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und Erneuerung bestehen konnte, stand die Nationalversammlung von Weimar ; es war viel Hoffnung und Glaube in ihr, daß es gelingen würde, Deutschland wieder aufzurichten. Das gab uns Freudigkeit und Spannkraft. Man muß aber immer wieder in Erinnerung rufen, wie hart diese Arbeit war, welche Gefahren dem werdenden Volts­staat drohten.

Das schlimmste war der drohende 3erfall des Reichs. Daß die Gewalt der Sieger wichtige Teile deutschen Kultur- und Arbeitsgebietes abriß, unsere Rohstoffe wegnahm, Deutsche von dem Boden vertrieb, den sie urbar gemacht, aus den Bergwerfen, Hütten und Fabriken verjagte, die ihr Fleiß und Wissen geschaffen hatten, war traurig, mußte aber als Folge des verlorenen Krieges erduldet werden. Biel schmerzlicher waren die Versuche, von innen heraus zu zerreißen, was durch die geistige und wirtschaftliche Arbeit von Jahrhunderten verbunden war und die Kraft der Nation sicherte.

Nicht die Revolution vom 9. November trug die Schuld an dieser Lockerung des Gefüges unseres als so unerschüttlich fest gerühmten Reiches. Ich persönlich wurde schon Ende Juli 1918, also vor der entscheidenden Niederlage, die mit dem 8. August begann, von einem österreichischen Freunde besorgt gefragt, ob Deutschland zusammen­halten würde. Er hatte auf einer Eisenbahnfahrt im Westen mit angehört, wie Mitglieder der Bevölkerungsklasse, die damals als sehr staatserhaltenb galt, gang offen den Abfall der Rhein­lande von Preußen befprachen, der doch praktisch die Borbereitung einer Annegion durch Frankreich bebeubet haben würde. Am 4. Dezember 1918 fanden in Köln die Versammlungen statt, in denen von fapitalistischer Seite für die Separation von den Boltsver führern in Berlin " Stimmung gemacht werden sollte.

Man soll diese Borschläge zwar nicht zum Gegenstand nach träglicher Refriminationen machen und mag sie mit der psychischen Berwirrung entschuldigen, die sich aus den Leiden durch Krieg und feindliche Bejagung entwickeln fonnte. Aber man darf auch nicht A. vergessen, wie groß die Gefahr war, und daß es der undergeß­liche Verdienst der Nationalversammlung ist, solchen Bestrebungen gegenüber fest geblieben zu sein und die Einheit ge wahrt zu haben. Insbesondere dürfen die deutschen Arbeiter sich wahrt zu haben. Insbesondere dürfen die deutschen Arbeiter sich rühmen, allerorten den zerreißungstendenzen Widerstand geleistet. zu haben, am Rhein und in Oberschlesien , bei den Ab­stimmungen in Masuren und Nordschleswig. Und gern erinnere ich mich des persönlichen Erlebnisses in einer oftpreußischen Stadt, wo namentlich auch kommunistische Arbeiter für das Deutsch

tum mit Wärme eintraten.

Der Minifter Breuß fieß schon nach den Borbesprechungen jein ursprüngliches Projekt fallen, Preußen in eine Anzahl Klein­staaten zu zerlegen. Auch bei dieser Gelegenheit hat die sozial demokratische Arbeiterschaft den richtigen Instinkt bewiesen, wenn auch damals nur wenige ahnen machten, in welchem Maße dieser große, fest begründete Staat im Reiche zehn Jahre lang und bis heute das wahre Rüdgrat der republikanischen Berfassung, nicht nur für Breußen, sondern auch für alle anderen Länder bleiben sollte. In den Kleinstaaten, in denen zeitweilig viel raditalere Mehrheiten herrichten, haben diese dauernd oder wechselnd reattionären Re­gierungen den Blah räumen müssen.

Hugo Preuß sagte mir, daß er hoffte, diesen vereinfachten Ber. faffungsentwurf bis Oftern 1918 durchbringen zu fönnen. Das wäre jehr gut gewesen, schon wegen der bevorstehenden Friedensver­handlungen, aber es ermies sich als unmöglich. Zum Teil wurde je Arbeit durch wirklich tiefgehende Gegenfäge aufgehalten, in denen eine Bereinbarung gefunden werden mußte. Das galt namentlich pon der Schule. Die Besprechungen, bei denen ich und hoff­mann Kaiserslautern mit Erzberger und Heinrich chulz gelegentlich scharf zusammengerieten, erforderten Zeit. Auch wer durch die Lösung feinesmegs restlos befriedigt ist, wird an­erkennen müssen, daß jolche Probleme nicht durch Mehrheitsbeschüsse gelöst werden können, bei denen ein Teil den anderen unterwirst Andere Berzögerungen mögen dem deutschen Bedürfnis nach Bollständigkeit entsproffen sein oder, bem nach theoretischer Eraftheit, die freilich bei den ganzen Berhältnissen, unter denen gearbeitet werden mußte, nur teilweise erreicht werden fonnte. Manche Arbeit hat fich später als völlig mußlos erwiesen, wie die wochenlangen, sehr zugespitzt verlaufenden Berhandlungen über die einzelnen Abfäße des Artikels 18. Der einzige Berfuch zur Anwendung dieser Be stimmungen, die Abstimmung in Hannover über das Ausscheiden aus Preußen hat bewiesen, daß wirkliche Lebensintereffen immer stärter find als theoretische Rügeleien.

Als ich in der Sitzung vom 31. Juli 1919 die Annahme der Verfassung namens Preußen erflärte, äußerte ich, man fönnte von einer solchen Berfassung nicht mehr verlangen, als daß sie einige Jahre ihre Schuldigkeit täte. Run, sie hat zehn Jahre überdauert und das ihrige zur Konsolidierung des Reiches geleistet.

Ein ganzer Sagenfranz ist um diese Verhandlungen von Weimar gewoben worden, und nicht immer wohlmeinende Märchen. Schnüffler haben die Fremdenbücher der Gasthäuser durchforscht, welche Leute miteinander gefneipt und was fie dabei eingeschrieben hätten. Soviel steht jebenfalls feft: es ist in Weimar mit Aufbietung aller Kräfte gearbeitet worden. Ich erinnere mich, daß ich im Sommer 1919 während der Verfassungsberatungen einmal 15 Nächte hintereinander in der Eisenbahn zwischen Weimar und Berlin zu­gebracht habe, hin- und herfahrend, um an dem einen Tage dort, dem anderen hier die politischen Arbeiten erledigen zu können. Und ebenso wenig haben sich andere geschont.

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Die Wahl des Ortes legte es nahe, den Geist Goethes anzurufen, der feineswegs so ganz unpolitisch war, wie manche denten. Man fann aus Goethe ziemlich viel herauslesen, z. B. die Ablehnung der Demokratie, aber auch der fürstlichen Mizwirtschaft. Der Grundzug feines Wesens war, wie er selbst zu Edermann gesagt hat, eine enge Berbundenheit mit dem wirklichen Leben des Bolles, dem er viel näher stand als der Freiheitsdichter Schiller. Das maßgebendste aber war das strenge Pflichtgefühl, das er von jedem verlangte: Willst du viele befreien, so wag es, vielen zu dienen."

In feinem war dieser Geist lebendiger als in unserem nie ver­gessenen Friedrich Ebert . Es war ein Genuß, zu sehen, mit welcher ruhigen Ueberlegenheit er in kleineren oder größeren Kreisen die Berhandlung leitete, ein noch größeres Glüd, mit ihm vertraut zu sprechen, sein sicheres politisches Gefühl zu bewundern. Auch Ebert hat das Goethewort an sich erfahren müssen, wie gefähr lich es fei, vielen zu dienen. Fiel er auch nicht durch die Kugel von Fanatikern, wie Erzberger und Rathenau , so hat doch eine Ber­schwörung von Berleumdern ihm Leib und Seele untergraben.

Desto treuer und dankbarer müssen wir heut am zehnten Ber­faffungstage seiner gedenten, des deutschen Arbeiters, des Führers aus dem Chaos, des ersten Präsidenten der deutschen Republit.

Stirb und werde!

Von Ulrich Rauscher .

Erft der Verfuch, Erinnerungen aus der Weimarer Belt aufzuzeichnen, bewies, mas alles in diesen zehn Jahren über den niedergegangen ist, der auf wechselnden Bosten politisch fich Schicht für Schicht über die Erlebnisse der Weimarer tätig war. Die ununterbrochene, vielgestaltige Arbeit hat großen Bügen, einzelne Persönlichkeiten und ein überragender Tage gelegt. Was lebendig geblieben ist, das find, in Borgang: das Ringen einer neuen Staatsform um ihre Fleiſchwerdung.

Selbstverständlich steht die Nationalversammlung vom ersten Augenblick an im Schatten des zu schließenden Friedens; zuerst heißt der Alpdruck Waffenstillstand; dann beginnt der lautlose, hinter Stacheldraht geführte Kampf in

Versailles.

tapitel des Kriegs und um Entwicklung und Synthese der neuen Staatsform und ihrer Einrichtungen. Er war der erste, der praktisch zur Handhabung des Barlamentarismus bestellt war. Es wäre lehrreich, festzustellen, wieviel Tra­dition er in seiner viel zu kurzen Wirksamkeit geschaffen hat. In den Kampfjahren, wo er noch fein zu Tode geschwächter und gehegter Mann war, ist sein hervorstechendster Zug der der Initiative! Zielsicherheit, getragen von dem sehr starken Selbstbewußtsein: daß er die parlamentarische Ma­schine zu meistern habe, nicht sie ihn. Er hat das Erstgeburts­recht seines Amtes feinem Parteiführer abgetreten!

Eines allerdings half ihm bei dieser ersten Ingang setzung des parlamentarischen Systems, und hier liegt einer. der stärksten Eindrücke Weimars : der Barlamentarismus der Nationalversammlung fonnte seinen schönsten Antrieb ziehen aus dem ehrfürchtigen Danfgefühl der vielen, die eine Er­füllung lebenslang hochgehaltener Ideale in ihren Händen sehen und alle Verantwortung eines verwirklichten Wunsch­traumes fühlten. Das war noch fein Rönnen der neuen Form, aber ein Höchstmaß von gutem, unegoistischem Willen. Woher hätte dies Können auch fommen sollen? Auch das ist eine Lehre von Weimar , die jeder mitnahm, der sehen wollte: daß es eine der nachwirkendsten Sünden des faiser. lichen Regiments war, die zahllosen. entwicklungs­fähigen Erscheinungen im deutschen Menschenreservoir plan­mäßig ungenügt gelassen zu haben, ohne je in die Fülle der Begabungen hineinzugreifen, um den Bestand an führenden Menschen zu ergänzen. Die Kaiserzeit hat das Regieren zum Raftenvorrecht und einen Weg nicht nur in der Verwal tung, sondern auch in der Politit, nämlich den der Be amtenlaufbahn, zum alleinseligmachenden werden laffen. Das heißt auf den Parlamentarismus angewandt: daß das alte Regime dem Parlamentarier den logischen Aufstieg vom fritisierenden zum verantwortlich Handelnden sperrte, daß es den eben Eifernden von der Pflicht zum Bessermachen, daß es damit die Kritik von der Verantwortung entband, den Regierenden vom Zwang zur positiven Handlung be­

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freite. Militärisch war der Kaiserzeit der Gedanke durchaus vertraut: das ganze Boll in der soldatischen Ausbildung zu erfassen! Bolitisch hatten wir das Berufs-, das Söldner- heer, das ein Volk im Volke bildete. In England- ein Hugenberg- Blatt hat neulich neidvoll die prompte Bildung der Labour- Regierung berichtet war und ist bei Erringung der Majorität die Regierungsübernahme feine schimärische Möglichkeit, sondern Pflicht, einfache, gemeine Pflicht, der sich niemand entziehen kann, der einmal den Mut gehabt hat, zum Barlament zu fandidieren. Bei uns verpflichtete der Eintritt in die Politik zu gar nichts, niemand wurde beim Wort genommen, feine Opposition zur Verantwortung ge­zogen, niemand hatte für die Folgen seiner Opposition ein­zustehen.

Aber in den ersten Monaten ging neben den Untergangs erscheinungen des alten und dem Berfaffungsbau des neuen Reiches die Auseinandersetzung zwischen den Menschen der Gegenwart, Abrechnung, Antlage, Verteidigung. Ich höre noch die grundlegende Rede des Grafen Rangau, De­mofratie, Gerechtigkeit, Bölferbund, mit dem Schlußfah, er werde beweisen, daß auch ein Graf Demokrat sein tönne; der comte malgré lui", wie ihn der damals Deutsch nationale v. Graefe taufte. Höre noch das Rededuell Bar es nicht selbstverständlich und unumgänglich, daß Boegler Erzberger, sehe noch die Empörung des all dies in Weimar als Folge in Erscheinung trat und heut Prälaten Kaas über die Angriffe des Industrieführers und noch nicht überwunden ist? Fehler der Erziehung erlebe noch einmal Erzbergers außergewöhnlichen oratorischen überwindet jeder Mensch und jede Schicht am schwersten. Die Erfolg, troß feinem weichen, hier ungewohnten Dialekt, trop inneren und äußeren Schädigungen dieser zwangsweisen der Gegnerschaft gegen den Mann von Compiègne ". Fernhaltung von der Erziehung zur Macht tragen ausnahms­Dazischen die abgehackten Reden Nostes, bei denen los alle Männer, die in der Republik für die Nation ges man das Gefühl hatte, der Redner halte sie eigentlich widersprochen und gehandelt haben. Nicht einer, der nicht erst den willig und rasch, um gleich wieder zu einer pausenlosen, der Leerlauf überwinden mußte, der sich in der Kaiserzeit Parla­Deffentlichkeit entzogenen Arbeit zurückzukehren.( Bom Rapp mentarismus nannte, und der nicht dadurch wertvolle Zeit Butsch rückwärts ist es leicht, abzuurteilen. Dazwischen die und Kraft verloren hätte. Manche sind, wie Friedrich Ebert , erste Kabinettsbildung; Parteiführerbesprechung; Paner, in diesem Kampf mit ihrer Bergangenheit zerbrochen. Ber den feinen Kopf tief in den Schultern, mit einer Harinadig dies typische Schicksal aus der Vorfriegszeit erschüttert an feit ohne gleichen, in ewiger Wiederholung, aufreizend, aber einem Beispiel erleben will, das noch vorzüglich günstig für erfolgreich dagegen protestierend, daß Erzberger auch nur die wilhelminische Epoche gelagert ist, der leje Eschenburgs das Rolonialamt übernehme. Dazwischen eine Sprühmelle Buch über Ernff Baffermann, diese Tragödie des lebenslangen aus dem Arbeitermeer Berlin ; nächtelang Sigung mit Boll Einfaßes einer Bersönlichkeit und einer Gesinnung an ein zugsrat und ,, revolutionären Obleufen" über die Grundlagen Scheinspiel, diese Tragikomödie eines taifertreuen Mannes, des späteren Betriebsrätegefeßes; Aufruhr, der sich in der der seinen Herrn niemals gesprochen hat. Formulierung austobte: auch der Umsturz hat seine Geheim­räte. Dazwischen ein Schuß in der Nacht: erfles Attentat auf Erzberger , der über mir im Weimarer Schloß wohnte, von zügellofen Desperados die steile Treppe hinauf gehegt und mit tnapper Not gerettet wurde.

Parlamentarismus der wilhelminischen Zeit: Fassade! Die schwerste Aufgabe von Weimar : das Haus dazu zu banen. Das ist, architektonisch gesehen, sicher der falsche Weg, aber er ist den Männern der Nationalversammlung historisch auf gezwungen worden. Auf dem Boden des welland Heiligen Aber der deutsche Himmel, der sich immer noch über ein Römischen Reichs Deutscher Nation hat man verfassungs­Hungerland spannt, wird stündlich dunkler. Die Ber - rechtlich immer unter Verwendung des alten Gemäuers ge­In sailler Delegation tommt zurüd. Ein ver baut, auch bei der Bismardschen Reichsgründung. zweifeltes Parlament, eine Tag und Nacht aufgepeitschte Re- Weimar war die Aufgabe am schwersten, weil der Zusammen­gierung sucht nach einem Ausweg aus der Zange von Waffen- bruch mit seinen verzweifelten Folgen dem Aufbau am stillstand, Zwangsvertrag und erneutem Einmarsch. Die Not nächsten stand, Tod und Geburt fich in eine Stunde zufammen­gebiert seltsame Versuche der Rettung( die alle verjagen); drängten. Das Leben eines Bolts duldet eben feine Unter­aber auch eine, seither nie wieder verwirklichte Erkenntnis: brechung, nicht auf eine Stunde, nicht auf eine Minute er daß Ja und Nein zwei gleichwertige Ausbrüde des gleichen griffenen Schweigens. Es ist der feierliche Ruf beim Lod Berantwortungsgefühls fein fönnen, daß nicht das eine der franzöfifchen Könige, der auch in Weimar im schwärzesten. Nationalgefühl und das andere Baterlandsverrat seien, fon Augenblick der deutschen Geschichte ertönte und zur Tatsache dern beides die Frucht wochenlangen Rampfes: ich fann nicht wurde: Das alte Reich ist tot, es lebe die Deutsche Republik!

anders!

Jede Weimarer Rückschau führt auf einen Mittelpunkt, auf die Gestalt Friedrich Eberts . In ihm vollzog sich in diesen Monaten am sichtbarsten der Kampf um das Schluß­

Der im Jahre 1886 gegründete

Verband der Kupferschmiede Deutschlands

ist die einzigste zuständige Organisation für alle im Kupferschmiede - Gewerbe beschäftigten Gehilfen, Lehr­linge und Hilfsarbeiter. Er gewährt seinen Mitgliedern Unterstützung bei Arbeitslosigkeit am Ort und auf der Reise, Krankheit, Invalidität, Streiks und Aussper­rungen, beim Wohnungswechsel und in Sterbefällen.

Es ist Pflicht eines jeden Kollegen, sich im Verband der Kupferschmiede Deutschlands zu organisieren.

Verband der Kupferschmiede Deutschlands

Berlin N 58, Greffenhagener Straße Nr. 58

In demselben Weimar , in dem die ewige Formulierung dieses ewigen Gesetzes entstand:

Stirb und merbel

NUR EIN ZIEL:

Eine starke und einige Deutsche Republik Republikaner lest das Or­gan des republikanischen

Zusammenschlusses

DIE WOCHENSCHRIFT DEUTSCHE REPUBLIK

Zu beziehen durch den Buch­handel u. d. Ver

lag der republi­kanischen Union Frankfurt a. M. Llebfrauenstr. 4