befindlichen stenogrnpWchen Berichte jeneZ Prozesses bewiesen. Das sozialdeniokratische Wahllomitee brachte als Antwort hierauf ein neues Flugblatt zur Ausgabe, betitelt:„Bubenstück be treffend. Der Kronzeuge ist da." Dieses Flugblatt, das die denkbar kräftigste Zurückiveismig der Blum'schen Behauptungen und scharfe Angrisse auf dessen Person enthielt, bildet den Gegen- stand der heutigen Privatklage. Vor einem Jahre stand in der Sache Verhandlung an, aber auf Verlangen des Vertheidigers, Rechtsanwalt Freudenthal, kam die Sache nicht zum Abschluß, da derselbe es für geboten erachtete, daß der Privatkläger, Rechtsanwalt Dr. Hans Blum selbst erscheine. Diesem Antrage gab der Gerichtshof statt und Herr Dr. Hans Blum war dieses Mal höchstpersönlich zur Stelle. Vor Begin». der Verhandlung erklärt sich der Privatkläger zu einem Vergleiche bereit. Er will die Klage zurückziehen, so- fern sich die Beklagten zur Zahlung einer Buße von 100 M. bereit erklären. Die Buße soll zu wohlthätigen Zwecken Ver- wcndung finden. Die Beklagten geben durch ihren Vertheidiger Dr. F r e n d e n t h a l- Berlin die Erklärung ab. daß sie auf den Vergleich nur einzugehen in der Lage seien, wenn Dr. Blum eine Erklärung des Inhalts abgebe, daß er die erhobenen Be- fchuldigungen nicht zu beweisen vermöge. Dr. Blum sagt, er sei zu der Erklärung ganz außer stände, weil dieselbe seinem ganzen Wissen widerspreche. Er habe direkte Zeugen für seine Behauptungen und müsse, wenn die Frage zugespitzt werde, auf deren Ladung und aus Vertagung der Verhandlung bestehen. Ter Vorsitzende be- dauert, daß der Privatklägcr mit dem Beweisantrage nicht früher und so rechtzeitig hervorgetreten ist, daß die benannten Zeugen noch zu der Verhandlung geladen werden konnten. Dr. Freuden- thal-Berlin will einem Vertagungsantrag nicht widersprechen, da die Beklagten an der Klarstellung der Angelegenheit selbst das größte Interesse hätte». Dr. Bluin benennt nunmehr als Zeugen den Redakteur Emil Attenhofer in Zürich . Attenhoser habe über die Verbindungen Bonlanger's mit in Zürich anfhältlich ge- wesenen Sozialdemokraten Wahrnehmungen gemacht und werde zengeneidlich bestätigen, daß von diesen eine Revolution in Deutschland sür den Fall des Ausbruches eines deutsch - sranzösischen Krieges in Aussicht genommen und hierauf bezüg- liche Pläne dem sranzösischen Kriegsministerium vorgelegt worden seien. Der Privatkläger erwähnt dabei eine anläßlich eines in Berlin in der nämlichen Angelegenheit stattgehabten Prozesses von ihm verfaßte, L4 Seiten umfassende Denkschrift und meint, durch die letztere würden die Berliner Prozeßverhandlungen in eine ganz neue Beleuchtung gerückt. Das Gericht setzt vorläufig die Ver- Handlung fort. Die Angeklagten sind mit Ausnahme von Langenstein— der das inkriminirte Flugblatt als Verleger ge- zeichnet hat— sämmtlich Mitglieder des Wahlkomitees gewesen, machen jedoch geltend, daß sie das Flugblatt weder verfaßt noch verbreitet, sondern von dem Inhalte erst nach der Verbreitung Kcnntniß erlangt haben. Langenstein erklärt, die Verfasser des Flugblattes nicht zu kennen. Er habe das Flugblatt gelesen und für die Verbreitung Sorge getragen, weil er es als berechtigte Abwehr der Verleunidungen betrachtet habe, durch welche seine Partei des Hoch- und Landesverraths beschuldigt werde. Nach beendetem Jnquisitorium wird von dem Milvertheidiger Dr. Schnmann-Plauen die Rechtzeitigkeit der Klageerhebung an- gezweifelt. Um diesem Einwand zu begegnen, bringt der Vor- sitzende einen Brief des Verlegers und Besitzers des hiesigen Amtsblattes(„Vogtl. An}.") Wieprecht zur Verlesung, aus welchem hervorgeht, daß Wieprecht dem Dr. Hans Blum am S. Juni 1894 den Inhalt des inkriminirte» Flugblattes mit- getheilt und hinzugefügt hat, diePIauen'schen Sozialdemokraten seien nach dem Wahlerfolge übermüthig geworden und es könne ihnen ein Dämpfer nichts schaden. Es wird hierauf in die Beweis- aufnähme eingetreten und gelangen Schriftstücke aus einem in Magdeburg in der gleichen Angelegenheil stattgehabten Prozesse, sowie durch den gerichtlichen Dolmetscher verschiedene Stellen aus den von Dr. Blum als Quellen angeführten fran- zösischen Berichten und Zeitungen zur Verlesung. Die Verlesungen sind niit langwierigen Verhandlungen verknüpft, da Dr. Blum immer von neuem versucht, dem durchaus klaren Wortlaut der in betracht kommenden Schriftstücks eine Auslegung zu geben, die seine Behauptungen stützen soll. Vom Vorsitzenden wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß man ans den angeführten Quellen doch unmöglich herauslesen könne, daß die gegen deutsche Sozialdemokraten erhobenen Vorwürfe in dem Prozesse gegen Boulanger von deni Gerichtshof, dem Generalstaatsanwalt und den Vertheidiger» sür erwiesen erachtet seien, nimmt Dr. Blum schließlich auf eine» in einer sranzöst- scheu Zeitung erschienenen Artikel des damals flüchtigen Revanche- Generals bczug, in welchem derselbe die ihm schiild gegebenen Unterschlagungen damit zu entschuldigen versucht, daß er durch die Zuwendungen an die Zeitung„L'avenir national" sich Leute habe verschaffen wollen, welche mit den Sozialisten eines gewissen Landes Verbindungen unterhielten. Dieser Leute habe er sich am Vorabend eines Krieges bedienen wollen. Dr. Freudenthal weift darauf hin, daß in dem Artikel davon, daß Boulanger sein Vorhaben gelungen sei, kein Wort steht, vielmehr in demselben hervorgehoben wurde, daß dieses Vorhaben gänzlich mißlungen sei. Auch der Vorsitzende macht den Privatkläger wieder holt aufmerksam, daß eS sich darum handelt, daß er be hauptet hat, in dem Prozeß gegen Boulanger sei vom Gerichtshof, den Vertheidiger« und dem Generalstaatsanwalt für unleugbar festgestellt erachtet worden, daß die deutsche Sozialdemokratie von Boulanger Gelder erhalte» habe. Dr. Blum sucht eifrig in seinen Akten und Schriften, vermag dem Vorhalt jedoch nicht zu begegnen und kommt schließlich ans den Antrag auf Vernehmung des Redakteurs Emil Attenhofer in Zürich zurück. Der Antrag wird indeß vom Gericht abgelehnt, weil dasjenige, was bewiesen werden müßte, nämlich daß in dem Prozesse gegen Boulanger eine Verbindung desselben mit deutschen Sozialdemokraten unleugbar festgestellt worden sei, nicht bewiesen werden könne. Die Beweisausnahme wird hierauf geschlossen. Dr. Blum beantragt die Bestrafung sämmtlicher Angeklagten und die Zubilligung einer Buße, deren Höhe er dem Ermessen des Gerichts überläßt. Das Flugblatt sei im höchsten Grade beleidigend und auch verleumderisch. Der Vertheidiger Dr. Freuden thal beantragt in erster Linie die Freisprechung der Mitangeklagten Mitglieder des Wahlkomitees. Dieselben könnten, da sie von dem Inhalte des inkriminirte» Flugblattes keine Kenntniß hatten, strafrechtlich nicht verantwortlich gemacht werden. Auch die geforderte Buße müsse abgelehnt werden. Dr. Blum habe wohl Schaden erlitten, aber nicht in seiner Praxis als Rechts� anmalt, sondern in seiner literarischen Thätigkeit. DaS sei indeß seine eigene Schuld, nicht aber die Schuld der An- geklagten. Der Vertheidiger geht des näheren auf die von Dr. Blum erhobenen Beschuldigungen ein und weist nach, daß dieselben in jeder Beziehung unbegründet sind und der Privatkläger im Heuligen Termin einen ganz offenkundigen Rückzug antreten mußte. Aus dem französischen Verfahren gegen Boulanger ergab sich schon zur Evidenz, daß die Behauptung Blum's„Boulanger habe fran zösische Staatsgelder an deutsche Sozialdemokraten verausgabt und dies hätten im Boulanger-Prozesse nicht nur der General- staatsanwält sondern auch die Vertheidiger für erwiesen erachtet" eine völlig unwahre ist, weil nach französischem Recht im Ver- fahren gegen B«-.langcr gar keine Vertheidiger zugelassen werden konnten. Der Vertheidiger charakteristrt in schärfster Weise die Blum'sche„Geschichtsschreibung" und beharrt dabei, daß dasjenige, was Dr. Blum in bezug auf die deutsche Sozial- demokralie und Boulanger behauptet hat, vollständig un- wahr und zwar wissentlich unwahr ist. Wenn der Privat- kläger die Angehörigen einer Partei derartig beleidig», so dürfe er es auch nicht übel nehmen, wenn ihm derb entgegengetreten werde. Im vorliegenden Falle sei eine derbe Antwort sogar rechtlich gerechtfertigt. Einer so hanebüchenen Beschuldigung gegenüber sei der höchste Grad sittlicher Entrüstung selbst in den objektiv beleidigendsten Aorten geboten. Es sei erfreulich, daß diese Entrüstung sich kund gethan hat. Der Vertheidiger Dr. Freudenthal nimmt sür den Zlnaeklagten Laugenstein den Schutz des§ 193 �Wahrnehmung berechtigter Interessen) in An- sprnch. Der Mitvertheidiger Dr. Schumann schließt sich den Aus- führungen Freudenthal's im wesentlichen an. Das Gericht erkennt nach kurzer Berathung unter kostenloser Freisprechung der übrigen Angeklagten gegen Langenstein aus 60 M. Geldstrafe. Die er- wachsenen Gerichtskosten sind von dem Privatkläger und Langen- stein je zur Hälfte zu tragen. Der Antrag Dr. Blum's auf Zu- erkennung einer Buße wird abgewiesen. In der sehr kurzen Urtheilsbegründung werden die von Dr. Hans Blum gegen die deutsche Sozialdemokratie erhobenen Beschuldigungen für un- wahr erachtet. Dem Angeklagten Langenstein, der zweifellos in Wahrung berechtigter Interessen gehandelt habe, sei der Schutz des K 193 zugebilligt worden, aber aus der Form der Abwehr gehe die Absicht der Beleidigung hervor, deswegen müsse er be- straft werden. Als strafmildernd komme in betracht, daß der Angeklagte durch die von Blum erhobenen Beschuldigungen in große Erregung versetzt worden sei. Mit Rücksicht aus die ganze Sachlage sei«ine geringe Geldstrafe als Sühne am Platze. ITolmles- Achtung, dritter Wahlkreis! Auf die am Donnerstag, den 13. d. M., abends 3Vz Uhr, in Brochnow's Lokal, Sebastian- straße 39, stattfindende Versammlung sei nochmals hingewiesen. In derselben wird Reichstags-Abgeordneter Genosse Förster über die Ursachen der Arbeitslosigkeit referire». Die Frauen sind ganz besonders eingeladen. Diese Aenderung hat getroffen werden müssen, weil Genosse Frohme, der ursprünglich in Aussicht genommene Referent, absagen ließ. Bismarck wendet sich gegen eine Finanzoperation der Re gierung. In Sachen des hiesigen botanischen Gartens schreibt er nämlich in seinem Hamburger Organ:„In Verlin droht dem dortigen botanische» Garten das Schicksal, von der Baufpeknlation verschlungen zu werden. Wir haben das Bedürfniß, eine Lanze für seine Erhaltung zu brechen. Das Terrain, auf dem Berlin steht, ist doch eine Sandwüste mit geringen Ruhepunkten für das Auge und ohne allen landschaftlichen Reiz, wen» man von dem Thiergarten und dem Friedrichshain absteht. Unter diesen Umständen wäre es«in um so ärgerer Van dalismus, den langjährig herangewachsenen botanischen Garten inmitten des künftige» Berlins seines Baumschlags zu entkleiden, umsomehr als derselbe ein besonders ausgeivählter ist. Wir würden es für eine Verletzung des guten Geschmacks der Gesundheitspflege und der Berliner Landschaft halten, wenn man dieses zufällig vorhandene Besitzthuin und das Herantreten der Natur an die Wüste von Bau- und Pflastersteinen, die Berlin bilden, zerstören wollte." Es ist bekanntlich ein auch von Bismarck geübter Grundsatz der preußischen Regierung, der Stadt Berlin entweder gar nicht oder nur gegen hohe Kostenentschädignng irgend welche Vortheile oder Annehmlichkeiten zukommen zu lassen Auch diesmal wird keine Ausnahme von der Ziegel gemacht werden. Die freisinnigen Berliner Stadtväter sind aber meistens servil genug gewesen, zu Kirchenbauten z. B. unentgeltlich die Plätze herzugeben. AnS der Gemeinde Friedrichsberg- Lichtenberg. Die Vorbereitung der Kommunalwahlen hat einen Konflikt zwischen der Gemeindevertretung und Herr» Gemeindevorsteher Lieulenant a. D. Röder herbeigeführt. Kürzlich wurden aus der Gesamml zahl der Vertreter diejenigen ausgeloost, welche gesetzmäßig ausl zuscheiden haben. Nach vollzogener Ausloosung fand sich, daß von den in der zweiten Klasse gewählten Vertretern gerade alle die dem Loose versallen waren, welche nicht zur „Röder-Partei" gehörten. Es wurde nunmehr gegen die Aueloosung Protest erhoben. Man nahm Haupt fächlich an der Art und Weise Anstoß, w i e ausgeloost worden war. Es wurde geltend gemacht, daß Herr Röder eigenhändig die Loose(Zettel mit de» Namen der Vertreter) i» die Urne ge legt habe, nachdem sie ein Schöffe in seinem Beisein zusammen geknifft, und daß er dann die entsprechmde Anzahl derselben aus der Urne herausgenommen hätte, ohne die Zettel durch- e i» a n d e r z u schütteln. Durch Mehrheitsbeschluß erklärte die Gemeindevertretung in ihrer letzten Sitzung die Ausloosung für u n g i l t i g; hiergegen will Röder die zuständige höhere Instanz im Beschwerdewege anrufen. Verschiedene Inhaber von Barbierstnben im Südosten der Stadt sind am Sonntag Nachmittag polizeilich kontrollirt worden, weil vermuthet wurde, daß sie ihre Gehilfen länger als bis 2 Uhr beschäftigen würden. Verschiedene Barbierherren wurden notirt. Eine derartige Kontrolle kann nur gebilligt werden, doch sollte auch das Publikum strenge des Sonntags Nachmittags den Besuch der Barbierstuben vermeiden. Von der Charitec-Direktion wird uns geschrieben: Die neue chirurgische Poliklinik der Charitee im Hause Luisenstr. ist am Sonnabend in Betrieb gesetzt worden, nachdem am Freitag der Direktor Geheimrath König die Einrichtungen derselben den Stndirenden und vielen anwesenden Aerzte» gezeigt und er- läutert hatte. Die Gctverbc-Ansstellnng in Treptow war am Sonntag da? Ziel vieler Berliner , und es herrschte auf der Chaussee und in den Lokalen dieses Vorortes ein derartiger Verkehr, wie ein folcher an schönen Sommer- Sonntagen nach dort nicht zu ver- zeichnen war. Tie Südring- Züge waren schon vom frühen Morgen an überfüllt und, wiewohl auf telegraphische Anweisung von Charlottenburg aus Extrazüge nach Treptow eingelegt wurden und von 11 Uhr vormittags an der Lehn- Minutenverkehr ein- trat, so war es doch unmöglich, die Mengen zu befördern. Im ganzen waren es 70 000 zahlende Personen, die trotz der noch nicht beendeten Ausbau- Arbeiten der Ringbahn mittels Stadtbahnzüge von und nach Treptow befördert wurden. Die Pferdebahn dagegen hielt ihren halbstündigen Verkehr aufrecht und diese wenig koulante Handlungsweise verursachte im Publikum großen Unwilleu. Recht begehrt waren Droschken und Kremser- besitzer, welch letztere voni Schlesischen Thor aus bis Dorf Treptow 20 Pf. Fahrgeld erhoben. In verschiedenen Zuschriften, die wir erhalten, wird lebbaft über den ungenügenden Schalter- dienst an den Stadt- und Ringbahnhöfen, der den Verkehr wesentlich erfchwerte, Klage geführt. Wenn die Bedienung jetzt schon ungenügend ist. wie soll es dann erst nach Eröffnung der Ausstellung werden? Rixdorfer Wohnungsvcrhältnisse. Im Jahre 1894 wurden infolge 66 gestellter Anträge ans polizeiliche Unter- suchung von Wohnungen 31 Wohnungen für ungesund erNärt und deren Miether zum Verlassen derselben aufgefordert. während in den übrigen 36 Fällen die gestellten Anträge als unbegründet zurückgewiesen wurden. Im Jahre 1896 wurden 61 Anträge auf Räumung von Wohnungen gestellt und davon nur 18 Wohnungen polizeilich als unbewohnbar erklärt, während in den übrigen 33 Fällen den Anträgen nicht entsprochen wurde. Zur Frag« der„schwarzen Mietherliste" wird von einem Berichterstatter mitgetheilt, daß dieselbe noch nicht er- schienen ist. Allerdings war der Zeitpunkt dieses Ereignisses auf Mitte voriger Woche festgesetzt; allein es ergaben sich unüber- windliche Schwierigkeiten, weil— von den zu Eintragungen in diese Listen berechtigten Hausbesitzern bis zu jenem Zeitpunkte keinerlei Eintragungen gemacht waren. Aehnlich erging es den Hausbesitzern vor einiger Zeit nach einer langen Agitation um Milderung der polizeilichen Konzessionsbedingungen für Schank- wirthschasten; als die Polizei thatsächliches Material verlangte, konnte solches nicht beigebracht werden. Bilderdienst. Die katholische„Germania" schreibt:„Eine Göttin der Freiheit ziert das Schaufenster einer Aittwe am Kottbuser Damm. Die Göttin trägt in der rechten Hand das rothe Banner mit der Goldausfchrist„Freiheit, Gleichheir. Brüderlichkeit!" Auf der vorderen Rockkanle steht„Recht" und „Wahrheit". Obwohl es nur ein Maskenanzng ist. flößt die Göttin den zielbewußten Genossen doch so viel Respekt ein, daß sie ehrfurchtsvoll den Hut vor ihr abziehen, wenn ihr Weg sie an dem Schaufenster vorüberführt." Das soll selbstverständlich ein Scherz auf Kosten der selbst- ständig denkenden Arbeiterschaft sein, die den Götzendienst in jever Form für lächerlich und verabscheunngswürdig hält. In dem Organ einer Kirche, die von ihren Angehörigen verlangt, daß sie jedem am Wege stehenden Herligenbilde ihre Reverenz erweisen, nimmt sich ein solcher Ulk allerdings etwas deplazirt aus. Freiherr v. Hammerstein ist offizieller Meldung zufolge Sonntag früh unter der Bedeckung deutscher und italienischer Polizeibeamten über Ala nach Berlin abgereist, wo die Ankunft Dienstag früh gegen 6 Uhr ersolgt. Der verhaftete Direktor der Rheinisch-Westfiilische» Bank, Hermann Friedmann , hat bei feiner ersten Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter belastende Aussagen gegen drille Personen gemacht, so daß die Affäre voraussichtlich weitere Kreise ziehen dürfte. Die„Vereinigten katholische» Arbeiter-Vereine" gehen. so schreibt die«Rath. Boiksztg.", mit dem Plane um, im Osten der Stadt ein katholisches Arbeiterhospiz zu gründen. Unter dieser Meldung ist zu verstehen, daß die Geistlichen, welche in den sog. katholischen Arbeitervereinen das Heft in Händen führen, den entsprechenden Plan gefaßt haben. Von der städtischen Armendirektion erhalten wir folgende Zuschrift: In der I. Beilage zum Vorwärts" vom 28. Januar d. I. Nr. 23 befindet sich ein' Artikel, bezeichnet:„Eine Illustration zur flädtischen Armen-Krankenpflege", dessen Angaben bezüglich des Armenarztes nicht zutreffen. Nach stattgefundencr Ermittelung handelt es sich in dem an- gegebenen Falle um den Schuhmacher Julius Wulff, Bergstr. 60, im Keller. Der Krankenschein behnfs ärztlicher Behandlung des Wulff ist in der Wohnung des zuständigen Armenarztes Dr. Hase- mann am Sonntag, den 6. Januar d. I. nachmittags zwischen 1—4 Uhr abgegeben, während der Arzt bis 11 Uhr vormittags anwesend gewesen ist und bis dahin von der Er- krankung des Wulff keine Kenntniß hatte. Als der Arzt gegen Abend zurückkehrte, hat er den nur mit „Wulff. Bergstraße 60" bezeichneten Krankenschein erst vor« gefunden, am folgenden Tage, de» 6. Januar, morgens 7 Uhr. diesen Schein zur Vervollständigung zurück- gesandt und als er gegen 10 Uhr denselben vervollständigt zurück- erhielt, nach Beendigung der Sprechstunde zwischen 11 und 12 Uhr desselben Tages den Kranken besucht. Eine Versäumniß des Armenarztes liegt somit in keiner Weise vor, und ist auch durch die nothwendige Berichtigung des Krankenscheines nicht entstanden. Auf die ärztliche Behandlung des Wulff im Lazarus-Kranke»- Hause halten wir keine Einwirkung. Uebcr einen große» Radau meldet ein Berichterstatter: In dem Aschinger'schen Lokale Nr. 9, Ecke der Rosenthaler- und Lothringcrstraße. war am Sonnabend gegen Mitternacht zwischen einein Gaste und einem Kellner Streit entstanden. Ersterer drang, gewaltsam ans dem Lokal entfernt, wieder hinein, fing mit anderen Gästen Händel an und erhielt von denselben schließ- lich eine derbe Züchtigung. Der Vorgang wurde von der Straße aus beobachtet und es sammelten sich etwa 400 Personen an. die nun dm Versuch machten, die Stehbierhalle zu stürmen. Die Fensterscheiben der verschlossenen Thür wurden zertrümmert, während die Thürfüllung so lange stand hielt, bis ein Schutzmann erschien, welcher den Eingang besetzte. Nunmehr drangen die Wüthenden auf den Beamten ein, dieser zog jedoch blank und es gelang ihm, sich die Angreifer so lange vom Halse zu halten, bis von der Revier- wache in der Linienstraße Hilfe kam. Dm vereinten Kräftm der Exekutivbeamten gelang es nun, die Menge zurückzudrängen, fünf der Hauptschuldigen festzunehmen und diese trotz des Ansturms der Tnmultuanten, zumeist Rowdies und Zuhältern aus den benachbarten Straßen, nach der Wache zu tranSportiren. Das Aschinger'sche Lokal war inzwischen bereits geschloffen worden. Elendsstatistik. Im städtischen Obdach befanden sich an, I.Januar 1896 27 Familien mit 79 Personen, darunter 13 Säug- linge, und 64 Einzelpersonen. Am 1. Februar war der Bestand 17 Familien mit 66 Personen, darunter 6 Säuglinge, und 63 Einzelpersonen. Das Asyl für nächtliche Obdachlose daselbst be« nutzten im Laufe deS Monats Januar 50982 Personen, und zwar 49761 Männer und 1221 Frauen. Von diesen Personen wurde» 49 dem Krankmhause am FnedrichShain, 63 dem Krankenhause Moabit , 764(733 M., 21 Fr.) der Polizei vorgeführt. Der Kraiikenstation deS ObdachS wurden 30 Personen, der Anstalt Wuhlgarten 6 Personen, der Anstalt Herzberge 1 Person über- wiese». Gebadet haben während des Monats Januar von diesen Personen 19 771. Unter der göttliche» Weltordnung. Die deutschen Graupmmüller wollen die Produkt!», vom 1. Februar ab aus ein Jahr um 26 pCt., d. h. um 200 000 Zentner einschränken, weil sie ihre Waare in letzter Zeit bei weitem nicht los werden konnten. Und doch wissen zahllose Proletarier nicht, wie sie sür ich und ihre Familie«in Stückchen Brot beschaffen sollen. Die bitterste Roth trieb am Sonnabend Abend die 31 Jahre alte Frau Helene Strahlendorf geb. Ehrhardt in den Tod. Frau Strahlendorf, die von ihrem Manne geschieden war, bezog mit ihrem dreijährigen Knaben Otto von anderthalb Jahren in der Wilden owstraße eine aus Stube und Küche bestehende Wohnung. Die Küche vermielhete sie an die Arbeiterin Wittwe Flügge. Ein halbes Jahr nach ihrem Einzug _;rau Strahlendorf, mit Einige Monate vorher zog der Metalldreher Ma� Müller zu dem sie ein Liebesverhältniß unterhielt. halte die Frau einem Mädchen das Leben gegeben und das Kleine bald nach der Geburt verschenkt. Um sich ihren Lebeiisnntcr- halt zu erwerben, arbeitete Frau Strahlendorf in den All- zemeinen Elektrizitätswerken in der Ackerstraße. Nachdem man >e hier vor zwei Monaten entlassen hatte, war sie auf Müller angewiesen, da sie anderweitig keine Arbeit bekommen konnte. Ihr Liebhaber scheint aber schlecht für sie gesorgt zu haben. Sie zericth nach und»ach mit der Miethe so sehr in Rückstand, ?aß der Hauswirth. Herr Stürmer aus Charlottenburg , die Exmissionsklage gegen sie anstrengte. In dieser Sache stand vor einiger Zeit Termin an. Während die Frau diesen wahr- nahm, rückte ihr Müller mit allen seinen Sachen ans, ohne zu bezahlen, was er ihr für Kost und Wohnung schuldete. Seitdem stieg die Noth der Frau auf das höchste und»u der Noth gesellte sich der Gram über die Untreue des Geliebten. Als sie am Sonnabend Morgen eine Nachbarin 26 Pf. angesprochen hatte, für die sie sich Brot beschloß sie, ihrem Leben ein Ende zu machen. hatte sie dazu schon länger bereit gehalten. hre Mietherin, kam am Sonnabend Abend um sieben Uhr von der Arbeit nach Hause. Ihre erste Frage war Nu, Olle, wat haste aber keine Antwort, Frau vergeblich um kaufen wollte, Den Revolver Frau Flügge. Abend um erste Frage denn heite jekocht? Sie erhielt Strahlendorf blieb regungslos im Bette liegen, und Frau Flügge erkannte bald, daß sie eine Leiche vor sich hatte. Ein wohlgezielter Revolverschnß in das Herz hatte die Frau auf der Stelle getödtet. Ein Arzt stellte fest, daß der Tod schon viele Stunden vor dem Auffinden der Leiche ein« j etreten sein mußte; niemand im Hause aber hatte den Knall des < Schusses gehört. Den kleinen Knaben hatte Frau Strahlendorf vorher zu ihren Eltern gebracht. Von einer Lokomotive wurde am Sonntag Abend auf dem Bahnhof Etralau-Rtmmelsbnrg ein gut gekleideter junger
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