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Der Abend
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Spätausgabe des„ Vorwärts
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Nr. 382
B 190 46. Jahrgang.
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Industrie und Sozialismus.
Schwerindustrielle Anerkennung des Aufstiegs der Arbeiterbewegung
Die Erfolge sozialistischer Aufbauarbeit werden off von denen am wenigsten erkannt, die selbst an ihnen mitgeschaffen haben. Sie zeigen sich ja nicht in lärmenden Demonftrationen und tunstvollen Refolutionen. Sie äußern fich in Ziffern und Ziffernreihen. Der für diese Dinge geschärfte Blick kapitalistifcher Geschäftsführer fieht die sozialistische Kleinarbeit flarer als viele unserer eigenen Genoffen. Deshalb ist die Aufstellung von besonderem Intereffe, die die Wirtschaftszeifung„ Ruhr und Rhein , das Organ der Schwerindustrie, des Langnamvereins, der Industrie- und Handelskammer von Bochum , Dortmund usw. am heutigen Tage veröffentlicht. Wir geben fie in ihren wesentlichen Teilen ohne Kommentar wieder. Die wirtschaftliche Bedeutung des Sozialismus in Deutschland tritt in verschiedener Weise in Erscheinung.
Die Parteiorganisation.
Bas zunächst die sozialdemokratische Parteiorganisation als folche angeht, jo fann man das Parteivermögen zurzeit auf rund 40 Millionen Mark bei 13-15 Millionen Mark jährlichen Beiträgen schäßen. Im letzten Jahre find 126 000 neue Mitglieder aufgenommen worden, wobei wesentlich ist, daß allmählich der Arbeiteranteil in der Mitgliedschaft zugunsten des Anteils der Beamten und Angestellten sich vermindert; den sozialistischen Einfluß nach außen üben nach dem Organisationsbericht des Magdeburger Parteitages
in 1214 Städten 7662 sozialdemokratische Stadtverordnete und in 8152 Gemeinden 31 348 sozialdemokratische Vertreter aus neben 889 Bürgermeiffern, 897 Gemeindevorstehern, 521 Stadträten usw., die eingeschriebene Mitglieder der SPD. sind und deren Zahl allein feit 1926 fich um rund 23 Broz. vermehrt hat. Feststellungen darüber, wie viele Reichs- und Staatsbeamte eingeschriebene Mitglieder der SPD . find bzw. ihre Beamteneigenschaft der sozialistischen Mitglied
schaft verdanken, sind nicht möglich.
Die Gewerkschaftsorganisation.
Die mit der sozialdemokratischen Partei in engster Berbindung stehenden Freien Gewerkschaften berichten für das verflossene Jahr von einem Mitgliederzuwachs von 451 253(= 10,2 Proz.) bzm. von einer Gesamtmitgliederzahl von 4866 926 Personen. Vier Berbände haben im Jahre 1928 Mitgliederrüdgang erlitten; die übrigen Berbände jedoch fonnten erhebliche Mitgliederzunahmen
zwischen 1,9 Proz. und 18,1 Proz. verzeichnen. Die stärkste Organisation des ADGB . ist nach wie vor der freigewerkschaftliche
metallarbeiterverband mit 944 310 Mitgliedern; dann tommt der Fabritarbeiterverband mit rund 477 000, der Bauarbeiterverband mit 458 000 und der Verkehrs= bund mit 390 000 Mitgliedern. Die Gesamtbeitragseinnahmen der Berbände des ADGB. sind im verflossenen Jahr nicht unwesentlich gestiegen; einschließlich der Zinsen für Bankguthaben usw. stellten fie fich 1927 auf 182,25 Millionen, 1928 dagegen auf 221,696 Millionen Mart. ; auf den Kopf des Mitgliedes haben sich die Beitragseinnahmen von 40,87 m. im Jahre 1927 auf 44,02 m. im verfloffenen Jahr erhöht. Insgesamt dürften die freien Gewerkschaften rund 8-9000 angestellte e wertschaftsbeamte, Sekretäre usp. beschäftigen, außer den mehreren 1000 ehrenamtlichen Bertrauensleuten, Kassierern usw.
Die sozialistischen Konfumvereine.
Der Zentralverband Deutscher Konsumgenossenschaften hatte im fegten Geschäftsjahr einen Umsatz von 1046 Millionen Mark ( gegenüber 881 Millionen Mart im Vorjahr), von dem über 300 Millionen Mark auf Erzeugung in eigenen tonjumgenossenschaftlichen Betrieben entfielen; an Reinertrag find 53 Millionen Mart ausgewiesen worden bei einem Eigenkapital von 97 Millionen Mart, Reserven von 48 Millionen Mart, Immobilien von 171,2 Millionen Marf( 1924 erit 81 Millionen Marf), Barenbestand von 115 Millionen Mart, Spareinlagen von 252 Millionen Mark usw. Beschäftigt wurden insgesamt 50 000 Personen. Die dem Zentral nerband als Zentraleinfaufsunternehmen dienende Großeinkaufs genossenschaft Deutscher Konsumvereine hatte im letzten Geschäftsjahr einen Umjag von 444 Millionen Mark( gegenüber einem Umsatz von 373 Millionen Marf im Vorjahr). Der Umsatz der Produktionsbetriebe hat sich in einem Jahr fast verdopelt. Der Großeinkaufsgenoffenschaft sind
ungefähr 35 eigene Betriebe, darunter die größte Fleischwarenfabrit Europas ,
Ein letzter Einigungsvorschlag.
Die deutschen Gläubiger einmütig gegen England.
V. Sch. Haag, 16. August. ( Eigenbericht.) Die Lage ist unverändert kritisch. In franzöfifchen Kreisen wird ein Pessimismus gezeigt, der in diesem Stadium sicher nicht mehr taktischen Gründen entspringt, sondern der tatsächlichen Lage entspricht.
Die Bertreter der vier mit England ringenden Gläubigermächte versammelten sich um 11 Uhr am Sitz der franzöfifchen Delegation und berieten fast eine Stunde Wie verlautet, galt diese Sitzung lediglich der endgültigen Formulierung des Kompromißvor. schlages, der heute Snowden offiziell überreicht werden soll. Aber man versichert zugleich, daß dieser Vorschlag sich inhaltlich mit jenem Vorschlag völlig decke, den Francqui bereits am Donners. tag mittag in offigiöser Form unterbreitete. und den der britische Schaktanzler als völlig ungenügend zurüd gewiesen hatte. Wenn dem so ist, dann ist auch kein Zweifel daran, daß
die offizielle Antwort Snowdens ebenso fategorisch ablehnend fein wird, wie am Tage zuvor.
Es scheint, daß sich der tatsächliche Kampf der vier Gläubigermächte immer mehr auf den Bersuch zuspißt, die Schuld am Scheitern der Konferenz den Engländern zuzuschieben, Zur Beurteilung dieser Frage wäre allerdings die genaue Kenntnis des Inhalts ihres Angebotes unerläßlich. Aber bisher wahren die Franzosen und ihre engeren Bundesgenossen darüber strengstes Stillschweigen. Aus Andeutungen ihrer Minister entnimmt man Zahlen, die allerdings noch sehr verschieden sind: Einige sagen, daß dieses Angebot die englischen Wünsche zu 40 Pro3. befriedigt, also etwa 20 Millionen Mart betragen habe. Andere behaupten jogar, das Angebot jei bis zu 60 Broz. den Engländern entgegengekommen und beliefe sich genau auf 27 Millionen Mark( gegenüber 48 Millionen, die die Engländer fordern). In der Frage der Zuteilung eines größeren Prozentsazes des ungeschützten Teiles der deutschen Zahlungen an England macht jedoch
das alliierte Angebot teinerlei Zugeständnisse an die britischen Forderungen.
Es bleibt jedenfalls dabei, daß das Angebot von den Engländern abgelehnt wird und daher ist man auch in britischen Kreisen ebenjo peſſimiſtiſch wie in französischen. Auch in den Kreisen der deutschen Schießereien mit
F
Chinesen.
Delegation, die allerdings nur indirekt von diesen internen Gläubigerverhandlungen fährt, ist man heute wenig hoffnungsvoll.
Briand ist um 212 Uhr bei Stresemann erschienen und blieb 14 Stunden bei ihm. Dieser Besuch war ursprünglich nicht vorgesehen, so daß man annehmen kann, daß er dem Zwede galf, die Haltung Deutschlands und Frankreichs im Falle eines ergebnislofen Auseinandergehens der Konferenz zu besprechen. Die Aussprache bezog sich natürlich auch auf die Rheinlandräumung, und dabei soll Briand einen etwas früheren Ter. min für die Koblenzer Jone genannt haben, als ursprünglich vor. gesehen.( Mitte November?) Ueber die Termine für die dritte 3one gab er noch feinen endgültigen Aufschluß. weil die militärifchen Sachverständigen Frankreichs angeblich diese Frage noch am heutigen Tage ftudieren wollten. Am Nachmittag findet eine neue Aussprache zwischen Stresemann und Henderson staff.
Gesundung bei der Verkehrs- AG.
Bei der ersten gemeinsamen Betriebsratswahl der neu gegründeten Berliner Bertehrsgesellschaft 2.-G. hatten die Kommunisten einen Ueberraschungserfolg erzielt, indem sie die unorganisierten gegen die Gewerkschaften aufstachelten und dadurch glaubten, einen sicheren Stoßtrupp für ihre revolutionären Absichten zu erzielen. Wie sehr sie sich dabei verrechneten, hat sich bereits am 1. Mai, unmittelbar nach den Wahlen, gezeigt, als die Kommunisten die Angestellten der Verkehrsbetriebe aufforderten, die Arbeit ruhen zu lassen und trotz der Ratschläge der Gewerkschaften den Verkehr stillzulegen. Kein Mensch kümmerte sich damals um ihre Parolen...
Die erste Enttäuschung der tommunistischen Drahtzieher hat jetzt eine weitere und noch viel deutlichere nach sich gezogen. Am Mittwoch fanden die Wahlen zu den Betriebs. trantenfaffen in den Berliner Verkehrsbetrieben statt. Dabei ergab sich eine tatastrophale tommunistische Nieder
I age. Die Zahl der kommunistischen Stimmen fiel auf wenia ger als ein Drittel ihrer Frühjahrsziffern zurück. Erhielten fie damals 10 747 Stimmen, so brachten sie jetzt nur noch 3155 auf. Die freien Gewertschaften dagegen, die damals 5934 Stim men erzielten, brachten jetzt 9317 auf. Es ergibt sich also folgendes
Bild:
Freie Gewerkschaften
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Gewinn 3383, Verlust 9465.
In den einzelnen Betrieben gestalteten sich die Wahlen folgendermaßen:
Straßenbahn: Gewerkschaften 6472( gegen 3954); RPD. 1263 ( gegen 5711). U- Bahn: Gewerkschaften 1474( gegen 801); KPD . 1520( gegen 3765). Omnibus- Betrieb: Gewerkschaften 1371( gegen 1179): APD. 372( gegen 1271).
Die Wahlbeteiligung betrug bei den Betriebsrätewahlen 86 Proz. und bei der Krankenkassenwahl ist sie auf 62 Proz. zurückgegangen. Von den insgesamt abgegebenen 15 592 Stimmen haben die freien Gewerkschaften fast drei Fünftel erhalten
Die Gelbnationalen behielten von ihren 1811 Stimmen 982, während es den Christlichen gelang, die nur bei der Straßenbahn vertreten find, ihre Stimmenzahl von 373 auf 613 zu steigern. Ein Fachverband" betam 1341 Stimmen gegen 1493 bei der Betriebsrätewahl.
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Gewählt find 32 Vertreter der freien Gewerkschaften, drei Deutschnationale, ein Chriftlicher, drei Fachverbändler und neun fommunistisch Unorganisierte gegen 31 bei 6 der Betriebsratswahl.
Eine so schwere Niederlage nach nur wenigen Monaten der Siegesfreude zeigt deutlicher als alles andere, daß die KPD . bei der Berliner Arbeiterschaft und besonders bei dem Personal der Berkehrs- A.- G. teine Seide mehr spinnen fann.
Und das ist er st der Anfang der sich anbahnenden Ge
" Hurra! Endlich mal wieder eine richtiggebende Berluftliffe!" fundung!