Vienskag 23.3u(t 1929
Unterhaltung unö ÄNissen
Beilage des Vorwärts
Ossip malenler: HlOClelatf Vietl
Es war ein« Sensation, und niemand Geringeres als die Gräfin Mag n an d'Orgueil gab dazu Anlaß� Die Zeitun- gen waren voll davon, die Abgeordneten aller Parlamente ver- wendeten die Tatsache, um ihren Reden damit eine pikante Note zu geben, und die Geistlichen aller Konsessionen benutzten die Ge- legenheit, um Ihren Gläubigen wieder ein Beispiel von der Der- derbtheit dieser Welt vor Augen zu führen. Der berühmten Gräfin Magnan d'Orgueil, dem Titelblatt aller Magazine, dem Traum oller Snobs, dem Inbegriff des Schicks und der Summe der Elegan,;, dieser bewunderten, gefeierten und beneideten Frau war es eingefallen, das strahlend blonde, fein« und reiche Haar ihres Bubcnkopfes, kurz wie ein Rasen, nicht mehr schneiden, sondern wachsen zu lassen, lang und wild, wie es wollte... Es war eine Sensation. Zuerst bedeckte das Haar nur den Racken und die schmalen Schultern, und damals hielt es die Gräfin mit einer goldenen Spange gerasft.„Damit es ihr nicht in die Suppe hängt," be- merkte ein Witzbold. Bald aber fiel es ihr wirr und wüst, in langen, barbarischen Locken bis zur Brust. Die Damen der Gesellschaft fanden es skandalös, und st« stimmten hierin völlig mit den Frauen des Bürgerwms, den braven Familienmüttern und Haussrauen, übercin. Würdige Matronen, die ihr Lebtage lang ihr Haar kurz und mit Anstand getragen hatten, liehen sich zu öffentlichen Schmähredcn hinreihen, und alle Grohmütter schüttelten die in Ehren ergrauten Bubiköpfe und ermahnten ihr« Enkelinnen, iich nicht den schönsten Schmuck der Frau, das gebobbte Haar, zu verschandeln. Die Jungmodchenvcreine konnten sich gar nicht genug tun im llampf gegen diese schändliche Mode, die— welche Torheit fände nicht sogleich Anhänger und Nachahmer!— mehr und mehr um sich zu greisen begann. Als unkeusch, frivol und s i t t e n- l o s bezeichneten sie in ihren flammenden Protesten das lange Haar, als das„flatternde Sinnbild der Sinnenlu st". Während die Aestheten an Hand unserer in allen Lebenslogen Trost spendenden klassischen Philosophie bewiesen, dah es jeder Schönheit, jeder Anmut und alles Edlen ermangele und nichts sei als ein böser, bekämpfenswerter, finsterer Atavismus, gelang Pro- icssor W. E. Wotcrishead von der Gossip-Ilniocrsity in Indiana - polis in einer glänzenden Broschüre der Nachweis, dah es guch in hohem Mahe unhygienisch und der Allgeyieinheit schädlich sei, das Haar länger als 0.<1247 Meter unter dein Ohrläppchen zu tragen; >>0001 Meter wollt« er eventuell zugeben.„Heere von Seuchen nerden diese hählichen Staubsänger und notorischen Bazillenträger über die unglückliche Menschheit bringen", schrieb Prosessor W. C. Wateryhead. Nur die Haarwuchsmittclfabrikantcn und die Dichter waren es zufrieden. Jene lieferten, zum Teil nach den mittelalterlichen Rezepten des 19. und 20. Jahrhunderts, ganz« Ozeane der ver- schiedenfarbigsten Flüssigkeiten, deyen ein« marktschreierische Re- Käme nachsagte, sie bewirkten, dah nach drei Togen die Haar« be- rcits aus der Ftasth" wüchsen; diese hingegen frischten alte Lieder
und Legenden auf, in denen das lange Frauenhaar besungen und bedichtet ward. Allein, das Publikum zeigte sich nicht gewillt, alles das ruhig hinzunehmen. Der gesunde Menschenverstand regte sich, und bald entstaiid Skandal auf Skandal. In Paris brach bei der Aufführung einer uralten, längst verstaubten und vergessenen Oper eines gewissen Debusty, der einst unsere Urahnen entzückte, an- läßlich der Arie„Deines Haares Geranke. Mellfand«.. ein derartiger Tumult aus, dah das Haus, um es vor der sicheren Demolierung zu bewahren, durch Polizei und ein rasch alarmiertes Aufgebot Mjlitär geräumt werden muhte. In Berlin steckten Bubenkopffanatikerinnen ein Theater, das es wagte, ein Mysterienspiel„Ich, Anna Czillag", erneuert von Hofmann von Hugosthal, herauszubringen, kurzerhand in Brand. „Gott sei Dank gibt es noch unverdorbene Elemente, die Zucht und Ordnung zu wahren wissen und sich nicht ihre heiligsten Güter rauben lassen, Frauen von altem Schrot und Korn. Treue, die am Althergebrachten, an den hehren Sitten unserer Väter fest- haitenl" erklärte damals der bekannte Literarhistoriker Bardolf Atels in einem vielbeachteten Leitartikel. Ihren Höhepunkt erreicht« aber die allgemeine Empörung, die die Gutgesinnten aller Nationen in gleicher Weise«rgrifsen hatte, als dieselbe Gräfin Magnan d'Orgueil, die Ihr Haar jetzt, spleenig genug, im Nacken zu einem Knoten verschlungen trug und der, wenn sie es löste(was sie nicht selten und meistens vor Photo- graphen tat), das Haar schamlos und frech bis über die Hüsten hing..., als, so sagte ich, diese kapriziöse und frivol« Frau auf die merkwürdig« Idee kam, ihre Beine bis zu den Knöcheln in weite, wollende Gewänder zu hüllen.„Sie verhüllt sich, um sich besser enthüllen zu können," Wsagte ein Zyniker. Der Widerwille der gesunden, normal empfindenden Frauen kannte keine Grenzen. Wie sollte eine anständige Frau in Kleidern �>ic diesen lausen können? Waren nicht Moral und Gesundheit ärger bedroht als durch die schon verabscheuungswürdig genug anmutende Haarmode? Selbst die ältesten Frauen konnten sich einer ähnlichen Mode- torheit nicht entsinnen, und keine hatte je den Rock länger ge- tragen als bis zum Knie. Auch hier blieben die Proteste nicht aus. Nicht selten geschah es, daß Frauen, die sich in den langen und bauschigen Rock- Ungetümen der Gräsin Magnan blicken ließen, einfach entkleidet wurden, oder aber die empörten Hüterinnen der Tradition und Wohrerinnen des Schicklichen schnitten ihnen die ketzerischen Kittel zwei Hand breit überm Knie, wie es sich ziemt«, auf offener Straße ab. Doch alle Mühe und aller Eifer waren vergebens. Kein Hirtenbrief und kein Bölkerbundsdekret vermach- ten zu helfen oder zu hemmen. Auch diese Mode, von«nbe- denklichen, leichtsinnigen Geschöpfen getragen, von gewissenlosen Männern unterstützt und gefeiert, gewann mehr und mehr An- hängerinnen, und schticßlich trugen den Bubikopf und den knie- freien Rock nur noch die Frauen gewisser sittenstrenger, puritani, scher Kreise: Pastarengattinnen, die Witwen der Generäle und alte adelig« Stiftsdamcn.
Viel versprochen und nichts gehalten Vriumpftzug und Ende„epochaler" Erfindungen
Das Wort„Erfinder" hat keinen guten Klang. Man denkt dabei an einen Menschen, der mit irgendeiner halb- verrückten Idee herumläuft, olles mögliche oerbessern will, aber nichts rechtes kann und weiß. Diese Vorstellung hat zweifellos eine aewiffc Berechtigung, denn es gibt in der Tot«in« Menge solcher Erfinder. Allerdings gibt es auch andere Arten von Erfindern: Erfinder, die mit ihre» Erfindungen ihrer Zeit vorausgeeilt sind, ja sogar solche, die nichts erfunden und nicht zuletzt Erfinder, die etwas , norbeierfunden" haben, das heißt irgend etwas Großes„fast" er- sannen, ohne daß die großen Verheißungen, die man daran knüpfte, sich verwirklicht hätten. Es ist bekannt, daß die Sonne der Erde mehr als hundert- tausendmal soviel Wärme zuführt, als von der insgesamt verbrannten Steinkohl« erzeugt wird. Es lag daher die Frage nahe, ob es nicht möglich wäre, die Sonnenwärme unmittelbar in mechanische Energie umzuwandeln. Gelehrte des Altertums sprachen schon'solche Gedanken aus. Die Möglichkeit einer praktischen Ver- wirklick'ung rückte jedoch erst dann in die Nähe, als einige Jahre vor dem Kriege der Amerikaner S h u m a n in Aegypten eine große Anlage aufstellte, die die Sonnenwärme mit fünf drehbaren Riesen- spiegeln von je 210 Quadratmetern Fläche auf einen Dampfkessel konzentrierte. Selbst Sachverständige sprachen damals äußerst verheißungsvoll über diese Bersuche, und vor den Augen der Welt eröffneten sich plötzlich phantastische Perspektiven: die afrikanischen Wüsten unter Zuhilfenahme von Sonnenenergie zu bewässern, der Kultur zu erschließen und die Lebensbedingungen für den Europäer in den Tropen durch Erzeugung von Kälte(durch Sonne!) zu verbessern, kurz nach den sensationellen Berichten wurde der Sonnenapparat in aller Still« abmontiert. Und die Sahara wartet noch heute auf ihre Bewässerung durch die Sonnen- kraftmaschine, trotzdem seit ihrer Erfindung drei Jahrzehnte ver- flössen sind.— Sonnenkraftmaschinen haben auch nachher viele er- funden, ohne jedoch zwischen Theorie und Wirklichkeit ernste Brücken geschaffen zu haben. Die neue Energiegewinnung spielt überhaupt seit Jahr und Tag bei den Erfindern eine große Rolle. Taucht eine Theorie auf, wie zum Beispiel die des Prof. Plauson, der in seinem Buche, das vor Iahren großes Ausehen erregte, darzulegen suchte, daß man die Lustelektrizität zur Energiegewinnung heran- ziehen könnt«, und ein Drittel des deutschen Territoriums genügen würde, um 700 Millionen l'L. auf dies« Weise zu gewinnen, so nimmt die Welt diese Hypothesen gern für bare Münze und stellt sich die Verwirklichung als ein« Kleinigkeit vor. Auch Ebbe und Flut werden immer als neue Kraftquelle in Betrocht gezogen, und auf Grund einer Formel von Einstein stellen besonders befähigte Träumer selbst die.innere Energie der Atome in den Dienst der Menschheit und phantasieren davon, den Wärmebedarf der ganzen Wellwirtschast, die jetzt die Verbrennung von 1500 Millionen Tonnen
Steinkohle nötig macht, einst durch die Zertrümmerung der Atome von etwa 500 Kilogramm Sand decken zu können. Zweimal in diesem Jahrhundert sah es so aus, als ob das geheimnisvolle Phänomen der Wünschelrute, durch die unter- irdische Quellen, verbbrgene Schätze, Verbrecher usw. aufgefunden werden sollten, gelöst worden wäre. Im Jahre 1902 setzte sich ein Landrot B ü l o w- B o t h k a m p für dos Problem ein, und feine Beobachtungen wurden durch Gelehrte van Rang bestätigt. Doch seine mathematisch-physikalifche Grundlage, die er für die Frag« des Rätsels der geheimnisvollen Zweiggobcl gefunden haben wollte, bewährte sich ebenso wenig, wie 1909 die des Dr. Aigner in München , dessen Experimente und scheinbaren Erfolge auf kurze Zeit die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf sich zu lenken vermochten. Den modernen Üllchimisteir geht es auch nicht besser als ihren Vorfahren. Man erinnert sich wohl an die vor einigen Jahren verbreiteten Nachrichten, die allmählich zu einer Weltsensation wuchsen, daß es dem Prof. M i c t h c gelungen wäre, aus Queck- filber durch Zerstörung des Quecksilberatoms Gold herzustellen. Die ganz««tssenschaftlichc Welt geriet in Aufruhr, und»ach jähre- langen harten Pro- und Kontra-Disputen endete der Kampf mit der Niederlage von Prof. Miethe. Es stellte sich hierbei heraus, daß Micth« das Opfer eines wissenschaftlichen Irrtums geworden war, und daß das Gold, das er fand, Naturgold und nur ein Bestandteil des Quecksilbers war, womit er experimentierte. Die Jahre des Weltkrieges boten eine sehr düstere Gelegenheit für großartige Erfindungen. Einige von ihnen wirbelten viel Staub auf, doch ihr praktischer Wert stellte sich bald als nichtig heraus.— Dem Nahrungsmittelmangel zufolge befaßten sich namhafte Wissenschaftler mit der Frage, Heu und Stroh, bzw. Holz zu Brot zu verarbeiten. Doch muhten die enthusiastischen Erörterungen bald verstummen, da es sich herausstellte, dah diese Erzeugnisse ohne jeglichen Nährwert waren.— Zur selben Zeit erhielt eine große deutsche Industriefirma Patent auf die Herstellung von künstlichem Leder. Es wurde behauptet, daß Bakterien oder Schimmelpilze, auf Bierwürze übertragen, und einer gleichmäßigen Wörme ausgesetzt, rasch zu starken Häuten heran- wachsen. Bei entsprechender Behandlung sollte aus diesen Gebilden «in dem natürlichen Oberleder ähnliches und„vollauf gleich- wcrtiges" Erzeugnis gewonnen werden, das bei entsprechender Weiterbehandlung sogar zu einem Lackleder verarbeitet werden könne. Diese Erfindung brachte ihren geistigen Bätern auch kaum Millionen ein. Auf dem medizinischen Gebiet kommen Ueberraschungen und Fehlschlüge noch am seltensten vor, denn hier wird das„Nur- Schritt-für-Schritt-Vorwärts" am konsequentesten durchgeführt. Doch ganz ohne Enttäuschungen geht es auch hier nicht zu. Gemeint sind nicht solche sensationslüsternen Meldungen, die Jahr für Jahr sämt- lich« unheilbaren Krankheiten durch ein« neue Heilmethode als heil- bar vorgeben, vielmehr jahrelange Ergebnisse ernster Forschung?- arbeit, denen auch der gewissenhafteste Mediziner zum Opfer fallen
kann. Solch«in Versagen wurde 1910 die Entdeckung des„M e s o- t h o r i u m s" durch den Berliner Chemiker Hahn, von dem behauptet wurde, daß es an Radioaktivität selbst das Radium über- treffen sollte. Ebenso wird wohl auch die Tuberkulose- H ei l m e t h o d e des Kopenhagencr Professors M ö I l g a a r d, dessen Goldprttparat„S a n o c r y s> n" den Erwartungen nicht ganz entsprach, als ein Fehlschlag zu bezeichnen sein. Auch andere Experi- mente, von denen von Zeit zu Zeit siegreiche Nachrichten durch die Welt gehen, wie zum Beispiel die erfolgreiche Beeinflussung d«s Geschlechtes bei dem werdenden Kinde oder die verschiedenen Ver- jüngungsmethadcn, haben vorläufig nicht die Bedeutung, die man ihnen gern zuschreiben möchte. Die„umwälzenden" Erneuerungen, die das Musikleben unserer Zeit erfahren hat, verdienen«in besonderes Kapitel. 1925 wurde das Farblichtklavicr des Pianisten Alexander Laszlü vorgeführt, das zwischen Ton- und Farbkunst eine Ver- bindung herstellen sollt«. Bei seiner Würdigung sprach man schlecht- hin von dem Werden einer neuen Kunstgattung: man beabsichtigt«, eine Farblichtakademic zu gründen, sarblichtmusikalifche Konzerte zu veranstalten, und das Dessauer Bauhaus wollte nicht nur für den Konzertsaal, sondern auch für den Hausgebrauch Farbcnorgeln bauen. Die Farbenmufik war monatelang das beliebteste Thema.— Wer spricht aber heute noch davon! Auch Prof. Theremins Aetherwellenmusik bezeichnete man als ein wahres Wunder, von dem es sich nur in Superlativen zu sprechen schickte. Der Menschheit Träume von der Sphärenmusik sah man verwirklicht, als ohne Instrument, nur durch Annäherung oder Entfernung der Hände des Meisters, auf einem dem Aether entnommenen Griffbrett Musik entstand. Auch hier war es„nicht abzusehen, welch umwälzenden Möglichkeiten hier Raum geboten" wäre— und wer würde dieser Erfindung heut« mehr Bedeutung beimessen als der einer immerhin sensationellen V a r i et ö n u m m e r. Allerdings find das Erfindungen der allerletzten Zeit, über die man noch kein abschließendes Urteil fällen kann. Doch wenn man allen Nachrichten hätte Glauben schenken können, so wäre das ganze Schiffahrtswcsen durch Flettners Rotorfchiff revo- lutionicrt, wobei es sich jedoch herausstellte, daß diese Erfindung, von der die ganze Welt als der größten des Jahrhunderts sprach, den übergroßen Erwartungen kaum entsprach. Auch stünde heut« das ganze E i f« n b a h n wc f c n auf dem Kopf, denn die„genialen" Erfindungen von Einschienenbahnen hätten ihren zwei- schienigen Genossen längst den Rang abgelaufen. Unser Glos, das sich Jahrtausende lang so gut bewährt hat, wäre schon längst durch „biegsames" und„unzerbrechliches"-Hartglos oder durch das „ideale Fenster" aus Bauinwolle ersetzt. Und Gold hätte» wir wie Sand am Meer, denn das Merwasscr enthält bekanntlich Gold, das man ihm— wenn auch nur in der Theorie— immer wieder abringen wollt«. Kohle- und Wasserkraft hätten wir nicht mehr nötig, feit der Wiener Ingenieur Schabendsky uns die Elektrizität?- gewinnung aus der Luft ermöglicht hat. Sonne hätten wir, soviel wir wollten, denn den Amerikanern B a n c r o f t und W a r r e n ist«s gelungen, mit elektrisch geladenem Sand die Wolken zu vertreiben. Und Regen hätten wir nach Herzenslust, wenn wir noch dem Muster der Amerikaner H a i g h t und Davis Wettertürme bauen würden, die die Wolken magnetisch anziehen und sie zur Entladung zwingen. Diese Erfindungen waren dennoch keine Bluffs, vielmehr Arbeiten, für deren erfolgreiche Durchführung nicht selten ein halbes Leben geopfert wurde. Nur sind sie von der Zeit, diesem größten und gerechtesten Richter der Weltordnung, gewogen und für zu leicht befunden worden, weil bei der Rechnung irgendwo ein Fehler unterlaufen ist, der nicht mehr zu korrigieren war. Dr. Nikolas Aranyofi.
f in Wlaler, der feine Siildcr nidil verkauf le Trotz aller seiner Riescnbilder, trotz all des Aufsehens, das fein Atelier durch Jahrzehnt« hindurch gemacht hat, ist der belgische Künstler Anton Joseph W i e r tz(gest. 1865) nicht in die cigeiüliche „.Kunstgeschichte " hineingekommen. Kurze Zeit glaubte man, es bei ihm mit einem Künstler von den Ausmaßen eines Rubens, eines Michelangelo zu tun zu haben, die belgische Regierung ließ ihm ein Atelier von der Größe eine» Kirchenhalle bauen, und die Zeitungen aller Nationen belustigten sich sehr, als Wiertz sich den Spaß machte. der Poriser Ausstellungskommission, nach mehrfachen Ablehnungen seiner Arbeiten, ein echtes Werk von Rubens einzureichen und dann lochend der Welt zu verkünden, daß mich Rubens von den erlesenen Kunstrichtern der Jury Frankreichs abgelehnt worden fei. Aber als sich die Lust an den Sensationen ersättigt hatte, und man dahinter gekommen war, daß verblüffende Nachahmer-Geschick- lichkeit noch kein Beweis für starke Künstlerfchaft ist, und daß Riesenformatc noch keineswegs„große Kunst" zu umschließen brauchen, ebbte das Interesse für Anton Joseph Wiertz' Kunst schnell ab. Man sah in dem„Wiertz-Museum ", seinem Atelier, nicht viel mehr als«in Panoptikum,«inen Anziehungspunkt für reisende Gaffer und Sensationslüsterne. Vielleicht ist aber auch dieser Standpunkt nicht der richtig«. Denn eine„Persönlichkeit", ein„Original" war Wiertz in jedem Falle. Dafür spricht schon die folgende Anekdote: Wiertz war niemals dazu zu bewegen, eines seiner Gemälde zu Verkäufen. Ein Porträt, das ihm in Auftrag gegeben wurde, das ließ er sich gern bezahlen, denn die Wiedergabe eines'AntlitzesD schien ihm— wie di« Arbeit eines Photographen— eine Arbeit aus zweiter Hand, gewissermaßen Handwerkerarbeit: und jede Ar- beit war ihres Lohnes wert. Aber Ideen, die ans der Tiefe feines Inneren herauswuchsen, Gestalten, Schöpser im höchsten Sinne sein, das war doch wahrlich kein«„Arbeit"! Man konnte doch feine„Kinder" nicht verkaufen! Als fein„Kampf um den Leichnam des Patroklus" in London ausgestellt worden und ungemessenes Aufsehen erregte, wünschte die Königin von England, das Bild zu kausen. Wiertz aber erklärte, daß es gegen feine Grundsätze sei, ein Bild zu verkaufen, daß er aber mit großem Vergnügen bereit sei, das Gemälde der Königin zu schenken. Do Wiertz sich aber auch nicht Einmal bereit finden lieh. ein Gegengeschenk anzunehmen, verzichtete die Königin begreiflicher« weise auf den Besitz. Merkwürdigerweis« hielt Wiertz es für weniger gegen die Würd« seines künstlerischen Schossens verstoßend, w-nn er seine Bilder für Geld sehen ließ. Da er keineswegs reich war, lebte er im wesentlichen von den 50 Centimes Eintrittsgeld, die eins alte Magd an der Türe seines Ateliers einkassieren mußt«! Denn Porträt- auftrüge kamen nur selten� V o.