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BERLIN   mi sono pi

Sonnabend of 27. Juli 1929

350 Grit dunh

Der Abend

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Stinnes jr. freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft legt Berufung ein.

Unter großem Andrang von Publikum und Presse verkündete Amtsgerichtsdirektor Dr. Arndt heute morgen das Urteil im Stinnesprozeß:

Die Angeklagten Stinnes, Nothmann, Leo Hirsch   und Schneidt werden freigesprochen. Es werden verurteilt: Der Angeklagte v. Waldow wegen gemeinschaftlichen Betrugsversuches zu 4 Mona. ten Gefängnis, wovon sieben Wochen durch erlittene Untersuchungshaft verbüßt sind;

der Angeklagte Bela Grosz wegen gemeinschaft­lichen Betrugsversuches zu vier Monaten Gefäng nis, wovon eine Woche durch erlittene Untersuchungs. der Angeklagte Eugen Hirsch wegen Beihilfe zu ver­suchtem Betrug zu 3000 M. Geldstrafe, hilfsweise zu

haft verbüßt ist,

einem Monat Gefängnis.

qufgewertet werden könnten. v. Baldom habe dann Stinnes das Geschäft in Hamburg   angetragen. Stinnes habe die Hinzuziehung Nothmanns verlangt, der ihm nochmals das Geschäft in der Form vorgetragen habe, daß auf Grund eines Staatsvertrages alter An­leihebesitz durch neue Anleihen komplettiert werden könnte. Stinnes, der damals besonders viel zu tun gehabt habe, da er die Krise seiner Firma durch Gewährung der amerikanischen Anleihe überwunden hatte und mit der Wiederaufbauarbeit beschäftigt war, habe dann erklärt, daß er sich beteiligen wolle, zwar nicht mit eigenem Geld, aber mit Mitteln, die ihm von befreundeter Seite zur Verfügung gestellt würden. v. Waldow und Nothmann seien dann wieder nach gleichen Beise das Geschäft schilderte. Dieser habe sie dann zu Paris   gefahren und zu Eugen Hirsch gegangen, der ihnen in der Schrandt geschickt, dem Generaldirektor der Banque Centrale  . Dieser habe ihnen einen Aftenschrank gezeigt, in dem sich angeblich für mehrere Millionen deutsche Anleihen befanden und bei dem deutschen   Sonderkommissar in Baris über die Aufwertung er habe ihnen und den anderen Angeklagten gesagt, daß man sich

Die Kosten des Verfahrens fallen, soweit Frei sprechung erfolgt ist, der Staatskaffe, im übrigen den ber­urteilten Angeklagten zur Last. Waldow wird eine Beerkundigen könnte. Leider sei keiner der Angeklagten zu dem Staats­währungsfrist von 3 Jahren zugebilligt.

Wie wir erfahren, wird die Staatsanwaltschaft gegen das heute ergangene Urteil in vollem Umfange Be­rufung einlegen.

Die Urteilsbegründung.

Zur Begründung des Urteils führte Candgerichtsdirektor Dr. Arndt etwa folgendes aus:

"

,, Wenn ich jetzt dazu übergehe, die Urteilsgründe mündlich vor. zutragen, so möchte ich zu Beginn meiner Ausführungen darauf hinweisen, daß ich selbstverständlich nur die wesentlichsten Urteilsgründe vortrage. Welche Fülle von Rechts- und Tat. fragen zu erörtern waren, möge man daraus ersehen, daß das Gericht mehrere Tage zur Beratung gebraucht hat. Die Straf. taten, die den Angeklagten zur Laft gelegt werden, führen uns zurüd in die Zeit nach der Inflation, als durch die Inflation die Mart entwertet war. Dadurch hatten weite Kreise des Voltes ihr Bermögen verloren, und nachdem die neue Währung errichtet war und es sich herausstellte, daß die Währung stabil war, da erhob sich immer lauter im Bolle der Ruf nach Aufwertung. Diesem Berlangen tam die Gefeßgebung nach durch die Aufwertungsgesetz­gebung. Das Anleihe ablösungsgeset basiert auf dem fundamentalen Grundsaß, daß

Altbefih und Neubesih unterschieden

werden müsse und daß diejenigen, die durch nicht rechtzeitige Ab­stoßung der Reichsanleihen geschädigt waren, durch das Gesetz belfergestellt werden sollten. Auf diesem Grundfah beruhte das Anleiheablösungsgefeß."

Zu den Straftaten selbst übergehend, betonte der Borsigende: Ich möchte zunächst auf die Schwierigteiten hinweisen, die in diesem Prozeß der

tommissar hingegangen, sonst hätten sie feststellen müssen, daß kein

Albert Grzesinski  ,

der preußische Minister des Innern, vollendet am Sonntag, 28. Juli, hat als Metallbrüder gelernt und gearbeitet und wurde später Ge­sein 50. Lebensjahr. Genoffe Grzesinsti stammt aus Pommern  . Er schäftsführer des Metallarbeiterverbandes in Offenbach   und Raffel Daneben war er ständig in der sozialdemokratischen Parteiorganisa­tion tätig. 1919 wurde er in den Breußischen Landtag gewählt, dem er auch heute noch als Abgeordneter angehört. Nach dem Kriege hat er sich besondere Berdienste als Leiter des Landespolizeiamtes W in der Befämpfung des Buchers erworben. Von 1925 bis 1926 war er Polizeipräsident von Berlin  , seit Herbst 1926 ist er Innen­minister an Stelle Severings, der damals wegen Krankheit zurücktrat.

Erforschung der Wahrheit, der höchsten Aufgabe des Gerichts, entgegenstanden. Nicht nur, daß die Angaben der Angeklagten miteinander in Widerspruch standen, die Angeklagten haben mit ihren Angaben auch in dem Prozeß mehrfach gewechselt. Es sind Zeugen, die uns über wichtige Punkte Auskunft geben fonnten, nicht gekommen, sie waren nicht zu erreichen, da sie sich im Ausland befanden. Diese Zeugen hätten in diesem Prozeß eigentlich auch unter die Angeklagten gehört. Es wäre notwendig gewesen, biese Zeugen zu vernehmen, um sich über ihre Glaubwürdigkeit ein Bild machen zu können. Aber so war es nicht möglich. Eine Zeugin und auch ein Angeflagter haben in der Haupt­Das Wert, das Semering begann, die Republifanisierung der verhandlung ganz anders ausgefagt als in der Boruntersuchung. Polizei und der Berwaltung, hat Grzesinski   mit zäher Entschluß­Bei dieser Sachlage tann es nicht anders sein, daß der Sachverhalt fraft vollendet. Dant jeiner Energie genießt auch das Flaggen­gemisse Lücken aufweist und daß das vom Gericht hier Geschaffene problem heute in Breußen nur noch untergeordnete Bedeutung. nur Stückwert ist. Die Borgänge, die hier zur Verurteilung standen, Schwarzrotgold hat sich durchgesetzt und gewinnt immer mehr An­fangen an mit dem Angeflagten Schneid. Die Angaben des Anhänger. Die Tätigkeit Grzesinskis liefert überhaupt einen Beweis geflagten Schneid, daß zunächst noch nicht ein Anleihe. dafür, daß dort, wo zielbewußt und entschlossen ans Werf gegangen wird, frog und gegen alle Widerstände für die Republik   und die betrug beabsichtigt gewesen sei, sind durch die Hauptver Arbeiterschaft vieles herauszuholen, hat Grzesinsti die große Aufgabe handlung bestätigt morden." der Umgemeindung im rheinisch- westfälischen Industrie­Der Vorsitzende gab dann eine eingehende Schilderung des Gegebiet in Angriff genommen und zum Ziele geführt. Eine Bor schäfts und betonte, daß sich durch die Verhandlungen in Paris   lage von außerordentlichem Ausmaß, wie sie bisher noch non feiner ber Gebante triftallifiert habe, Regierung bearbeitet und von feinem Barlament verabschiedet wurde, ist damit unter sozialdemokratischer Führung zum Gesetz geworden.

neubeschaffte Anleihen als Allbesih zu frisieren

und als solche anzumelden. Der Angeklagte Eugen Hirsch habe es zunächst so geschildert, als ob ein Staatsvertrag bestünde, nach dem in Frankreich   neue Anleihen unter gewissen Umständen als Altbefiz

Unsere herzlichsten Glückwünsche verbinden wir mit der Hoffnung, daß es dem Fünfzigjährigen noch recht lange vergönnt fein möge, erfolgreich für die Deutsche Republik und deren Träger, die deutsche Arbeiterschaft, an verantwortlicher Stelle zu wirken.

Staatsvertrag mit Ausnahmebestimmungen bestanden habe und das es sich lediglich um einen Betrug handelte. Leider habe auch der Angeklagte Stinnes nicht danach gefragt, ob sich die anderen Angeklagten nach dem angeblichen Staatsvertrag erkundigt hätten. Stinnes habe dann 250 000 2art zur Verfügung ge­stellt, für die deutsche Anleihen in Höhe von 30 Millionen Papiermart aufgetauft wurden.

land und wie auf Veranlassung Schrandts durch den Bankier Der Vorsitzende schilderte weiter die Anleihebeschaffung in Eng­Hendrig in Amsterdam   unrichtige Kaufbescheinigungen ausgeftellt worden seien. Schrandt habe bei dieser Gelegenheit auch nicht mehr geschäft gesprochen. Aus der Aeußerung Schrandts, daß doch die von dem Staatsvertrag, sondern von einem nichterfüllten Termin­Bescheinigungen sehr gut gelungen seien, hätte der Angeklagte v. Waldow merken müssen, daß es sich um Fälschungen han= belte, ebenso aus der Tatsache, daß ein Depotkonto bescheinigt wurde. Stinnes Bericht erstattet, allerdings erst verhältnismäßig spät, gegen nach der Einreichung habe dann Schrandt die erste Geldforderung an v. Waldom gestellt und 200 000 Mart verlangt. v. Waldow habe Beihnachten. Was er ihm berichtet habe, sei nicht mit Sicherheit festzustellen. Der Sonderkommissar habe dann nach längerer Zeit weitere Unterlagen und Bucheinsicht bei Hendrir in Amsterdam   ge­fordert, und v. Waldow sei berichtet worden, daß Hendrig nun nichts mehr nachmachen wolle. Dadurch habe v. Waldow in unzweideufiger Form erfahren, daß die Sache nicht in Ordnung war, und aus seinen Karten ging auch hervor, daß er damals in Amsterdam   ganz ver­zweifelt gewesen sei. v. Waldom habe sich dann mit dem Führer der Anmelder, dem französischen   Deputierten Calmon, in Verbindung gesetzt, und dieser habe für die Herausgabe Provision und einen Borschuß von 120 000 Frank verlangt. v. Waldom habe Stimmes in schonender Weise mitgeteilt, daß hinsichtlich der Echtheit der Anmeldungen gewisse Zweifel beständen. Stinnes habe ihm damals den Auftrag gegeben, aus dem Geschäft herauszugehen, aber

Stinnes wollte fein Geld nicht verlieren.

v. Babow hat sich dann angeblich aus steuerlichen Gründen ins Ausland abgemeldet. Calmon habe in Paris   erklärt, daß der Betrag Don 500 000 m. gezahlt werden müßte, da sonst auf Veranlassung des Sonderfommiffars Anklage erhoben werden würde. Stinnes und Rothmann hätten aber die Bezahlung dieser Summe der= meigert, und der Reichskommissar Heinzmann habe unter seinem Eibe ausgefagt, daß er eine derartige Forderung nicht gestellt habe.

Keine Spur von Bombe.

Seit dem geheimnisvollen Verschwinden des Landgerichts­direktors Mar Bombe aus Neu- Globfow bei Rheins­ berg   find heute, acht Tage vergangen, ohne daß es bisher ge­lungen ist, auch nur die geringste Spur von dem Vermißten zu entdeden. Die Juffiz- und Polizeibehörden stehen vor einem Rätsel und niemand selbst seine engffen Freunde fönnen sich das Verschwinden des 55jährigen er­ flären.

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Inzwischen find von der Schweriner   Polizei einige wichtige Er­mittlungen gemacht worden. Danach hat Bombe in der Nacht zum Freitag in Bechliner Hütte übernachtet. Auf Freitag hielt er sich mehrere Stunden in Rheinsberg   auf und begab sich dann am Nachmittag desselben Tages nach Neu- Globsom, wo er im Fontane- Haus, das in der Ferienzeit voll besetzt ist, mit einem kleinen Mansardenzimmer fürlieb nehmen mußte. Noch am selben Abend hat dann Bombe, nachdem er sein Gepäck untergebracht hatte, das Hotel verlassen und ist erst spät wieder zurückgekehrt. Wie er­mittelt werden konnte, hat Bombe das über 10 Kilometer entfernte Fürstenberg aufgesucht.

Am anderen Morgen stand Bombe schon frühzeitig auf. Er machte einen sehr müden Eindruc; sein Frühstück nahm er im Garten ein und verließ noch vor 8 Uhr den Gasthof. Wohin nun Bombe seine Schritte lentte, bleibt vorläufig ein Rätsel. Bewohner von Dargow, das bei Zechliner Hütte   liegt, glauben am Sonnabend

früh einen Schuß gehört zu haben. Aus diesem Grunde wurde auch dieses Gebiet durchstreift, ohne daß es gelungen ist, eine Spur von Bombe zu entdecken. Auch die Absuchung der Ufer des Stechlin­fees fowie der Forstgebiete ist ergebnislos verlaufen. Eine felt­fame Eintragung enthält ein Notizbuch des Vermißten, das in einem kleinen Handkoffer gefunden wurde. Auf einer Seite steht: Einliegend 100 Mart, im Portemonnaie 80 Mart." Die 100 Mark lagen tatsächlich im Notizbuch. Nur die Absicht eines Selbstmordes fann Bombe veranlaßt haben, auch aufzuzeichnen, was er in der Börse bei sich führte.

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