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BERLIN Freitag 23. Auguft 1929

Der Abend

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Nr. 394

B 196 46. Jahrgang.

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Leber dem Stillen Ozean.

Graf Zeppelin " zur dritten Etappe heute früh in Tokio gestartet.

Wie aus Tokio gemeldet wird, ist das Luftschiff Graf Zeppelin " am Freitag früh kurz nach 7 Uhr ( MEZ.) zum Fluge über den Stillen Ozean gestartet.

Wie aus Tokio gemeldet wird, überflog ,, Graf Zeppelin" um 7.36 Uhr( ME3.) die Stadt Mito, 40 Kilometer nördlich von Kasumigaura.

Der Abschied von Kasumigaura.

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Trotz des zunächst recht ungünstigen Wetters hatten sich schon in den frühen Morgenstunden des Freitag auf dem Flugfeld von Kasumigaura große Menschenmengen eingefunden, um dem Abflug des Graf Zeppelin " beiwohnen zu tönnen. Der Befehl zum Ausbringen des Luftschiffes aus der Halle wurde ge­geben, nachdem sich der heftige Wind gegen Mittag gelegt hatte. Mit äußerster Borsicht schleppten die japanischen Marinemannschaften den Zeppelin ins Freie, der vorher noch einmal von Dr. Edener und feinen Offizieren genau besichtigt worden war. Als der Bug des Luftschiffes im Hallentor sichtbar wurde, brach die Menge in Banzai Rufe aus. Der Start erfolgte bei bewölktem Himmel. Er ging glatt und ohne jeden Zwischenfall vonstatten. Benige Sekunden nach dem Kommando Taue los" erhob sich Graf Zep­pelin" in die Lüfte. Mit großer Schnelligkeit stieg er auf etwa 500 Meter Höhe, während die Passagiere aus der Gondel die letzten Abschiedsgrüße mintten. Nach einer furzen Schleife entschwand das Luftschiff, von einigen japanischen Flugzeugen begleitet, am Horizont. Tofio, 23. Auguft.

Die Wetterlage, die heute früh noch so ungünftig war, daß ein baldiger Biederaufstieg des Graf Zeppelin " nicht in Frage zu fommen schien, besserte sich in den ersten Nachmittagsstunden. Die Windstärke nahm plöglich ab, und Dr. Edener beschloß mit Rüd­sicht darauf, daß bei längerem Verweilen in dieser Jahreszeit, in der die Taifune besonders zahlreich auftreten, der Sturm wieder auf­frischen könnte, den Vorteil des ruhigeren Wetters wahrzunehmen und die Weiterfahrt anzutreten. Fahrgäste und Besatzung erhielten die Weisung, sich an Bord des Luftschiffes zu begeben,

Berflucht sei Zeppelin!"

Heiteres in ernster Zeit.

In der kommunistischen Provinzpresse steht es noch gefährlicher um die Intelligenz als in der Zentrale. So finden wir in der Arbeiterstimme" in Dresden eine Abhandlung über die Zeppelin". Fahrt, die wert ist, sie auch weiteren Kreifen bekanntzugeben. Also wird da feierlich verkündet:

Die Reise des 3eppelin" ist ein neuer Vorstoß des friegs­hungrigen deutschen Imperialismus in den Nahen und Fernen Osten, den er schon vor 1914 als seine eigentliche Domäne betrachtete. Die free, herausfordernde Erklärung Edeners, er fönne aus Wetterrücksichten" nicht Moskau überfliegen, die sorgfältige Vermeidung des Fluges über irgendeine große Sowjetstadt, zeigt geradezu demon. strativ den imperialistisch sowjetfeindlichen Cha. rafter dieser Expedition. Ergänzt wird dieses Bild durch die Nachricht, daß der Bepelin" bei seinem Flug über das Sowjet­gebiet mit Maschinengewehren und Kriegswaffen ausgerüstet war. Er wird auch nicht wenige Photographen apparate und sonstige optische Spionagemittel an Bord mitgeführt haben.

Daß die Reise des Beppelins" nur imperialistischen Zweden dient, wird weiter dadurch bekräftigt, daß Eckeners erste Tat nach feiner Landung in Tofio die war, ein dreifaches" Banzai" auf den japanischen Kaiser auszubringen.

Die deutsche Arbeiterschaft hat kein Wort der Begrüßung für die erfolgreiche Fahrt des Reppelins" übrig. Sie verflucht den Zeppelin" in den Händen der Aus-|

beuter.

Ein dreifaches Banzai" dem tüchtigen Mann, der so dem Edener den Marsch bläst. Leider verpufft der in der Dresdener Enge, während Zepp über dem Stillen Ozean fliegt. Aber vielleicht bekommt er die Epistel doch noch mal zu Gesicht und dann wird er fich bessern müssen

...

Inzwischen könnten sich die Arbeiterstimme" und die Rote Fahne" einmal erfundigen, warum die Kapelle der Sowjet. freuzer in Swinemünde nach der demokratischen Rede des Bürgermeisters Deutschland , Deutschland über alles!" spielte und warum die kommunistischen Matrosen dabei demonstrativ falutierten. Darüber liest man in der deutschen Sowjetpreffe bisher leider nichts. Eigentlich hätte die Kapelle doch die Melodie Ber­flucht sei das imperialistische Deutschland " spielen müssen. Oder etwa nicht?

Die Ruinen des Immenhof

Von dem schönen Gebäude des Ferienheims Immenhof in der Lüneburger Heide , das ein Raub der Flammen wurde, find jetzt nur noch Ruinen übrig

Zahlt hohe Löhne.

Der amerikanische Gewerkschaftspräsident an die deutschen Unternehmer.

Die Deutsche Allgemeine Zeitung", jeht wohl das aus gesprochenste Unternehmerblatt Berlins , hat ihr Freitagmorgenblatt mit einer Sonderbeilage Amerita- Deutschland" ausgestattet. Prominente beider Länder kommen da zu Wort, um sich ihre gegen­seitige Hochachtung zu bezeugen und für die Festigung der amerikanisch- deutschen Freundschaft ein gutes Wort einzulegen. Die ,, DAZ." hat es dabei begreiflicherweise auch nicht unter

Labor", der amerikanischen Gewerkschaften, William Green zur laffen können, den Präsidenten der American Federation of Mitarbeit aufzufordern. Green verweist in seinem Beitrag auf die herzlichen Beziehungen zwischen den Arbeiterbewegungen der Ber­einigten Staaten und Deutschland und fährt dann wörtlich fort:

Unsere Arbeiterbewegung ist lebhaft an der Gewerkschafts­bewegung in Deutschland interessiert. Unsere Hoffnung ist darauf gerichtet, daß die Lebensführung der Arbeitenden eine höhere wird, und unsere Arbeit gilt den Lohnempfängern Deutschlands und der ganzen Welt. Wir glauben, daß hohe Löhne und dadurch bedingt eine hohe Lebensführung der Lohnempfänger notwendig für das soziale Wohlergehen und wirt­schaftliche Blüte sind.

Produktion ist begrenzt durch die Möglichkeit, Käufer zu finden. Massenproduktion kann nicht andauern ohne eine Masse, die lauffähig ist. Die Industrie muß in den Lohnempfängern den Massentäufer sehen. Um für die durch den technischen Fortschritt ermöglichte große Steigerung der Produktion einen Markt zu finden, müssen die Lohnempfänger ein entsprechendes Einkommen haben, um Dinge zu kaufen, die das Leben angenehm machen. Die American Federation of Labor" empfiehlt den Arbeit­gebern Deutschlands die Doctrin der hohen Löhne, die sie bereits den deutschen Gewerkschaften anempfohlen hat. Bergrößerung des Einkommens der Massen eines Volkes wird die Kräfte stärken, die eine geschäftliche Blüte bedingen.

Die Ausführungen William Greens sind in der DAZ." not­wendiger als in unserem Blatte, wo ähnliches schon oft zu lesen aber sie werden unseren Lesern viel besser gefallen als denen der DA3.". Darum geben wir sie hier wieder.

mar

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Lohnfürzung fein Hilfsmittel. Bum englischen Baumwollschiedsspruch.

London , 23. Auguft.

Das Schiedsgericht im Cohnstreit in der Baumwollspinnerei­industrie erklärte in der Begründung seines Spruches, der eine Lohn fürzung von 6,41 Pro3. anstatt der von den Unternehmern geforder. ten Lohnfürzung von 12,82 Pro3. vorsieht, es sei keineswegs davon überzeugt, daß eine Lohnfürzung ein Hilfs mittel bei dem augenblidlichen Stand der Sache sei; es fei jedoch

davon überzeugt, daß fofort etwas geschehen müsse, um die Cage zu erleichtern.

Die Erleichterung solle zunächst durch die kürzung gewährt werden. Nach Auffassung des Gerichts sei es höchst wünschenswert, daß der vom Ministerpräsidenten ernannte Unter­ausschuß zur Prüfung der Lage und Aussichten der Industrie sich mit der finanziellen Cage so rasch wie, möglich befasse.

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WIB. hat seine Falschmeldung, die der Borwärts" heute im Gewerkschaftsteil brachte und die durch eine nach Mitter­ nacht eingetroffene Meldung unferes Londoner Korrespondenten im Hauptblatt richtiggestellt wurde, nicht berichtigt.

Konferenz der Konferenzen.

Ein Wirrwarr von Einzelbesprechungen.

V. Sch. Haag, 23. Auguft.( Eigenbericht.) Die Haager Konferenz besteht jetzt nur noch aus einem Wirr. warr von Besprechungen, in dem sich selbst die Delegier. ten nur schwer zurecht finden. Besprechungen politischer Art über Räumungstermine, Besatzungskosten, Bergleichskommission, Be fazungsschäden, Besprechungen finanzieller Art, abwechselnd mit Deutschland und ohne Deutschland , mit England und ohne Eng­land usw. Wenn man diesen Wirrwarr von Einzelbera­tungen noch Konferenz nennen kann, so geht diese Konferenz weiter, allem Anschein nach sogar wird sie trotz der zunächst be= stimmt für Sonnabend angekündigten Abreise Hendersons auch noch in der nächsten Woche fortgesetzt werden. Diesen Eindruck erhielt man aus einer kurzen Mitteilung über eine zweistündige Aussprache der vier Außenminister, die erst nach 1 Uhr beendet war und in der die Rheinlandräumung und die fünftige Bergleichstommission be­raten wurden.

Es stand auch die Frage der Besagungskosten und -schäden zur Debatte, denn zum ersten Male nahm an dieser Be­ratung auch der französische Finanzminister Chéron teil. Diese Beratung wird am Nachmittag fortgesetzt werden.

Die in Aussicht genommene Sigung der sechs einladenden Mächte ist auf morgen verschoben. Diese Verschiebung ist auf das neuen Verhandlungen negative Ergebnis der zwischen den Gläubigern und England zurückzuführen. Von einer abschließenden Plenarsigung, die für den Fall des Scheiterns der Konferenz am Sonnabend stattfinden sollte, wird aber ebenfalls augenblicklich nicht mehr gesprochen,