gewesen. Es handelt sich um die Auflehnung der demokratischen Freiheits- gefühle des intellektuellen Bürgertums. An sich durchaus sympathisch und unterstützungswert. Aber wäre dieses demokratisch-intellektuell« Bürgertum stark genug, um selbständig zu regieren? Man muß es leider bezweifeln. Wahrscheinlich würde bei seinem Sieg die ehe- malige Blutsaugergesellschaft um Romanones wieder das Ruder an sich reißen und damit wäre dem Volk nicht gedient. Am schlimmsten sdjeint innerpolitisch die katatonische Bewegung der Regierung zu schassen zu geben. Ein schwieriges Kapitel, über das die Ansichten sehr verschieden sind. Die einen behaupten, die Katalonier seien in Rasse, Sprache, Fühlen oon den übrigen Spaniern grundverschieden, die anderen glauben, daß es sich mehr um eine künstliche föderalistische Bewegung handle. Primo war einst Militärgouverneur in Barcelona und soll damals di« Katalonier unterstützt und ihnen Versprechungen gemocht haben, die er später nicht hielt. In B a r c e l o n a ist es mehrfach zu ernsten Unruhen und Auflehnungen gekommen, dort sollen die sonst nur auf dem Papier bestehenden Standgerichte des Direktoriums vor Jahren blutige Arbeit verrichtet haben. Aber von diesen weit zurückliegenden Ausnahmen abgesehen, ist die Diktatur des Direktoriums bisher unblutig verlaufen. Auch mit Gefängnisstrafen und Verbannungen wird nur in sehr seltenen Fällen operiert, ganz im Gegensatz zu Italien und Sowjet- rußland. Wohl aber werden hohe Geldstrafen den Putschisten

Paris , 6. Juli. (Eigenbericht.) Die politischen Auguren in Paris wollen heute eine wesentliche Entspannung feststellen können, aber ihre Begründung ist recht fadenscheinig, weil nämlich das Kabinett Poincare am Freitag nicht schon gleich gestürzt worden ist. Der Streit um die Repa- rationen und die iMeralliierten Schulden dauert unverändert fort. Starke Gruppen aus der Regierungskoalition Poincarö haben am Freitag wieder In einer öffentlichen Volksversammlung gegen die Ratifizierung des Schuldenabkommens protestiert. Dabei taten sich besonders Poincarös ehemaliger Pensionsminister Marin und der ehemalige Vorsitzende der Reparationskonferenz. D u b o i«, durch ihre Maßlosigkeiten hervor. poincarö ist also, wenn er die Liquidierung der interalliierten Schulden erreichen will, auf die Stimmen der Linken angewiesen. Diese Stimmen erhält er aber auch heute nur, wenn er sich u n- zweideutig für die Räumung des Rheinlandes und eine Politik der europäischen Solidarität ausspricht. Der sozialistische Abgeordnet« Vincent Auriol hat am Freitag eine entsprechende Resolution in der Finanzkommission der Kammer|

auferlegt. Da es sich aber zumeist um«hemalige Minister handelt, die bei der Ausbeutung Spaniens enorme Vermögen ergaunert haben, werden diese Strafen zum Teil glatt bezahlt den Rest pflegt der König bei besonderen Gelegenheiten gnadenweis« zu erlassen... Primas Regiment zeichnet sich durch dilettontenhafte 3mprovisalionen aus. Ueber Nacht wird plötzlich irgendeine grundlegend« Maß- nähme angekündigt und nicht durchgeführt. Kürzlich improvisierte der Diktator einen ganz neuen internationalen Abrüstungsvorschlag, der als Kernstück die Schaffung einer internationalen Bölkerbunds- arme« vorsah. Alle Zeitungen sind verpflichtet, diese Stegreif- Produkte der Phantasie des Diktators abzudrucken. Man liest, lächelt und spricht vierundzwanzig Stunden später nicht mehr davon. Das alles ist nicht sehr schön, aber auch nicht sehr schlimm. Von allen Formen der Diktatur in den verschiedenen europäischen Ländern ist di« spanische sicherlich di« relativ am wenigsten unsympathische. Sie trifft ein Bolk ohne festgewurzelte parlamentarische und demo- kratische Tradition und wiib daher von ihm weniger bitter empfunden. Das g e i st i g e Spanien steht ihr unbedingt ablehnend gegenüber. Das werktätige Spanien betrachtet sie als ein

eingebracht, worin die Regierung aufgesordert wird, von der Tribüne der Kammer herab sich für die Rheinlandräumung, di« Abrüstung die internationale Schiedsgerichtsbarkeit und die Vereinigten Staaten von Europa auszusprechen. Ueber die Resolution Bincent Auriols soll am nächsten Dienstag abgestimmt werden. Dabei wird natürlich die latente Krise wiederum einen Höhepunkt erreichen, zumal Poincare , wenn man demMatin" Glauben schenken darf, die gewünschte Erklärung vor dem Zusammentritt'/ der Internationalen Regierongskonferenz ablehnt. Die RedeHenderfons im englischen Unterhaus, worin sich der Außenminister der englischen Arbeiterpartei erneut und unzwei- deutig für die sofortige Rheinlandräumung ausgesprochen hat, hat bei der französischen Reaktion wilde Wutausbrüche hervor- gerufen. So verlangt Pertinaux imEcho de Paris", daß die fran- zösische Regierung sofort ein energisches Dementi erlasse. Das gleiche Blatt erhebt auch die irrsinnig« Forderung, daß der ominöse Fest- stellungs- und Schlichtungsausschuß im Rheinland sogar das Recht erhalten soll, die Rheinlandbrücken in die Lust zu sprengen, wenn | Deutschland die geringste Miene zum Widerstand macht.

Uebel, ist sich aber bewußt, daß es unter dem gegenwärtigen politischen und kulturellen Reifegrad des spanischen Volkes schlimmere Uebel geben könnte und weigert sich, für noch gefährlichere Klassenfeinde die Kastanien aus dem Fear zu holen. Das großkapitalistische Spanien wägt die Vorteile und die Nachteil« dieses Regimes sorgfältig ab und läßt es ohne Begeisterung, aber auch ohne Feindschaft gewähren. Das ari st akratische Spanien , degeneriert und charakterlos, in rivalisierende Hos- und Militärcliquen gespalten, ist bereit, die jetzigen Machthaber zu unter- stützen, solange nicht vom König eine andere Parole ausgegeben wird Vilctor Lcbikf.

Die Arbeitsgemeinschaft proletarischer volkstanzkreise veran­staltet morgen, Sonntag IS Uhr, auf Platz 5 im Sportpark Tempel- hofer Feld(Eingang Leinestraße, nahe dem Untergrundbahnhof Boddinstraße) ein Volkstanzfest. Eine gute Kapelle unter Leitung von Alfred Linke wird zum Tanz aufspielen. Es werden alte Volkstänze und neue Jugendtänze gezeigt. Eine«cht« Schuh plattlergruppe wird Tänze vorführen. Zur Deckung der Unkoste werden 59 Pf. erhoben. Freunde der Volkstanzbewegung und es noch werden wollen, sind herzlich willkommen.