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Morgenausgabe

Nr. 315

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46.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Dienstag

9. Juli 1929

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die eta pattige Ronpareillezetle 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart Kleine Anzeigen das fettge brudte Wort 25 Pfennig( zuläffig zwet fettgebrudte Worte), jedes weitere Bort 12 Bfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Bfennig, jedes mettere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Haupt gefchäft Lindenstraße 3, wochentäglich oon 81%, bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Bartei Deutschlands  

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Neugliederung im Westen.

Die Reform des rheinisch- westfälischen Industriegebiets.

Der Breußische Landtag verabschiedete am Montag in zweiter Lesung die große Umgemeindungsvor lage für das rheinisch- westfälische Industrie­

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Termin der Kommunalwahlen.

Voraussichtlich der 17. November.

Diese Meldung eilt den Tatsachen voraus. Die preußische Staatsregierung wird erst nach der Verab schiedung der Umgemeindungsvorlage endgültig über den Termin Beschluß fassen, jedoch ist der 17. November in Aussicht genommen.

eine

In der demokratischen Preise wurde gestern abend| einer Ausschreibung der Wahlen den Weg versperrten. Ein­gebiet. Der Entwurf ist die umfangreichste gefeggeberische gemeldet, daß der Termin für die Wahlen zur Bermal war es die Eingemeindung der Gutsbezirke, die in Maßnahme auf dem Gebiete der kommunalen Grenzberich- liner Stadtverordnetenversammlung und Preußen eine furzfristige Hinausschiebung des Zeitpunktes tigungen, die das Parlament bisher beschäftigt hat. Es han für die preußischen Gemeindewahlen auf den wünschenswert erscheinen ließ und deshalb vom Ministerium delt sich dabei nicht um gelegentliche Eingemeindungen ein- 17. November festgesetzt sei. selbst begründet wurde. Obgleich allgemein auf Grund lang­zelner oder mehrerer Gemeinden in eine benachbarte Stadt, jähriger Erfahrung die Auffassung vertreten wird, daß die Gemeindeparlamente die Vorlage bedeutet vielmehr die bewußte tommu periode haben sollen, die man auf keinen Fall über­vierjährige Wahl­nalpolitische Neugliederung eines großen schreiten will, ist doch alles anders gekommen. Gebietes mit rund 6,3 millionen Einwoh nern, die infolge einer rapiden wirtschaftlichen Entwick lung in städtebaulicher, verkehrstechnischer und wohnungs­hygienischer Hinsicht unerträglich gewordene Mißstände auf­weist. Der Ausschuß hat eine umfangreiche Borarbeit leisten müssen, um die Borlage an den Landtag zu bringen. Die Vertreter der kommunalen Rörperschaften des Umgemein dungsgebietes wohnten auf den dichtbesetzten Tribünen der Verhandlung bei.

wahlen in Breußen wird seit mehr als zwei Jahren allgemein Die Frage nach dem Wahltermin für die Kommunal­diskutiert. Zum legtenmal wurden die Gemeindeparlamente im Mai 1924 neu gewählt. Seitdem sind sie in Tätig feit, und der Zeitpunkt der Neuwahlen ist infolge der ver­schiedensten Gründe immer aufs neue hinausgeschoben Die Vorlage weist drei Hauptgesichtspunkte auf: worden. In der Preußischen Verfassung fehlt nämlich eine Schaffung von Wohn- und Siedlungsgelände für die über- der wichtigsten und zweckmäßigsten Bestimmungen, die Fest völferten Großstädte. Bildung leistungsfähiger Verwaltungs- fegung der Lebensdauer der Kommunalvertretungen. Der bezirke zur Durchführung dringend notwendiger verkehrs- Preußische Landtag hat infolge dieses Fehlens einer festen technischer und sozialer Aufgaben, Vereinfachung des ge- Zeitspanne die Verpflichtung, durch Gesez die Neuwahlen zu samten Verwaltungssystems durch die Vereinigung wirtschaft- regeln. Leider hat er das bisher nicht getan. Bersuche der samten Berwaltungssystems durch die Vereinigung wirtschaft: preußischen Regierung sind wiederholt fehlgeschlagen. Heute lich zusammengehöriger Städte und Landkreise. Die Vorlage tann man ohne Uebertreibung feststellen, daß im übergroßen fieht in manchen Fällen Zusammenlegungen vor, die auf Teil der preußischen Gemeinden eine Ueberalterung den ersten Blid als hart erscheinen, die aber im Hinblick auf der gewählten Körperschaften bemerkbar wird, die Durchführung des Grundgedankens der Vorlage geboten die bringend zu Neuwahlen Veranlassung geben sollte. find. Immer wieder haben sich Hindernisse aufgetürmt, die

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Selbstverständlich ist es nicht möglich gewesen, alle Wünsche der Bevölkerung in den einzelnen Gebietsteilen zu berücksichtigen.

Zentrum und Deutsche Volkspartei   haben mehrfach mit den verschiedensten Begründungen diesen ihren eigenen Standpunkt aufgegeben und gegen den Wunsch der sozial­demokratischen Landtagsfraktion in Preußen den Wahl­haben sie dabei die Unterstützung der Geheimräte aus den termin hinausgezögert. Wenn wir richtig informiert sind, höheren Verwaltungsbehörden gehabt, obgleich im Herbst die in Frage fommenden Körperschaften fünfeinhalb Jahre im Amte sind und durch die ganze Tätigkeit den Beweis er­bringen, daß ihre Erneuerung feinen Aufschub mehr verträgt. Abgesehen von den Hemmungen in der Arbeit macht sich bei allen Verhandlungen und öffentlichen Sigungen die seit Jahr und Tag vorhandene Rücksichtnahme auf die bevorstehenden Wahlen bemerkbar. Dazu kommt die Tatsache, daß die heutige politische Zusammense g in den meisten Fällen fraß der wirklichen Stimmung in der Bevöl. terung widerspricht und dadurch ein Zustand her­aufbeschworen wird, der zur Berärgerung führt. Teile der Wählerschaft haben im Laufe der letzten fünf Jahre ihre Einstellung zu den Magistraten und Gemeindeaus schüssen grundlegend geändert und stehen heute zu den aus­führenden Organen der Kommunen in Widerspruch.

Deutschland   und die Konferenz.

Ein Interview Stresemanns.

Große

Reichsminister Dr. Stresemann, der sich zurzeit zum, Nur ein Schuldner, dem es lediglich auf augenblickliche und vor­Kuraufenthalt in Bühlerhöhe   bei Baden- Baden   befindet, empfing den bekannten Außenpolitiker des Matin, Jules Sauerwein  , und gewährte ihm nachstehendes Interview: Ich habe den Eindruck, daß schon recht viel Zeit auf die rein formalen Borfragen der Einberufung der Regie­rungskonferenz verwendet worden ist. Die Weltöffentlichkeit kann empfinden, wenn die Ansichten über Ort und Belt noch immer hin es nicht gerade als einen glücklichen Auftakt zu dieser Konferenz und her gehen. Ich hoffe daher, daß diese Diskussion, die angesichts der Wichtigkeit der zu regelnden Probleme doch nur von untergeord­neter Bedeutung ist, nunmehr schnell zum Abschluß gelangt.

Die wichtigsten Veränderungen, die durch die kommunale Neugliederung im Industriebezirk eintreten, sind die Ber= einigung von Barmen und Elberfeld  , und die Zusammenlegung von fünf Städten des Bergischen Landes: Solingen  , Höhscheidt, Ohligs  , Gräfrath   und Wald. Ebenso werden vereinigt ham born mit Duisburg  . Die Zu­sammenlegung von M.- Gladbach mit Rheydt   fand leider feine Mehrheit. Eine ganze Reihe von Landkreisen sollen ganz aufgelöst und ihre Gebiete den benachbarten Groß­städten zugeteilt oder mit anderen Resttreifen zu neuen, großen Landkreisen zusammengelegt werden. So der Land­freis Hörde, der bis auf einen Rest, der mit dem Land­freis Iserlohn   vereinigt wird, in die Stadt Dortmund   auf­geht. Land- und Stadtkreis Bochum   und Landkreis Hattin­ gen   werden mit dem Landkreis Schwelm   und dem Rest des Zeit Landkreises Hagen   zu einem neuen Eennepe- Ruhrkreis zu sammengelegt. Der Rest des Landkreises Lennep, von dem der größte Teil der neuen Wupperstadt( Elberfeld  - Barmen) und der Stadt Remscheid   zugeteilt wird, soll mit dem Rest­freis Solingen   zu einem neuen Südkreis vereinigt werden. Auch der Landkreis Essen geht bis auf Kettwig   in die Großstadt Effen auf. Kettwig   wird mit den Resten der Landkreise Mettmann   und Düsseldorf   zum neuen Nordkreis zusammengeschlossen.

Interessant ist auch die Zusammenlegung von folgenden Städten im Gebiet der Gute- Hoffnungshütte: Oberhausen  , Sterkrade   und Osterfeld   werden fünftig ein Stadtgebilde fein. Die Städte Mülheim  ( Ruhr  ), Duisburg- Hamborn, Düsseldorf   und Barmen- Elberfeld   werden durch erhebliche Zuteilungen aus den Landkreisen Düsseldorf   und Mettmann  vergrößert. Linksrheinisch werden aus den bisherigen Land­freisen Neuß, Grevenbroich  , M.- Gladbach, Krefeld   zwei neue Landkreise gemacht, der Süd- und Nordkreis linksrheinisch. Die Landkreise Geldern, Cleve und Mörs   bleiben im wesent lichen unverändert; eine von Duisburg   gewünschte 3utei lung von einigen Orten aus dem Landkreise Mörs   fand

feine Mehrheit.

Im Regierungsbezirk Münster   beschränkten sich die Aen­derungen auf eine fleine Zuteilung aus dem Landkreise Recklinghausen   an Gelsenkirchen- Buer   und einige Grenz berichtigungen zwischen Recklinghausen  - Stadt und Land.

Nach den Ausschußbeschlüssen ist die Regierungsvorlage nur wenig verändert worden. Es ist anzunehmen, daß sie in ihren Grundzügen auch die dritte Lesung passieren wird Für die betroffenen Städte und Kreise wird es intensiver Arbeit bedürfen, nunmehr die notwendigen Verwaltungs­arbeiten so zu beschleunigen, daß im Herbst die Neu­mahlen zu den tommunalen Körperschaften stattfinden tönnen.

Jedenfalls bin ich der Ansicht, daß wir vcr Aufgaben stehen, die die höchsten Lebensinteressen der Völker berühren, und da scheint es mir nicht gut, die starke politische Spannung, unter der in den einzelnen Ländern Deffentlichkeit und Barlamente nun schon seit mehr als einem halben Jahre stehen, ohne Not zu verlängern. Auch die Wirtschaft hat einen Anspruch darauf, daß die Unsicherheit von ihr genommen und daß sie in die Lage versetzt wird, neue Aktivität zu entwickeln.

3ch halfe es deshalb auch nicht für zwedmäßig, die Regierungs­verhandlungen in mehrere Etappen zu zerlegen, wozu nach Zeifungsmeldungen an manchen Stellen anscheinend Neigung besteht.

Das würde die herrschende Spannung noch weiter steigern und für jedes der beteiligten Länder Gefahren außenpolitischer und innenpolitischer Art in sich schließen.

übergehende Erleichterung antommt, wird geneigt sein, über den Gesamtbetrag der ihm auf lange Dauer auferlegten Lasten leicht hinwegzugehen. Die Worte, die ich in dieser Beziehung während der letzten Reichstagsdebatte gesagt habe, sind auf Grund einer völlig entstellten Berichterstattung, namentlich der Havaskorrespon­denz, dazu benutzt worden, um meine Einstellung gegenüber dem eine außenpolitische Rede, die ich halte, in entscheidenden Teilen Young- Plan zu kritisieren. Es ist leider nicht das erstemal, daß so wiedergegeben wird, daß ich eine solche Art der Berichterstattung nur als leichtfertig ansehen kann. Man kann die Haltung, die die Reichsregierung und die überwiegende Mehrheit des Reichs­tags gegenüber dem Plan einnehmen, nicht besser zum Ausdruck bringen, als Herr Reichsbankpräsident Schacht selbst dies neulich in München   getan hat. Er hat gesagt:

Der Umstand, daß die deutschen   Sachverständigen sich dem Ur­teil der übrigen Konferenzmitglieder über die wirtschaftliche Trag­barkeit der Young- Annuitäten nicht hätten anschließen können, entbinde uns und alle verantwortlichen Stellen in Deutschland  nicht von der Verpflichtung, in ehrlichster Weise und mit ernftem Nachdrud alle Bemühungen darauf zu richten, die Zahlungen aus dem Young- Plan zu erfüllen."

Es ist klar, und auch der Herr Schacht hat das an dieser Stelle seiner Rede betont, daß der Erfolg unserer Bemühungen um Erfüllung des Sachverständigenplans nicht allein von uns abhängen wird. Er wird davon abhängen, ob die internatio. nate Zusammenarbeit die anderen. Mächte zu einer Wirt­

deutschen Exports zuläßt. Es wird ferner aber davon abhängen, daß der Doung- Plan uns in der politischen Entwicklung einen Schritt vorwärts bringt. Wir können die Regelung der Repara­tionen auf der Grundlage des Young- Plans nicht als ein isoliert zu behandelndes Problem ansehen.

Sie fennen Sinn und Richtung der von mir vertretenen deutschaftspolitit gegenüber Deutschland   führt, die eine Steigerung des schen Außenpolitik zu gut, als daß ich Ihnen darzulegen brauchte, warum ich in der bevorstehenden Konferenz einen entscheidenden Bunft für die gesamte Gestaltung der internationalen Beziehungen sehe. Es ist jetzt der Augenblid getommen, aus der politischen Entwicklung der letzten Jahre das Fazit zu ziehen. Dieses Fazit ist durch die Lage der Dinge so genau vorgezeichnet, daß darüber tiefgehende Meinungs­verschiedenheiten nicht möglich sein sollten.

Die hauptbeteiligten Regierungen haben die Reparationsfrage zunächst in die Hände der Sachverständigen gelegt und sind nun im Besiz der von ihnen einstimmig beschioffenen Vorschläge. Niemand fonnte erwarten, daß diese Borschläge in Deutschland   von Regie­fonnte erwarten, daß diese Borschläge in Deutschland   von Regie: rung und Parlament mit Jube! begrüßt werden würden.

Die ernsten Bedenken, die in Deutschland   gegen die Bemessung unserer fünftigen Lasten laut geworden sind, fönnen nur als ein Beweis dafür verstanden werden, daß wir es mit der Durchführung unserer finanziellen Verpflichtungen ernst nehmen.

Das, was wir als Aufgabe der Konferenz betrachten, ist viel­mehr neben der Regelung der Reparationen die Regelung der­jenigen polififchen Fragen aus dem Weltkrieg, die feit langem atut sind, bisher aber leider nicht zu einer Lösung gebracht werden konnten.

Das ist der Inhalt des bekannten Beschlusses, in dem das Reichs­fabinett zu dem Sachverständigenbericht Stellung genommen hat. Jeder weiß, daß wir damit die Regelung der Rheinlands­und der Saarfrage gemeint haben. Die letzte Reichstagsdebatte hat der Deffentlichkeit auch gezeigt, daß in diesem Punkte das Par lament geschlossen hinter der Regierung steht. Ich möchte Ihnen nicht noch einmal den von der Regierung und dem Reichstag   stets