Einzelbild herunterladen
 

BERLIN  Freitag 26. Juli 1929

Der Abend

Etichetat täglich außer Sonntags. Zugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Erpedition; Berlin   SW 68, Lindenstr. 3

66

Spätausgabe des Vorwärts

10 Pf.

Nr. 346

B 172 46. Jahrgang.

anzeigenpreis: Die einspaltige Nonpareillezeile 80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Bosscheckkonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H.. Berlin   Nr. 37 536. Fernsprecher: Denboff 292 bis 297

Das Adelsbegehren.

Hugenbergs Volksbegehren ohne Volf.- Fürsten, Grafen und Ritter

Für das Boltabegehren" lautet die Ueberschrift einer neuen Namensliste derer, die dem Hugenbergschen ,, Reichsausschuß für das deutsche Voltsbegehren" bei­getreten sind. Die Liste enthält genau 38 Unterschriften. Davon führen neun Unterzeichner das Abelsprädi. tat, einer bezeichnet sich als Ritter, einer als Frei. herr, einer als Graf und einer als Fürst. Dem Beruf nach befinden sich unter den 38 sieben ehe. malige höhere Offiziere, davon fünf ehe. malige Generäle.

Als ersten der Generäle lesen wir: von Behrendt, General  ber Infanterie. Ein General von Behrendt war es, der feinerzeit nach der Ermordung Erzbergers am Telephon die klassischen Worte fprach: Ein Glüd, daß das Schwein tot ist. Jeht hole ich thir aus ineinem Keller die beste Pulle herauf." Es wäre für die Deffent­lichkeit intereffant, zu erfahren, ob der Inhaber dieses urdeutschen Gemütes mit dem Aufrufunterzeichner identisch- ist?

Ferner befinden sich unter den 38 fieben Professoren, ein Privatdozent, ein Staatssekretär a. D., sowie ein Duhend Justizräte, Medizinalräte,£ andgerichtsdiret. foren und fonftige höhere Beamte. Schließlich vereinigen fich gegen die Republit auch noch: der Romanschriftsteller Rudolph Herzog, der Reichsverbandsgeneral von Liebert( hei lewet noch!) und der Generaldirektor Kirdorf  , einer der bekanntesten fchwerindustriellen Scharfmacher.

Alles in allem: eine erlesene Korona. Aber wo ift das Bolt, das man doch schließlich für ein Boltsbegehren braucht?

Bombe verschwunden.

Der rätselhafte Fall des Landgerichtsdirektors. Nach der Meldung eines Berliner   Mittagsblattes soll der be fannte Berliner   Landgerichtsdirettor Bombe aus Neuglobson am Etechlinsee, wo er einen Ferienurlaub verbrachte, auf unaufgeklärte Weise verschwunden sein. Als der Landgerichtsdirektor nach Ablauf feines Urlaubs nicht nach Berlin   zurückkehrte, stellte ein Freund Erfundigungen nach ihm an, die ergaben, daß Bombe schon vor mehreren Tagen unter Mitnahme einer Aftentasche sein Domizil verlassen hatte und nicht wieder zurückgekehrt war. Seitdem fehlt jede Nachricht von ihm.

-

Am Mittwoch dieser Woche sollte Landgerichtsdirektor Dr. Bombe seinen Dienst wieder antreten. Er erschien jedoch nicht, und als er auch am Donnerstag seiner Dienststelle fernblieb, wurde in seine Wohnung geschickt. Die dort anwesende Wirtschafterin Dr. Bombe ist unverheiratet- erklärte, daß sie selbst seit mehre= ren Tagen ohne Nachricht sei. Ein guter Freund des Vermißten, Eisenbahndirektionspräsident v. Schiwen, erfuhr von dem Berschwinden Dr. Bombes und begab sich sofort im Auto nach Neu- Globsom. Die Feststellungen, die er bisher dort treffen fonnte, find negativ verlaufen. Das Gepäck Dr. Bombes, das er in feinem Zimmer zurückgelassen hatte, wurde durchsucht, ohne daß es gelang, auf irgendeine Spur zu kommen. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft sind sofort benachrichtigt worden und haben die Ermittlungen aufgenommen.

Landgerichtsdirektor Bombe hat seinerzeit als Borsitzender die Schymurgerichtsverhandlungen gegen die Fememörder im Falle Pannier geleitet. In der Deffentlichkeit wurde damals bemängelt, daß während der ganzen Verhandlung die Deffent lichleit ausgeschlossen war. Landgerichtsdirektor Bombe ist wegen diefer Sache und anderer behaupteter Verstöße seiner Brozeßführung seinerzeit von einem Untersuchungsausschuß des preußischen Landtags vernommen worden. Es stellte sich heraus, daß die Regierung Berhandlung in voller Deffentlichfeit gewünscht hatte, daß aber ein Bedenken des Auswärtigen Amtes, das die Berhandlungen um einige Wochen hinausgeschoben wissen wollte, den Landgerichtsdirektor Bembe zu seiner gegenteiligen Stellung nahme veranlaßt hatte.

Bon amtlicher Stelle wird uns bei Redaktionsschluß bestätigt, daß Herr Landgerichtsdireffor Bombe feit Sonnabend bereits vermißt wird. Nachforschungen, die der Landgerichts­präsident hat anstellen laffen, haben noch zu feinerlei Re­fultat geführt. Dagegen hat sich ein umlaufendes Gerücht, wonach Herr Bombe erschossen bei Neu- Globfow aufgefunden worden sei, nach der amtlichen Mitteilung nicht bestätigt.

Sau- und Judenrepublik straffrei!

Hier sehen Sie, Herr Kollege, was die Justiz

nur durch geschickte Auslegung- aus einem

Paragraphen des Republitschutzgesetzes machen kann.

Frontfämpfer gegen Abrüstung.

Protest gegen die amerikanisch  - englische Einschränkung.

New York, 26. Jufl.

Die Amerikanische Legion  , der Verband der amerikanischen  Fronttämpfer, legte allerschärfften Einspruch gegen die von Hoover abgegebene Floffenerklärung ein und betonte dabei, die Parität sei nur dadurch erreichbar, daß Amerika   sein Flotten­programm durchführe, während England einen Teil seiner Schiffe zerstören müsse. Der Kongreß dürfte jedenfalls bei der Behandlung dieser Frage einen großen Sturm erleben. Staatssekretär Stimson  erklärte, es handele sich bei der Flottengleichheit nicht um eine Doktrin der Kriegsführung, sondern um eine staatsmännische Doffrin, wodurch verhindert werden solle, daß beide Nationen gegen­einander bauen. Sämtliche Flotteneinheiten müßten auf die gleiche Anzahl gebracht werden. Der Vorsitzende des Marineaus­schusses, Britton, erklärte sich gegen Hoover, der unbefugt das mühselig zustandegekommene Marinebauprogramm des Senats angreife.

Mukdener Behörden sei mit der ausdrüdlichen Zustimmung und auf Beranlaffung der Nankinger Regierung erfolgt. Ueber den Gegen ftand der Besprechungen wird dem Daily Telegraph  " berichtet, Tschanghfueliang habe dem Generalfonful gegenüber versichert, daß der chinesische   General   Cu seine Vollmachten bei der Be­feitigung der führenden russischen Persönlichkeiten der chinesischen Ostbahn überschriften habe. China   erkenne den Grundsah der gemeinsamen Kontrolle der Eisenbahn an. Diese grundfähliche Zu­ficherung von chinesischer Seite werde, wie man hoffe, den Weg für allgemeine Verhandlungen ebnen.

Weiter wird dem Daily Telegraph  " mitgeteilt, daß dem russischen Generalkonsul ein Visum nach Charbin erteilt worden sei. Er befinde sich bereits auf dem Wege dorthin, um dort den chinesischen Gesandten in Finnland   zu treffen, der mit einer Mission der Nanfinger Regierung beauftragt sei. In Mukden   sei jedenfalls eine allge: neine optimistische Stimmung festzustellen, ver­stärkt durch den Glauben, daß die ersten Schritte für die friedliche

Gang? Beilegung des Streites nunmehr eingeleitet sind.

Ausgleichsverhandlungen im Gang?

Russisch  - chinesische Besprechungen gemeldet.

London  , 26. Juli.

In einem auf den chinesischen   Linien stark verzögerten Mutdener Bericht des Sonderberichterstatters des Daily Tele­ graph  " heißt es, daß in Tschangtschung, dem füdlichen Endpunkt der chinesischen Offbahn, vorbereitende chinesisch- russische Aus­gleichsverhandlungen zwischen dem Abgesandten der Mutdener Regierung, General Tichanghfueliang, und dem bis­herigen ruffischen Generalfonful in Charbin  , Melnikow, be­gonnen haben. Die Entfendung von Tschanghfueliang durch die

Ruhe in der Mandschurei  .

Paris  , 26. Juli.

Havas ineldet aus Mutden: Entgegen anderslautenden Ge= rüchten ist die Lage in Charbin sehr ruhig. Urteilsfähige Be­obachter glauben, daß eine beträchtliche Entspannung ein­getreten sei. Das Zusammentreffen des Gouverneurs von Kirin und des Oberkommandierenden der an der mandschurischen Grenze mobilisierten Armeen mit dem Sowjetkonsul in Charbin   scheint die Hoffnung auf Wiederaufnahme der Berhandlungen zu rechtfertigen.