lSchluß.) Wo hast du deine Handharmonita, Vater Creux? Ein wenig Musik fehst uns, um uns in Stimmung zu bringen. Wir wollen zum Lachen zurückkehren, wie andere an ihr Tagewerk. Und dies wird geschehen, wenn dein altes Gesicht mit den Augen, die nichts mehr sehen, sich zur Seite neigt, bis es das schöne Geblöse aus Leder berührt und die Finger sich anschicken, über die Tasten zu laufen. Wart« nur, bis wir ganz wach sind. Wach waren sie allerdings erst halbwegs, und als sie nun auf einmal erschien, merkte es zuerst keiner. Sie hätten sie sehr wohl bemerken müssen, wären sie überhaupt noch dazu fähig gewesen. Ueberall taten sich weitere Fenster auf, von allen Seiten rief's: „Geh nicht! Geh nicht!� Seit langem war das Dorf wie ausge- starben: nun erstand es wieder von den Toten. Seit lange hatte drückend Schweigen auf ihm gelegen wie eine Steinplatte auf einem Grab: nun hob sich die Grabplatte. Und Stimmen tönten und Rufe: und war es wirklich nur Angst und Mitleid, oder steht gar die Hoffnung unter uns auf? Dann ist es freilich gut, wenn Marie weiter schreitet, rastlos und unerschrocken. Gentizon erblickt« sie zuerst. Lahre lag neben ihm und schlief: er stieß Labre mit der Schulter an. Beide setzten sich auf und sahen sie herannahen. Sie erkannten sie anfangs nicht. Gentizon sagt« einfach:„Roch eine!" Aber wie sie noch näher gekommen war: „Unglaublich," begann Gentizon wieder,„die Mari«! Di« Tochter von Lüde, du weißt doch? Seit der Zeit Hot man sie nicht mehr erblickt und ihn auch nicht." Dann mit cinemmal: „Potz Blitz! wie ist sie hübsch geworden!" Und so Hub die Geschichte an: Labre und Gentizon maßen sich gegenseitig: sie verstanden einander. Sie hatten bemerkt, sie waren zwei. Und sie waren sich im Wege. Aber einer hatte den anderen nötig. Ganz ollein hätten sie sich wirklich nicht aufrecht halten können. Sie mußten einander stützen. Auf diese Weise stemmten sie ein Knie auf den Boden: dann packten sie sich um den Leib. Dos brachte sie zum Lachen: aber was sie sich für nachher ver- sprachen, bracht« sie noch mehr zum Lachen: das sollte ihrer Luft die Krone aufsetzen. Da sah Marie die beiden langsam auf sich zukommen, und sie erschrak: denn die zwei waren sehr groß. Sie erschienen sehr groß, weil sie auf dem Dorplatz sich befanden. Hier gewahrt« Marie die zwei, und sie bemerkt« zuerst sie und dann erst den Platz. Die beiden waren in Wallung: sie streckten ihr« Arme aus. Sie wankten hin und her wie Bäum«, die von den Wurzeln nicht mehr gehalten werden. Sie öffneten lachend den Mund: sie hatten faule Zähne. Sie hatten rot« Augen mit Säckdn darunter. Und von neuem streckten sie Mar!« die Arm« entgegen und riefen:„Mach vorwärts! Seit langem erwartet man dich!.." Und da kam nun auch ein« Anwandlung von Unentschlossenheil über sie. Das war jenes Gebaren... Und di« anderen waren erwacht, hatten sich auch aufgesetzt, hatten sich ihr zugewendet: auch bei ihnen dieses Gebaren, die nämliche Bleichheit des Gesichts, das nämlich« Lachen. All« waren so, und sie war allein: aber all das hemmte sie nicht lange. Labre und Gentizon schrien Beifall. Nur sie zwei allein waren vorläufig aufgestanden, so viel Vorsprung hatten sie. Aber sie sahen «in, daß Eile not tat. Sie bog aus: di« beiden wandten sich nach der nämlichen Seit«. Sie wandte sich nach der anderen Seite: die zwei taten desgleichen. Sie machten größer« Schritte als sie gern mochten: mehrmals holten sie sie nicht ein. Inzwischen jedoch er- hoben sich die anderen, und waren ihrerseits nähergekommen. Sie riefen:.Laßt sie uns!" Labr« und Gentizon begriffen, daß kein« Zeit zu verüeren war. Gentizon nahm sich zusammen. Gentizon stellt« sich sprungbereit. Gentizon kollerte am Boden. Er mußte schlecht gezielt haben: das wunderte keinen, dacht« man, wenn man sah, in welchem Zustand er war. Labre folgt« ihm dicht auf den Fersen: man dacht«:„Er wird sie haben." Und «» schien, daß er gut gezielt habe. Was dann geschah, konnte man nicht begreifen: im Augenblick, da«r sie erreichen sollt«, war es, wie wenn er an eine Mauer geprallt wäre: Labre stürzte plötzlich auf den Rücken. Da hielten die anderen inne: alles war still auf dem Platz. Und in diesem Schweigen wurde der Lärm, der vom Dorfe her kam, von neuem vernommen. Ist es noch immer Furcht oder nurÄiitleid, oder gar Neugierde? Aber von Haus zu Haus, von Dach zu Dach, von Tür zu Tür, �n der Luft zugleich und auf der Erde, wie mit Flügels- und Fußes- eil« lief die gute Kunde in die Rund«: sie begannen wieder zu leben. Ist es wahr? Ist es wahr? Sie schieben nicht mehr di« Köpfe, den ganzen Leib schieben sie hinaus. Jedoch die Weiber auf dem Platze wurden wütend.„Der Meister, wo ist der Meister?" schrien sie.„Sie verhöhnt uns. Geht und holt ihn." Man hatte ihn noch nicht gesehen. Man brachte ihn herbei. Da war die weihe Mauer des Wirtshauses. Criblet stand in einem der Fenster und sagte:„Ich schau nur zu: mich geht die ganze Sache nichts an." Man hatte ihn rufen müssen, nun kam er herbei:«r schien weniger gut gelaunt zu sein als sonst. Er lächelte, aber es war «in erzwungenes Lächeln. Man hatte den Platz vor Marie frei gemacht.„Nun ist er da!... Nun wirft du schon..." Sie fing an. weiter zu gehen: und er kam gerade auf sie zu. Er ging nicht so rasch, wie es den Anschein hatte. Und da wurde auf ein- mal die Haut an seinen Händen, seinem Hals und seinem Gesicht schloff, zog immer mehr Falten, hing mürbe um ihn herum wie «in Gewand, da» abfallen will. Marie vor still gestanden. Auch er hielt an: st« schauten sich ins Gesicht. Dann hob Mari« die Hand und schlug das Zeichen des Kreuzes: das wahre. Und dann dröhnt««in Donnerschlag. Man erzählt« nachher, daß ein blendender roter Schein den Himmel üb«rstrahlte, die Erde begann zu beben, die Häuser neigten sich so sehr, daß man fürchtet«, si« stürzten zusammen:— und dann, erzählt« man, war es aus. Das dauert« olles weniger Zeit, als man brauchte, es wahr- zunehmen:— und dann war es au», und sie schauten hin und konnten es zuerst nicht glaub«.
CopxriKkt djr Orell Füßli, Zürich Sie schauten aus den Fenstern, si« sahen«in Dorf, das neu und frisch bemalt erstanden war unter einem endlich wieder blauen Himmel,— dos Dorf, wie es einst war. aber schöner als je, frisch und neu und wacker anzusehen, wie wenn es sein Sonntagskleid angelegt hätte. Und sie begriffen, wenn auch spät: aber zu spät ist es nie. Sie dachten:„Das war siel" und alle standen auf und kamen herbei. Sie standen auf von den Toten, sie kamen durch alle Straßen. Einige konnten nicht gehen; dies« trug man. Einig« hotten sich Krücken gemacht aus Brettern, ander« schleppten sich auf den Knien. Und schon begannen di« Krankheiten, di« auf ihnen gelostet hatten, abzufallen. Wie ihre Häuser wurden auch ihre Leiber wieder neu und frisch. Wer krumm gebeugt war, wurde wieder schlank und gerade. Wer ein Krüppel und mißgestaltet war, hörte auf, es zu fein. Di« gräßlichen Zeichen auf den Gesichtern: Flechten, schwarze Geschwür«, offen« Wunden, alles verschwand. Sie boten dem Tag unentstellte, helle Gesichter; sie tranken das Licht mit reinen Augen. Sie waren jedoch sehr überrascht, keinen Menschen auf dem Platze zu finden, nicht einmal die Leichname, die sie dort zu finden glaubten. Da war ein vollkommen leerer Platz, völlig sauber und in bester Ordnung. Ohne Zweifel: di« Erde hatte, als sie sich öffnet«, alles verschluckt. Und zuerst verwunderten sie sich darüber sehr, daß der Platz so leer war: aber noch mehr staunten sie darüber, daß jene, die sie suchten, auch nicht mehr da war. Denn ihr entgegen strömten alle. Aber umsonst suchten sie, um- sonst fragten sie«inander:„Und sie?" Kein Mensch hatte sie ge- sehen. Und sie begannen eine große Leere in sich zu fühlen und eine groß« Unruhe, wie wenn sie von neuem ohne Schutz wären. Sie achteten kaum aus die alte, mit neuen Blättern bekleidete Lind«, auf den herrlich weißen, funkelnden Kirchturm, auf die zu- rückgekehrten Tauben, die wie vordem auf dem Rand der Dächer ihre Federn glätteten. Sie wollten schon heimgehen. Und Zweifel- los hätten sie es getan; aber plötzlich schrie jemand:„Da ist sie!" und alles war vergessen. Und olle drängten wieder nach der Rich- tung, wo si« erschien, einer kleinen Gaste, die zu ihrem Heim führte. Sie stießen einander, sie umringten sie, sie hätten mit ihr sprechen mögen: sie tonnten es nicht. Dann aber wenigstens, nicht wahr? bei ihr sein, wenigstens sie sehen, sie berühren. Aber was gab es nun von neuem? Jetzt schien sie voller Un« ruhe zu sein: sie schob alle zur Seite und sprach mit Ungeduld: „Laßt mich, laßt mich...!" Und sie setzte ihren Weg fort und hielt sich die anderen vom Leibe. Dann, als ob sie ein letztes Mittel versucht«, freilich ohne starkes Zutrauen:
„Und khr, seid ihr ihm nicht begegrtet...? Sagt, hadt ihr ihn nicht gesehen? Ich wollte ihn zu Hause suchen.. Sie hielt inne.„Er war nicht dort." Sie hotten sich auf die Knie niedergeworfen: die Frauen küßten den Saum ihres Gewandes. Ach, daß er es noch immer nicht wagte! Er'Hielt sich immer noch verborgen. Selbst jetzt, wo olles auflebte, wo allen verziehen war. und klar leuchtend diese Verzeihung über ihm in die Luft ge- schreiben war, in schönen Farben in der ganzen Luft, wagte er immer noch nicht zu kommen und dachte: „Selbst wenn olle die Gnade verdient hoben: ich verdiene sie nicht." Er mußte zuerst entdeckt werden; man mußte ihn herbeiführen. Er brach zusammen, das Gesicht auf die Erde gepreßt. Und Marie:„Bist du's?" „Voter, Vater! Bist du's...?" Er gab keine Antwort. Man vernahm sein Schluchzen. Er barg den Kopf in die Hände. Sie mußte ihn an sich drücken; sie zog seine Hände an sich. Aber im selben Augenblick hob die große Marie-Madeleine im Glockenturm von selbst zu klingen an. Niemand war hinauf- gestiegen: sie brandete von selbst durch die Luft. Und all die kleinen Glocken schwangen sich auf als ihr Gefolge. So lange hatte keine Glocke mehr geklungen. Und jetzt sangen sie aus eigenem Antrieb, an ihrer Spitze die große, und die kleinen folgten ihr, und alle zog es hinaus zu den Höhen. Sie hotte ihn emporgerichtet, und sogleich, wie er aufrecht stand: „Komm jetzt. Vater: sie wird uns erwarten." Er hatte ja gesagt: er wagte es jetzt. Aber schon«Wen die Glocken dahin, wie um ihnen den Weg zu zeigen, und sie zogen ihnen voraus. Da waren die Glocken, und da war Marie und ihr Dater: und da war das gaiize Dorf, das folgte. Auch das Dorf machte sich auf wie in einer Prozession, ober nicht wie die frühere gewesen war: ruhig und voll Vertrauen war sie, und große Herzensmild« erfüllte alle, trotz ihrem Schmerz und ihrer Trauer. Nicht zahlreich jetzt, viel weniger zahlreich als ehe- dem waren sie: aber ihre Leiden waren vergesten, Wie wenn sie wahrhastig gestorben und nun auferstanden wären. Der Amtmann an der Spitze, unmittelbar darauf Communier und der alte Iean-Pierre, immer betend. Sie sahen die Wiesen neu aufblühen, sie gingen zu Seiten des Weiher», der Himmel lag im Weiher. Die Felsen blitzten wie Standarten. Einige breiteten die Arm« aus, und si« waren wie Kreuze an- zusehen, mit ihren erhobenen, ausgestreckten Armen. Alle, die sich hier zusammenfanden, waren voll großer Freude: selbst Joseph Amphion, denn eben hatte er, als er die Augen hob, am Himmel jene zu schauen vermeint, di« er verloren hatte und die ihm nun zulächelte. Das geschah, als sie gerade beim Walde anlangten: es war, wie wenn ein Säulensaol, in herrlichen Farben bemalt, sich vor ihnen aufgetan hätte. Er aber sah, als er die Augen hob, ihr Bild über den Bäumen, wie es hoch im Blau wie ein anderes Stück des Blau dahinschwebte. Dergestalt war ihre Freude gewachsen, daß sie, wie sie bei der Kirche vorbeizogen, nicht einmal den armen Lhote bemerkten: er ollein von allen war verschont geblieben, well er reinen Herzens gefrevelt hatte. Er war in einem Winkel zusammengesunken und vergrub den Kopf in seinem Arm. Und erst im nächsten Winter fand man den Pfarrer: er hatte sich unter den tiefhängenden Aesten einer Lärche erhängt. Und Augen hatte er kein« mehr; denn die Raben hatten sie ihm aus- gehackt.
WAS DER TAG BRINGT.
Das„Kamel" als Naturschutzgebiet. Eine merkwürdig« fzelsgruppe, die nach ihrer Gestalt„Das groß« Kamel" heißt, ist jetzt zum Naturschutzgebiet erklärt worden. Die Felsgruppe befindet sich auf dem Langenbergs in der Gemarkung Westerhausen in dem Regierungsbezirk Magdeburg . Es ist verboten, „die Felder innerhalb des Naturschutzgebietes zu beschädigen und zu verunzieren. Insbesondere ist untersagt, jede auf das Gewinnen von Bodenbestandtellen gerichtete Tätigkeit, wi« das Abschlagen von Gestein, die Vornahme von Sprengungen, Ausgrabungen usw." Der Affe bringt es an den Tag. Wie überall im Bereich biologischer Forschung gibt es auch im physiologischen Institut«iner mitteldeutschen Universität Versuchstiere. Aus irgendwelchen Gründen war ein kleiner Äff« von seinem Schicksal verschont worden, und wurde nun, von den Mitgliedern d«s Instituts verwöhnt, in einem der Arbeitsräume einigermaßen komfortabel am Leben und bei guter Laune«rhalten. Es gab auch noch ein anderes, weniger beliebtes Ueberbleibfel aus einem früheren Regime im Institut in der P«rson eines ältlichen Fräuleins, Tochter eines verdienten hohen Iustizbeamten, deren Hochmut im umge- kehrten Verhältnis zur Bedeutung der Arbeiten stand, mit denen man sie anstandshalber beschäftigte. Das Institut mußte natürlich sparen, und so war auf dem stillen Oertchen die Notdurft auf sorgfältig geschnittene Bogen Zeitungs- papier angewiesen, was dem Hochstand der wissenschaftlichen Arbeit nicht weiter abträglich zu sein schien. Doch gab es ab und zu groß- mütige Spenden von hygienischeren Behelfen in Form der beliebten Papierrollen. Auffällig war, daß diese immer besonders rasch ver- braucht waren. Das Aeffchen war fast immer vergnügt: wenn die erwähnte Dam« sich jedoch herbeiließ, ihm etwas Aufmerksamkeit zu schenken, wurde es leicht mihlaunig. Es schien instinktiv zu erfassen, daß es in diesem sauersüßen Gemüt keine echte Freude mehr geben konnte. Einmal aber schien der kleine Hylobates ihrer dürren Freundlichkeit Interesie entgegenzubringen und ließ es geschehen, daß sie ihis streichelte, nahm sogar eine Näscherei von ihr an. Der Vorfall fand bei den Mitgliedern des Instituts Beachtung und damit einige Zuschauer. Die von dem ihr sonst spröden allge- meinen Liebling also Ausgezeichnet« wandt« sich stolz erhobenen Hauptes zum Gehen: das Aeffchen griff, von ihr unbemerkt, in eine Tasche ihres Arbeitsmantels, wohl um einen noch vermuteten Rest der Näscherei zu fassen. Es fand aber keine Süßigkeiten mehr; doch während die Dame sich entfernte, rollte sich, in der allen bekannten Qualität, ein immer längerer Streifen de» Papier , für unaussprech- liche Zwecke aus ihrer Tasche ob, gleichsam wi« der Ariadnefaden zum geheimnisvollen Innern ihres SeelenlabyrintHs. Nikolaus I und die Republik . Kaiser Nikolaus L von Rußland , der bekanntlich auch übel das Preußen Friedrich Wilhelms IV. fein« gefürchtet« Knute schwang, war zweifellos der größte und unbarmherzigst« Autokrat des ver- gangenen Jahrhunderts. Txotzdem er jede freiheitliche Regung nicht nur im eigenen Lande mit brutaler Härte niedertrat, sondern auch seinen königlich preußischen Schwager gegen die liberalen und sozialen
•rnniainmMmmiunmnimiiiiiiiiHiiinmMiuiimniiniiiiininiimimimwninumiimD Ideen der Zeit noch schärfer zu machen verstand, als dieser es ohnehin schon war, und seine Kosaken 1849 zur Unterdrückung der Freiheitskämpfe noch Ungarn sandte, war doch sein« Vorliebe für republikanische Einrichtungen so groß, daß er gelegentlich äußerte, als Privatmann mit feiner Familie am liebsten in einer Republik wohnen zu wollen. Bei dem hinlänglich bekannten Eharakter Nikolaus I. würde man an der Echtheit dieser Aeußerung zweifeln müssen, wenn sie nicht von dem besten Kenner russischer Geschichte in Deutschland , dem verstorbenen Berliner Unwersitätsprofeflor Theodor Schiemann , der bekanntlich auch Wllhelm II. nahestand, in einer Lebensbeschreibung des Zaren mllgetellt würde. Wie Schie- mann schreibt, sagte der Zar gelegentlich in vertrautem Kreis«:„Ich verstehe das monarchisch« und das republikanische Regierungssystem. Wenn ich als Privatmann einen Aufenthaltsort zu wählen hätte, würde ich für mich und meine Familie eine Republik vorziehen, denn ich glaub«, daß es diejenige Regierungsform ist, welche die größte Bürgschaft für die persönliche Freiheit bietet." Ein Theater mit vier Bühnen. Das von Henri de Rothschild in Paris erbaut«„Theater Pigolle", das im Oktober mit einem von Sacha Guitry verfaßten Stück aus der französischen Geschicht« eröffnet wird, enchält alle nur erdenklichen mechanischen Vorrichtungen, die die moderne Bühnentechnik ersonnen hat. Statt einer Bühne gibt es hier vier Bühnen, di« wie ein Auszug verschwinden und wieder erscheinen können. Durch«inen Mechanismus, den«in einziger Mann bedient, kann jode dieser Bühnen in 30 Sekunden herabgelasien werden. Zahlreiche Be- leuchtungsvorrichwngen sind an der Decke und den einzelnen Säulen angebracht, so daß di« Bühne in beständig wechselnde Farben getaucht werden kann. Die Dentilationsvorrichtungen sind so aus- gezeichnet, daß die Luft achtmal in einer Stunde durch frische ersetzt werden kann. Anekdote von Rostopschin. Einmal fragte Zar Paul den Grafen Rostopschin, ob«s wahr sei. daß er von Dschingis-Chan abstamme und wie es käme, daß er, falls es wahr sei, nicht den Fürstentitel besäße. „Majestät," antwortete der Graf,„als mein Ahnherr nach Ruß- lond gerufen wurde, war gerade Winter." Alles horchte auf, was sollte das? Erlaubt« sich Rostopschin «inen Scherz mtt dem Zaren? Auch Zar Paul blickte den Grasen erstaunt an: „Was soll das heißen? Was hat der Winter in oller Welt mtt meiner Frage zu tun?" „Sehr viel Majestät." erwiderte Rostopschin,„als mein Ahn damals nach Rußland gerufen wurde, ließ ihm der Chan von Ruß- land die Wahl zwischen einem Fürstentttel und einem warmen Zobelpelz, und da gerade, wie gesagt, Winter war, war meinem Ahn«in wirklich«? Pelz mehr wert al» ein fürstliches Wappen mtt gemallem Zobelpelz: daher wählte er jenen und ich bin Graf Rostopschin." Mit einem höhnischen Seitenblick auf die Fürsten im Gefolge des Zaren, die fast alle fein« Feinde'waren, verneigte sich Rostop- schin vor dem Zaren und stellte sich wieder aus seineu Platz.