Einzelbild herunterladen
 

Morgenausgabe

Лr. 385

A 194

46.Jahrgang

Böchentlich 85 31. monaffic 3,60 R tm voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 m. einschließlich 60 Bfg. Boftzeitungs- und 72 Bfg. Boftbeftellgebühren. Auslands abonnement 6,- M pro Monat.

Der Bormårts ericheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend". Illustrierte Beilagen Boll und Zeit und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Biffen". Frauen ftimme" Technit". Blid in bie Bücherwelt" und Jugend- Borwärts"

do madward

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Sonntag

18. August 1929

Groß- Berlin 15 Pf. Auswärts 20 Pt.

Die

taipattige Ronpareillezetle 80 Pfennig. Reklamezeile 5.- Reichs­mart Kleine Anzeigen das etige brudte Wort 25 Pfennig( zulässig wet fettgedruckte Borte). jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengefuche das erite Bort 15 Pfennig, jedes mettere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmark Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme im Haupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich oon 81, bis 17 Ubr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .

Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

Snowdens Antwort.

Inhaltsangabe, Erläuterung und Polemik vor den Pressevertretern..

V. Sch. Haag, 17. Auguft.( Eigenbericht.)

In einem engeren Journalistenkreis führte Snomden noch aus: Das wichtigste Ereignis war heute die englische Antwort auf In diesem Konflikt steht das Prestige Großbritanniens auf dem Spiel. Es handelt sich darum, das Recht Englands auf einen die Vorschläge der vier übrigen Gläubigermächte. In einer von Snowden abgehaltenen anglo - amerikanischen Pressekonferenz gab behaupten. In den letzten Jahren war die englische Diplomatie so ihm gebührenden Blaz in der internationalen diplomatischen Welt zu er zunächst allgemeine Erklärungen über seine Haltung und, kritisch wach, daß England diesen ihr zukommenden Platz nicht mehr fierte das Verhalten der Gegenseite recht scharf.

Snowden erinnerte daran, daß er am vergangenen Sonnabend dem belgischen Ministerpräsidenten Jaspar als Vorsitzenden es als wünschenswert bezeichnet habe, die Finanzsachverständigen der Gläubigermächte zusammenzuführen, um die britischen Forde. rungen zu diskutieren und ein entsprechendes Angebot auszuarbetten. Dreimal wären die Sachverständigen mit den englischen Ber­tretern zusammengekommen, ohne daß jedoch die Verhandlungen nur im geringsten vorwärtsgekommen wären. Unter diesen Umständen habe er am Mittwoch erklärt, daß es zwedlos wäre, die Sonn­abendsigung der Finanzkommission abzuhalten. Dabei habe er das fogenannte ,, Ultimatum" überreicht, wonach man England endlich ein tonkretes Angebot übermitteln sollte. Das Memorandum, das ihm nun zunächst mündlich am Donnerstag durch Herrn Franqui und danach am Freitag offiziell und schriftlich überreicht wurde, müsse er als sehr page und unbefriedigend bezeichnen. Dieses Memo randum enthalte grundlose Behauptungen und gebe infolgedessen teine Möglichkeit, die Verhandlungen auf dieser Grundlage fortzusetzen.

Er habe bei der lleberreichung feiner Antwort Herrn Jaspar gegen­über die Vorschläge als ridiculous and inadequate"( lächerlich und unbrauchbar) bezeichnet. Er habe allerdings bei dieser Besprechung mit Jaspar den Eindruck gewonnen, daß diese Vorschläge nicht das legte Wort der übrigen Mächte darstellen, und daß man daher ihnen noch Zeit laffen solle, die Lage zu prüfen und neue Vorschläge Ge zu prüfen und neue zu überreichen.

2

$

Dann wandte sich Snowden lebhaft gegen die französische Dar stellung, die am Freitagabend über den Inhalt der ihm überreichten Borschläge gegeben wurde. Man habe davon gesprochen, daß die Zugeständnisse der vier anderen Gläubiaermächte bis zu 80 Bro3. die britischen Forderungen berücksichtigen. Nichts sei mehr von der Wahrheit entfernt als diese Behaup tung. In Wirklichkeit befriedigten die Vorschläge der vier Mächte bestenfalls die britischen Forderungen zu 20 Pro3. Sie enthielten. in Wirklichkeit weder wirkliche Zugeständnisse noch wirkliche Opfer, oder nur Opfer auf Kosten der kleinen Gläubiger. Aber England sei nicht gewillt, Zugeständnisse zu erfaufen, indem es die ebenso beachtenswerten Rechte der kleinen Mächte opfern laffe.

Weiter wandte sich Snowden gegen die Behauptung der fran­ zösischen Presse, wonach er jeden Kontakt mit den Delegations führern der übrigen Mächte vermieden hätte. Er erklärte, daß er im Gegenteil stets als seinen Wunsch deutlich zum Ausdruck gebracht hätte, in ständiger Fühlung mit den übrigen Hauptdelegierten zu sein, als er z. B. dem belgischen Delegierten Franqui gegenüber von den Bereinbarungen zwischen Poincaré und Churchill vom No: Dember 1928 berichtete, monach sich Frankreich verpflichtete, teinerlei Sondervorteile auf Kosten Englands zu erstreben, habe sich der Belgier darüber sehr erstaunt gezeigt und gemeint, das müsse er unbedingt Briand persönlich vortragen, und dazu wolle er( Franqui) eine Unteredung zwischen Briand und Snowden herbeiführen. Er habe daraufhin einen ganzen Tag auf den Besuch Briands gewartet, aber Briand sei nicht gekommen und er habe erst später erfahren, daß Briand an diesem Lage außerhalb der Stadt Haag gemeilt habe. Snowden bat, endlich das Gerücht zu zerstören, wonach er Zusammenfünften mit den übrigen Hauptdelegierten aus gewichen wäre.

Er habe schließlich die Bertagung der für Sonnabend in Aussicht genommenen Sigung der Finanzfommission auf später angenommen, um jede Möglichkeit zu schaffen, weitere Vorschläge auszuarbeiten, bie England befriedigen fönnten. Er fügte hinzu: Ich würde es als ein Berbrechen erachten, wenn ich den anderen nicht Zeit laffen mürde, fich die Dinge nochmals zu überlegen."

Schließlich polemisierte Snowden sehr scharf gegen die Unter stellung in der französischen und in der italienischen Presse, daß Eng­land den Frieden Europas seinen egoistischen Interessen opfere. Eng Hands Haltung entspreche nicht allein rein finanziellen Erwägungen. Es handle fich um eine Prinzipienfrage. England seien schon fehr viele Opfer von seinen Gläubigern zugemutet worden.

Gewiß bedeuten 2% Millionen Pfund nur wenig im Bergleich zu seinem Gesamtjahresetat, aber nach alledem, was man Eng­land in den letzten Jahren an Opfern zugemutet hätte, sei das eben die Summe, die das Faß zum Ueberlaufen bringe.

einnahm.

Die Zeit ist gekommen, wo England wieder zu feinem Rechte * gelangen muß.

Ich bekomme täglich unzählige Telegramme und Briefe aus allen Winkeln Englands und aus allen Kategorien der Bevölkerung, in denen die Genugtuung darüber zum Ausdrud fommt, daß England wieder einen Staatsmann habe, der Rüd grat befize( a statsman with backbone). Endlich ist der Augenblid gekommen, wo mir als Engländer vor die Welt treten tönnen, ohne uns zu schämen."

Der Inhalt der Antwort.

Bostschedfonto: Berlin 37 536.

Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten

und Beamten, Wallstr.65. Diskonto- Gesellschaft, Depofitenfasse Lindenstr. 3.

Vorsicht! Nicht stürzen!

Randbemerkungen zur Reform der Arbeitslosen­versicherung.

Das jest so heftig umfämpfte ,, Gesetz über Arbeitsver­ mittlung und Arbeitslosenversicherung " trägt das Datum des 16. Juli 1927 und hat am 7. Juli 1927 die dritte Lesung im Reichstag passiert. Es ist kaum jemals zuvor dagewesen, daß ein Gesez von solcher Tragweite eine so ungeheure hatten nicht weniger als 355 für das Gesetz gestimmt, 47 da= Mehrheit fand. Denn von 417 anwesenden Abgeordneten gegen und 15 hatten sich der Abstimmung enthalten.

-

Wäre das Gesez mirklich so schlecht, so in allen Punkten reformbedürftig, wie das jetzt von mancher Seite dargestellt wird, so wäre das für die Urteilsfähigkeit des Reichstags ein sehr schlechtes Zeugnis. Zwischen der damaligen Abstimmung und den gegenwärtigen Beratungen liegen freilich Neu­wahlen aber im großen und ganzen sind es doch dieselben Fraktionsspezialisten, die vor zwei Jahren das Gefeß zum Siege führten und die jetzt über seine Abänderung verhandeln. Haben sie wirklich solche Pfuscharbeit geliefert, daß nach zwei Jahren schon wieder alles umgebaut werden muß? Das Gesetz ist am 1. Oftober 1927 in Kraft getreten, hat also noch nicht einmal eine zweijährige Wirkungszeit hinter sich. In diese Zeit fällt die Kältekatastrophe des ver­

Die eigentliche Antwort beginnt mit der nochmaligen Fest gangenen Winters, so daß von einer normal verlaufenen stellung, daß der

Boung- Plan nicht als unantastbares Ganzes anzusehen

sei, ferner, daß die Pariser Sachverständigen unabhängig gewesen seien und infolgedessen die Regierungen nicht hätten binden fönnen. England versuche durch seine Forderungen teineswegs die Fundamente des Young- Plans zu erschüttern.

England nehme die Empfehlungen der Sachverständigen hin­fichtlich der deutschen Leistungen an,

zumal dieser Punkt gerade die einzige Aufgabe betreffe, die den Sachverständigen zugewiesen worden sei, nämlich die Feststellung der deutschen Leistungsfähigkeit.

Sodann geht die Antwort im einzelnen auf die Behauptungen und Angebote der übrigen Mächte ein und bestreitet vor allem die Vorteile, die angeblich der Young- Plan England gewähre. Bas die Vorteile, die angeblich der Young- Plan England gewähre. Bas besonders die Anregung der übrigen Delegierten betreffe hinsichtlich der Liquidation des deutschen Privateigentums, so habe diese Frage nichts mit dem Young- Plan und mit den eng­lischen Forderungen zu tun. Vor allem müsse England ablehnen, daß von den 580 Millionen Mark, die von der deutschen unge schütten Annuität mobilisierbar seien, 500 Millionen für Frankreich reserviert seien. Die Antwort wiederholt das bereits zu Beginn der Haager Konferenz von den Engländern vorgebrachte Argument, Poincaré habe sich im November 1928 Churchill gegenüber ausdrücklich dahin verpflichtet, daß Franfreich nicht irgend welche Vorteile oder Borrechte zum Schaden Englands erstreben würde.

Die sogenannten Vorteile, die der Young Plan England gewähre, bedeuteten viel weniger als die Opfer, die England zugunsten feiner Mitgläubiger bei der Regelung der interalliierten Schulden gebracht habe. Es sei auch nicht wahr, daß England durch den Young- Plan in den ersten zehn Jahren mehr bekomme als es an Amerifa zu be­zahlen habe, also die Balfour - Note, die die Grundlage der englischen Reparationspolitit bilde, in dieser Hinsicht von England nicht inne gehalten werde.

Dann wendet sich die Note gegen Italien und stellt fest, daß England feinerzeit den Italienern ein glänzendes Schulden­abfommen gewährt

habe, gerade wegen des Argumentes, das Italien damals vor­brachte, daß es zu wenig an Reparationen erhalte. Jezt dagegen hätte Italien durch den Young- Blan troß dieses günftigen Schulden­abfommens mit England wesentliche Vorteile erzielt.

Hinsichtlich der Vorschläge des Memorandums der vier Mächte über die Sachlieferungen, wonach für den Fall eines Deutsch land gewährten Moratoriums England wieder die Einnahmen aus hem Recovery- 2ft erhalten fönnte, erflärt Snowdens Antwort, daß dies feine Konzession und dieses Angebot illufarisch sei, denn die Sachlieferungen würden im Falle einer Moratoriums feineswegs aufhören und über 1930 hinausgehen. Im übrigen fönne England Bugeständnisse in der Frage der Sachlieferungen nicht als eine Kompensation für die finanziellen Verluste ansehen, die ihm der Young- Plan in seiner jegigen Form bringe.

Alles in allem gleiche das Angebot der vier Mächte die Opfer, die Großbritannien durch den Young- Plan, zugemutet werden, mur zum pierten Teil aus. Dieses

Memorandum fel infolgedeffen unannehmbar und bilde keinen ernften Versuch, Englands Standpunkt Rechnung zu tragen. Die englische Antwort schließt mit den Worten: Großbritannien muß auf eine Brüfung der Lage drängen mit dem Ziel, eine ge rechte und wirtliche Regelung der Streitfrage zu finden.

Probezeit gar nicht die Rede sein kann.

Diejenigen, die heute so tun, als müsse das Gesetz schleunigst wieder geändert und von Grund aus umgestülpt merden, haben jelber vor zwei Jahren für dieses Gefeß, wie es jetzt ift, gestimmt. So bezichtigen sie sich selber der Leicht­fertigteit, deren sie sich entweder damals schuldig machten, indem sie zustimmten, oder die sie jetzt begehen, da fie schon wieder alles. ändern wollen.

Gelegenheitsgefehmacherei ist ein lebel. Auf dem Gebiet der sozialen Gesetzgebung fann sie geradezu zum Verhängnis werden.

Es ist heute nicht uninteressant, die Liste der Neinjager vom 7. Juli 1927 zu studieren. Selbstverständlich stehen die Rom munisten darauf. Sie, die sich heute als die Ber teidiger des bestehenden Gesetzes aufspielen, haben damals an ihm fein gutes Haar gelaffen und genau denselben Spettafel aufgeführt wie jetzt. Damals schrien sie wie am Spieß, weil das Gesetz gemacht wurde, und heute schreien sie genau so, weil es geändert werden soll. Auch die Zustimmung der Sozialdemokraten zu dem damaligen Entwurf war laut offizieller KPD.- Erkläru, vom 7. Juli 1927,, ein neuer Ver­rat an der Arbeiterklasse". Zu diesem Verrat an der Ar­beiterflaffe" stehen jetzt die Kommunisten fest wie die deutschen Eichen, jeden Paragraphen sind sie mit Zähnen und Nägeln zu verteidigen bereit.

"

Außer den Kommunisten und Nationalsozialisten hat aber am 7. Juli 1927 auch eine fleine Gruppe von Deutsch­nationalen, Großindustrieller und Agrarier, allen fraktionellen Bindungen getroßt und mit Nein gestimmt. Bon dieser kleinen, aber mächtigen Gruppe um Leopold ist der Kampf gegen das Gesek ausgegangen. Ein unge­heurer Propagandafeldzug, dem die deutschnationale Presse­ugenberg voran, aber auch die volksparteiliche und die demokratische Presse ihre Spalten öffnete, wurde in Szene gesetzt. Diesem Propagandafeldzug gelang es, auf die öffentliche Meinung starten Eindruck zu machen und die An­hänger der Arbeitslosenversicherung, wie sie jetzt besteht, in eine Verteidigungsstellung zurückzudrängen.

Am 7. Juli 1927 hatten fast alle Fraktionen mit Rüd­ficht auf ihre Arbeitermähler für das Gesetz gestimmt. Daher die ungeheure Mehrheit. Sofort aber melden sich auch schon in den bürgerlichen Parteien diejenigen Schichten, die zufar bei der Wahl nur wenige Stimmzettel abgeben, fonft aber bei allen Entscheidungen ihr wirtschaftliches Schwergewicht in die Wagichale werfen. Der Stoß diefer sozialen Oberschicht geht durch alle bürgerlichen Bar­teien hindurch und bleibt nirgends ohne Wirkung

Heute leidet ein großer Teil der öffentlichen Meinung an der Wahnvorstellung, als ob von der Aenderung dieses einen Gesezes das ganze Schicksal unserer Reichs finanzen abhinge. Angstvoll fucht man Einnahmen und Ausgaben ins Gleichgewicht zu bringen, damit das Reich nur ja nie wieder in die Lage lomme, mit seinen Mitteln ein­springen zu müssen. Auch die eigenen Beiträge sollen so niedrig wie möglich gehalten werden mas bleibt da übrig, als an den Ausgaben zu sparen und die Leistungen abzubauen?

-

Diese rein fistalische und etatsmäßige Betrachtung eines fozialen Problems führt zwangsläufig irre. Die primäre Frage ist nicht, wieviel Geld das Reich hat, um seine sozialen Pflichten zu erfüllen, sondern mieviel es dazu braucht. Eine Finanzpolitit, die sich auf den Rat beschränkte, jeder möge sich nach seiner Dede ftreden, märe äußerst furasichtig und müßte zum Ruin führen. Sparsamkeit, die auf Kosten von Leben