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Sonnabend 3. August 1929
Nr. 360 46. Jahrgang
Gmbenexplosionen und ihre Bekämpfung
Jedes Menschenleben, das bei Grubenexplosionen und an den Folgen schlagender Wetter zugrunde gerichtet wird, ist auf das tiesste zu beklagen. Materialschaden läßt sich immer wieder ersetzen, niemals aber ein oerlorengegangencs Menschenleben, noch dazu, wenn Angehörige zurückbleiben, die aus die Unterstützung der Arbeitenden angewiesen waren. Es kann daher zur Bekämpfung derartiger Explosionen nicht genug getan werden. Wenn alle Sicher- heitsmahnahmen in Anwendung gebracht werden, läßt sich auch die Gefahr des Bergbaues bedeutend herabsetzen. In England wie auch in Frankreich   sind Bersuchsstrecken an» gelegt worden, in denen die Mittel zur Untersuchung der Kohlen« staubgesahr erprobt werden. Veranlassung zur Gründung derartiger Bersuchsstrecken in England gab die Kohlen st aubexplosion aus der Althossgrub« am 2 ü. Oktober 1866 und in Frankreich   die Grubenkatastrophe von Cour- bieres am 10. März 130 6. Auch das furchtbare Un- glück auf der ZecheM inister Stein" imJahre1325 in Dortmund   ist hauptsächlich aus Kohlenstaubexplosionen zurückzusühren. Derartig erwähnte Versuche erstrecken sich auf die Klärung der Frage der Entzündlichteit des reinen Kohlenstaubes und von Kohlenstaub-Gesteinsstaub-Mischungen. Ferner werden Versuche über die Entzündlichteit von Gasgemischen bei Anwesenheit von Kohlenstaub oder Gesteinsstaub angestellt. Außerdem werden noch Versuche unternommen, bei denen die Art und Weise der Fort- Pflanzung einer größeren Kohlenstaubexplosion geprüft und zugleich deren Begleitumstände studiert werden. Es ist interessant, zu erfahren, wie weit die Ergebnisse derartiger Versuche vorgeschritten sind, daher ist nachfolgend eine Zusammenstellung verschiedener Versuchs- reihen wiedergegeben. Der Gesteinsstaub eignet sich besser dazu, ein« Kohlenstaub- cxplosion zu verhindern, als eine bereits eingeleitete Explosion auf» zuhalten, lim nun Kohlenstaubentzündungen zu verhüten, ist eine Beimischung von soviel Gesteinsstaub erforderlich, daß das auf- gewirbelte Staubgemisch mindestens S0 Proz. Asche enthält. Zur praktischen Durchführung ist daher an allen Orten, wo sich Kohlen- staub in der Grube ansammeln kann, Gesteinsstaub in Form allge- meiner Streuung hinzuzubringen. Englische und französische   Maßnahmen. In der französischen   Versuchsstation Vievin ist beobachtet worden, daß größere Gesteinsstaubanhäufungen sich an einer Stelle am besten bewährt haben? dieser Staub wird unter Querbrettern unter der First« der Strecken angehäuft. Entsteht eine Kohlenstaub- explosion, so wird der Gesteinsstaub durch den Explosionsstoß auf- rwirbelt und fällt auf die nachfolgende Flamme, die dadurch erstickt wird. Bei Schießarbeit in der Grub« besteht die Vorschrift, daß in allen Fällem in denen es sich um Schüsse in reiner Kohle handelt, nur amtlich Zugelassene Sicherheitssprengstoff« verwendet werden. In England wird in der Nähe der Abbaupunkte Gesteinsstaub vorrätig gehalten. Lokale Berieselungsanlagen, wie sie in Deutschland   vor- geschrieben wevden, kennt man hier nicht. Es findet höchstens eine Art Berieselung der Arbeitsstätte vor Abgab« des Schusses statt. In Frankreich   dagegen sind die Maßnahmen für die Schießarbeit wesentlich eingehender. Auch hier sind nur Sicherheitssprengstoff« zugelassen, deren chöchstlademenge auf 500 Gramm festgesetzt ist. Außerdem muß in den Gruben eine lln- schädlichmachung durch Bewässerung»der Gesteinsstaub erfolgen. Für besonders gefährlich« Kohlengruben Hot Frankreich geprüfte Schießmeister, unter deren Aufsicht das Laden und Besetzen geschehen muß, derSchuß selbst wird auf elektrischem Wege durchden Schießmeister abgegeben. Systema- tische lokale Berieselungsanlagen kommen in Frankreich   auch selten vor. Es wird hier mehr daraus geachtet, daß aller Kohlenstaub aus dem Schuhbereich entfernt und dafür auf eine Umgebung von IS Metern Gesteinsstaub gestreut wird. Um ausblasende Schüsse un- wirksam zu machen, wird vor dem Bohrloch und um dasselbe herum ebenfalls Gesteinsstaub angebracht. Hierdurch wird bezweckt, daß die ausblasend« Flamme sofort in unentzündbares Material schlägt. In der Beleuchtungsfrag« gehen die Vorschriften Deutschlands  mit denen von FTßntreich und England zusammen. Es werden noch dem Davyfchen Prinzip Lampen verwendet, das find Sicherheitslampen. die in Schlagwetter. gruben in Frage kommen. Di« Konstruktion der Lampen ist so getroffen, daß sich die Flamm« in einer Drahjnetzhülle befindet, vielfach sind auch die Lampen elektrisch ausgerüstet. Neben dieser Sicherheitslampe ist auch die Wolfsche Sicherheitslampe mit Doppel- korb und Schutzmontel viel in Gebrauch. Mittel zur Kohlenstaubverhütung. Auch die Förderung der Kohle ist von großer Bedeutung auf die Entstehung von Kohlenstaub. Frankreich   hat daher die Bor- schrist erlassen, daß nur dicht schließende Förderwagen benutzt werden dürfen, deren Inhalt zu berieseln ist. Es ist erklärlich, daß beim Transport die Kohle ständigen Erschütterungen ausgesetzt>st, dabei bildet sich naturgemäß auch Kohlenstaub. Das beste Mittel zur Kohlenstaubverhütung ist der Gesteinsstaub, der zunächst dem Einfluß der Atmosphäre über Tage ausgesetzt und dann vollständig zermahlen wird. Der Äaub muß so sein sein, daß er im Bergwerk (in der Grube) vom Luftzug mitgenommen wird. Die Verteilung dieses Stoubes erfolgt entweder nach dem Zonenverfahren oder durch Streuung. Elfteres Verfahren besteht darin, daß der Staub ge- häufelt wird, der dann bei einer Explosion aufwirbelt und die nach- folgende Flamm« erstickt. Derartige Gesteinsstaub-Schüttungen müssen öfter erfolgen, des öfteren auch wiederholt werden. Als Grundbedingung dabei ist zu beachten, daß der Kohlenstaub, der sich dem Gesteinsstaub beimischt nichr über S0 Proz. beträgt. Als Gesteinsstaub verwendet man in Frankreich   die Flugasche der Kesselfeuerung, in England dagegen Schieferton  . In Deutschland   ist als wichtigstes Bekämpfungsmittel die Berieselung. Hierbei unterscheidet man Strecken- und Zonen» berieselung. Bei der Streckenberieselung werden sämtliche Strecken
in periodischen Zwischenräumen berieselt, bei der Zonenberieselung dagegen wird an bestimmten Stellen der Grube zur Trennung der Wetterabteilungen ein ständiger Wasserschleier durch Düsen erzeugt. Bei dieser Berieselung wird der Kohlenstaub nur sehr oberflächlich befeuchtet, die Flamme kann daher an vielen Stellen noch Nahrung finden. Die Gesteinsstaubschüttung kann demgegenüber als viel besser und sicherer angesehen werden. Wenn der Gesteinsstaub keine freie Kieselsäure enthält, also aus tonigen Gesteinen besteht, so ist
auch eine schädliche Wirkung aus die Atmungsorgane nicht seftzu- stellen. Es ist daher dringend erforderlich, daß in deutschen Berg- werken neben der Berieselung auch noch das Gesteinsstaubverfahren eingeführt wird. Es läßt sich am besten durchführen, wenn in den Einzieh- und Ausziehstrecken der einzelnen Wetterabteilungen sichere Zonen angelegt werden, die zugleich die übrigen Strecken mit Ve- rieselung oder allgemeiner Gesteinsstaubschüttung versehen können. Ingenieur H. D e w a l d.
Kommt der Vorderrad* Antvieh?
Man pflegt zu sagen:Der Mensch ist ein Gewohnheitstier" und meint damit, daß uns selbst die widersinnigsten Dinge, wenn wir uns erst einmal an sie gewöhnt haben, als etwas absolut Selbstverständ- liches erscheinen. Auch die Technik macht in dieser Beziehung keine Ausnahme. Der beste Beweis dafür ist der beim Kraftwagen heutiger Bauart allgemein übliche Hinterradantrieb, der. obwohl er in konstruk- tioer wie in fahrtechnischer Hinsicht alles andere als vollkommen ist, dennoch nach wie vor alseinzig mögliche" Antriebsart gilt. Be- trachten wir den Hinterradantrieb zunächst von der fahrtechnischen Seite aus. Es ist eine seit langem bekannte Erfahrungstatsache, daß sich ein gezogenes Fahrzeug leichter und sicherer steuern läßt, besser auf der Straße und in Kurven liegt, überhaupt bessere Fahr- eigenschaften aufweist, als ein geschobenes. Kein Mensch würde auf den Gedanken kommen, etwa einen Wagen durch ein dahinter gespanntes Pferd schieben, statt ziehen zu lassen. Ebenso ist bei Eisen- bahnzügen die Lokomotive stets an der Spitze und nicht am Ends des
Vordenzd*A ntrieb hei einem BVG�Omnihus.
Zuges zu finden? die Mehrzahl der modernen Flugzeuge besitzt Zug- propeller. Demgegenüber wird der heutig« Kraftwagen während der Fahrt vom Motor nicht gezogen, sondern ge- schoben. Damit nicht genug, ordnet man treibende und getriebene Teile(Motor bzw. Hinterachse) auch noch an den beiden entgegen- gesetzten Enden des Fahrgestells an. Zur Verbindung dient eine mehrere Meter lange Welle, die sogenannte Kardanwelle, die nicht nur durch Reibung in Lagern und Gelenken unnütz Energie verzehrt, die somit für den Vortrieb des Wagens verloren geht, sondern auch durch ihr Gewicht die unabgefederten Massen vergrößert und dadurch die Fahreigenschasten weiter verschlechtert. Alles in allem darf man getrost behaupten, daß der angeblich so vollkommene m o- derne Kraftwagen, was die Durchbildung seines Antriebs betrifft, ein Unikum in bezug auf Kompliziertheit und Unzweckmäßigkeit darstellt. Die Nachteile des Hinterrad' Antriebs. Es muß zugegeben werden, daß sich die Automobilfabriken in früheren Iahren bezüglich des Antriebs in einer gewissen Zwangslage befunden haben. Zwar war man sich der Ueberlegenheit des Vorderradantriebs, wie zahlreiche damit angestellt« Versuche be. weisen, wohl bewußt, vermochte ihn aber trotz aller Müh« mit den damaligen Mitteln der Technik konstruktiv nicht so durchzubilden, daß die zur Lenkung des Wagens erforderliche freie Beweglichkeit der Vorderräder unbeeinträchtigt blieb. Also blieb nichts anderes übrig, als zu dem fahrtechnisch zwar ungünstigeren, konstruktiv jedoch weit einfacheren Hinterradantrieb zu greifen. In der Folgezeit hat man das Antriebsproblem vereinzelt da- durch zu lösen versucht, daß man den Hinterradantrieb zwar bei- behielt, aber den Motor von seinemtraditionellen" Platz im Vorder- teil des Wagens wegnahm und ihn statt dessen hinten im Heck ein- baute. Man sparte auf diese Weise die lange, schwer« und teuere Kardanwelle, und erreichte gleich- zeitig eine erheblich bessere Abfederung der Wageninsasscn, da die Fondsitze nicht mehr, wie bisher, über, sondern zwischen den Achsen lagen. Das bekannteste Beispiel für einen Wagen dieser Art dürfte das RumplerscheTropfen-Auto" sein, das bei seinem Er- scheinen vor einigen Jahren beträchtliches Aussehen erregte, inzwischen jedoch wieder von der Bildfläche verschwunden ist. Behauptet hat sich di« Bauart dagegen bei ausgesprochenen Kleinwagen, wie z. B. beim deutschen  Haüomag" und beim englischenWatcrley". # Alles in allem scheint es, als ob die durch die Zurückoerlegung des Motors erreichten Vorteile durch die auf der anderen Seite damit verbundenenNachteilemehralsaufgewogenwer» den. So ist es z. B. gar nicht einfach, einem hinten liegenden Motor
die nötige Menge Kühllust zuzuführen, wodurch bei heißer Witterung leicht Ueberhitzungsgefahr entsteht. Ein weiterer Nachteil dieser Bau- art besteht darin, daß die Insassen bei einem eventuellen Zusammen- stoß sofort di« voll« Wucht des Anpralles zu spüren bekommen, während sie bei einem lltormalwagen durch den vornliegenden Motor und Kühler wirksam geschützt sind. Amerikanische   Versuche. Man ist deshalb in neuerer Zeit von der Zurückoerlegung des Motors wieder abgekommen und hat statt dessen dem Vorderrad- antrieb erneute Aufmerksamkeit zugewandt, zumal auch die Technik inzwischen sowett vorgeschritten ist, daß die eingangs erwähnten Konstruktionsschwierigkeiten heute nicht mehr als unüberwindlich angesehen werden können. Den Anfang machten, wie so oft, die Amerikaner, nnd zwar wandten sie den Vorderradantrieb bezeich- nenderweis« vornehmlich für Rennwagen an, bei denen die Erzielung bestmöglichster Fahreigenschasten besonders wichtig ist. Es zeigte sich in der Tat, daß diese Wagen den Konkurrenzfabrikaten mit Hinterrad- antrieb hinsichtlich der Fahreigenschafte» bei weitem überlegen waren und ihnen auch in bezug aus Betriebssicherheit usw. keineswegs nachstanden. Damit war der Bann gebrochen. Angeregt durch die amerikanischen   Erfolge erschienen auch in den europäischen   Ländern rasch hinter- einander eine Anzahl Vorderradantriebs- wagen auf dem Markt. Teilweise handelte es sich abermals um Rennwagen, doch waren auch einig« ausgesprochene Gc- brauchsfahrzeuge mittlerer Stärke und Preislage darunter. Manche von ihnen sind inzwischen wieder von der Bildsläche verschwunden, andere dagegen haben sich behauptet und werden heute bereits sericn- mäßig geliefert, wie z. B. in Frankreich  , das in puncto Vorderradantrieb über- Haupt.zurzeit an der Spitz« aller Länder marschieren dürfte. Allerdings: von einem a l l g e i» e i- n e n Sieg des Vorderradantriebs kann augenblicklich noch keine Rede jein. Die Gründe dafür sind teils wirt- schaftlicher, teils psycholo­gischer Art. Einerseits ist die mit der übermächtigen amerikanischen   Konkurrenz schwer um ihre Existenz ringende«uro- päische AutomobUindustri« größtenteils einsach nicht in der Lage, sich auf kost- spielige und im Erfolg durchaus nicht sichere Experiment« mit Vorderrad- antriebswagen«inzulassen, und zum anderen fürchtet man den Widerstand des Käuferpublikums, das sich an den Hinterradantrieb im Laufe einer Jahrzehnte langen Entwicklung nun einmal gewöhn.' hat und jeder radikalen Neuerung erfahrungsgemäß mit einem tiefen Mißtrauen gegenübersteht. Kleinwagen mit Vorderrad' Antrieb. Es fragt sich jedoch, ob diese Hemmnisse stark genug sein werden, um das Vordringen des Borderradantriebes auf die Dauer aufhalten zu können. Das Gute bricht sich schließlich immer Bahn, und darüber, daß der Vorderradantrieb dem Hinterradantrieb in jeder Hinsicht weitaus überlegen ist, kann, wie gesagt, kein Zweifel be- stehen. Speziell für den Kleinwagenbau würde der Uebergang zum Vorderradantrieb aller Wahrscheinlichkeit nach oon außerordentlicher Bedeutung s«n. denn bekanntlich ist gerade bei Kleinwagen die Erzieluna einwandfreier Fahreigen- schaften«in s«hr schwt»ria«» und noch lange nicht restlos befriedigend gelöstes Problem. Vielleicht führt der Vorderradantrieb hier endlich zum gewünschten Erfolg. Ein weiteres aussichtsreiches Anwendungsgebiet eröffnet sich dem Vorderradantrieb im Omnibusbau. Abgesehen von der natürlich auch hier hochwillkommenen Verbesserung der Fahreigenschasten gibt der Vorderradantrieb dem Omnibuskonstruk- teur die Möglichkeit, infolge des Fortfalls der Kardanwelle den Fuß- boden der Karosserie bis dicht über die Straßenobersläch« herunterzu­ziehen. Dadurch wird nicht nur da» Ein- und Aussteigen der Fahr- gaste ungemein beschleunigt und erleichtert, sondern auch der Schwer- punkt des ganzen Fahrzeuges so ties gelegt, daß eine Kippgcfahr selbst bei hochgebout«n, zwei- bis dreistöckigen Grohstadtomnibussen als ausgeschlossen gelten kann. Von feiten der Allgemeinen Berliner Omnibusgesellschast(Aboag) ist im vergangenen Jahr versuchsweise ein Omnibus mit Vorderradantrieb in Verkehr genommen worden, der sich im Verlauf einer mehrmonatigen Betriebszeit so gut bewährt Hot, daß man ernsthast mit dem Gedanken umgeht, eine größere Zahl Wagen dieses Typs nachzubestellen. Zusammenfassend läßt sich konstatieren, daß der Vorderrad- antrieb überoll in der Welt langsam aber sicher Boden gewinnt. Es dürste zurzeit kaum«ine große Auwmobilfabrik geben, die sich nicht in der Still« eifrig mit der Konstruktion und Erprobung von Vo r d e r ra d a nt r i e b s w a g e n b e- schäftigt«. Vielleicht ist also die Zeit nicht mehr fern, wo der Vorderradantrieb zu einer ebensolchen Selbstverständlichkeit im Auwmobilbau geworden ist, wie es heute beispielsweise Ballonreise» und elektrischer Anlasser sind. Wck