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Freitag 9. August �929

Unterhaltung unö Wissen

Beilage des Vorwärts

Wilhelm Xichienberg:

S)mrak wird konfus

Daß man den Dvorak jetzt pensionieren mußte, ist man darf e? glauben keinem leicht gefallen. Nur schweren Herzens ent- jchloffen sich seine Vorgesetzten zu dieser Maßnahme. Was der Dvorak so besonders leistete? Nun, er leistete eigent­lich gar nichts Besonderes. Besondere Leistungen waren niemals seine Sache gewesen. So weit hatte sich sein Ehrgeiz niemals oer- stiegen. Aber eines konnte er, der Dvorak wie kein anderer: angenehm konnte er sich bei seinen Vorgesetzten machen. Angenehm. Und da er wie gesagt überhaupt nur Vorgesetzte hatte, so darf man ohne Uebertreibung feststellen: Dvorak war allen Men- schcn angenehm. Und deshalb konnte er auch dreißig Jahre im Amte zubringen: ohne einer einzigen höheren Stelle lästig zu werden. Jeder unter- hielt sich gern mit Dvorak ; teille ihm seine kleinen Freuden und Leiden mit, erzahlte ihm den neuesten Scherz und Dvorak konnte zuhören wie kein zweiter. Ja, darin bestand sein« Stärke. Und die österreichische Bundesverwaltung wird nickst bald einen Diur- nisten kriegen, der so zuzuhören oersteht wie Dvorak . Dvoraks Fähigkeit, zuhören zu können, por auf einem ganz besonderen System aufgebaut. Na, wenn man dreißig Jahre nichts anderes tut...I Nicht allein, daß er alle Aeußerungen von höheren stellen widerspruchslos aufnehmen konnte! Das hätte bald einer getroffen. Dvoraks Kunst bestand in weit höherem. Wenn ihn .zum Beispiel der Herr Adjunkt ins Zimmer rief und sprach:.Haben Sie eine Zlhnung, lieber Dvorak , da läßt mich gestern der Herr Oberoffizial kommen.. Hier zum Beispiel warf Dvorak ein gau- migesNaja" dazwischen. DiesesNaja" war einfach genial; denn es legte von vornherein fest, daß der Herr Wljunkt und Dvorak verwandte Seelen seien. Sprach er aber gleich darauf mit dem Herrn Oberoffizial, vo» dem er wußte, daß er den Adjunkten nicht ausstehen könne, hatte er, wenn die Rede auf den Adjunkten kam, ein schwer seufzendesJajaja, Herr Oberoffizial" bereit. Auch dieses.Jajaja, Herr Obervsfizial" war genial, denn es legte von vornherein fest, daß der Herr Oberoffizial und Dvorak verwandte Seelen seien. Oder der Herr Finanz vat erzählte gerne Witze. Sie waren nicht gut, die Mtze, und sie waren auch nicht neu. Aber wie konnte Dvorak lachen!! Zuerst verfärbte er sich, wurde rot und blau, dann lachte er los, dann konnte er dos Lachen in Keuchen umschlagen lassen und schließlich bat er um Erlaubnis, sich für einen Augen- blick hinsetzen zu dürfen... Denn solche Witze.'.. Solch« Witze... Wenn der Herr Finanzrat irgend» einen Witz hörte, freut« er sich schon jedesmal auf den Moment, ihn dem Dvorak erzählen zu können. Der Herr Oberfinanzvat wieder erzählte gerne aus seiner Fa milie. Da hatte Dvorak einigeOhgotts,.Neinsowas",Also aus- gezeichnet" bereit, die es dem Herrn Oderfinanzrat geradezu als Vergnügen erscheinen ließen, dem Dvorak interne Familienvorgönge zu erzählen. Der Herr Rechnuftgsrot wieder war einem kleinen Spielchen nicht abgeneigt. Wenn Dvorak nun so gegen 11 Uhr vormittag» beim Herrn Rechnungsrat erschien, seufzt« dieser regelmäßig:.Na, lieber Dvorak da, war gestern wieder etwas...!" Dvorak er- faßte intuitiv irrt) seufzte schwer:.Achgottja, Herr Nechnungsrat!" Dvoreck, wenn Sie drei Asse haben und zwei Buben, pasien Sie auf, Dvorak , kaufen Sie da den dritten Buben oder warten Sie lieber aufs vierte As?" Jeder andere hätte vielleicht gesagt:.Ich kmife den dritten Buben." Dvorak aber sagte prompt:Ich warte tmfs viert« As, Herr Rechnungsrat." Das war nämlich so: Alle Kiebitze hatten sich über den Rechnungsrot aufgeregt, weil er auf das vierte As gewartet hotte. Das sollte, nach Ansicht aller Tat- zeugen, das größte Verbrechen sein, dessen sich ein Rechnungsvat nur jemals in seinem Leben schuldig machen könne! Aber Dvorak war eben genial! Er mußt« gar nicht dabei gewesen sein, um zu wissen, was der Rechmmgsrat getan hotte und welche Antwort er erwartet«. So war Dvorak ? Nun wird man natürlich glauben, dieser Dvorak habe immer ein" glückliches Dasein geführt. Man wird sagen: eigentlich ein Minimum an Beschäftigung. Wie unrecht täte man dem braven Dvorak mit dieser Annahme! Mahr ist. daß Dvorak dreißig Jahr« lang wie«in Hund geschuftet hatte! Wenn er au» dem Amte heimkam, fiel er in totaler Er- ichopfung aufs Sofa und konnte lange nicht zu sich kommen. Oder kann jemand ermessen, was das heißt, acht Stunden längs jede Miene seines Gesichts, jeden Ton seiner Kehle, Lachen und Weinen. in der Gewalt zu hoben? Kann das jemand ermessen? Und da- bei noch mit ahsoluter Gewißheit im Bruchteil einer Sekunde fest- stellen zu müssen, welche Fehler beim Kartenspiel der Herr Rech- nungsrot oemachk hoben köery«? Nein, Dvorak leistete eine über- inenshliche Arbeit! Warum sie ihn also doch pensioniert haben? Mein Gott, Doo- mk» unfehlbarer Mechanismus war eben nach dreißig Jahren auch ins Stocken geraten. Wie das schon so kommt. Es sing damit an. daß der Herr Adjunkt zur gewohnten«wnde sagte:Haben Sie eine Ahnung, lieber Dvorak , da läßt mich gestern der Herr Oberoffizial kommen.-" Und Dvorak lacht« vergnügt aus und warf ein:Bravo , der Herr Oberossizial! Ein ausgezeich- neter Mann..." Der Herr Adjunkt fuhr auf seinem Drehstuhl herum und starrte Dvorak entgeistert an. Dann sagte er sehr in- digniert:Es ist gut, Sie können gehen..." Dvorak griff sich an den Kopf, stammelte einige Entschuldigungsworte, aber der Adjunkt wollte nichts mehr hören. Bei dem war er nun ein für allemal erledigt. Dann passierte ihm das Malheur gleich darauf mit dein Ober- otiizial. Der brachte da» Gespräch auf den Adjunkten und Dvorak bekam seinen Lochtrampf... Er hatte den Oberoffizial.und den Finanzrot durcheinander gebracht... Der Oberoffizial erschrak heftig und fragte:Dvorak , Dvorok was haben Sie denn�" Dvo- rak griff sich an den Kopf und stammelt« einige Entschuldigung»- werte. Aber der Oberossizial brach das Gespräch ab und hieß Dvo- rok au» dem Zimmer gehen. Dvorak mar noch nicht zu sich gekommen, vis ihn der.Herr Finonzrat holen ließ. Er hatte wieder einmal ein paar glänzende Witze gehört! Die waren was für Dvorak . Er erzählte den ersten und wartete auf den Lackstromps. Aber er kam nicht., Dvorak stand traurig da, hatte Tränen in den Augen und schluchzte:»Nein. so ein Unglück! So«in Unglück! Daß Ihnen auch da» hat pas- sieren müssen, Herr Finanzrot...l" Der Finanzrat wurde böse und

schrie den Dvorak an:Was haben Sie denn? Sind Sie verrückt geworden?" Dvorak konnte nichts mehr antworten und wankt« aus dem Zimmer. Er sichltc es, mit ihm und seiner Kunst ging es zu Ende. Ein erschütterndes End« für«inen Staatsbeamten, der dreißig Jahre lang an der rechten Stelle den Lachkrampf be- kommen hatte... Nur mehr wie zur Richtstatt wankte er in das Zimmer des Herrn Oberfinanzrates. Der erzählt« ihm, daß sein Jüngstes den Scharlach hätte... Dvorak rieb sich die Hände und gluckste:Herr- [ich! Famos! Ich gratulier«, Herr Oberfinanzrat...1" Na, und der Herr Nechnungsrat war heute ganz besonders aufgeregt:Dvorak ! Jetzt entscheiden Sie einmal! Wenn Sie sechs Herz haben mit der Dame spielen Sie sich stark oder schwach aus? Dvorak ...!" Dvorak keuchte, kalter Schweiß trat ihm aus. Er gnff sich nach dem Hals es würgte ihn. Dann brachte er tonlos hervor:«Schwach, Herr Rechmmgsrat..." Der Rechnungsrat hieb wütend mit der Faust auf den Schreibtisch und schrie:Ochse! Seit wann schließen Sie sich denn der Meinung meiner Kiebitze an? Na, Sie habe ich auch zum letztenmal gefragt! Das steht fest." Am nächsten Tage erschien Dvorak nicht mehr im Amte. Er hatte sich krank gemeldet. Aber es hatte sich bereits herumgesprochen, daß es mft ihm nicht mehr weit her fei... Nach ein paar Tagen kam er wieder und oersuchte unter Aufbietung seiner ganzen Kraft Dienst zu machen. Es gelang nicht mehr; denn schon bei der ersten Station beim Adjunkten produzierte er seinen Lachkrampf... Dann wurde er wieder nach Hause geschickt und alles weitere werde er schon Höven...

Alles weitere aber war dr blau« Bogen. Dvorak wurde pensioniert. Der alte Herr Dvorok hat jetzt viel frei« Zeit und ist ob und zu auch in der Oeffenllichteit zu sehen; aber die Leute schütteln den Kopf über ihn ünd meinen, daß er im Oberstübchen nicht ganz richtig sei... Er spricht Dinge, die gar nicht zur Sache gehören. lacht zur unrechten Zeit und ist betrübt, wenn die ollgemeine Stim- mung gerade am besten ist... Man weiß nicht recht, was mit chm los seil Keinem aber wird es einfallen, daß dieser Dvorak in dreißigjährigen treuen Diensten für den Staat das geworden ist, was er eben ist...

Tränengas gegen Verbrecher Ein amerikanischer Richter erklärte kürzlich, er habe einem Straßenräuber, der sein Opfer durch Tränengas unschädlich gemacht hatte,«in« miwere Strafe gegeben, als er sie gegen einen Verbrecher verhängen würde, der sein Opfer mit einem Revolver bedroht. Die Wirkung des Tränengases fei ja schon nach wenigen Minuten vorbei, aber so«in Revolver könne einen nicht wieder gut zu machenden Schaden anrichten. Dies« Ansicht ist bei der Rew-Dorker Polizei- behörde auf fruchtbaren Boden gefallen, denn man beabsichtigt dort, wie in der Frankfurter Wochenschrift Jdi« Umschau" berichtet wird, die Beamten statt mit Maschinenpistolen mit Tränengasbomben aus­zurüsten. Diese neuzeitlich« Waffe hat viele Dorteile; erstens werden dadurch die Verbrecher rasch unschädlich gemacht und können dem Richter überantwortet werden; dann aber macht auch der Uebertätcr, der sich nicht von einem Polizeirevolver bedroht weiß und daher nicht für sein Leben zu fürchten hat, von seiner eigenen Waffe seltener Gebrauch. Im Zusammenhang mit dieser Ausrüstung der Polizei wird natürlich der Vertauf von Tränengas an Privatleute und dessen Besitz verboten werden.

SrnflMaeckel mmiQedäclüms Zur iO. Wiederkehr feines Todestages

Der größte Fortschritt der naturwissenschaftlichen Erkenntnis im IS. Jahrhundert, die Lehre Darwins, erhiell erst durch die Forscher- arbeit ünd das organisatorische Talent Ernst Haeckels, dessen Todestag sich am S. August zum zehnten Mal« jährt, ein festes Gefüge als naturphilosophisches System. In seinerGenerellenMorphologie"(allgemeinen For- men- undGestallungslehre) ordnet Haeckel alle Organismen in dieEnt- Wicklung ein. Niederste Urwesen oder Protisten(von griechisch protos der Erste) bilden die gemeinsam« Wurzel, von der sich sowohl Pflanzenreich wie Tierreich ableitet. Ein besonders hoch entwickelter Zweig des Tierreichs aber sei das Menschengeschlecht. Haeckel«nt- warf hierzu Stammbäum«, die er aber selbst zunächst als Forschungs- Programm auffaßte, deren Bestätigung oder Berichtigung die weiteren Untersuchungen ergeben müßten. Die meisten Naturwissen- schastler der damaligen Zeit fühlten sich durch die in diesem Buche enthaltenen Angriff« gegen die Art ihres Wissenschaftsbetriebs»er. letzt und suchten es deshalb zu ignorieren, tonnten ober die große Wirkung auf die jüngere Generation kaum schmälern. In besonders bedeutungsvoller Wesse stützte Haeckel die Eni- wicklungslehr« durch das biogenetische Grundgesetz, zu dem er den auch von Huxley u. a. geführten Nachweis erweiterte, daß jedes einzelne Lebewesen während des raschen Verlaufs seiner individuellen Entwicklung die nur ganz allmählich vor sich gegangene Entwicklung seiner Art während des Lebensaufftiegs auf unserer Erde wiederholt. So wird z. B. die Stammesgeschichte des Frosches wiedergespiegelt durch olle Veränderungen, die vom einzelligen Ei des Froschlaichs über die Kaulquappe zum Frosch vor sich gehen. Auch die Embryonalentwicklung des Menschen erinnert an die Haupt- stufen der menschlichen Stammesgeschicht«. Die Aehnlichkeit auf­fälliger Art in den ersten Embryonalstadien oller höheren Lebe- wesen einschließlich des Menschen lassen sich zwanglos nur erklären durch die Annahme verwandsschaftlicher Beziehungen auf früheren Entwicklungsstufen. Um es hier gleich vorwegzunehmen: die Biologen der Gegenwart, besonders die experimentellen Entwicklungsniechoniker, erblicken im biogenetischen Grundgesetz wohl ein« bedeutungsvoll« Fessstellung, aber kein« Erklärung des ursächlichen Zusammenhangs. Ebenso haben sich die Ansichten Über manch« anderen Einzecheiteix der Lehren Darwins und Haeckels, besonders über den Ursachen- Mechanismus der Entwicklung, durch neuere Feststellungen erweitert und oerändert. Die Hauptannahm« beider, daß eine Entwicklung zur Mannigfaltigkeit der Organismen geführt hat und insbesondere auch der Mensch selbst dieser Entwicklung sein« Ensstehung mit ver- dankt, ist heut« für jeden selbständig denkenden Forscher zweifels­frei« Tassache. In seiner großen Begeisterung für die Entwicklungstheorie, di« nach Haeckels eigenen Wortenals höchster Triumph des mensch-

Sommer

Und wieder senkt der Sommer sacht sein Horn Und deckt das Land mit seiner Gaben Fülle. In trägen Wogen wallt das reife Korn. Fast sprengt des Weinet Glut der Beeren Hülle. Von bunten Früchten schwer ist jeder Zweig, Es bau'n sich überm Garten niedre Lauben. Wie Ketten oon Korallen trägt am Steig Der Zierstrauch stolz die Last der reifen Trauben. Und aus der Bäume schwankendem Geäst Sprüht blaue Kind eräugen frohe Blitze. Kein Apfel hängt für sie zu hoch, zu fest, Er muß herab von seinem luft'gen Sitze. Ein Ernten ist, ein Jubel rings im Land, Wohin das Auge seine Blicke sendet. Der Sommer aber lehnt am Himmelsrand Und lächelt auf das Glück, das er gespendet. Paul Moehauam,

lichen Geistes nicht das Privateigentum einer privilegierten Ge° lehrtenkast« bleiben, sondern Gemeingut der ganzen gebildeten Menschheit werden müsse", war er bemüht, die neu« Lehre einer größeren Oeffentlichkeit zugänglich zu machen. In dieser Absicht gehalten« öffentliche Vorlesungen wurden 1868 alsNatürliche Schöpfungsgeschichte" herausgegeben, di« seitdem zwölf deussche Auf­lagen und Uebersetzungen in 25 Sprachen erreichen konnte. Um 1900 leiteten die noch erfolgreicherenWelträtsel", bisher in über 100 000 deutschen Exemplaren verbreitet und etwa dreißigma! übersetzt, geradezu«ine Aera Haeckel der Entwicklungslehre, reich an heftigen Diskussionen, ein. an denen viele von uns Aelteren sich mit brennendem Eifer beteiligten. Die zur Erweiterung und Vertiefung derWelträssel" als gemeinverständlich« Studien über biologisch« Philosophie 1904 geschriebenen.Lebenswunder" sollen nach Haeckel » Wortender ehrlich« Versuch sein, alle die reichen Erscheinungen des organischen Lebens unter einem einheitlichen allgemeinen Bild« zusammenzufassen, oll« Lebenswunder vom Standpunkte des konsequenten Monismus als die Erscheinungsformen eines einzigen großen, durchaus einheitlichen Universums zu erklären, gleichviel, ob man dieses Universum Natur oder Kosmos, Welt oder Gott nennt". Wir Menschen sind Naturwesen und Sozialwesen und in beiden Seiten unserer Wesensart ursächlich bedingt, ober doch durch Kausal- beziehungen unterschiedlicher Art, weil beide Gebiete, Natur- entwicklung und Gesellschaftsentwicklung, ihre eigenen Gesetzmäßig- keilen hoben. Der Naturwissenschaftler Haeckel war sich dieser Doppelabhängigkeit des Menschen nicht immer klar bewußt, so daß er gelegentlich aus naturwissenschaftlichen Erkenntnissen irrige Folgerungen auf anderen Gebieten, besonders auf dem der Politik. gezogen hat. Haeckel sah das aber selbst ein; so wenig er auf natur- philosophisch-weltanschoulichem Gebiete zu Kompromissen bereit war, so bescheiden schätzte er sein« Ansichten politischer Art ein:Wen» ich hier und da gelegentlich eine politisch« Aeuherung getan oder eine palstische Nutzanwendung naturwissenschaftlicher Theorien ge­geben habe, so haben dies« subjektiven Meinungen keinen objektiven Wert." Ein jeder, der diese Eigenart Haeckels beachtet und sich bewußt bleibt, daß olles Wissen sich unaufhörlich wandelt und auch die Entwicklungslehre selbst entwicklungsfähig ist, wird eine reiche Fülle der Anregungen und tieferes Verständnis für das naturwissenschaft­liche Welchlld der Gegenwart erwerben, wenn er neben den öbep erwähnten auch di« anderen gemeinverständlichen Werk« Haeckel «,» Natürliche Schöpfungsgeschichte",Gott-Natur",Aus Jnsulindr? und sein letztes WerkÄnstallseelen", zur Lektüre wählt. Wie die umfangreichen Schätze, darunter zahlreiche Zeichnungen und Aquarell«, derVilla Medusa", in deren Garten vor einer Herme Haeckels seine Asche liegt, und groß« Sammlungen des Phyletischen Museums in Jena erweisen, war der bis ins hohe Alter klar denkende und begeisterungsfähig« Forscher von einer erstaun­lichen Arbeitsfreudigkeit erfüllt. Der Künstler in ihm wurde beglückt durch die Schönheit der Schöpfung, der«r in seinenKunsssarmen der Natur" ein hervorragendes Denkmal setzte. Für die Reinheit des Wollens des für seine Wsssenschast und seine konsequente An­wendung begessterten größten deutschen Derkünders der Ent­wicklungslehre, di« nur von Mißgünstigen und Voreingenommenen bestritten werden konnte, legt besonders sein letzter enger Mit- arbeiter und seit Haeckels Tode treuer Verwalter seiner reichen Hinterlassenschaft Pros. Heinrich Schmidt in Wort und Tot bei jeder Gelegenheit beredtes Zeugnis ad. Haeckel sprach die Hoffnung aus,die Menschen möchten immer tiefer in das mner« Heiligtum der Natur eindringen und aus der, nie oersiegenden Quelle der natürlichen Offenbarung mehr und mehr jene höchste Befriedigung des Verstandes durch wahre Natur- erkenntnis, jenen reinsten Genuß des Gemütes durch einfache Natur- religio» schöpfen, di« auf keinen anderen Wegen erlangt werden können". Diese Zukunftshoffnung Ernst Haeckels erfüllt auch uns. Da» Streben zu diesem hohen Ziel« vermag auch heuer noch und zu ollen Zeiten, sofaitge Mensch«, sind, zu begeistern und zu beglücken. ErustMuhlbach.