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BERLIN  Donnerstag 18. Juli 1929

Der Abend

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Nr. 332

B165 46. Jahrgang.

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Sowjetunion   bricht mit China  .

Moskau   stellt den chinesischen   Vertretern die Pässe zu.

Mostau, 18. Juli.

Die Antwort der Sowjetregierung auf die chinesische  Note erklärt, die Sowjetregierung halte die Antwort der chinesischen Regierung ihrem Inhalt nach für unbe. friedigend und ihrem Ton nach für heuchlerisch. Die Sowjetregierung stellt fest, daß bereits alle Mittel zur Regelung der von den chinesischen Behörden hervor. gerufenen und durch die Note der chinesischen Regierung vom 17. Juli verschärften Streitfragen und Konflikte wegen der Ostchinabahn auf dem Wege der Verständigung erschöpft seien. Deshalb sehe sich die Sowjetregierung gezwungen, folgende Maßnahmen zu treffen, wobei sie die gesamte Verantwortung für die Folgen der chinesi­ schen   Regierung auferlege:

1. Sämtliche diplomatischen, Konsular- und Handels­bertreter der Sowjetunion   in China   abzuberufen; 2 sämtliche von der Sowjetregierung an der Oitchina­bahn ernannten Personen abzuberufen;

3. jegliche Eisenbahnverbindung zwischen China   und der Sowjetunion   einzustellen;

4. die diplomatischen und konsularischen Vertreter Chinas   aufzufordern, die Sowjetunion   unverzüglich zu verlassen.

Gleichzeitig erklärt die Sowjetregierung, daß sie sich fämtliche aus dem Pekinger   und Mukdener Vertrag von 1924 hervorgehenden Rechte vorbehält.

Zur Begründung dieser Maßnahmen heißt es in der Note: Im Wunsche, die durch die chinesischen   Behörden verlegte recht­liche Basis der Beziehungen zwischen der Sowjetunion   und China  wiederherzustellen, hat die Sowjetregierung ihrer ersten Note drei als das Minimum des Notwendigen zu bezeichnende und durch aus gemäßigte Borschläge gemacht. Die chinesische Regierung hat diese Vorschläge in vollem Umfang abgelehnt. Anstatt die Wieder­herstellung der Abmachungen von Beting und Mukden zu bringen, tanktioniert die chinesische   Note

die einseitige Aufhebung dieser Abmachungen und zerstört da­durch die Möglichkeit normaler Beziehungen zwischen beiden Staaten.

Steuerdebatte.

Lastenverteilung?- Go'n Quatsch! 3d muß meinen Bauch och alleene tragen!"

und der Sowjetunion   feine diplomatischen Beziehungen; trotzdem ist auch hier der Friede erhalten geblieben. Bis jetzt hat die Sowjetregierung auf die Bahnbeschlag: nahme durch die chinesische   Nationalregierung nur mit politischen Maßnahmen geantwortet. Ob sie sich unter dem Druck der inneren Kriegshege entschließen wird, zu triegerischen Maßnahmen zu greifen, steht noch dahin. Sympathien fände sie damit bei den Imperialisten anderer Länder, die mit Sorge das Vorgehen Chinas   verfolgen, weil sie darin den Anfang des Abbaues ihrer eigenen Borrechte auf chinesischem Boden erblicken. Die Sowjetunion   hat jedoch im Augenblick die für sie unbefriedigende Antwort Chinas  nicht mit der Kriegserflärung, sondern nur mit dem Abbruch der Beziehungen beantwortet. Das deutet darauf hin, daß zurzeit bei ihr die Einsicht vorherrscht, daß sie ihre imperialistischen Vorrechte in China   doch auf die Dauer nicht aufrechterhalten kann.

Einstellung des Eisenbahnverkehrs China  - Europa  .

Totio, 18. Juli

Anstatt der Aufhebung der von dem Tupan gegen die Ostchinabahn getroffenen ungefeßlichen Maßnahmen sanktioniert die chinesische  Note diefe Maßnahmen und billigt somit die Besetzung der oft chinesischen Bahn. Ebenso sanktioniert die Rote der chinesischen Regierung die unrechtmäßigen Repreffalien gegen Sowjetbürger und Sowjetinstitutionen und sucht sie in heuchlerischer Weise durch einen ten Tatsachen nicht entsprechenden Hinweis auf angebliche Maffen­repreffalien gegen chinesische Staatsbürger in der Sowjetunion   zu rechtfertigen, obgleich es wohlbekannt ist, daß in der Sowjetunion  3wangsmaßregeln lediglich gegen eine verschwindend kleine Gruppe von Spionen, Opiumhändlern, Schmugglern, Spelunken­befizern und sonstigen friminalverbrecherischen Elementen unter den chinesischen   Bürgern angewendet werden. Die chinesische Note Der Postzug aus Charbin   fonnte keinen Anschluß an den russi­übergeht die Frage der unverzüglichen Einberufung einer Konfchen Zug in Manfchuli erhalten. Aus diesem Umstand wird ge­ferenz, weist damit den dahingehenden Vorschlag der Sowjet- fchloffen, daß der Verkehr nach Europa   eingestellt ist. Die union   zurück und zerstört somit die Möglichkeit einer Regelung des hincfischen Behörden beschlagnahmten das Verkehrsbureau der chinefi­Konfliktes durch eine Berständigung der Parteien. Wenn die fchen Ostbahn in Mukden und setzten den russischen Direktor ab. Der Note der chinesischen Regierung russische Propaganda als Ursache Berkauf von transsibirischen Eisenbahnbilletts ist vom Tokioter   Reise­der unrechtmäßigen Schritte der chinesischen Behörden bezeichnet, bureau eingestellt worden. so ist das erlogen und heuchlerisch, denn die chinesischen Behörden verfügen über hinreichende Mittel, um eine derartige Tätigkeit nicht zuzulassen und ihre Einstellung zu erzwingen, wenn fie wirtlich vorhanden wäre, ohne sich der Ditchina- Bahn zu be mächtigen und die zwischen China   und der Sowjetunion   bestehenden vertraglichen Beziehungen abzubrechen. Die wirklichen Hinter gründe des gewaltsamen Vorgehens an der Ostchina- Bahn er hellen besonders aus einer in der Presse veröffentlichten offiziellen Erklärung Tschiangraischets.

Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit China  durch die Moskauer   Regierung stellt die letzte Etappe vor dem Ausbruch des Krieges dar. Aber es bedeutet noch nicht ben Krieg selbst. Mehrfach sind schon diplomatische Be­ziehungen jahrelang abgebrochen gewesen, ohne daß es des­halb zum offenen Krieg gekommen ist. So sind die diplo matischen Beziehungen zwischen London   und Mostau feit vier Jahren unterbrochen, ohne daß eine einzige friegerische Handlung zwischen den beiden Mächten stattfand. Ebenso bestehen seit mehr als einem Jahrzehnt zwischen Amerita

China rechtfertigt die Bahnbesehung. Kowno  , 18. Juff. Meldungen aus Geschäftsträger in Mostau am Mittwoch vor dem Abbruch der Mostau zufolge hat der chinesische diplomatischen Beziehungen dem stellvertretenden Außenkommissar Starachan die Antwortnote der Nankingregierung auf das Ultimatum übermittelt. In der Note wird darauf hingewiesen, daß die diplomatischen Beziehungen seit dem Abschluß des chinesisch russischen Abkommens im Jahre 1924 fich wesentlich gebessert hätten. In der letzten Zeit habe die chinesische   Regierung dagegen eine organisierte Propaganda zur Verhegung des chinesischen Volkes gegen die Regierung festgestellt. Aus diesem Grunde sei die Haussuchung im sowjetrussischen Konsulat in Charbin vorgenommen worden. Die chinesische   Regierung habe mehrfach Berichte, darüber erhalten, daß der sowjetrussische Leiter der oft chinesischen Eisenbahn und seine Mitarbeiter das Abkommen über die gemeinsame Verwaltung der Bahn nicht eingehalten hätten. Darauf seien die chinesischen Maßnahmen zurückzuführen. Die Verantwortung für die Nichteinhaltung des Abkommens liege

fomit auf der sowjetrussischen Seite. Außerdem Jeien nicht weniger als 1000 Chinesen in Rußland   grundlos von der GPU. vers haftet worden, während die chinesische   Regierung russischen Kauf­leuten in China   größtes Entgegenkommen erweise. Die chinesische  Regierung verlange die Freilassung der verhafteten chinesischen Staatsbürger und werde die gleichen Maßnahmen in bezug auf die Angestellten der ostchinesischen Eisenbahn ergreifen, falls ihre Forderungen erfüllt werden.

Amerika   wegen Chinas   Erfolg besorgt Es fürchtet für die eigenen Vorrechte.

London  , 18. Juli.

Der stets gut unterrichtete Washingtoner Korrespondent der ,, Times" meldet: 3u einer Zeit, wo die Ereignisse im Fernen Osten das Staatsdepartement mit Sorge zu erfüllen beginnen, wird be­kannt, daß die japanische   Regierung im Begriffe ist, auf dem amerikanischen   Markt eine Anleihe für die südmandschurische Eisen­ bahn   zu suchen. Die Verhandlungen werden hier von Baron Dtura geführt werden. Es läßt sich natürlich noch nicht voraussagen, welches Ereignis sie haben werden. Sollte das Staatsdepartement der Emission einer solchen Anleihe nicht freundlich gegenüberstehen, dann würden die Gründe ausschließlich politischer Art sein. Es wird in sehr vorsichtiger Form angedeutet, daß feine Neigung besteht, neue große amerikanische   Interessen in einem Gebiete ent­stehen zu sehen, deffen Status möglicherweise später einmal streitig sein wird, zumal die Vereinigten Staaten   bereits genug Interessen zu verteidigen haben. Die Berichte aus Pefing, denen zufolge die Nationalregierung bald den Verfuch machen wird, sich der ausländi­schen Konzessionen und Vertragsrechte zu entledigen, werden sehr aufmerksam verfolgt. Auf dem Weg zu diesem Ziele würde der nächste Schritt die Forderung nach Aufgabe des Gesandt­schaftsviertels in Pefing sein. So war es selbstverständlich, daß die Beschlagnahme der chinesischen Ostbahn durch die chinesi­schen Behörden in Washington   als

der Anfang des nationalen Feldzugs Chinas   gegen alle aus­ländischen Rechte und Vorrechte aufgefaßt

wird. Es ist vielleicht natürlich, daß man hier eher Rußland  als China   günstig gesinnt ist. Im übrigen glaubt vorläufig nie­mand, daß es zu wirklichen Feindseligkeiten zwischen China   und Rußland   kommen wird, denn es wird angenommen, daß China   fich nur soweit vorwagen wird, als es notwendig ist, um eine Ab= änderung des Abkommens von 1924 zu erreichen. Aber ebenso wünscht niemand hierbei China   einen Erfolg, denn das würde es zur weiteren Anwendung der gleichen Methoden, ermutigen, und die Folgen würden für die Bereinigten Staaten ebenso unan­genehm sein wie für andere.

Kein Geld zum Kriegführen da.

London  , 18. Jult. Financial News" fagt, der chinesisch- russische Streit scheine bisher die City nicht besonders beunruhigt zu haben, da ganz abge­fehen von allen anderen Erwägungen, die beiden Gegner schon aus finanziellen Gründen keinen Krieg führen könnten.

Gorge vor dem offenen Kriegsausbruch. Mostau, 18. Juli.  ( Ost- Expreß.) Die Sowjetregierung ist aus ihrer abwartenden Haltung her ausgetreten und hat den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit China   verfündet. Die Maßnahmen, die die Sowjetunion   gegen die notwendigen Gegenzüge gegen die von China   in der China   nunmehr getroffen hat, werden in den politischen Kreisen als Mandschurei unternommenen Gewaltafte und Rechtsverletzungen angesehen. Nach der in Moskau   als völlig ungenügend beurteilten Antwort Chinas   hätte eine weitere Aufrechterhaltung der diplo matischen Beziehungen mit dem Prestige der Sowjetunion   nicht mehr in Eintlang gebracht werden fönnen. Das Bekanntwerden des Bruches hat den Rundgebungen der Massen einen neuen Auffchwung gegeben, doch wird auch jetzt in den Entschließungen der Meetings betont, daß die Bevölkerung der Sowjetunion   zwar den festen Willen hat, feindliche Angriffe abzuwehren, daß aber die volle Verantwortung für einen Kriegsausbruch auf China   fallen würde. Im Fall eines Krieges", so heißt es in einer Refolution der Rostower Arbeiterschaft ,,, werden, wir alle ohne Zögern in die Rote Armee   eintreten." In dieser wie in anderen Entschließungen wird aber zugleich betont, daß das Proletariat teinen Krieg molle.