Jlr. 353• 46 Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Mittwoch, 34. Juli 1929
vir englisch« Arbeiterregierung hat dem englischen Zechenverbond ausgegeben, die Sartellbilduag in sämtlichen Bezirken durchzuführen. Der englische Bergarbeiter oerband hat in Blackpool die Abschaffung de» Achtstundengesetze» für den Bergbau verlaugt und die Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen im internationalen Mahstab. Beide» hat Aussicht auf Erfolg. Ge- nosfe Heinrich Lössler stellt im folgenden die Eutwick- wicklnng de» englischen Bergbau» in den letzten 10 Jahren dar. Ts ist reizvoll, zu untersuchen, wieder englisch« Berg. bau wirtschaftlich steht. Die Möglichkeit dazu bietet eine gute Selbsttoften. und Erlöskontrolle. Die englischen Bergwerks- besitze? find verpflichtet, in besonderen Fragebogen genauen Auf- schluh über Selbstkosten und Erlös« zu geben. Vereidigte Bücherrevisoren nehmen dann an Hand der Fragebogen Stichproben auf den Werken vor. Dadurch verfügt die englische Oefsentlichtest über «in« gute Selbstkosten» und Erlösstatistik ihres Bergbaues. Die Er- gebniffe werden distriktweise zusammengestellt und veröffentlicht. Nach den Berichten sollen rund 9K Proz. der Werk« von der Kontrolle erfaßt sein. Ob die Richtigkeit einem gleich hohen Prozentsatz entspricht, kann hier nicht untersucht werden. Wesentlich aber ist: Bergarbeiter, Parlament, Regierung und die englische Oeffentlichkeit sind davon überzeugt, daß die Kontrolle ein g«- naues Bild über die Lage im Bergbau gibt. Folgende Tabelle gibt Aufschluß über die beschäftigten Berg- arbeiter, Kohlenproduktion und Absatz in Millionen Long-Tonnen und Deputatkohle. gechenseldstver- brauch und FSrderung Absatz Deputatlohle sin Millionen Lonfl-Tonnen) 229,06 205,27 23,87
und über Zechenselbstverbrauch »eschiMat« Bergardeiter
1920 1923 1925 1927 1928
1185 108 1 104«94 1 104 512 910 826 880 585
262,44 235,08 241.14 229,51
240,34 214,35 221,81 211,49
24,08 20,74 19,35 18,03
Die Zahl der beschäftigten Bergarbeiter hat von 1920 bis 192S um 300 000 abgenommen. Der Hauptrückgang erfolgt« von 1925 zu 1927. Dazwischen, im Jahre 1926, lag der Streik, nach welchem 180 000 Mann nicht wieder zur Bergarbeit zugelassen wurden. Trotzdem ist die Kohlen- Produktion auf gleicher höh« geblieben. Darin spiegelt sich die auch im englischen Bergbau vorgenommene R a t i o n a l i- s i« r u n g wider. Die Möglichkeiten der Rationalisierung sind aber im englischen Bergbau noch läng st nicht erschöpft. Darüber muß man sich klar sein. Rachfolgende Ausstellung gibt nun über die Selbstkosten, Erlös, Gewinne bzw. Verlust per Tonne Absatz Aufschluß. Fahr Gesamsselbst kosten Erlö » G«winn(-j-) verluftf—)
Die vom Staat ab 1. August 1925 gewährten Subventionen sind bei dieser Berechnung außer acht gelassen worden, weil sie mit den reinen Selbstkosten und Erlösen nichts zu tun haben. Sie betrugen, auf die Absatztonne berechnet, 1 Schilling 4,07 Pence im dritten Vierteljahr 1925, 3 Schilling 0,37 Pence im vierten Bierleljahr 1925 und 2 Schilling 9,62 Pence im ersten Vierteljahr 1926. Dadurch oerwandelten sich die aus der Gegenüberstellung der reinen Selbst- kosten und Derkaufserlöse sich ergebenden Verluste zu Ueber- schössen auf Kosten der Steuerzahler. Der Oohnanleil an dem verkauferlö» per Long-Tonne betrug 29 Schilling 8,02 Pence im ersten Viertel- jähr 1921 und im vierten Vierteljahr 1921 nur noch 15 Schilling 9,99 Pence. Dazwischen war ein zwölswöchiger Streik geführt worden, in dem die Bergarbeiter unterlagen. Der Lohnonteil ist dann von Jahr zu Jahr weiter gesunken. Einmal durch steten Druck auf die Löhn« und dann auch durch Ansteigen des Förder- anteil». Vor dem Beginn des letzten großen Streiks im ersten Bierteljahr 1926 betrug der Lohnanteil im Verkaufserlös 12 Schil- ling 3,88 Pence per Long-Tonne, und im vierten Vierteljahr 1928 betrug er 9 Schilling 2,21 Pen«. Es ist somit festzustellen, daß der Lohnanteil an dem Verkaufserlös einer Tonn« Kohle vom ersten Vierteljahr 1921 bi» zum vierten Vierteljahr 1928 um 20 Schilling 5,81 Pence gesunken ist. Steter Druck auf den Lohn und ansteigende Förderung haben dies bewirkt. Aeia� Verluste mehr. Wenn nun, auf da» voll« Jahr1928 bezogen, ein Verlust von 9,04 Pence— ungefähr 75 Pfennig— je Absatztonn« festgestellt werden kann, so ist doch nicht zu verkennen, daß sich die Lage gebessert hat. Di« Verluste, die im zweiten Dieneljahr 1928 noch 1 Schilling 5,02 Pence betrugen, waren im vierten Viertel- jähr bi» auf 2,87 Pen« per Absatztonne gesunken und sollen nach Blättermeldungen im Jahre 1929 fast ganz oerschwun- den sein. Nach der Selbstkostenstatistik sst e» gelungen, die cholz- und Betriebsstoffio sten wesentlich zu senken. Sie haben im
ersten Vierteljahr 1921, auf die Absatztonne berechnet. 6 Schilling 9,35 Pen« betragen gegen 2 Schilling 5 Pence im ersten Pierlel- jähr 1923. Im vierten Vierteljahr 1928 betrugen sie nur noch 1 Schilling 6,79 Pence. Daß dieje Kosten so wesentlich gesenkt wer- den tonnten, ist nicht allein auf Preissenkung für Holz- und Betriebsstoffe zurückzuführen, sondern auch auf die sogenannte n« g a. tive Rationalisierung. Man hat den Abbau von Flözen und Gruben eingestellt, die viel Holz und andere Materialien er- forderten. Di« Rentabilität des Bergbaues in England könnte fernerhin
noch weiter gehoben werden, wenn man sich entschließen würde, di« in der Erde lagernden Mineralien zum Staatseigen- t u m zu erklären. Heute gehören sie dem Oberflöchengrundbesitzer, der sich für den Abbau der Kohlenflöze bezahlen läßt. Im Durch- schnitt wird die Absatztonne mit rund 50 Pfennig belastet. Der Grundbesitzer erzielt einen mühelosen Gewinn, der nicht berechtigt ist: denn er ist ja an dem Kohlenvorkommen unschuldig. Ferner würden die Verluste im letzten Jahr etwas gemildert durch das Anziehen der Verkaufspreise(Erlöse). Nachdem dies« seit dem Ab- schluh de? großen Streiks von 1926 stetig gefallen waren, bewegten sie sich seit Herbst 1928 in mäßig ansteigender Linie. Das vernünftigste ist. sich international zu verstän- d i g e n, um die wilden Konkurrenzkämpfe, bei denen oft weit unter den Gestehungskosten abgesetzt wird, auszuschallen. Gerade dieser Verständigung würde durch di« von der Labour-Regierung empfohlene Kartellierung und die von den Bergarbeitern angestrebte Ungleichung der Arbeitsbedingungen sehr stark vorgearbeitet.
Als Anfang Mai vorigen Jahres die Vertreter aller großen Stickstoffgruppen aus den verschiedensten Ländern auf einem Luxus- dampfer im Adriatifchen Meer, abgeschlossen von der neugierigen Oessentlichkeit, ihre zweite international« Konserenz abhiellen, wurde die Well glauben gemacht, daß es sich um rein Wissenschaft- liche und theoretische Dinge handle, und außer über die dämals gehaltenen ossiziellen Vorträge erfuhr man zunächst über die eigent- lichen Gründe dieser Konferenz nichts. Es war aber klar, daß damals zwischen den Hauptinteressenten auch über andere, ganz praktssche Fragen der Marktbeherrschung gesprochen wurde, wenn auch zunächst hierüber nichts verlautete. Schon auf der Adriakonferenz konnte als sicher angesehen werden, daß zwsschen den größten Stick- stosiproduzenten eine Art Arbeitsgemeinschaft be- a b s i ch t i g t war, wenn auch das Verhältnis der Kunststickstojs- Produzenten(drei Viertel der Weltproduktion) zu den Chilesalpeter- Produzenten(ein Viertel der Wellproduktion) ungeklärt blieb. Die Chilevertreter nahmen an der Adriakonferenz nicht teil. Und m den auf die Konserenz folgenden Monaten spitzte sich, insbesondere in Deusschland, der Konkurrenzkampf zwischen dem Chilesalpeter und dem künstlichen Stickstoff, organisiert im Stickstoffsynditat, mehr und mehr zu. Inzwischen ging bei den Chileproduzenten insofern eine wich- tige Wandlung vor sich, als die amerikanische G u g g e n- Heim-Gruppe, die nach neuen, rentableren Versahren arbeitet und hinter der eine große Kaufkraft steht, immer mehr an Einfluß gewann. Insbesondere brachte sie die große englisch -chilenische Lautaro-Gesellschast unter ihre Kontrolle(Lautaro Nitrate Co.). Durch diese vermehrte.Anwendung des Guggenheim-Verfahrens, durch das die Herstellungskosten um etwa 40 Proz. gesenkt werden, und ebenso auch durch entgegenkommend« Maßnahmen der chile - nischen Regierung(Herabsetzung der Erpörtab gaben), durch schärfere Zusammenfassung des Chilesalpeterverkaufs, durch den Eintritt auch des Guggenheim-Konzerns(Anglo Chilean Consolidated Nitrate Corporation) in den Verband der Chilesalpeter-Produzenten wurde die Stellung des Chilesalpeters auf dem Weltmarkt immer mehr gestärkt. Ursprünglich hatte man wohl in Europa , vor allem in Deussch- land, gehofft, daß im Laufe der Zeit der Chilesalpeter voll- ständig niederkonkurriert werden könnt«. Nachdem sich aber in den letzten drei Jahren die Chilesalpeter-Produktion wieder mehr als verdoppelt hat und die Kapitalstärke des Guggenheim- Konzerns hierbei immer mehr zum Ausdruck kam, wurde auch auf deutscher Seite der Wunsch nach einer Verständigung und der Vermeidung eines kostspieligen Konkurrenzkampfes lebendig. So kam es im Juni dieses Jahres zu einer Verständigung zwischen dem Stickstosssyndikat bezüglich seines hauptsächlichsten Mitglieds, der I. G. F a r b e n i n d u st r i«, mit dem chilenischen Finanz- minister und dem chilenischen Salpeter-Verband. Fast gleichzeitig machte Geheimrat Bosch, Vorstand des Verwaltungsrats der I. G. Farben in London bei Lord Melchett, dem Chef des englischen Chemiekonzerns(Imperial Chemical Inda- strics), einen Besuch, und auch zwischen der I. G. Farben und dieser englischen Gesellschaft wurde«in Stickstoff-Sonderabkommen geschlossen. Anfang. Juli wurde ferner bekannt, daß auch die von der I. G. Farben jetzt kontrolliert« Norsk Hydro(Norwegen ) sich dem Vertrag zwischen Chile und I. G. Farben angeschlossen hat. Auf dies« Weise haben sich also bis jetzt schon vier groß« Gruppen zusammengefunden, die insgesamt mehr al» drei Viertel der Weltproduktion an natürlichem und künst- lichem Stickstoff beherrschen. Die großen ilußeasetter. Der Kampf ist damit noch nicht zu Ende. Ein wichtiger Außenseiter sst insbesondere der amerikanisch « Dupont « Konzern, noch wichtiger deswegen weil er vor kurzem die volle Kontroll« über die französische Gesellschaft L'Azot« erworben hat. Die Azote ist«ine Untergesellschoft des französischen Kon- zerns AirLiquide. Dieser Konzern ist Inhaber des bekannten Claude-Lerfahrens und ist an allen Stickstosfunternchmun- gen kapitalmäßig beteiligt, die nach diesem Verfahren arbeiten.
Solche Unternehmungen arbeiten u. a. in Frankreich , Belgien . Deutschland (Kaliindustrie A..G. und Klöckner), Italien , Spanien , Polen , den Balkanländern, der Tschechoslowakei usw. Auch an der Air Liquide selbst hat Dupont sich beteiligt. Ein weiterer großer Außenseiter ist der amerikanische Konzern Allied Chemical and Dy« Corporation, der vor kurzem in Amerika «ine gewaltig« Neuanlage in Betrieb ge- nommen hat. Daneben gibt es in allen industriell einigermaßen entwickelten Ländern zahlreiche Stickstoffbctriebe. großenteUs ausgebaut auf Kohleoerwertung. An vielen dieser Unternehmungen sind direkt oder indirekt Regierungen beteiligt, und verschiedentlich hört man von Bersuchen, diese Industrien durch Absperrung des heimischen Marktes nach außen, durch Stickstoff-Einfuhrverbot« usw. zu stützen. Zumesst Handell es sich freilich um kleinere Produzenten, di« von den Groß. Produzenten, bei denen di« Herstellungskosten erheblich niedriger liegen, nicht sehr gefürchtet werden. Die Reklamepreissenkung— eine Sampfmaßnahme. Der Sinn aller Kartelle sst die Stabilisierung der Preise auf einem den größten Ertrag bringenden Niveau. Da jedoch vorläufig auf dem Stickstoffgebiet die Konkurrenz noch lebhaft fortbesteht. konnte man nicht daran denken, die Abmachungen zwischen den großen Produzenten mit einer Preissteigerung einzuleiten. Es fand im Gegenteil eine geringe Preisherabsetzung statt. Die Pro- duzenten weisen dabei darauf hin, daß di« Preise bereits unter dem Vorkriegsstand liegen. Das erschien manchen als ein großzügiges Opfer. In Wirklichkeit liegen aber die Dinge so, daß heut« die Herstellungskosten für Stickstoff ganz wesentlich unter denen der Vorkriegsjahr« liegen und daß, wenn ein« Verständigung mit Chile nicht zustand« gekommen wäre, ein viel stärkerer Preisrückgang zu erwarten gewesen wäre. Die Abmachungen beziehen sich auf Vermeidung gegenseitiger Preisunterbietung und auf gemeinsame Propaganda. Vielleicht hört man eines Tages auch von gemeinsamen Angriffen auf einzelne Märkte, d. h. von einem gemeinsamen Vorgehen gegen die störenden kleineren Produzenten. Auf dem O e l m a r k t sind ja ähnliche Fälle oftmals bekannt geworden: Preishochhaltung in denjenigen Gebieten, wo keine Konkurrenz bestand, und zeit- weise gewaltiger Preisnachlaß dort, wo noch Konkurrenten bezwun- gen werden mußten. Auch das Ruhrkohlensyndikat befolgt ja diese Politik: hohe Syndikatspreise für die konkurrenz- los bearbeiteten Gebiete, niedrige Kompfpreis« in den Kllstengegenden und im Ausland. Es sst durchaus wahrscheinlich, daß in ähnlicher Form auch die Großproduzenten des Stickstoffs, wahrscheinlich unter Zusammen- arbeit mit der amerikanischen Chemie, ihr« 75prozentige Weltherr- schaft zu einer hundertprozentigen, zum vollen Weltmonopol, aus- bauen wollen. Die Derbraucher— direkt die Landwirt«, indirekt die konsumierenden breiten Massen— haben dann nicht mehr viel zu hoffen.— h. Preßlust verzichtet auf Dividende. Gewianrückstellung bei der Premag-Berlin für neue Betriebe Die Premag, Preßlustwerkzeug- und Maschinen- bau-A.-G. in Berlin-Oberschöneweide gehört schon seit Jahren zu den rentabelsten Unternehmen in der mittleren Berliner Metallindustrie. So konnte di« Gesellschaft bereit« 1926 und 1927 je 8 Proz. Dividende zahlen, und auch für das letzte Geschäftsjahr 1928 war di« gleiche Dividende von der Verwaltung in Aussicht genommen worden. Der plötzliche Beschluß der Verwaltung, den Abschluß für 1928 dwidendenlo» zu lassen, kommt daher überraschend. Wie dem jetzt v«r> öffenllichten Geschäftsbericht und der Bilanz zu entnehmen ist, hängt der Dividendenausfall bei der Premag keineswegs mit Ertraglosigteit oder gar Verluftwirtschoft im letzten Geschäftsjahr zusammen, sondern nur mit einer besonders vorsichtigen Finanzpolitik der Gesellschaft. Infolge Umsatzrückgang durch den dreimonatigen Werftarbeiterstreit und durch di« Aussperrung an der Ruhr Hot die Premag zum Aus- gleich derartiger Umsatzverluste die Fabrikation von Preßluftmaschinen und Werkzeugen für den Hoch, und Tiefbau, Straßenbau sowie fahr-
Zurückgesetzte Preise w•Hm AbtallungM
candashtrtae Lalnan- und Gablldwabaral F. V. Grünfeld QrHBlaa Sondarhaus fUr Lalnan und WHacha Lalpzlgar SiraDe 20-22/ Kurf Uratandamm 227
Restposten, Gelegenheitskäufe Artikel, dla n»ab» rnaba wardan fcünnan. W —— beginnt morgen!