Nr. 3M» 46. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Freitag, 46. August 4929
Mumdert Jalire Omnibus, 'Von der„Jiboag" stur.B4D.
Der Omnibus kann heut« auf ein« Geschichte von mehr als 100 Jahren zurückblicken. Bereits im Jahr« 1L19 wurde in Poris ein Eilwagenbetrieb eingeführt, und am K. Juli d. I. feierte die Stadt der Omnibusse— London — das hundertjährige Jubiläum dieses Verkehrsmittels durch einen Festzug, an dem oll« Omnibuschpen, die in 100 Jahr«n in der Weltstadt an der Themse zur Verwendung gelangt waren, teilnahmen. Voran fuhr der von dem Londoner Bürger Shillib«er im Jahre 1829 fertiggestellte und mit drei Pferden bespannt« Omnibus. Berlin mußte warten... Genau so wie in Paris und London sollte auch in Berlin der Omnibus das erste wirklich« Massenverkehrsmittel werden. Auch in Berlin stellte«in Unternehmer im Jahre 1829 an die Staats- regierung den Antrag, ein Omnibusuntern«hmen nach dem Bor-
Sommer Omnibus. bilde von Paris in der Hauptstadt an der Spree «inzurichten. Dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt, und Berlin mußte mehr als ein halbes Jahrhundert warten, bevor der erste von Pferd«» gezogene Omnibus über das holperige Kopssteinpflaster seiner Straßen rollen konnte. Dies««rst«n Omnibusse fuhren vom Alexanderplatz zur N«,dl«rstrahe, vom Karleplatz zur Jannowig- v r si ck«» vom Halleschen Tor zum Hamburger Bahn- hos, vom Anhalter Bahnhos zum Schlesischen Tor, und endlich vom B«rlin«r Schloß nach Charlottenburg . Fünf Linien waren also ein- gerichtet, die mit 20 Wagen befahren wurden, für die 129 Pferde zur Verfügung standen. Mit der Zeit gesellten sich zu diesem ersten Omnibusbetrieb noch ander« Unternehm«?, so daß Berlin im Jahre 1864 382 Omnibusse und 359 sogenannte Torwagen befaß, die von 3« Fuhrunternehmern betrieben wurden. Die Berliner betrachteten «« als einen ungeheuren Fortschritt, daß dadurch auch der arbeiten- den Bevölkerung die Möglichkeit gegeben wurde, weite Fußwege zu ersparen. Der Wettbewerb der einzelnen Unternehmer unter- einander beeinflußte die wirtschaftliche Log« dieser Omnibusunter- nehmungsn nicht sehr günstig. Der Wettbewerb der Straßenbahn. Ihr Bestehen wurde noch wetter gefährdet durch das Auf- treten eines sehr ernsten Wettbewerbers, der Pferdeeisenbahn. Am 2S. August 1865 fuhr auf der Strecke Kupfergraben— Charlotten. bürg die erste Berliner Pferdeeisenbahn. Dieses Verkehrsmittel «rfreute sich alsbald allg«m«in«r Beliebtheit, da es schneller und ruhiger fuhr als der Omnibus. Unter dem Einfluß dieses neuen Verkehrsmittel« wurde am 25. Juni 1863 die„Allgemeine Berliner Omnibus-Aktiengesellschaft"(Aboag) mit einem Aktienkapital von 1 Million Talern gegründet. Diese Ge- sellschaft richtete sofort«inen regelmäßigen und pünktlichen Omnibus- verkehr ein. Sie nahm am 1. Juli 1868 den Betrieb mit 257 Omni- bussen auf, für die 19 989 Pferde zur Verfügung standen. Durch ihr« gute Organisatton gelang«s ihr, den Wettkampf mit der Straßenbahn zu führen und den Verkehr so zu steigern, daß im
Jahre 1875 sie fast 14 Will. Fahrgäste befördern konnte. Die Ge- sellschaft besaß fünf Omnibusdepots, auf denen die Wagen, Pferde und das ganze zum Betrieb nötige Material untergebracht war. Der letzte Pferdeomnibus. Fast ein halbes Jahrhundert wurde grundsätzlich an dem Pferde- betrieb der Omnibuss« nichts geändert. Erst am 25. August 1923 wurde der letzte Pserdeomnibus au« dem Berliner Ber- kehr herausgezogen. Cr tot on diesem Tag« noch«inen Dienst Ringbahnhof Halensee— Bülowsttahe— Nollendorfplatz— Wittenberg- platz— Potsdamer Platz . Der Kraftomnibus, der nun den Pferde- omnibus restlos ersetzte, hatte fast«ine Entwicklungszeit von 199 Jahren gebraucht, bevor er soweit durchgebildet war, daß er auf größte Betriebssicherheit Anspruch erheben konnte. Die ersten Omnibusse wurden von Dampfmaschinen betrieben, ihre Unwirt- schaftlichkeit und die zahlreichen betrieblichen Mängel ließen sie als- bald wieder verschwinden. Die frühere Aboag, die ja am 1. Januar d. I. in die Berliner Verkehrs-Aktiengesellschaft ausgegangen ist. hatte unter dem Einfluß der Fortschritte und Erfolge der elektrischen Straßenbahn bereits am 25. Mai 1893 versucht, einen mit elektrischem Antrieb versehenen Omnibus in den Dienst zu stellen. Aber erst am 13. März 1999 wagte man es mit diesem Gefährt, dos nichts anderes war. als ein umgebauter Pferdeomnibus, einen fahrplan- mäßigen Probebetrieb auf der Strecke Anhalter Bahnhof — Stettiner Bahnhof zu eröffnen. Der Wagen zeigt« sich jedoch der starken Be- anspruchung des fahrplanmäßigen Betriebs nicht gewachsen. Er wurde daher am End« des Jahres aus dem Betrieb genommen. Erst der Verbrennungsmotor schaffte die Möglichkeit, auch beim � Omnibus vom Pferdebetrieb zum Kraftbetrieb überzugehen. Am 19. November 1995 wurden auf der Strecke Halleschcs Tor—-Ehauffee- straße die beiden ersten mit Benzinmotor angetriebenen Omnibusse eingestellt. Berlin hatte seine SensationI Die Fahrgäste drängten sich zur Benutzung des neuen Verkehrsmittels, das sich alsbald einer allgemeinen Beliebtheit erfreute. Im Jahre 1995 gab es in Berlin erst fünf Omnibusse. 1919 war ihre Zahl schon auf 162 und 1914 auf 336 gestiegen. Durch den Krieg wurde der Omnibuspark der Aboag stark vermindert. Zahlreiche Wagen fanden an der Front für Truppentransport« usw. Verwendung. » Fahrende Häuser. Seit dem Jahr« 1995 hat der mit dem Lerbrennungsmotor betriebene Autobus manche Wandlung durchgemacht. Di« Wagen sind größer geworden. Statt der bisherigen vier Räder haben die neuesten sechs Räder bekommen, die mit Luftreifen umgeben wurden. Das Wagengestell selbst wurde tiefer gelegt, so daß ein Umkippen, wie es bei Wagen älterer Konstruktion leider vorkam, unter ollen
Neuerdings hat auch der elektrische Oberleitungsomnibus so große konstruktive Fortschritte gemacht, daß er besonders in England und Amerika als ein wertvolles öffentliches Derkehrsmittel betrachtet wird. Der elektrische Omnibus, der seinen Strom aus dem Leitung«- netz eines Kraftwerkes bezieht, arbeitet wirtschaftlicher, da die Be- triebskosten und auch die Unterhaltung geringer ist als bei dem Venzinomnibus. Während die Straßenbahn mit einem Ober- leitungsdraht aufkommen kann und den Strom durch die Schienen zurückleitet, mutz der Oberleitungsomnibus den Strom von zwei Fahrdrähten abnehmen. Dementsprechend sind auch seine Strom- abnchmerstangen konstruiert. Sie sind so durchgebildet, daß der Wagen aus der Mitte der Fahrbahn 3 bis 5 Meter nach rechts oder nach links ausweichen kann. Diese neuen Omnibustypen, die man als gleislos« Straßenbahn bezeichnen kann, dürsten dazu berufen sein, in schwach besiedelten Außenbezirken als Massen-
3)as fahrende Staus.- SOreiachfer der 9M50.(1020). beförderungsmittel zu dienen. Wie wir hören, beabsichtigt auch die BVG. mit diesem elektrischen Oberleitungsomnibus Versuche anzu- stellen. Seit der Vereinigung der drei Gesellschaften, die ein Werk unseres Genossen Reuter ist, können bereits zahlreiche verkehre- technische Fortschritte verbucht werden. Viele dieser Arbeiten, die heute von der BVG. geplant werden, fordern zu ihrer Durchführung nicht nur Geld, sondern vor allem auch Zeit. Gerade die Tatsache, daß Berlin jährlich etwa um die Einwohnerzahl einer Stadt wie Görlitz wächst, zeigt, wie notwendig die Zusammenfassung der drei Verkehrsgesellschaften war. Mit großer Genugtuung kann festgestellt werden, daß die städtische Gesellschaft neben Untergrund- und Straßenbahn auch den Omnibus so ausgestalten will, daß er ein wertvolles Mittel zur Bewältigung des Massenoerkehrs der Weltstadt betrachtet werden kann. Fischerlos auf dem Ozean. Ein portugiesischer Fischdampfer gesunken. Madrid , 15. Augast.(Eigenbericht? Ter spanische Frachtdampfer„E a" stieß auf den» Wege nach Frankreich bei Kap Rocca mit einem Porta- giesischeu Fischbampser zusammen. Der Fisch- dampfer ging sofort unter, ohne baß bie Besahung sich retten konnte. Ter Frachtdampfer konnte trotz schwerer Beschädigungen noch Lissabon erreichen. Der Name des Fischdampfers konnte nicht ermittelt werden.
Sterling erfler Aulobus(1000). Umständen vermieden wird. Diese neuen sogenannten Dreiachser können 82 Personen aufnehmen, sie gleichen geradezu fahrenden Häusern. Anfang 1929 gab es in Berlin wieder 649 Omnibusse, die in fünf Hauptbetrisbshöfen und fünf Hilfsbetriebshöfen unter- gebracht sind.
Eine Tribüne stürzt zusammen. 15 Menschen verletzt. Mailand , 15. August. während eine» Radrennen» in Mogherila sprooinz F o g g i o) brach«ine vollbesetzte Tribüne zusammen. Es entstand eine Panik. 15 Personen wurden verletzt. Der Erbauer der Tribüne hat die u ch< ergriffen.
von. A.M.Frey-
Copyright 1«9 by Gustav Kiepenheuer Verlag A.-G., Berlin 18. Nber vier Wochen später kamen die Engländer wirklich. An einem strahlenden Sommermorgen, gleich nach der Revierstunde, die Lipp, heftig von einem Schnupfen geplagt. dem Dr. Model überlassen hatte, so daß sie ausnahmsweise gegen neun Uhr beendet war. sagte Feldwebel Fähnlein zu Funk:„Haben Sie eigentlich schon mal vom Dach des höchsten Fourner Hauses, vom Eefchästsbau am Bahnhof. die Gegend betrachtet? Man steht weit ins Land zu den Engländern hinüber und kann das Feuer der Geschütze beob- acbten. Mich wundert's, daß sie den großen Kasten so stehen gelassen haben, sie haben nur ein paar Granaten in den Dachstuhl geschickt— damals, als Bahnhof und Bahngleise durch Artillerie erledigt wurden. Wollen wir hinauf? Es ist unruhig heut« morgen. Es gibt sicher was zu sehen. Sie gingen hinüber, es war nicht weit, und erstiegen die unversehrten Treppen. Das Haus war unbenutzt, die Zimmer völlig ausgeleert, Fenster und Türen fort. De- wohnen wollte es niemand, die Bahnhofsgegend galt er- fahrungsgemäß als besonders unsicher überall: angehäufte Gleise waren immer wieder beliebte Zielpunkte für schwere Geschosse. Vom Speicher aus. durch ein weit geöffnetes Doch wie bei hochgezogenem Lorhang einer Bühne, sahen sie auf grünes Land, auf üppig wachsende Baumgruppen, im Vor- dergrund auf Obstbäum«, die schon nachdrücklich Früchte an- Geste eines friedlichen heiteren Auftaktes zur Reife-- nur daß da und dort, ferner und näher, gelbe, graue, braune Siaubwölkchcn aus der Erde aufstanden, langsam ver- wehende Gespenstergestolten an diesem windstillen, blan- ken Tage. Fähnlein setzt das Feldglas ab, das er offiziersmäßig elegant mit den Ringfingern vors Auge gehalten hat.„Sehen
Sie die Staubfontänen der Einschläge, Funk? Man merkt, es hat lange nicht geregnet. Und mit jedem Tag wird's heißer. Nehmen Sie das Glas, bitte, hier, nur ungeniert, ich erklär' Ihnen ein wenig die Gegend." Fähnlein erklärt gern. Er weiß Bescheid und läßt andere teilnehmen.„Dort drüben ist Armentidres, nördlich von unserem Grabenabfchnitt, und südlich geht's nach Be- thune, da stehen schwere englische Geschütze La Bassee gegenüber. Sie wissen, bei La Bass6e rumpelts immer. Wetten. daß dort nächstens wieder vom Gegner«in Versuch gemacht wird, durchzubrechen? Aber sie oezwecken nach wie vor nichts" Es ist seltsam, denkt Funk, alle West hier draußen, sogar mancher Offizier, spricht davon, der Gegner bezweck« nichts, wo gemeint ist, er erreiche nichts. Es hat sich eingefressen, unaustilgbar. Sie verstehen dich gar nicht, wenn du das richtigstellen willst. Versuch«s besser nicht weiter. Vielleicht ist die Ausdrucksweise ungeheuer richtig. Die Wahrheit wird ungeahnt— oder im innersten geahnt— ausgesprochen, wenn die blöde Zwecklosigteit aller Kriegstaten betont wird. Während Funk so grübelt, hat Fähnlein ihm das Glas heftig aus der Hand genommen.„Hören Sie: die ver- streuten Schüsse der englischen Artillerie dorthin, wo sie Stellungen unserer Geschütze vermutet, haben aufgehört. Der Engländer konzentriert fein Feuer— ja, wohin denn? Ich glaub', auf unseren Kampfgraben. Ja— wo will denn das hinaus?" Die beiden Männer sind noch keine halbe Stunde oben, aber das Bild hat sich völlig verändert. Die Staubgarben da und dort im Land, die eine aufspringend, wenn die andere wegsinkt, sind verschwunden. Statt dessen beginnt eine ocker- gelbe Wand weiter draußen zu erstehen, anscheinend in einer Geraden von Hunderten von Metern— wohl dort, wo sich der Regimentsabschnitt hinzieht. „Funk, wie schätzen Sie die Enffernung bi« zu der neuen, immer dichteren Staubwand?" „Fünf bis sechs Kilometer." „Richtig. Wissen Sie, was dort ist? Dort ist vorderste Linie, die unsere und die des Nachbarregiments. Wissen Sie, was mir fchwont? Die Engländer haben es Weiter kommt er nicht. Ein surrendes, tückisä? verenden- des Geheul schlägt ihm den Satz in den Hals zurück— und schlägt unter ihnen ein, daß der Sand bis herauf in ihren Speicher spritzt.
„Es geht los, Funk, diesmal geht es los! Schauen Sie schnell noch mal hinüber. Sehen Sie die Konzentration? Hören Sie den heftigeren Takt mit immer weniger Pausen? Hören Sie, wie das Feuer sich rasend verstärkt? Fort! Ihnen wird der hohe Bau hier sicher ein Dorn im Auge sein, sie ver- muten Beobachtung, die paßt ihnen heute nicht. Daß nur wir es find, zwei von der Sanität —" Aber während sie- die Treppen hinunterlaufen, jagen andere Füße herauf: ein Offizier vom Stab in Begleitung. „Herr Leutnant, die trommeln schon!" ruft Fähnlein, stolz auf seine Kenntnis. „Das hör' ich selbst," sagt der Offizier unwirsch.„Küm- mern Sie sich lieber um Ihren Pflasterkasten. Den werden wir jetzt brauchen." Er hat ihn nicht mehr gebraucht. Er ist eine Viertelstunde später unter dem Schutt des Hauses, den Volltreffer vor- Ursachen, begraben. Es find die einzigen Schüsse, die Fournes bekommt. Während sie dahintraben, zurück zum Revier, wurmt den Fähnlein trotz allen Ernstes der Lage die falsche Prophe- zeiung.„Es kann ein Ablenkungsmanöver fein", keucht cr unterm Laufen.„Ich glaub.' immer noch an La Bassöe." Aber wer ihn mit Hohn und Genugtuung und völlig ruhig bei wachsendem Trubel und Gewimmel in der Orts- Unterkunft empfängt, das ist der Asam.„Siehst, Fähnlein, mit deinem La Bassse! Angriff der Engländer bei Fromelles wird morgen im Heeresbericht zu lesen sein!" Lipp kommt angeschossen, mit triefender Hakennase, völlig unfähig, die Situation zu erkennen, in der Hoffnung, es werde so �ehen, wie damals nachts, als man beiderseits geböllert hat. Aber damals war Asam mit Recht der Optimistische, und heute ist es der Stabsarzt fälschlicherweise. „Sie trommeln, Herr Stabsarzt," lächelt Asam beschwich- tigend zu seiner peinlichen Eröffnung.„Einmal hat's kommen müssen. Wir werden Zeit haben, alles schön herzurichten. Vor Nachmittag wird nicht der Infanterieangriff sein. Wir kommen schon ungeschoren auf den Verbandplatz," tröstet er gutmütig. „Und ich bin krank, Herrgottsakra, mir ist hundselend. Ausgerechnet!" Do ereilt ihn schon Befehl des Kommandeurs, unverzüglich mit allen verfügbaren Kräften Fromelles zu bet ziehen. Cr putzt sich die Nase in eine dem Fähnlein entrissene Mullbinde und ist entschlossen. lFonjetzung folgt)