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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .

Montag, den 12. August 1929.

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Triumph der Republik.

Glänzender Verlauf der Feiern in Berlin und im Reich.

Hohe Erwartungen find an den geftrigen Tag geknüpft worden. Die Wirklichkeit hat sie weit übertroffen. Die Republik ist gestern nicht bloß gefeiert, fondern von Millionen erlebt worden.

Ihre Gegner hatten sich im voraus getröstet, dies alles werde nur ein offizielles Festgepränge mit anbefohlener Be­geisterung" sein. Heute müssen sie wissen, daß diese letzte Noflüge nicht mehr hält und daß in Deutschland Bolt und Republik eins geworden sind.

Bersuche, diese ungeheure Kundgebung herunterzureißen, zu beschmutzen und gewaltsam zu stören, haben weiter feinen Erfolg gehabt als den, die klägliche Ohnmacht ihrer Urheber zu enthüllen.

Berlin , das arbeitende Berlin , steht zur Republik . Deutschland , das arbeitende Deutschland steht zur Re­publit. Wer in Deutschland Politik treiben will, muß mit dieser Tatsache rechnen, mag fie ihm lieb oder leid sein.

Das ist die Lehre des 11. August 1929, der, dem Ge­dächtnis eines geschichtlichen Tages gewidmet, felber ge­jchichtlicher Tag geworden ist.

Die Feier vor dem Reichstag .

Um 11% Uhr bereits ist der riesige Plak der Republik dicht gedrängt besetzt. Von einer Menschenmauer, die geduldig in der brennenden Sonne ausharrt, ist der freie Platz vor dem Reichstag für die Ehrenfompagnie umfäumt. Bon zwei riesigen Masten wehen die Fahnen der Republif; auf allen Maften der umliegenden Hausdächer und zwischen den Säulen des Reichstags­portals wiederholt sich der Farbendreiklang Schwarzrotgold. Von der Schweizer und der Hamburger Gesandtschaft, den Botschafts­gebäuden Japans , der nordeuropäischen Staaten in der Alsenstraße grüßen die fremden Flaggen das Banner der deutschen Republit. Durch die Luft ziehen schwarzrotgold bewimpelte Presse­flugzeuge und Maschinen des Flugverbandes der Werktätigen Sturmvogel" ihre Kreise, bevor dann bei Beginn der Feier die Ehrenstaffel der Lufthansa mit zwölf Flugzeugen erscheint, die eine Stunde lang den Platz umfliegt.

Eine Unzahl von Photographen und Filmoperateuren hat ihre Apparate ringsum an allen möglichen und unmöglichen Stellen postiert, sogar in schwindelnder Höhe auf dem Dachsims des Reichs­tagsgebäudes furbelt ein verwegener Aufnahmemann". Auf den Balkonen des Reichstags und den Dächern der umliegenden Häuser

brängen sich Massen von Schauluſtigen.

Die Sänger des Deutschen Sängerbundes marschieren in langer Kolonne an und nehmen auf der Freitreppe Aufstellung. Inzwischen ertönt Marschmusit, und die Ehrentompagnie der Reichs­ wehr mit ihrer Musikkapelle rückt an und bildet die Front zum Reichstag. Der Stadtkommandant von Berlin , General Schleiniz, ist anwesend.

von

Ueber den Beginn der Feier im Reichstag werden unsere Leser in der illustrierten Ausgabe unterrichtet. Da wir die Rede des Reichsinnenministers Genossen Severing wegen

tönnen diesen Tag nicht beffer einleiten als dadurch, daß wir der Hoffnung Ausdruck geben, daß es den Bemühungen der Staatsmänner der ganzen Welt gelingen möge, dieses Programm der Völkerverständigung auch durchzuführen, damit die Völker Ruhe und Frieden bekommen, die Wirtschaft der Welt Stetigkeit bekommt, daß Wohlstand und Glück allen Völkern erblühen mögen. Ein Tag der Freude soll nicht geschmälert werden durch Schlacken der Kleinlichkeit und des Alltags. Deswegen werden Sie von mir nicht erwarten, daß ich in einer Betrachtung dessen, was geschaffen ist, die alte Zeit, die Vergangenheit schmähe. Wer das tut, wer das Gute der Vergangenheit nicht ehrt, ist einer besseren Zukunft nicht wert. Es ist auch an sich unrichtig, daß das neue Deutschland etwa die Verbindung mit der Vergangenheit ab. lehnen könne. Auch in der Vergangenheit, auch unter der alten Staatsform haben wir Großes erlebt, und die Demokratie von

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Weimar ist nicht erst in Weimar entsprungen, sondern langfam herangereift, schon in der Vergangenheit unter der alten Staatsform. Das Wert des Freiherrn v. Stein, die Kämpfe der Achtundvierziger, die Geschichte der Paulskirche, das allgemeine, gea heime und direkte Wahlrecht, die Selbsterziehung der Arbeiterschaft in den sozialpolitischen Körperschaften, alles das sind Meilensteine auf dem Wege der Demokratie. Wenn wir so das Gute der Vergangenheit ehren, dann dürften wir erwarten, daß diejenigen, die noch mit ihrem ganzen Gefühlsleben in der Vergangenhei wurzeln, dem Neuen dieselbe Achtung entgegenbringen.

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Aber man fragt uns: was hat die Republik , was hat das Deutschland der Weimarer Verfassung geleistet?, und schon im Ton dieser Fragestellung liegt eine negierende Antwort. Man tongediert der Republik und dem neuen Deutschland höchstens, daß

die Demokratie von Weimar das Land vor dem Zerfall, vor dem

Die Konferenz tagt weiter.

Snowdens gutes Herz"- der persönliche Zwischenfall erledigt­Sonntagsaussprache der großen Sechs".

V. Sch. Haag, 11. August. ( Eigenbericht.) Die für Sonntag vormittag in Aussicht genommene Situng der sogenannten sechs einladenden Mächte hat stattgefunden und eine unverkennbare Entspannung gebracht.

Die Gigung begann erst gegen Mittag, weil Dr. Stresemann Wert darauf legte, an dem evangelischen Gottesdienst aus Anlaß des deutschen Verfassungstages teilzunehmen, während Dr. Wirth eben falls einem katholischen Hochamt beiwohnte. An der Beratung, die eineinhalb Stunden dauerte, nahmen fast ausschließlich die Haupt­delegierten, also auf deutscher Seite die vier Reichsminister teil. Die Stimmung unter den hunderten von Journalisten, die auf das Ergebnis im Hof warteten, war überaus pessimistisch. Man

erwartete allgemein einen Beschluß auf Bertagung der Konferenz

um einige Wochen, also einen verschleierten Abbruch. Die angelsächsischen Kollegen schlossen bereits Wetten ab, und zwar schwankten die Odds zwischen 4: 1 und 5: 1 im Sinne des Abbruches. Daraus mag man ersehen, wie ernst die Situation beurteilt wurde, Kommunique faum gemildert worden war, wonach die Worte, lächer­besonders nach dem Zwischenfall Snowden- Chéron, der durch das lich" und" grotest" aus dem Protokoll gestrichen worden seien, nach­dem sich herausgestellt hatte, daß sie im Französischen eine beleidi­gende Bedeutung hätten, die sie im Englischen nicht befäßen. Die be­greifliche Spannung wuchs mit jeder Minute, als plöglich als erster an der Schwelle der Treppe zum Konferenzsaal Hilferding erschien und ein Sturm der Hunderte von Journalisten auf ihn einsetzte. Mit den wenigen Worten:

Milderung der Gegensätze!"

Schluß des Bilderdienstes nur unvollständig wiedergeben konnten, Aussprache auf. Nach und nach erschienen auch die übrigen Dele­

tragen wir nach:

Die Rede Geverings.

Genosse Severing führte aus: Herr Reichspräsident, liebe Boltsgenossen! Es ist nicht das erstemal, daß die Berfassungsfeier der deutschen Republik in eine Zeit fällt, in der Schicksalsfragen der deutschen Nation, Schicksalsfragen der ganzen Welt zur Entscheidung stehen. So ist es auch heute. Deshalb richten sich auch bei dieser Feier unsere Blicke nach dem Haag, wo die Bertreter der deutschen Regierung mit den Vertetern der Regie­rungen Europas und der Welt sich mühen, aus den Friedens­anfängen des Jahres 1919 nun den wirklichen Frieden herzustellen, den Krieg endgültig zu liquidieren. Und ich glaube, wir

Ministerreise nach dem Haag.

Die Reichsminister Wissell und Severing sind gestern abend nach dem Haag gereist. Zweck der Reise ist eine Aussprache mit den dort weilenden Reichsministern über innerpolitische Fragen, wobei die Probleme der Arbeitslosenversicherung im Bordergrund der Erörterungen stehen.

klärte er die Harrenden über das Ergebnis der entscheidenden gierten und bestätigten dieses Gesamturteil. Später erfuhr man Näheres über den Berlauf der Sizung.

Der Vorsitzende Jaspar hatte die Beratung damit eröffnet, daß er deren bestimmten Zweck umschrieb: Es handelte sich im wesentlichen darum, die Streitfragen zu klären, erstens ob und inwiefern die Vereinbarungen zwischen Poincaré und Churchill vom November 1928 eine

Anrechnung der französischen Schuldenrückstände bei der fünftigen Reparationskonferenz bezweckten, zweitens ob infolgedessen eine Aenderung des Berteilungsschlüssels von Spa tatsächlich erfolgt sei oder nicht, und drittens, ob das britische Schazamt von den englischen Sachverständigen über diese beabsichtigte Aenderung rechtzeitig in­formiert sei und sie dazu ermächtigt habe. Es entspann sich eine ausführliche Debatte, die sofort durch eine Erklärung Snowdens einen freundschaftlichen Charakter erhielt, indem der britische Schagtangler nochmals versicherte, daß er niemanden habe beleidigen wollen, daß man im englischen Unterhaus die bewußten Wendungen oft gebrauche, die in England als durchaus

parlamentarisch gelten, und daß im übrigen er in England dafile bekannt sei, daß er

,, manchmal eine bittere Junge, aber ffets ein gutes Herz" habe. Chéron beeilte sich, mit besonderem Eifer zu beteuern, ba er den persönlichen Zwischenfall als erledigt betrachte und e entwickelte sodann, unterstützt von Loucheur, verschiedene Argumente zugunsten der französischen These in der zur Debatte stehenden juristischen und historischen Streitfrage. Es sprachen dann der Italiener Pirelli und der Belgier Francqui, die als ehea malige Sachverständige der Pariser Konferenz gewissermaßen als Beugen über ihre Auffassungen und Erfahrungen aussagten. Sie befundeten, daß nach ihrem Wissen die englischen Sachverständigen, in den kritischen Tagen der Pariser Konferenz mit dem Schazamt in London in telephonischer Verbindung gestanden haben, um dieses über die Schwierigkeiten auf dem laufenden z halten. Demgegenüber blieb aber Snowden dabei, daß auch fein Borgänger Churchill die französische These über den Simm feiner Abmachungen mit Poincaré niemals anerkannt häffe Addis niemals zu einer Aenderung des Sparschlüssels er und daß das Schazamt die englischen Sachverständigen Stamp und Behauptung gegen Behauptung. Eine Milderung des fachlichen mächtigt hätte. Es steht also nach wie vor in dieser Streitfrage Gegensatzes hat auch die heutige Sigung nicht gebracht, wohl aber eine entschiedene Entspannung im persönlichen Verkehr. Das mird auch von englischer Seite unterstrichen. Es wurde ferner beschlossen die Sigung der Finanzkommiffion am Montag vormittag

abzuhalten, in der die Generaldiskussion über das Problem ber Sachlieferungen weitergeführt werden soll.

Zu einem allzu großen Optimismus liegt natürlich noch tejt

Anlaß vor. Aber die Tatsache, daß die Konferenz die schwere Krise

Dom Sonnabend überhaupt überstanden hat, läßt hoffen, daß es vielleicht doch noch gelingen wird, ein Rompromiß zu finden,

Auf deutscher Seite ist man der Auffassung, daß

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wir alles Intereffe daran haben, eine Ueberbrüdung der Gegen­fäße zwischen England und seinen Mitgläubigern zu wünschen natürlich sofern sie nicht auf Kosten Deutschlands erfolgt, zumal die Erfahrungen der früheren Jahre beweisen, daß Deutschland bel einer ernsthaften Krise unter den ehemaligen Alliierten meist der leidtragende Teil ist und weil diese Gefahr im Falle des Scheiterns der Haager Konferenz zweifellos in ganz besonderem Maße beſtände.

Snowden telephoniert mit Macdonald.

V. Sch. Haag, 11. Auguft.( Eigenbericht.) Es verlautet, daß Snowden am Sonntag nachmittag in telephonischer Verbindung mit Macdonald stand, um ihn über die Lage zu unterrichten. Gerüchtweise wird versichert, daß diese Rücksprache im Zusammenhang steht mit einem franzö fifchen Kompromißvorschlag, dessen Einzelheiten jedoch zurzeit noch völlig unbekannt find.