Der Abend
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Nr. 338
B 168 46. Jahrgang.
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Heidelberg , 22. Juli. ( Eigenbericht.) Reichskanzler Hermann Müller , der zur Erholung in Bad Mergentheim weilte, erkrankte Ende voriger Woche plötzlich an einer hochfiebrigen, eitrigen Gallenblasenentzündung. Am Sonnabend wurden durch den behandelnden Arzt, Dr. Haug, die Geheimräte EnderIen und Krehl aus Heidelberg und Professor Hermann Zondek aus Berlin an das Krankenlager gerufen. Der Reichskanzler, dem die Aerzte die sofortige Operation empfahlen, wurde am Sonntag vormittag im Krankenwagen nach Heidelberg gebracht.
Die Operation wurde am Sonntag nachmittag gegen 17 Uhr durch Geheimrat Enderlen vorgenommen. Bei der Operation zeigte sich an der Gallenblase eine Durch. bruchstelle in die Bauchhöhle. Die Operation nahm einen normalen Verlauf, der Zustand muß als ernst bezeichnet werden.
Wie uns von zuständiger Seite soeben mitgeteilt wird, war das Befinden des Reichskanzlers in den frühen Morgenstunden des Montags unverändert. Zu ernsten Besorgnissen besteht vorläufig kein Anlak.
Der Kanzler leidet schon seit Monaten an einem schweren Gallen- und Leberleiden. Die ersten Berichte über seine Kur in Bad Mergentheim lauteten durchaus befriedigend.
Man muß nun mit der Möglichkeit rechnen, daß der Reichskanzler die Führung der deutschen Delegation auf der tommenden Regierungskonferenz nicht selbst übernehmen fann. Der Umschlag zum Ungünstigen stellte sich plötzlich vor einigen Tagen ein, am Mittwoch verschlimmerte sich der Zustand derart, daß der nunmehr erfolgte Eingriff erforderlich wurde.
In der Nacht zum Sonntag stieg die Temperatur bis auf 39,5 Grad. Die Gattin des Kanzlers, die sich in Berlin aufhielt, wurde sofort verständigt und reiste nach Mergentheim ab. Am Sonntag vormittag wurde der Reichskanzler dann in einem Krantenwagen nach Heidelberg transportiert. Reichsaußenminister Dr. Stresemann, der sich in Bühlerhöhe aufhält, hat am Sonntag dauernd Erkundigungen über den Zustand des Reichstanzlers eingezogen. Reichsinnenminister Severing, der vor Antritt seines Urlaubs zweds Teilnahme an den Festspielen in Heidelberg weilt, hat fich am Sonntag längere Zeit an dem Krankenbett aufgehalten.
Heidelberg , 22. Juli. ( Eigenbericht.)
Das Befinden des Reichskanzlers ist am späten Vormittag gut, die Temperatur geht zurück. Zu unmittelbaren Besorgnissen ist kein Anlaß.
Bremen " noch heute in New Hort.
Ankunft mit Spannung erwartet. New York , 22. Juli. Die ,, Bremen " legte am Sonntag 705 Meilen, das find 28,2 Knoten in der Stunde zurück. Da Aussicht auf klares Wetter besteht, dürfte die Ankunft der ,, Bremen " am Leuchtturm im Ambrose- Kanal bereits um
3.30 Uhr amerikanischer Zeit, an der Quaran
täne- Station um 4 Uhr und am Brooklyn - Dock um 5,30 Uhr erfolgen.
Berichte von Bord des Dampfers beschreiben die Fahrt als beispiellos ruhig. Die Paffagiere wollten faum glauben, daß fie bereits heute nachmittag New York sehen würden. Der Reforderfolg sei nicht in geringem Maße der Navigationskunst des Kapitáns 3iegenbein zuzuschreiben, der geschickt die Gegenströmungen des Golfftroms zu vermeiden verstanden habe,
Die Morgenblätter berichten in großer Aufmachung von der zwischen 5 und 7 Uhr nachmittags erwarteten Landung der Bremen " und stellen Vergleiche mit früheren Retordfahrten an, von dem Raddampfer Savannah " an, der im Jahre 1819 26 Tage für die Ueferfahrt brauchte, bis zum letzten Rekord der Mauretania" im Jahre 1928 mit 5 Tagen 3 Stunden 14 Minuten
Das
Oben:
Schwimmbassin im Stadion
Unten:
Der Dutzendleich, auf dem die Kanurvettkämpfe stattfinden
Nürnberg , 21. Juli. ( Eigenbericht.)
Was Nürnberg in der Sonnabendnacht zwischen 9 und 1 Uhr erlebte, hat Bayern , hat Deutschland noch nicht gesehen. Glutrot stand nach der untergegangenen glühende Sonne der Vollmond am nächtlichen Stadionhimmel, die Dunkelheit tauchte den mächtigen Fahnenwald in ein tiefes Schwarzrot und Kopf an Kopf standen 60 000 Menschen in einer einzigen Mauer in dem Oval der großen Kampfbahn.
In stummer feierlicher Erwartung harrten die Sinne und die Herzen auf den Beginn eines Festspiels, das in fünftlerischer Entfaltung dem erwachten Proletariat einen Begriff seiner 3deale versinnbildlichen sollte.
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„ Mach dich freit" unter diesem Motto zeigte das Feftspiel eine herrliche Berkörperung des Kampfes für die Freiheit des arbeitenden Menschen aus den Fesseln jahrtausende langer Unterdrüfung und Ausbeutung.
artiger Maffenregie zu einer Geschloffenheit und Harmonie zusamSprechhöre und Bewegungschöre muchjen in großmen, die tiefe Ergriffenheit und dann wieder jubelnde Begeisterung der 60 000 Menschen zu einem einzigen Körper und einem einzigen Willen einte.
,, mach dich frei!" rief die rote Sturmfruppe den in Zügen ankommenden Arbeitsbrüdern und Arbeitsschwestern zu, die sich aus der Dunkelheit in das Licht der Kampfbahn bewegten.
"
Dies war modernes Proletariat in aller gesellschaft lichen Schichtung des Bolfes, aus den Fabriten und kontoren. Mach dich frei!" dröhnte es erschauernd und gewaltig in die Nacht hinaus, jo gewaltig und gebieterifch, daß sie alle, die geiftig und förperlich versflavt dahinleben und-fiechen, wach wurden und, gepadt von stürmischen Mahnrufen, sich schließlich an die rote Sturmtruppe der neuen Menschheit anschloffen. Mächtig brauften die immer wieder fortreißenden Akkorde der Jnternationale durch den freien Raum, über den sich schwarz
der Himmel wölbte. Und dann schloffen sich 20 000 Jugendliche in der Arena zu einem wundervollen harmonischen Gesamtbild zusammen.
In feierlicher Stille sprach mit weithin hallender Stimme der Jugendbundesführer von den hohen 3dealen der Arbeiteriportbewegung, die neben der förperkulturellen Betätigung auch die geistige und sinnliche Verfiefung des ganzen Menschen erstrebt. Kaum, daß das Gelöbnis zur Menschheitserneuerung verflungen, glühten die Fadeln auf und in wenigen Augenblicken ftrömte die ganze Kampfbahn in einem wogenden Flammenmeer. Dazu der Gefang der Internationale und des Liedes Brüder zur Sonne, zur Freiheit! Ein überwältigender Eindrud. Dann bewegte sich das Flammenmeer hinaus aus dem Stadion und in geteilten und wieder vereinigten Schlangen hinein in die Mauern von Nürnberg .
Hunderttausende ffanden an den Rändern des Feuermeeres und nächtigen Kundgebung in den Hauptmarkt, auf dem der letzte Schwur begleiteten die Künder der neuen Menschheit hinein zur mitterin die lodernde Nacht hinausdröhnte. Dann wurde es schwarz und ffill in den alten Mauern Kürnbergs, feine Seele aber war erfüllt von der Idee des roten Proletariats.
Der Festzug.
Der frühe Sonntagmorgen regte zu neuer Taf. Es galt, in einem grandiosen Feftzug der Nürnberger Arbeiterschaft den Dank für ihre Gastfreundschaft abzustatten, zugleich aber auch dem ftillgewordenen Spießbürger die glutvolle Macht der deutschen Arbeitersportbewegung zu zeigen.
In glühender Sonne, aber mit nicht minder heißem Herzen zogen die hunderttausend Turner und Sportler beiderlei Geschlechts mit leuchtenden Augen und nicht endenwollenden Frei- Heil!. Rufen in drei Stunden durch Nürnberg . Es war ein unvergeßliches Bild: die frohen Augen des Arbeiterjungwolfs der