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Beilage

Sonnabend, 17. August 1929

Der Abrand

Spalausgabe des Vorwärts

Die Schlange und der Fisch

Aus dem Tierleben am See Genezareth

Die Welt ist klein. An der Abendtafel des Paier Täpper in Tabgha haben sich neue Gäste eingefunden. Ein deutscher Ge­lehrter, der eben von Mesopotamien angekommen ist", teilt mir der Hausherr mit. Die Dame ist seine Gattin, die eben von Deutsch land kommt und ihm nach Syrien entgegengereift ist!"

Man freut sich hier immer, wenn man einem Landsmann be­gegnet; die Reisenden, die durchkommen, sind in der Regel Ame­rikaner und sonst Engländer. Eine Stunde später befinde ich mich unter den duftenden Zitronenbäumen der Gartenterrasse in lebhaftem Gespräch mit dem Neuankömmling. Wie gewöhnlich, steht das Woher und Wohin im Vordergrunde der Unterhaltung.

,, Sie gehen nach Ostafrika ? Sie haben den Krieg drüben mit­gemacht?" fragt der Landsmann. Ich habe zwei Brüder, die eben­falls dort im Felde standen. Gestatten Sie: Dr. Preußer, Mitglied der Ausgrabungsfommission aus Uruk - Barka im Irak !"

Ueberrascht blice ich auf. ,, Armin und Wolfgang Preußer waren Reiter der neunten ostafrikanischen Schützenkompagnie; ich selbst ge­hörte der achten an. Da wir nur zwei berittene Kompagnien drüben hatten, fönnen Sie sich vorstellen, daß die beiden zu meinem engeren Kameradenkreise gehörten. Mit Armin bin ich noch vor kurzem in Brandenburg zusammen gewesen!"

,, Und ich kenne Ihre Bücher!" sagte der Doktor ebenso erstaunt, nachdem er meinen Namen gehört ,,, ich habe Sie bei meinen Brüdern gesehen. Nein, ist das eine leberraschung! Gestatten Sie, daß ich Sie mit meiner Frau bekannt mache!"

Bald haben wir Ostafrika , das der Doktor aus eigener An­schauung tennt, mit dem für mich völlig neuem Thema., Mesopo= tamien" vertauscht und ich höre gespannt, was er von den Aus­grabungen der Amerikaner in Ur berichtet und den Fundaussichten der Deutschen in Urut oder Barka.

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Aus feinen reichen Erfahrungen hat der Doktor allerlei mit teilungen gemacht, die mich aufs stärkste feffeln, zumal ich selbst noch vor meiner Weiterreise nach dem Nil einen Abstecher nach Bagdad und den Ruinen von Babylon machen will. Auch seine Plaudereien aus dem Tierreich finden bei mir ein milliges Dhr; namentlich hat er Beobachtungen über die geradezu unglaubliche Lebenskraft und Bähigkeit der Katzen angestellt, die er an einem besonderen Beispiel

erläuterte.

Naturgemäß greift die Unterhaltung sehr bald auf das Land zurück, in dem wir unsere augenblicklichen Studien anstellen, und mir tommen auch auf die Fauna zu sprechen. Benige Augenblide später haben der Doktor und seine Frau Gelegenheit, ihre Kenntnisse darüber aus eigener Anschauung zu erweitern.

Unter den flammenden Hibiskusbüschen und den dunklen 3ypressen taucht in seiner malerischen Gewandung einer der Söhne des Landes auf, ein arabischer Fischer. Nachlässig hat er ein Netz über die Schultern geworfen; in den Maschen zappelt ein mächtiger Tierförper. Die Beute, die der Mann aus dem See Genezareth heute herauszog, ist keine der üblichen Chromisfische oder beschnurrbarteten Welse, die schon Josephus mit so viel Anteilnahme beschrieben hat. Sofort greifen alle anwesenden Amerikaner nach der Kamera. Eine mächtige schwarze Schlange zappelt in dem Netz, fast einen Meter lang.

,, Und dieses Reptil hast du wirklich und wahrhaftig aus dem Waffer gezogen?" fragt einer der Anwesenden. ,, Aus dem Wasser habe ich sie geholt!" bestätigt der Araber und ruft Allah zur Bekräftigung seiner Behauptung an.

Es ist nicht nötig, daß er alle neunundneunzig Namen des Gottes der Wüste zur Erhärtung seiner Beteuerung anführt. Willig bestätigt ihm ein Sachverständiger, daß alle Schlangen, ohne Aus­nahme, gern ins Wasser gehen, zumal in der Hitze.

,, Dieser Gedanke ist nicht gerade erfreulich!" meint einer der Gäste. Ganz so harmlos wie bisher werde ich in Zukunft nicht

Anspruch auf Gratifikation

Eine Entscheidung des Reichsarbeitsgerichts

Zu der Frage, wann ein flagbarer Anspruch auf Gratifitation besteht, die in allen den Fällen von Wichtigkeit ist, wo eine vertragsmäßige Regelung des Rechts auf Gratififation unterblieben ist, hat fürzlich das Reichsarbeitsgericht eine Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung gefällt. Das Urteil ( RAG. 180/29 vom 15. Juni 1929) bejaht die lagbarkeit der Weihnachtsgratifitationen unter gewissen Voraus. segungen auch ohne ausdrückliche Zusage.

eine

In tatsächlicher Hinsicht ist vorauszuschicken, daß die in der Klägerrolle auftretenden Angestellten bei einem Bantunternehmen tätig waren, das im Sommer 1928 in Liquidation treten mußte. Dort hatten sie jährlich zum Teil seit dem Jahre 1916 Weihnachtsgratififation in Höhe eines halben Monatsgehaltes er­haiten, mit Ausnahme einer weiblichen Angestellten, die erst nach Weihnachten 1927 eingestellt worden war. Das Landesarbeitsgericht hatte festgestellt, daß das beklagte Unternehmen in früheren Jahren regelmäßig allen Angestellten zu Weihnachten ein halbes Monatsgehait als Gratifikation hat zahlen lassen. Diese Uebung bestehe in Banffreisen in sehr weitem Umfange.

Das vor dem Arbeits- und Landesarbeitsgericht unterlegene be= flagte Unternehmen bestritt mit seiner Revision eine rechtliche Ber pflichtung, da die betreffenden Zahlungen ft ets freiwillig er­folgt seien, überdies nur einer der Kläger die Gratififation längere Jahre hindurch erhalten habe. Die erwähnte Uebung würde vielleicht einen Rechtsanspruch haben begründen können, falls das Unter­nehmen weiter gut gegangen wäre, nicht aber jetzt, wo es zusammen­gebrochen sei. Schließlich fehle es vorliegendenfalls auch an dem der Gratifitation begrifflich notwendigen Momente, daß fie als Ansporn für fünftige Dienste bestimmt sei. Auf keinen Fall stche der zuletzt erst eingetretenen Angestellten ein Gratifikations­anspruch zu.

Das Reichsarbeitsgericht untersucht zunächst, ob eine ohne

mehr im See schwimmen; unser Badeplatz unten am Feigenquell| Fische, die aus dem See in die Bucht schwimmen oder von dort fieht mir ganz danach aus, als ob er mehr solche Biecher beherbergte!" zurückkehren, müssen diese Stelle passieren. Sie ist kaum anderthalb Die Frage, die sich sofort erhebt, ist die, ob die Schlange Meter breit, und fein Opfer, das die Schlange sich ausersehen hat, giftig ist. Der Fischer behauptet cs. Nachdem er seinen Back- vermag ihr hier zu entrinnen. schisch erhalten hat, verschwindet er mit seiner Beute.

,, Was war das für eine Schlange?" forscht der Pater abends, als er von dem Ereignis des Tages hört; er ist, wie gewöhnlich, draußen auf dem Felde bei seinen Beduinen gewesen oder hat die Sprengungen beaufsichtigt, die ihm das Baumaterial für den neuen Pfad am Seeufer entlang liefern,

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Man lärt ihn auf.

Herr Hornstein zieht, wie gewöhnlich, mit der Flinte aus, um Wachteln und Tauben zu schießen. Der junge Philipps sucht sich einen schattigen Winkel zum Fischen aus, Frau Hornstein wandert zum Badeplatz der Nymphen, tummelt sich im See umher und erfreut fich dann der Morgenstille im Wäldchen.

Um die Stunde, da die Tafel ruft, fehren sie gemeinschaftlich ,, Eine schwarze? Na, dann mögen sich die Herrschaften nur be- heim. Der Weg führt an dem Brückchen vorüber, an dem Philipps die Schlange beobachtete. ruhigen, die schwarzen sind nicht giftig!"

Ich kenne den braven Pater und lächle verstohlen. Er macht es immer so. Welche Farbe man ihm auch nennen mag, eine Schlange gerade dieser Farbe ist niemals giftig! Bergeblich marte ich darauf, daß er sich einmal auf die Farbe eines Reptils festlegt, das giftig ist. Dabei hat er längst zugestehen müssen, daß er wenigstens zwei Schlangenarten fennt, die giftig sind, nämlich die Kreuzotter und die Levante viper.

,, Im übrigen find im Wasser sämtliche Schlangen ungefährlich, auch die Giftschlangen!" tröstete er mit dem Brustton der Ueber­zeugung, fie können da nicht beißen, es fehlt ihnen der richtige Stüßpunkt, von dem sie vorschnellen, um die Giftzähne einschlagen zu können!"

Es flingt ganz überzeugend, aber mehr als ein schwaches Gemüt wird von bangen Zweifeln bedrückt. Mancher wird sich in Zukunft das Baden verkneifen.

,, In den achtzehn Jahren, die ich jetzt hier bin, ist niemals etwas vorgekommen, die Herrschaften dürfen ruhig weiterbaden!" sagt der Bater, der offenbar in den Herzen wie in einem offenen Buch liest. Meiner Erfahrung nach sind die Schlangen hier am See durchweg harmlose Tierchen. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich es er= leben muß, daß die Araber sie unterschiedslos totschlagen. dummen Kerle fürchten sich vor den harmlosesten Kreaturen, es ist eine Sünde und Schande!"

Die

Neue Gäste find angekommen, unter ihnen Mr. Hornstein und Mr. Philipps aus Jerusalem . Die Schlangenpanit hat sich gelegt. Unbekümmert wandert wieder alles auf dem neuangelegten Uferpjad zum Feigenquell hin, der schattigen Badestelle unter den rauschenden Eukalypten.

Wo der Quell das Idyll der Einbuchtung an der Felswand verläßt und dem See Genezareth zueilt, hat der Bater eine primitive Brücke gebaut. Sie besteht aus einem Stück Feldbahn, das als eine bequeme Leiter den Uebergang vermittelt. Beide Teile des Wäldchens sind auf diese Weise verbunden. Die von oben herab­reichenden Eukalyptuszweige bieten denen, die in Kletterkünften dieser Art feine Uebung befizen, eine hilfreiche Stüße.

Dir. Philipps ist in der Blüte seiner Jahre. Mit elastischen Schritten will er eben über die Eisenleiter hinübertänzein, als sein leichte Bewegung im Fuß stockt. Seinem scharfen Blick ist die Wasser nicht entgangen. Diesseits des Baches ist der mit Kiesel steinen besäte Grund völlig klar, gerade gegenüber ist die tiefere Stelle, dort türmt sich eine Schicht dunkler Blöcke aufeinander. Von dort her find Schlingpflanzen unter Wasser gewuchert, die teilweise unter dem Spiegel des Baches, oder auch an der Oberfläche selbst mie lange grüne Fäden und Stricke mit der Strömung treiben. Mitten unter den Wasserpflanzen treibt ein fürzeres, aber dickeres Stück wie ein dunkles Tau hin und her. Es ist der Oberkörper einer Schlange, die hier an der von der Sonne nicht unmittel­bar beschienenen, von überhängenden Pflanzen verdeckten Bachseite gegen den fast schwarzen Hintergrund der Blöcke gar nicht absticht und kaum zu bemerken ist.

Augenscheinlich lauert das Reptil auf Beute. Der Plag ist geschickt gewählt, einen besseren gibt es hier gar nicht. Sämtliche

Das Bild hat sich verändert. Schon aus einiger Entfernung wird ein Schwarm fleiner Fische sichtbar, die in heller Unruhe durch den Bach schießen. Sie umschwirren den Platz, an dem das Reptil lauerte.

Hier herrscht starte Bewegung im Waffer. Anfänglich ist es unmöglich, Einzelheiten zu unterscheiden. Einige Sekunden später wird das Blid flar. Eine ungeheure Ueberraschung malt sich auf den Gefichtern der Beobachter.

Ein Fisch in der Größe einer Scholle, zweifellos von der Gattung Chromis, die wir täglich als Vorspeise aufgetischt bekommen, ist in all seinen Umrissen wahrzunehmen. Vor ihm ringelt sich ein langer Schlangenkörper durch das Wasser. Der Kopf der Schlange ist nicht sichtbar. Er steckt im Mauldes Fisches, der seine Beute im richtigen Augenblick geschnappt hat und offenbar nicht daran denkt, sie wieder fahren zu lassen.

Frau Hornstein und Philipps sind außer sich vor Staunen. Was sie schauen, ist ihnen unfaßlich. Daß ein Fisch, dessen Umfang die Fläche einer Manneshand faum zu übertreffen scheint, das Reptil zu überraschen vermochte, würden sie niemals glauben, wenn sie es nicht mit eigenen Augen schauten.

Offenbar ist der Sieg des Fisches bereits eine Tatsache. Die Schlange ist völlig hilflos und vermag keinen Widerstand mehr zu leiften. Ihre Bewegungen werden schwächer und schwächer.

Um den Endkampf auf alle Fälle beobachten zu können und zu verhindern, daß der Fisch mit seiner Beute in den See hinaus­schwimmt, greift Philipps zu einem Stock. Er schiebt ihn unter die beiden Gegner und versucht, sie aus dem Wasser zu heben und auf das Ufer zu schleudern.

Der Versuch schlägt fehl.. Der Fisch läßt seine Beute los und schießt nach rechts in die Bucht. Sobald die Schlange ihren Kopf frei hat, verschwindet sie in der Richtung auf den See.

Herr Dr. Preußer und seine Gattin sigen noch lange mit mir auf der hohen Gartenterrasse zusammen. Wie genießen den Avend­zauber des Sees Genezareth.

Natürlich fommen wir auch auf allerlei Schlangenabenteuer zu sprechen. Ich plaudere von meinen eigenen Erfahrungen in Australien und Afrika ; sie sind überreich an derartigen Erlebnissen,

Ein Landsmann von uns aus Jerusalem , der einer der besten Kenner Palästinas ist, packt ebenfalls aus.

,, Wir hatten einige Zeit Logierbesuch gehabt," erzählt er. ,, Als unser Freund abgereist war, trafen wir einige Veränderungen und räumten zu dem Zweck den Kleiderschrank von der Stelle. Wer be­schreibt unsere Ueberraschung, als wir unter ihm eine Schlange ent­deckten. Es ist mir bis heute ein Geheimnis, wie sie dahin ge= tommen ist, wir werden es nie ergründen!"

,, Und die Schlange? Was geschah mit ihr?".

,, Wir sind sie auf die denkbar einfachste Weise losgeworden. Es gibt einen Weg, der schnurstracks in die Unterwelt führt. Dorthin brachten wir das Reptil, zogen am Klingelzug und spülten sie fort!" Rudolf de Haas.

bindende Zusage auf die Dauer gezahlte Gratifikation einen Rechts-| Angestellten die Gratifikation zu gewähren, ferner aber die Ge­anspruch zu erzeugen vermag, was vielfach bestritten wird, weil angeblich die Freiwilligkeit der Hingabe durch die mehrfache Ge­währung nicht beseitigt werden könne. Mit bemerkenswerter Schärfe wendet sich das Urteil hiergegen:

,, Diese Auffassung kann das Reichsarbeitsgericht nicht billigen. Kann sich der Geschäftsherr durch eine ausdrückliche Zulage verpflichten und erlangt sie hierdurch einen vertragsmäßigen Charakter, wird sie zu einem Teile des Gehaltes, so ist nicht einzusehen, warum derselbe Erfolg nicht wie in allen anderen Vertragsverhältnissen auch durch eine ſtill= schweigende Erklärung sollte herbeigeführt werden fönnen."

Das Urteil räumt nun die Möglichkeit ein, daß einer Gratifi­fation, die sich anfangs als freiwillige Leistung darstellte, diese Natur auch auf die Dauer gewahrt werden kann, nämlich dadurch, daß bet der jedesmaligen Hingabe auf die Freiwilligkeit hin­

gewiesen wird. Anders müsse es aber beurteilt werden, wenn die Gratifikation ,, ohne einen solchen Hinweis eine Reihe von Jahren hindurch regelmäßig ohne weiteres und vorbehaltlos Reichsarbeitsgericht aus, ändere die Gratifikationsgewährung ihren ausgezahlt werd." Beim Vorliegen dieser Voraussetzungen, führt das Charakter:

..Unter solchen Umständen wird der Angestellte, mit Recht in dem Berhalten des Geschäftsherrn die Erklärung feines Willens, eine Zusage dahin erblicken, daß ihm die Gratifitation ein für allemal gewährt werden solle, so lange sein Dienstverhält nis dauert. Er wird sie als einen Teil seines vertrags­mäßigen Gehaltes ansehen, mit ihr rechnen und seine Lebenshaltung danach einrichten. Daß er bei dem Verhalten des Geschäftsherrn zu dieser Auffassung fommen fonnte und durfte, bedarf keiner Darlegung, und der Geschäftsherr, der diese Auf­faffung von dem Inhalte des Dienstvertrages selbst hervorgerufen und genährt hat, muß sie gegen sich gelten lassen. Er ist nicht mehr in der Lage, nach Belieben und ohne Grund die Gratifikation zu verweigern."

Weiterhin führt das Reichsarbeitsgericht zwei Gefichtspunkte ins Treffen, um die Klagbarkeit der so beschaffenen Ansprüche zu be­gründen: Einmal die in einem Geschäfte bestehende Uebung, allen

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währung an die neueingetretenen Angestellten schon im ersten Beschäftigungsjahre. Das Urteil stellt nun auf die bekannte Erfahrungstatsache ab, daß Angestellte, die in ein Geschäft einzutreten beabsichtigen, sich mit den Verhältnissen in diesem, ins­besondere mit den gezahlten Bezügen bekannt machen und damit zu rechnen pflegen, daß ihnen mangels eines Borbehalts beim Bertragsschluß dieselben Bergütungen zulommen wie den übrigen Angestellten. Es gelangt hierdurch zu dem Ergebnis:

,, Erhalten nun alle andern Gratifikationen und wird einem neu einzustellenden gegenüber bei der Einstellung lein Vorbehalt nach dieser Richtung hin gemacht, so darf er mit Recht davon ausgehen, daß auch ihm stillschweigend die übliche Gratifitation zugefagt worden sei, daß fie einen Teil des ihm zu gewährenden Gehaltes bilden solle. Auch in diesem Falle ist der Geschäftsherr, der mit einer solchen Auffassung rechnen mußte, aber einen Vorbehalt zu machen unterlassen hat, zur Zahlung rechtlich verpflichtet."

Gleichwohl hebt das Reichsarbeitsgericht noch ausdrücklich

hervor:

Ob diese Borausfegungen einer rechtlichen Bindung gegeben sind, ist nach der Lage des einzelnen Falles zu entscheiden."

Dies wird im vorliegenden Falle auf Grund der geschilderten Umstände bejaht. Den legten Einwand schließlich, das beklagte Unter­nehmen sei in folge des 3usammenbruchs notleidend und daher nicht zur Zahlung der Gratifitationen verpflichtet, hat das Reichsarbeitsgericht gleichfalls nicht gelten laffen.

,, So verständlich der Standpunkt der Beklagten , im Interesse der geschädigten Sparer die vorhandenen Mittel zu erhalten. auch fein mag, einen Grund, den Klägern, die doch auch auf ihr Gehalt angewiesen sind, einen Anspruch zu versagen, der ihnen auf die stillschweigende Vereinbarung hin als Teil ihrer Entlohnung zu­steht, fenn er nicht abgeben. Ganz abgesehen davon, daß es bei allen übrigen Kosten der Liquidation. auf den verhältnismäßig geringen Betrag nicht ankommen fann."

Es bedarf feines besonderen Hinweises, daß die Tragweite dieses Urteils gar nicht überschätzt werden kann.

Rechtsanmaft Dr. R. Neumann, Leipzig .