Sittenbild m Oer Emiänzer Ein Schlciglicht nuf gewisse Kreise des Berliner Westens warf eine Verhandlung, die vor dem Schöffengericht Schöne- b e r g unter Ausschluß der Oefsentlichleit durchgeführt wurde. Unter der schweren Anklage der Erpressung, Notzucht, gefährlichen Körperverletzung und Bedrohung halte sich der 22jährige Ein- tänzer S. kii verantworten. Die Anschuldigung ging dahin, daß er die lg Jahre ältere Frau' eines Kaiifmonns aus dem Westen Berlins in einem Zeitraum von i'A Iahren durch Mißhandlungen mit der Reitpeitsche, Be- d r o h u n g mit dem Revolver und Drohungen mit Enthüllungen dem Ehemann gegenüber in seinem Bonn gehalten hatte, daß er ferner von ihr täglich kleinere Beträge von 3 bis 5 Mark erpreßt hätte. So hatte es Frau U. ihrem Manne gestan- den, als dieser von einer Freundin seiner Frau von deren ehelichen Untreue erfahren hatte. Unter Tränen gestand sie ihm, daß sie dem gefährlichen Burschen ins Garn gegangen fei und daß er ihren Fehltritt dann in gewissenloser Weise ausgenutzt habe. Der An- geklagte S. bestritt diese Darstellung. Er war aus Abenteurerlust von seiner Familie weggegangen, nach Jrrwanderungen im Aus- lande in einem Luxushotel des Westens, in der Nähe des Zoo, Ein- tänzer geworden. Dort war Frau U. täglich zum Tanztee. Die zehn Jahre ältere Frau hätte umgekehrt ihn an sich gelockt. Für ihn sei es seine erste und seine große Liebe gewesen. Als er wieder eine Stellung im Bankgeschäft angenommen hatte, habe sie ihn nicht losgelassen und morgens schon abgeholt, um nach Wannsee zu fahren.' Dadurch habe er seine Stellung wieder verloren, und
is Berlin W. und die Oame. mußte von neuem Eintänzer werden. Sie habe ihn auch mit dem Ehemann bekanntgemacht, und er habe täglich im Hause ver, kehrt. Als sie im Winter nach Schierke fuhr, habe der Ehemann ihn mit dem nächsten Zuge nachgeschickt, damit seine Frau nicht allein sei. Er habe auch dem Manne bei seinen reichen Berwandten Kapital verschafft. Seiner Meinung noch müsse der Mann es gewußt haben. Als Frau U. seiner überdrüssig geworden sei und Herr II. merkte, daß er ihm nicht weiter bei seinen Verwandten aus den Finanzkreisen helfen wollte, hätten sie beide diese An-' schuldigung gegen ihn vorgebracht. Frau U. blieb dabei, daß sie von dem Angeklagten verführt und dann von ihm in Bann gehallen worden sei. Als der Angeklagte an sie die peinliche Frage richtete, ob sie nicht mit einer ganzen Reihe weiterer Eintänzer ähnliche Beziehungen gehabt habe, wies die Zeugin das mit Entrüstung zurück. Der Angeklagte nannte immer mehr Namen, und die Zeugin fragte darauf voller Empörung:„Wer soll es denn noch fein?" Sie hatte schon die Hand erhoben, um ihre Aussage zu beschwören, als der Rechtsbeistand ihres als Nebenkläger an- wesenden Gatten die Zeugin beiseite zog und längere Zeit aus sie einsprach. Alle Blicke waren gespannt auf die Gruppe gerichtet. Zum allgemeinen Erstaunen erklärte darauf Frau U.:„Heber die Frage nach Beziehungen zu anderen Männern verweigere ich meine Aussage." Angesichts dieser Sachlage ließ der Staatsanwalt die Anklage fallen und das Gericht sprach ohne längere Beratung den Angeklagten von der gesamten Anklage auf Kosten der Staatskasse frei.
sie morgen in der Sonn« gleich auf, er wird sie kaum noch los. Und mir haben doch alle nichts zuzusetzen und müssen uns für di« paar Groschen Verdienst genug abrackern. Aber dadrum lassen wir uns doch unsere Laune nich verderben und sind verjnicht— wenn wir nicht alles richtige Berliner Mädels wären, könnten wir unsere Arbeit jor nicht aushalten. Und einmal im Jahr machen wir mit unfern Männern eine Krems erpartie, von unserm Sparverein! Diesmal haben wir uns alle egale Kleider machen lassen, weiß mit jrün, der Voal hat fünfundneunzig Pf e nn je gekost't. Und den» sind wir raus mil's Banner und draußen hoben wir jescherbelt— haben Sie'ne Ahnung, trotzdem, was 'ne richtijc Blumenfrau is, doch über zwei Zentner wiegt! Aber Spaß muß sind, sonst könnte man Äet Leben jarnich aushalten! Na, hier noch mal die schönsten Rosen, alle lang und ohne Draht. Rosen für zeeehn!* E— d.
Gelbstmord eines Kommerzienraies. Or. jur. Eduard Simon . Gestern nachmittag hat der öbjährige kiommerzienrat Dr. jur. Eduard Simon im Arbeitszimmer seiner Villa in der Viktoria st rahe 7 Selbstmord durch Erschießen verübt. Kommerzienrat Simon, eine in der Berliner Handels- und In- dustnewelt sehr bekannte Persönlichkeit war stellvertretender Vor- sitzender des Aufsichtsrates der Gebrüder Simon— Vereinigte T ext i l w e r k e A.-G. Berlin , die ihren Hauptsitz in der Klosterstraße 83/83 hat. Den Bereinigten Tcxtilwerken sind eine ganze Reihe von verwandten Betrieben angegliedert. Außerdem saß Kommerzienrat Simon im Aufsichtsrat der bekannten Berliner Belvetfabrik M, Mengers u. Söhne A.-G. Ucber die Motive, die Simon zu dem Verzweiflungsschritt bestimmt haben, wird Stillschweigen bewahrt. Selbst der Kriminal- Polizei wurden von den Angehörigen Angaben über den Grund des plötzlichen Freitodes Simons verweigert. Bon nahestehenden Kreisen wird die Vermutung ausgesprochen, daß vielleicht starke finanzielle Verluste in der letzten Zeit Simon die Waffe in die Hand gedrückt haben.
Stistungsfeler der Ltniversität. Am Sonnabend fand die Stiftungsfeier der Ber - liner Universität statt. Als Festredner fungierte der evangeli- sche Theologe Geheinwr Konsistorialrat Professor Dei ß m a n n, der über die Auswirkungen des Weltkrieges auf die Kirche in er- müdender Länge referierte. Er behauptete, jeder Krieg habe eine religiöse Ermeckungs- bewegung zur Folge, und aus dieser Bewegung nach den napoleoni- scheu Kriegen sei die Universität auch entstanden. Die Universität müsse auch diesen Teil ihrer Tradition bewahren. In den langatmigen Darlegung«» der Nachkriegsgeschichte der Kirchen tauchten dann nur noch einige bezeichnende politische Aeußerungen ouf, die aushorchen ließen. Zwar stellte sich der Konsistoriolrat mit dem Evangelischen Oberkirchenrat Preußens auf den Standpunkt, daß die Verfassung die notwendige neue Rechtsgrundlage des Staates geschaffen habe, ats dic alte 1918 zusammengebrochen war. Aber besonders bei der Erörterung der Kirchenverfasiung trat er für eine„aristokratisch»er- edelte Demokratie" ein, da„in der Demokratie die Masse der Mittel» mäßigen herrsche, di« sich durch Ideen kompromittiert fühlen". Man müsse'die Kirche vor der„Trivialisiernng durch Demokratisierung" fchfitzern Immerhin gab der Redner zu. daß es der Kirche In der Demokratie mit der Trennung von Staat und Kirche ganz gut gehe, denn Adolf Hvffmann sei z. B. kein Diokletian , kein Christentöter gewesen. Als besonderes Verdienst rechnete es Herr Deißmann den, neuen Staat an, daß er die theologischen Fakultäten an den Universitäten erhalten habe. Zu ollem Ueberfluß wurde noch die kühl«: Be- Häuptling aufgestellt, die Kirche habe im Kriege ihre christlichen Pflichten voll erfüllt._
Der feige Kommunistenüberfall. Am Freitag berichteten wir über den rohen Uebersall, der von Kommunisten in der L ü b b e n e r Straße auf die Genossen Kluge und Ast vom Reichsbanner Schwarzrotgold verübt wurde, Genosse K l u g e hat«inen Lungenstich erhalte». Der Schwerverletzte mußte im Bethanien-Krankenhaus nach seiner Einlieferung sofort
operiert werden: die Operation ist gut verlausen, doch liegt Genosse Kluge noch imnler vernehinun gsunfähig darnieder. Die Aerzte hoffen, falls nicht unvorhergesehene Komplikationen eintreten, ihn am Leben zu erhalten.— Wie inzwischen weiter festgestellt werden koniite, handelt es sich um«inen wohloorbereiteten Uebersall. Wie wir schon mitteilten, ist noch am selben Abend unter dem dringenden Verdacht der Täterschaft der 28jährigs D u l l a t fest- genommen und der politischen Polizei vorgeführt worden. Dullat bestritt zunächst an der Schlägerei überhaupt beteiligt gewesen zu sein. Das konnte jetzt durch mehrere Zeugenaussagen widerlegt werdeil.
Taifun über Zndochina. 20 Personen getötet. Ueber einen am letzten Dienstag über einen Teil ber französischen Kolonie Zndochina niedergegangenen Taifun wird berichtet: Die Gesamtzahl der dnrch die Taifun- katastrophe getöteten Personen beträgt bis zur Stunde über 70. In der Gegend von Rinh-Dinh fei ein Gebiet von etwa 30 Quadratkilometer dem G r d- boden vollständig gleichgemacht worden. Tie Hauptstadt der Provinz Tai-Dinh sei besonders schwer heimgesucht worden. Man zählt dort 8 Tote. Die Telephon- und Tclcgraphenverbindungen seirn.zum größ- ten Teil zerstört worden, so daß Pitz Stachrichte» nur sehr spärlich nach Hanoi gelangten. IN der Provinz Nan- Dinh wurden 10 Personen getötet. Der Rote Fluß hat 10 Personen angeschwemmt, deren Identität noch nicht festgestellt werden konnte. In mehreren Städten ist k e i n Haus mehr ganz geblieben. Die Ginwohuer übernachteten im Freien. Die Pflege der Verwundeten sei infolge Mangel an Verbandmaterial höchst unzu- reichend. Dadurch, daß die Telephonverbindungen im Innern des Landes fast sämtlich zerstört worden sind, hat man noch kein klares Bild über die schweren Ver- Wüstungen und die Höhe der Lpfer gewinnen können. Man befürchtet aber, daß der Taifun noch weit mehr Opfer gefordert hat.
Kurs auf New 8ork. Das Zeppelinlustschiff in der Nähe der DermudaS-Lnseln. Die kehlen beim Marinedeparlemenl in washinglou eingegauge. nen Aachrichlen über die Fahrt des„Gras Zeppelin" besagen, daß sich dos Lustschiss in guter Fahrt zwischen den Azoren undden Bermudas befindet, wie in der Nachricht hinzugefügt wird, herrscht ein leichter Gegenwind. An Bord ist alles wohl.— Dem Umstand, daß seit der letzten vom custschifs eingettossenen Nach- richl mehrere Stunden vergangen sind, miß« man hier keine b c. sondere Bedenlung bei. Alan ist vielmehr der Ansicht, daß Dr. Lckener seine Funkstation mehr dazu benutzt, um möglichst viele und genaue Wetterberichte zu erhalten, als sortgesetzt Standort- Meldungen und Gesnadheitsbulletins der Passagiere in die Welt hin- ouszusunken.— Nach dem letzten vom meterologischen Bureau aus- gegebenen Bericht wird das Lustschiss im großen und ganzen günstige welterverhältnisse an der amerikanischen Küste antressen. Es herrscht ein leichter Westwind, d. h. ein Gegenwind für das Luft. schiff. Um 1k Uhr befand sich das Luftschiff nach einem bei der Ham« burg-Amerika-Linie eingegangenen Radiotelegramm von Bord des„Graf Zeppelin" auf 36,08 Grad Nord und 42,13 Grad West. An Bord ist alles in bester Ordnung. Nach dieser Stand- artmeldung hätte der„GM Zeppelin" um K4 Uhr�etwa die ZKiste der.Mrecke Gibrältar�-Rem Dort erreicht Das Fl o t t e n a mt in New?) o r � versuchte bereits gestern verschiedentlich direkte Verbindung mit dem„Draf Zeppelin" auf» zunehmen. Die Bemühungen blieben jedoch vergeblich. Man hörte zwar schwache Signale, e» konnte ober nicht festgestellt werden, ob sie vom Luftschiff kamen. New Zork, 3. August. wie„Associated preß" ans Philadelphia berichtet, gibt die Reading Company bekannt, daß sie heute nachmittag 2 Uhr 42 Minuten oslamerikonischer Normalzeit(26 Uhr 42 Minuten abends Berliner Zeit) den folgenden Funkspruch vom Bord des Gras Zeppelin aufgefangen Hai:„wir trafen aus Gegenwinde aus Südwesten, der Himmel ist bewölkt. Position 47.20 weltlicher Länge. 35,20 nördlicher Breite, alles wohl, dos Schiff schaukelt.
Dr. Model bekommt bei Funks knappem Bericht wieder seine finstere, seine unglückliche Miene. Dann sagt er heftig: „Herr Oberarzt Lipp irrt sich. Sie sind nicht in Ordnung. Und Sie machen vorerst den Trägerdienst nicht wieder mit. Sie machen leichteren Dienst. Ich werde bei nächster Gelegen- heit mit Herrn Oberarzt über Sie sprechen. Jetzt schicken Sie mir den Unteroffizier Bogel." Bogel dirigiert die Krankenträgermannschaft hier draußen. Er teilt die Tragen ein, er regelt den Dienst. Den abgehenden Funk ruft der Assistenzarzt zurück. Er will unsicher noch etwas richtigstellen, was offenbar gar nicht falsch steht.„Herr Oberarzt Lipp ist ein gerechter Vorgesetzter. Er ist nur— nur vielleicht etwas— überarbeitet. Er meint es ganz sicher nicht schlecht mit Ihnen. Glauben Sie mir das." 12. Funk erhält vier Tage Schonung und für die Zukunft die Aufgabe, Unbrauchbare, die laufen können, aus der Stel- hing zu begleiten. Das bedeutet«inen häufigeren Gang nach vorn, als ihn im Durchschnitt die anderen machen, aber die kleinere Körperanstrengung. , Immerhin, es bleibt genug übrig.— Die Nacht ist finster, ist so völlig lichtlos, daß man nicht weiß, wo Himmel und wo Erde ist. Es gilt zwei Leichtverletzte zu holen, daher ziehen sie mitsammen los: Funk und der Bauer Billrot. Die Welt ist zugig, als stünden an allen unsichtbaren Horizonten ungeheure Tore offen, durch die zugleich die Schwärze in den Raum gerissen wird. Ein eisiger Regen sticht ins Gesicht und in die Hände bei Null Grad. Gewehrfeuer knallt mit nassen Peitschen aus der Rich- tnng, in die sie gehen müssen. Sie kommen bald in seinen Bereich, ohne noch den Laufgraben gewonnen zu haben, der sie auf den Kampfgraben zuführen soll. Sie tappen über freies Feld: bösartig ist das Vorbsisingen der Geschosie. Billrot sagt:„Sie schießen zu hoch: wenn wir gebückt gehen, sind wie sicherer."
So schleichen sie in sehr beschwerlicher Haltung, dennoch hastig, erst durch den Brei einer zerfahrenen Straße, dann über Acker oder W'.esengrund, der nicht mehr weich ist und noch nicht gefroren. Er klebt in zähen schweren Klumpen an den Stiefeln. Manchmal stoßen sie an Dinge, die ihnen völlig unbekannt bleiben, denn sie könnten sie nur gleich Blinden durch Abtasten erkennen. Be! solchen Schwierigkeiten eine halbe Stunde sich tief gebückt dahinzubewegen, ist bloß einem Menschen möglich. der schreiend in seinem Inneren dagegen ankämpft, eine Kugel in den Kopf, in den Hals gejagt zu bekommen, sobald er aufrecht geht. Schließlich stoßen sie auf«inen Graben, nachdem sie wiederholt geglaubt haben, halbwegs geborgen zu sein, aber es sind immer nur Eranatlöcher gewesen, in die sie gefallen sind. Sie fallen auch jetzt mehr hinunter, als sie hinabspringen, denn sie erkennen ihn erst, wie sie mit einem Bein über seinezt Rand hinausgeraten find. Aber sie wären auch bereit, sich kopfüber hinabzustürzen. Rur fort von dieser Fläche, über die unablässig der tödlich« Schwärm eiserner Insekten hinschwirrt— hintobt mit dem hohen, metallischen Klang verbissener Raserei. Sie müssen in einen Graben geraten sein, der nicht mehr benutzt wird. Er steht voll Wasser. Das Lehmwasier hat eine Eisdecke, aber sie ist dünn. Sie brechen gleich durch und plumpsen bis zu den Knien ins Feuchte. Sie gehen in die Richtung, in der sie ihr Ziel glauben: jeder Schritt will er- kämpft sein. So tappen sie lange. Leuchtkugeln, die der Engländer weißgrün, der Deutsche weiß in das gähnende Loch, in das Nichts des Himmels wirft, verwirren sie nur ärger. Erlischt sinkend die Kugel, so ist es ringsum schwärzer den je. Sie eräugen keine leiseste Spur mehr voneinander, obwohl sie hart beisammen sind. Die Peitschenschläge der Infanterieschüsie klappen näher. Sie müssen manchmal nach ihren Körpern greifen, um zu wissen, daß sie einander nicht verloren haben. Ihr Weg mündet auf einen Quergraben, das Wasser hört auf, sie treten trockneren Grund, sie müßten so gut wie an- gelangt sein— aber sie sind es nicht. Das Grabenstück ist totes Geleise, vielleicht eine Fehl- anlag«,«ine mißlungene oder aufgegebene Sache, bald führt es überhaupt nicht weiter, es endigt einfach. Heraus müssen sie, den Schutz verlassen imd dort hin- über, schräg voran, wo die Raketen steigen. Dichter streichen die Geschosse der Engländer.
Sie schieben sich auf dem Bauch aus der Deckung und weiter durch lehmigen Grund. Wie lange wälzen sie so sich vorwärts? Eine Stunde? Sie finden den nächsten Graben nicht. Sie wagen nicht einmal den Kopf zu heben, sie wagen nicht zu atmen, ihre Lippen stoßen in den Schmutz, nicht etwa um diesen Boden zu küssen, eher um ihm zu fluchen— ihm, der keinen Trost mehr für sie hat. Da und dort schlägt kurz und heftig zischend der Tod neben ihnen«in, als wolle er sich rasend an ihre Seite betten. Ja— und Funk, in völliger Verzweiflung schon jenseits aller Vernunft, hinausgeschoben über das Tragbare einer Situation— glaubt nicht mehr an ihre Wirklichkeit. Ist so etwas möglich? fragt er sich. Er verneint es. Vielleicht träume ich schlecht—? mißtraut er. Wach auf, und alles ist vorbei! Sieh, die Kugeln haben Angst: nicht du hast Angst, sondern die Kugeln. Sie verstecken sich im Erdreich, sie schwirren näher zu dir hin, sie wollen sich ja nur in dir verstecken. Ohne Sorge! Das alles ist ein Affentanz, das alles ist läppisch und lächerlich, lache doch, lache! Rur eine Minute so! Der Wahn weicht. Das Gehirn hat diese Flucht gebraucht: jetzt ist es wieder fähiger, nüchtern zu dulden. Die beiden pressen den Körper erst recht an den Grund. auch Wange und Hals, und kriechen. Eiskalter Erdbrei kriecht seinerseits in die Aermel hinein bis über die Ellenbogen, den Kragen hinab und über die Brust, der Leib ist kalt übersickert. Und dennoch: muß man die Erde nicht lieben? Zu hassen ist nur die Luft, gleich eine Handspanne über ihnen. Endlich können sie wieder sich hinablassen— und sind wahrhaftig auf„bewohntem" Grund. Wachen stehen da und dort an der Brustwehr unbeweglich in Mulden, hinter Schutz- schilden, das Gewehr zwischen Sandsäcken, hinausspähend, ohne etwas zu sehen, und wenn sie sich kurz nach den Kranken- trägern umwenden, um auf eine Frage Bescheid zu geben— die stumme, stumpfe, die niedergekämpfte, die chronische Ber- zweiflung steht im graugrünen Gesicht, das wie verwest auf- schimmert unter dem giftigen Licht der Leuchtkugel. Sie fragen nach Abschnitt C: dorthin sind sie befohlen. Die Stimme der Wache, ganz fremd, verrostet, vereist, keine menschliche Stimme inehr, sagt etwas. Sie gehen der Aus- kunfl nach, sie müssen noch zehnmal fragen in den Maul- wurfslöchern der Unterstände, aus denen ein wenig Glut des elenden Eisenblechöfchens dringt oder der Lichttupfen eines Stearinstummels. (Fortsetzung folgt.)