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Morgenausgabe

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A 198

46.Jahrgang

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slet 190

Vorwärts

Berliner   Bolksblatt

Freitag 23. August 1929 Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die

txipalttge Ronpareillezetts 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart. Aleine Anzeigen das fettge Drudte Mort 25 Pfennig zuläffig zwet fettgedruckte Morte), jebes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Bfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben sählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme im Haupt eschäft Lindenstraße 3, wochentäglich eon 8 bis 17 Uhr.

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Vorwärts- Verlag G.m.b.H.

Suche nach dem Kompromiß.

Morgen soll Konferenzschluß sein.

V. Sch. Haag, 22. Auguft.( Eigenbericht.)

Am Donnerstag nachmittag ist zum erstenmal offiziell zwischen ben Delegierten Frankreichs  , Belgiens  , Italiens  , Japans   und Deutsch  lands über ein Angebot an England verhandelt worden. Deutschland  war durch Hilferding   und Curtius vertreten. Die beiden deut­fchen Minister verließen nach einer Stunde die Beratung und be­gaben sich zum Sitz der deutschen   Delegation, wo eine mehrstündige Konferenz der Delegation stattfand. Gegen 7 Uhr fuhren Hilferding  und Curtius wieder zu einer Sigung der Finanzminister aller Gläubigermächte außer Englands, die gegen 8% Uhr beendet war. Alle Beteiligten verweigern aber jede Auskunft und teilten nur mit, daß man über das Verhältnis des geschüßten zum ungeschüßten Teil somie über die Sachlieferungen gesprochen hätte, und daß die Beratungen darüber am Freitag vormittag weitergehen werden. Alle folgenden Einzelheiten können daher nur unter Bor­behalt wiedergegeben werden. Es handelt sich anscheinend

darum,

den ungeschützten Teil der deutschen   Annuitäten zu erhöhen, und zmar in folgender Form: Nach dem Young- Plan sollte der ungeschütte Teil 660 Millionen Mark betragen, movon bereits fest verteilt waren 500 Millionen an Frankreich  , 42 Millionen für Italien  ,

30 Millionen für Belgien   und die übrigen fleinen Gläubiger und 88 Millionen für den Bins und Tilgungsdienst der Dames Anleihe.

Nun soll diese legte Summe von 88 Millionen herausgenommen und zu dem gefchüßten Teil zugeschlagen werden ohne daß fich Die gesamten Jahresleistungen

ding aufgegeben murde und daß hier eine neue Möglichkeit er­örtert wird, die ungeschützte Summe von 660 Millionen würde den Zinsen und Tilgungsdienst der Dawes Anleihe auf eine Durchschnittssumme von 56 Millionen firieren, die man auf die vollen 58 Jahre berechnen würde, die der Young- Plan dauern soll. Die Neuerung würde lediglich darin bestehen, daß während nach dem Young- Plan die ungeschützten Zahlungen mit 37 Jahren aufhören und in den letzten 21 Jahren von 1966-1988 nur noch geschützte Reparationen zu zahlen wären, die lediglich dem Betrag der interalliierten Schulden an Amerika   entsprechen,

man

eine Art ungeschützten Teil in Höhe von 56 Millionen Mart bis zum Jahre 1988 neu schaffen

würde. Allerdings wird gegen diesen neuen Blan eingewendet ,: daß die Engländer einen ähnlichen Vorschlag bereits abgelehnt haben und daß überdies dieses System eine Aenderung der Be­dingungen darstellen würde, unter denen die Dawes- Anleihe im Jahre 1924 emittiert wurde, also eine Zustimmung Amerikas   dazu erforderlich wäre.

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Was hinter der Heimwehr   steckt.

Bayerisch- österreichischer Faschismus.

Von Major a. D. Karl Mayr  .

Die Borgänge von St. Lorenzen am legten Sonntag, die sich mit offensichtlicher Duldung der Bureaukratie ab­gespielt haben, und die von einzelnen provokatorischen Ge= maltakten anderwärts begleitet waren, bekommen gerade vom außenpolitischen und großdeutschen Standpunkt aus ein noch ernsteres Gesicht, wenn man die persönlichen und organi­satorischen 3 usammenhänge beachtet.

Die Heimwehr  - Organisation ist numerisch schwächer als der Republikanische Schutzbund  . Die am besten durchgebildete und stärkste Teilorganisation ist die fteiermärkische, die wiederum im engeren Zusammen­halt mit den Heimatschülern in Kärnten   steht. Die steirische Heimwehr besteht zu einem guten Drittel aus gepreßten oder getauften Berg- und Metallarbeitern, die nach solcher Ber­leugnung ihrer Klassenzugehörigkeit den Weg in das sozial­demokratisch- freigewerkschaftliche Lager kaum mehr finden tönnen, weil sie für ihr ganzes Leben das Brandmal in Obersteiermart noch eingefügt sämtliche Beamte und des Verräters tragen. In diesem Arbeiterteil" find Ingenieure der Berg- und Hüttenwerke und einige hundert Studenten der Bergakademie Leoben, die ein­fach nichts ,, werden" fönnen, wenn sie nicht bei den Fa­schisten organisiert sind; dazu treten politisch unaufgeklärte bäuerliche Boltsteile. In Steiermart und Kärnten   macht sich noch ein Großgrund besig breit, unter dessen Schutz und Schirm zahlreiche ehemalige Berufsoffiziere als Führer und Unterführer der Heimwehr eingeteilt sind.

Jedenfalls handelt es sich um äußerst schwierige Bro­bleme, die zwar in kürzester Zeit gelöst werden müssen, die aber eingehender Berhandlungen nicht nur mit den Gläubigermächten, fondern auch innerhalb der deutschen   Delegation bedürfen. Trogdem läßt sich bereits seit heute nachmittag unter den hiesigen Bertretern natürlich In Kärnten   hat sich eine Zeitlang der Gehilfe Luden der deutschen Rechts preffe beobachten, wie ein planmäßdorffs beim Hitler- Butsch 1923, der bayerische   Oberst­ger Angriff auf bestimmte Mitglieder der deutleutnant, a. D. Kriebel betätigt. Seitdem er eine lohnen­en Delegation eingelegt hat. So wurde von dieser Seite bere Landsknechtbeschäftigung gefunden hat, nämlich als das Gerücht lancierf, Hilferding   habe den Gläubigern eine Er Stabschef" in chinesischen Diensten, als Nachfolger des höhung der ungeschüßten deutschen Zahlungen um 100 Millionen jahrelang mit Moskau   in engster Verbindung gestandenen Mart angeboten.(!) Dabei weiß jeder, daß alle deutschen und vor kurzem verstorbenen Oberst a. D. Bauer, ist Haupt­Minister sich gegen neue Zugeständnisse mit der denkbar größten drahtzieher der steiermärkischen und färntischen Heimwehr  Entschiedenheit gewehrt haben und daß sie jetzt, wenn sie durch die der bayerische   Hauptmann a. D. Freiherr v. Branth. Gegenseite auf diesen Beg gedrängt werden, es fich für fie mur darum handeln tann, in überaus heiflen, verantwortungsvollen und zähen Verhandlungen das meiste für Deutschland   herauszuholen und noch Schlimmeres für Deutschland   zu verhüten.

Deutschlands   in irgendeiner Weise oder zu einem 3eitpunfferhöhen.: Die Gumme von 88 Millionen verringert sich übrigens von Jahr zu Jahr durch die Tilgung der Dawes Anleihe und sie sinkt nach 20 Jahren schließlich auf 64 Millionen Mart. Nach dem Ablauf von 20 Jahren ist die Dames- Anleihe ge­tilgt, so daß diese Summe vollkommen verschwindet.

Es fragt sich nun, welche Kompensationen man Deutschland   für ein etwaiges Entgegenkommen gewähren mürde, Kompensationen sowohl finanzieller mie politischer Natur. Ob und inwieweit ein folches Opfer wirklich praktische Bedeutung befizen würde, das müssen die Finanzleute entscheiden. Einstweilen ist sicher, daß es eine innerpolitische Bedeutung haben würde, weil alle Gegner des Young­Planes und der Reichsregierung Lärm schlagen werden. Zunäch st wird allerdings noch darüber verhandelt Man hat bisher mit den Engländern über diesen Punkt noch nicht gesprochen und will es erst tun, wenn die grundsätzliche Einigung in dieser Frage perfekt ist, also vermutlich am Freitag mittag. Die Engländer würden damit den Teil ihrer Forderungen befriedigt sehen, der sich auf einen genügenden Anteil an den ungeschützten deutschen   Zahlungen bezieht. Aber selbst wenn diese eine britische   Forderung befriedigt wäre, so ist doch feineswegs gefagt, daß das andere britische  Verlangen erfüllt sein würde, das für sie mindestens ebenso wichtig ist, nämlich die Erhöhung der gesamten an Großbritannien  fallenden Reparationsfumme um 48 Millionen Mark jährlich. Frank reich ist angeblich zu einem solchen Opfer bereit, aber Italien   er flärt nach wie vor, daß es teinerlei Ronzessionen machen werde. Benn sich Italien   nicht eines anderen besinnt, würde also auch die in Aussicht genommene deutsche Konzession hinsichtlich des un geschützten Teiles die Konferenz nicht zu retten vermögen.

Das Kompromiß, das in den gestrigen Verhandlungen angebahnt worden ist, beruht auf der Teilung der deutschen  Reparationsleistungen in den geschütten" und den unge­schüßten Teil unge.schüht" ist der Teil der Repa­rationssummen, für den fein Transferschutz gilt: das ist die Summe von 660 Millionen Mart, die aus den Ueberschüssen der Reichsbahn fließen und für die Deutschland   fein Mora torium soll beantragen dürfen. Nur die Jahresleistung, die über diese Summe hinausgeht, soll geschüßt sein: für fie fann Deutschland   im Notfall ein Transfer und ein Auf­bringungsmoratorium beantragen.

Die Engländer haben sich nun dadurch besonders be­schwert gefühlt, daß ihnen von den 660 Millionen Mart, die Deutschland   unter allen Umständen zu bezahlen hat, von den Sachverständigen fein Anteil bewilligt worden ist, sondern fie sich mit einem Anteil an den geschützten Reparationen, deren Zahlung Deutschland   aufschieben und einstellen fann, begnügen sollen. Der zurzeit zwischen Deutschland   und vier feiner Gläubiger erörterte Kompromißvorschlag sieht nun vor, daß England einen Anteil von den ungeschützten Repa rationen erhält. Da die anderen Mächte aber von ihrem Anteil nichts aufgeben wollen, wird zurzeit das Kompromiß auf dem Wege gesucht, daß die Berzinsung und Tilgung der Dames- Anleihe von 1924 dem geschützten Teil der Repara­tionen statt dem ungeschützten entnommen werden soll.

Neue Phase.

V. Sch. Haag, 22. Auguft.( Eigenbericht.) Am späten Abend wird behauptet, daß die oben angegebene Rombination infolge des Widerstandes von Curtius und Hilfer.

Sonnabend Konferenzſchluß.

Snowden und Briand   fündigen Abreise an.

Paris  , 22. Auguft.

Der Haager Korrefpondent der Agentur Havas  " berichtet: Das Hauptereignis, das sich aus den Vorgängen des heutigen Tages er­gibt, ist die Tatsache, daß eine Entscheidung unwiderruflich am Sonnabend fallen wird. Die Führer der Delegationen der einladenden Mächte haben sich heute darüber geeinigt, daß fie ihren Aufenthalt im Haag nicht über diesen Zeitpunkt, hinaus aus dehnen wollen. Sie haben die beiden einzigen Eventualitäten ins Auge gefaßt, denen sie jetzt noch gegenübertreten wollen und von denen übrigens die eine ebenso wahrscheinlich ist wie die andere: Entweder lehnt Snowden die letzten Vorschläge feiner Kollegen ab, in diesem Falle hätte die Konferenz nur noch den mißer folg ihrer Arbeiten in einer lehten öffentlichen Sitzung feft zu­stellen, oder der Young- Plan wird schließlich vom englischen Schahfanzler angenommen. Dann wären nur noch auf Grund des plans die komitees zur Regelung feiner Anwendungsmo dalitäten einzusetzen, denen es überlassen wäre, die Stadt in der sie arbeiten wollen, felbst zu bestimmen. Snowden und Henderson haben bereits offiziell bekanntgegeben, daß sie den Haag am nächsten Sonntag verlassen werden, um nach Condon zurückzukehren. Briand   beabsichtigt gleichfalls an diesem Tage nach Paris   abzu. reifen, wo am Montag ein Ministerrat stattfinden wird, in dem er der Regierung über die Haager Verhandlungen Bericht erstatten wird.

Breitscheid   und Schacht im Haag. Haag, 22. Auguft. Reichstagsabgeordneter Dr. Breitscheib trifft heute abend im Haag ein; morgen vormittag wird auch Reichsbantpräsident Dr. Schacht hier erwartet. Heute abend fand ein Diner bei der englischen Delegation statt, an dem die Führer der deutschen  Delegation teilnahmen.

Brankh diente früher im Infanterie- Leibregis ment und ist der besondere Vertrauensmann des Haken­freuzgenerals v. E pp. Der ist übrigens auf dem Nürn­berger Hitler- Kongreß dauernd in der ihm bei seinem Ab­schied verliehenen" Reichswehruniform herumge­laufen. Wie sich bei dem faschistischen Aufmarsch im Oktober 1928 zu Wiener- Neustadt   deutlich gezeigt hat, ist die steier­märkische Organisation die militärisch best gedrillte. Die Abteilungen find dort in beinahe vorfriegsmäßiger Vollen­dung zum Kadavergehorsam gedrillt.

Der Baron Branth unterhält ständige Verbindung mit Bayern   und München   und insbesondere mit v. Epp und durch ihn zum Münchener   Hakenkreuzlager. Prankh fizt auf einer steirischen Besitzung der bayerischen Prinzessin­Witme Arnulf, deren Berwaltung( große Waldungen mit Schloßgut) ihm anvertraut ist. Da thr einziger Sohn im Krieg gefallen ist, hat Branth auch Ausficht auf die Erb­ich a ft. Branth steht in engster Verbindung mit der Fa­milie Wittelsbach und besonders mit dem Kabinetts­sekretariat Rupprechts, sowie zu dem Protektor" des Heimat- und Königsbundes", dem Wittelsbacher Adalbert. Der Grundzug der Wittelsbacher   Außenpolitit bleibt aber, wie die Enthüllungen des Fuchs- Machhaus- Pro­zeffes 1923 deutlich gezeigt haben, die Herbeiführung eines Bustandes, wie er bis 1866 im Deutschen Bund  " verkörpert war, mit der Abänderung höchstens, daß Bayern   als Mittel­puntt eines Donaubundes erhöhtes Gewicht bekommt. lleber das Projekt der Donautonföderation ist in den ver­gangenen zehn Jahren, seit dem Herbst 1918, wo der da­malige Führer des bayerischen Zentrums die Eventual­parole ausgegeben hat, nötigenfalls müßten die bayerischen Ratten ,, bas sintende deutsche Schiff" verlaffen, oft genug gesprochen worden. Natürlich haben die Wittelsbacher   und die Interessenten einer Donautonföderation mit hohen Tönen ihre deutsche Treue betont, wenn es zu blamabler öffentlicher Erörterung fam; deswegen bleibt das groß- bayerische Projett im Rahmen einer losen deutschen   Gemeinschaft dennoch der eigentliche Leitfaden dieser dynastisch bestimmten Politik.

Da feit 1923 die Franzosen endlich das gute Ein­sehen gehabt haben, nach rücksichtsloser Opferung ihres da­maligen Präsidenten Millerand  , ihre jahrhunderlange Unter­ftügung separationslüfterner füddeutscher Hauspolitik aufzu­deutsche Zersehung und Schwäche aufgebauten europäischen  Neugliederung das Land des sacro egoismo auf getaucht.

Zeppelin am Start verhindert. geben, ist als Rückhalt und Hauptnußnieher einer auf inner­

Tokio, 22. August.( Associated Press  .)

Der zuletzt für 5 Uhr 40 min. angefekte Start des ,, Graf Zeppelin" ist nunmehr auf unbestimmte Zeit ver. schoben worden, da sich infolge der fortdauernden un.

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günstigen Windverhältnisse das Herausbringen bes Luftschiffes aus der Halle sehr schwierig gestalten würde.

Gegenüber diesen Zusammenhängen treten die Figuren des Dr. Steidle Innsbrud und des Dr. Bfriemer­

Graz an Bedeutung weit zurück. Der Major a. D. Pabst hat sich als echter Landsknecht   ganz auf süddeutsche Mentalität eingestellt; um so enger und vertrauensvoller tann sein Zusammenspiel mit den bayerischen Drahtziehern