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Sonnabend 24. August 1929
Unterhaltung und �Vissen
Beilage des Vorwärts
SM: Auch ein 3£eldeniod
Es war um btefe Zeit, als Mussolinis wieder in die Redaktion desPopolo d'Jtalia" einzog und in seinen Leitartikeln nach einer uationalen Tat schrie. Um dies« Zeit also stand vor den Schaukästen der Druckerei ein altes Frontschwein, zermürbt, müde und existenz- los und verschlang mit den Augen die Zeitungsartikel, die von .'iriegsgewinnentzug, Erbschaftssteuer und Bodenenteignung sprachen. Litto Scrazutti las zwei-, dreimal, und es loderte ein Feuer in seiner Brust: Man halte diesem Benito doch unrecht getan. Sein Programm ging zogen die Bedrücker und Ausbeuter, er wollte Befriedigung der Kriegsopfer und Beseitigung der regierenden Bürokratie. Und so war Bilto Scrazutti nicht einer der letzten, die dem Faschio Treue schwuren. Auf der Mailänder Straßeder Versöhnung" wurde die erst« Barrikade errichtet. Scrazutti stand obenauf. �Lerft den Sandsack hierher!-- Rudolphe den Stachel- droht! Macht weiter, Kameraden in zehn Togen geht es los!" Rudolphe wischt sich den Schweiß und spuckt dem Kommandanten der Centurio die Wort« ins Besicht: .Laß du hier immer so schreien mußt! Wir sind nicht an der Front!" Und ob wir an der Front sind!" Scrazutti dringt ihn mit einer chandbewegung von der Barrikade herunter. Rudolph«, bring Stacheldraht und halt dein Maul! Ueberlasse das Denken jenen, die schon«in bißchen Praxis haben im Bau solcher Revolutionsarchitekwren!" Der ander« geht. Als er wiederkommt, brennt ihm der Schweiß, und er öffnet n«u«rlich den Mund. Was ihr euch wohl einbildet auf euer Schießen an der Front! Ihr glaubt wohl, daß die Revolution für euch gemacht wird. Da lauschst du dich, Ditto! Der Faschio geht von uns aus: von uns von der Jugend!" Bitto wird ein wenig rot im Gesicht. Dreckzeug, kleines laß dir die Rase putzen! Wir werden den Kapitalismus zertrümmern, und wenn dabei etwas für dich abfällt, dann darfft du es behalten. Und jetzt geh, dummer Junge und bring Stacheldraht!" Rudolphe ist hartnäckig wie«in Neines, verbissenes Tier. Er wirft eine Rolle rostigen Kriegsmaterials auf die Mauer und schleudert die Worte hinterher: Wer hat dir das erzähtt, daß es gegen den Kapitalisnius echt? cheda! was denkst du, werden die Foschistengenerale Gustavs Fara, de Bona, Gando Checherini und Zamboni, werden die gegen l.n Kapitalismus marschieren?" Scrazutti ist erstarrt. Tr gleicht für einen Moment einem Schreckensbild aus Granit. Dann aber reißen seine Fäuste den Jungen hinauf und pressen sich an sein« Gurgel. Was soll das heißen du Lausekerl? Sprich, gegen wen gcht es? sprich! oder ich reiß« dir die Zunge heraus!" Aber bevor Rudolphe noch ein Wort herausbringt, ist ihm«in Dutzend Kameraden zu chilfe gekommen. Die entwinden den l�cängsl igten aus den Fäusten des Kriegers und ziehen ihn mit s ch fort. Ein paar stchen um Scrazutti herum, nicht feindlich und nicht freundlich. Dos geht nicht. Scrazuttii Laß den Jungen; für tleine Reibereien ist jetzt nicht Zettl" Bitto sucht Nit flackernden Augen die Gesichter in der Runde. Die Kröte hat da etwas von geänderten Zielen gesprochen. Die ttSahrheit möchte ich wissen: Gegen wen geht es?" Einer saßt ihn unter den Arm. Das alte Programm. Scrazutti! Das alt« Kampfprogramm gegen Kriegsgcwinn, Bürokratie und gegen alles, was uns in diesem Kämpfe hindern wird." Also auch gegen da, Militär?" .Ja, wenn es* Gut also! Aber wen» da«in paar Arbeiter dahinterstehen o?er"wenn so ein Generalstreik der Gewerkschaften dozwischensährt was ist dann?" !l!>cr geh! Scrazutti, wer wird auf einer Barrikade Probleme i"älz'e'n? Das Unwahrscheinlich« kommt hier gar nicht in Betracht! Wenn cs so weit sein soll, dann geht unser Kampf natürlich auch ivgen die Gewerkschaftsführer. Und das sind doch diese Kerle, die mit Automobilen fahren und tausend Lire im Monat in die Tasche s.ccken. Oder kennst du dies« Protzen nicht?" Im Kopfe des Bedenklichen kreist ein Mühlenrad. Das Pro- gramm scheint ihm zu weit nach rechts gerückt. Run gut! Ich kenne zwar keinen Gewertschaftssekretär. der im Automobil fährt: und unser Vertrauensmann in Roscatto b«. zieht kein« tausend Lire. Ich Hab ihm vor dem.Krieg«ine chose aeschenkt. und die wird er heut- noch tragen. Aber das eine weiß ich daß dieser Kampf gegen etwas Unbestimmtes auch ein Kampf regen uns fein wird. Und dies ist nicht mein« Sache! Adieu. Kameraden!" Scrazutti springt von der Barrikade und schlendert, den Kopf roll Enttäuschung, der Easa dal Faschio zu. Er weiß noch nicht. was er jetzt beginnen wird. Da plötzlich steht ein Schatten auf seinem Weg und rührt sich nicht. Und als Scrazutti aufsieht/ erkennt«r ihn, denEapo che precede", denFührer, der voran geht. Die hündische Seele erschrickt und versteckt sein« Gedanken. Nicht so Scrazutti. Seine Fäuste bohren sich in die Hosentaschen, sein flacher Helm sitzt ein bißchen schief, aber das Wort läuft gerade heraus: Benito, wir sind zwei alte Frontschweine, du und ich! Eine besondere Leidenschaft hatte ich nie für dich. Schon wegen deinem Kriegsgeschrei von 191S. Und wenn ich da eine Centurio von dir übernommen habe, so war es deshalb, weil ich die Jungen gegen d-n Kriegsgewinn und für die Bodenenteignung auf die Barrikaden führen wollte Nicht dir zuliebe und nicht der dummen Jungen wegen, sondern weil ich dabei eine Art Privatvergnügen habe, meine Frontjahre mit in Rechnung zu stellen und mit meinem Maschinen- gewehr auf den Bäuchen der Kapitalisten diese Rechnung zu quittieren. Aber da ist so ein dummes Gerede Benito! Man spricht hier, daß«s gegen die Gewerkschaften geht, und da tu ich nicht mit! Wer jahrelang durch den Dreck gezogen wurde, der wird sich nicht gegen die letzte Hoffnung seines Lebens stemmen gegen die Gewerkschaften. Ich wollt« Benito, ich wäre wieder in meinem Steinbruch in Roscatp! Da sind dreißig Kerl«, einer wie der andere. Und dann ein Maschinengewehr, ein Eott oder ein Maxim mir wär's egal, und zwanzig Gurten. Du könntest dann eine Armee deiner
Grasaffen auf mich loslassen, bei Gott, es würde sich klären, gegen wen es geht! So! Und nun, Benito, kannst du mich von»»einer eigenen Centurio erschießen lassen. Aber sieh dich vor, Eapo! Ich bin nicht allein: Italien   hat eine runde Million solcher Kerle, die nicht mit einer schlecht gezielten Gewehrkugel auf eimnal abgetan werden können!" Scrazutti hatte ausgesprochen und erwartet« nu» den berühmte» vernichtenden" Blick des großen Mussolini  . Wer der kam nicht. Im Gegenteil. DerCapo che precede" nahm ihm sacht« den Sturm- Helm herunter und betrachtete den Menschen von seinem schweiß- verklebten Haar bis zu den ausgefransten Wickelgamaschen«in­gehend und sorgfältig. «Das ist der alte Scrazuttii Madonna! Du bist noch inuner der rabiate Kerl! Kannst du dich noch erinner», Ditto, als wir Zwei in der Schlucht des Vrsig in einem Granattrichter lagen-- ein« halb« Gurte Patronen keinen Tropfen Wasser und kein« Möglichkett zurückzukommen? Und weißt du noch, wie der SaNdri aus Ferrara  , du und ich au» der Stellung am Monte ftuk jede Nacht zu den Oesterreichern hinüb«rtrochen und eine» Höllenspektakel aufführten? Scrazutti, denk an diese Zeit und an das, was ich dir j«tzt sag«. Es geht gegen die Dürokratte, gegen das alle Gesetz und gegen die Regierung. Die Gewerkschaften stehen bei uns, da» kannst du mir glauben. Von Pisa   bis Civitavecchia  , von Perugia   bis Monterotondo  halten sie Gewehr bei Fuß und warten auf das SMschlageni Die Gewerkschastshäufer sind Kasernen, die Soziakdemokrot«» singen die Giovinezza", di« Hymne das Faschismus. Bitto übernimm dein« Centurio, und ich w«rd« de» Jungen die Köpf« waschen. Vitto A noi!" Bon solcher Rede läßt sich viel Erfolg versprich«»: speziell dann, wenn man die Tatsachen verschweigt und die Menschen mit seinen dunklen Plänen hintergeht. Was brauchte es auch Scrazutti zu wissen, daß Benito eine Viertelstund« früher die Meldung empfing: Di« Gewerkschaftshäuser in Lrcona, Rimini   und Castellmara sind niedergebrannt und die Vorbandsvorstände und Sekretäre wurden erschossen! Aus dieser Meldung hätte Scrazutt seil« Konsequenzen gezogen und hätte sich vielleicht den Heldentod erspart. Aber dieck hätte nicht der geschichtlichen Entwicklung des Faschio entsprochen, und so muß Scrazutti wie ein Amokläufer die letzte Streck« s«in«s Lebens zurücklegen. » Run nähert sich das Verhängnis. Di« eine Kotze schleicht heran, und der, den es angeht, merkt es nicht und steht wie im Traum vor der Fata Morgans seines wässerigen Zieles. Man möchte ihm zurufen, er solle die Finger lassen von Dingen, die nicht sauber sind: man will ihm ins Gedächtnis prägen, daß aus seinem Leben, Kämpfen und Sterben ein Strick gedreht wird, welcher der menschlichen Entwicklung aller Arbeitenden den Hals abschnüren soll,-- es ist umsonst! Scrazutti steht mitten im Lärm der brüllenden Straße. Die Straße tobt! Rauchwolken hängen an zerschossenen Fensterstöcken, Handgranaten fliegen, und irgendwo wird ein Riesenfaß von Erbsen auf«in Blech geschüttet: es beißen die bleiernen Zähne der Maschinengewehr« ins Pflaster. Im Getöse taucht hie und da«in verlorener Schrei auf oder ein Seufzer und vergeht. Hinter einem Berg von Schutt und zerfetztem Holz bringt Scrazutti sein Maschinengewehr in Stellung und richtet es auf«in schräg gegenüberliegendes Haus. Da oben irgendwo man weiß es nicht genau, hockt eine Abteilung Carabinieri und überschüttet den Platz mit einem Kugelregen. Kein Mensch konnte über den Platz laufen flitz! packte ihn der eiserne Hund am Genick und warf ihn aufs Pflaster. Aber Scrazutti wollt« diesen Polypen ein« Suppe einbrocken. Cr zieht«ine Gurte mit Einschußpatronen durch und koppell«in« zweite, lind dann läßt er die Bohnen hinüberasseln, daß die Ziegel fliegen. Neben ihm reißt etwas Unsichtbare» klein« Splitter vom Ver- schlag. Einmal, zweimal, dreimal näher und entfernter. Ah! dos geht auf mich!" Seine Augen suchen dos Dach. laufen Ziegel um Ziegel die Reihe ab. �Höll« und Teufel! da oben steckt dieses Schwein!" Er sieht den Gewehrlauf blinken und wartet den nächsten Schuß ob. Dann aber hämmert ein feuriger Strahl im steilen Winkel di« Dachrinne, zersplittert die Ziegel zu einem wirren Haufen und bellt einige hundertmal in«in gähnendes Loch, an dessen Holzkranz wenige Gehirnfetzen hängen. Und dann wieder runter! Das Maschinengewehr wird eine Säge und schneidet«inen Erter auf, verbeißt sich wütend ins Mauerwerk, bis es drüben still« u»ird und der eisern« Hund mit Bellen aufhört. Ein Sturmtrupp fegt über den Platz, stürmt die Häuser und wirst die Leichen der Soldaten und Polizisten auf die Straß«. Scrazutti hat ganze Arbeit geleistet. Er hockt auf dem Schutt- berg und schleudert seinen Stahlhelm zur Seit«. Di« Straße ist frei: nun kann es losgehen. Er ist nur ein bißchen müde, verkrampft vom Hocken und will sich vorerst Bewegung machen. Die Fäuste in den Hosentaschen, di« Stirne fr«i. das Haar schweißverklebt jeder Zoll ein selbstbewußter Kämpfer, so lächelt er den abziehenden Rauchschwaden nach und schreitet auf und ab. Nur ein Momentch«n, so lange nur, bis die Jungen aus den Häusern zurückkommen. Dann aber geht es wieder vorwärts, Scrazutti wird den Kapitalisten die Bäuche mit blauen Bohnen tätowieren, er nnrd nach allem Kampf ein Stückchen Land bekommen und Staatshilfe:«r wird dann Kartoffel bauen und Hühner züchten und wird ein zustiedener Mensch sein. Scrazutti lächelt vor sich hin und baut in die Luft«in Schloß. Oben in den Häusern stürmen die Jungen durch die Zimmer. Sie reißen di« Bilder von den Wänden und werfen mit Hand- granaten auf eine Pendeluhr. ,Laut den Dreck zusammen, das ist ein« Sozialistenbude!" Das kann zwar niemand bestätigen, aber der Befehl wird befolgt, obzwar ihn einer der jüngsten gegeben hat. Sie stürmen in di« Küche und zertrümmern das Geschirr. Einer schlägt mit einem Hammer den Wasserleitungshahn ab. Dann, wieder im Zimmer, entdeckt Rudolphe ein Gefäß unter dem Bett. Ein Nachttopf! Das war bestimmt ein dreckiger Sozialist, der sein« Notdurst im Zimmer verrichtet!" Und«in anderer drängt in wilder Freud«:Rudolphe, schmeiß ihn zum Fenster heraus!" Und das geschieht.
Nun muß man aber wissen, daß so ein massives Gefäß gut z»>ei Kilo schwer ist. Und wenn«s vom vierten Stock in die Tiefe saust »»d auf«inen unbedeckten Schädel prallt, so ist hundert gegen eins zu wetten, daß wohl beide Teil« in Trümmer gehen. Scrazutti trug den«inen Teil seinen Kopf traumverloren einer besseren Zukunft entgegen, als der zweite Teil dieses werdenden Dramas durch die Luft fliegt. Ein kleiner Klatsch«in brüllender Aufschrei-- leises Splittern von Scherben, und ein Nebel legt sich über die aufgerissenen Augen Scrazutti?. Kartoffeln, Hühner und Kapitalisten verschwinden in einer un- bestimmten Ferne, das Luftschloß zerrinnt-- ein müdes Aechzen -- ein leises Zucken-- und Scrazutti hat ausgekämpft. Haar« schwimmen im Blut-- der Schädel klafft das Hirn zuckt in winzigen Teilchen am Pflaster. Ausgekämpft Ende. Di« kriegerische Zeit verhüllt sich in Scham. Sie tötet durch Pulver und Blei, mit Gas und Gift, Brand und Wasser, sie tötet und läßt dem Kinde dieser Zeit den Ausweg offen:Hurra" zu schreien. Sie läßt allen Helden di« Pose des Sterbens und die Theatralik eines Heldentodes. Den Tod des Vitto Scrazutti aber wird sie negieren beiseite schieben. Sie wird ihn verleugnen und sich seiner schämen, weil dieser Heldentod gar kein« Agitationskraft besitzt. Deshalb also wird dem Sterben des Vitto Scrazutti wenigstens hier ein Denkmal gesetzt. Und vielleicht will es einmal das Spiel de» Zufalls, daß der Faschismus denunbekannten faschistischen Soldaten" ausgräbt und dabei auf den entseelten Körper des Vitto Scrazutti stößt. Vielleicht wird ihm, den niemand kennt, ein« Ruhm«shalle gebaut, in der Messen gelesen und Krokodilstränen geweint werden. Und ein frommer Spruch wird in Marmor ge- meißell:Wunderbar sind des Herrn Wege, wenn er den Menschen zur Schlachtbank treibt." 3>er unfUtiiche Diaffeegenuft Dos ist nicht etwa ein Scherz, sondern einmal Tatsache gewesen. Sittlich bedeutet jader Sitte gemäß", und unsittlich ist alles, was gegen di« Sitte oerstößt: daher ist«s das Schicksal alles Neuen und Ung« wohnten, für unsittlich erklärt zu werden und gegen di« durch Ueberlieferung und Religion geheiligten Gebräuche verstoßend. Wir haben ja selbst erlebt, wie gegen kurze Haare bei Frauen, g«gen das Tragen anfangs fußfreier, später kniefreier Röcke als anstößig und die Sitten verderbend geeifert worden ist, ja die letzteren haben sich auch heute noch nicht völlig durchgesetzt und ihre Trägerinnen werden besonder» von kirchlichen Eiferern noch immer in Acht und Bann getan. Mit der Wandlung der Sitten und Gebräuche wandeln sich «den notwendig auch die Anschauungen über das, wassittlich" ist. Daher können wir uns nicht wundern, daß auch der Kaffeegenuß, als er erst im Aufkommen begriffen war, für unsittlich erklärt wurde. Di« ursprünglich« Heimat des Kaffeestrauches, der sog. eoffea arabica', ist das a bessinische Hochland, von wo die Pflanz« und die Zubereitung des Getränkes erst zu Ansang des 13. Jahrhunderts nach Arabien   kam. Als das anregende Getränk sich verbreitete und in Mekka   selbst in der Moschee während der Gebetstunden Kaffee getrunken wurde und bald auch Kaffe«häus«r entstanden, ereiferten sich die Frommen im Lande gewaltig gegen di« Sittenverderbnis, und im Jahre 1311 berief der Statthalter Kha'ir Beg«ine Synode, di« sog. Kasfeesynod«, die unter seinem Vorsitz den Genuß des Kaffees als berauschend und dem Wein ähnlich und daher den religiösen Geboten widersprechend völlig verbot. Noch 20 Jahre später wurden in Kairo  , wohin der Kaffee zuerst von Arabien   ge- kommen war. von aufgehetzten Volksmassen Kaffeeläden geplündert und ihre Besitzer mißhandelt. Trotzdem verbreitete sich das wegen seiner anregenden Wirkung so angenehme Getränk von Aegyten aus über Europa   und die ganze Welt. Allerdings dauerte es sehr lange, bis der Kaffee zu einen: Volksgetränkt wurde: in Deutschland   war er noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts ein Genuß, den sich nux vornehm« und reich« Familien leisten konnten. Friedrich II.  von Preußen z. B. monopolisiert« den Kaffeehandel und verteuert« chn in der ausgesprochenen Absicht, seinen Genuß nicht ollgemein werden zu lassen. Aber wie der Kaffeegenuß trotz alles Eiferns und oller Schikanen sich durchgesetzt hat. so ist es mit vielem Neuen gegongen und wird auch in Zukunft ebenso gehen. Wennder Mensch auch die Ge- wohnheit sein« Amme nennt", so gewöhnt«r sich doch allmählich immer an Anderes und vielfach Besseres man braucht beifpiels- weise nur an das gemeinsame Freibaden der Geschlechter zu denken. Den Fortschritt verbürgen nicht die im allen gewohnten Trott Dahin- lebenden, sondern diejeigen, welche ohne Scheu der Sitte zuwider das zunächstunsittliche" Neue propagieren. Dr. Bruno Borchardt.
3)as Stäifel des SHilgin-Sees Der auf der russischen Insel K i l g i n gelegene Maghilnoje- se« macht den Gelehrten der im äußersten Norden Rußlands  zwischen den Felsklippen versteckten biologischen Station M u r n i a n nicht geringes Kopfzerbrechen. Dieses historisch wie biologisch gleich bemerkenswerte Gewässer umfaßt nämlich, obwohl es nur 12 bis 13 Meter tief ist, mehrere übereinandergelagerte Wasserschichtcn. Die oberste Schicht besteht aus reinem Süßwasser ünb beherbergt die übliche Süßwasserfauna. Darunter befindet sich eine Zwischenschicht halbsalzigen Wassers, die den Uebergang zu einer Wasserschicht mit dem vollen Salzgehalt des Meere» bildet. Hier findet man denn auch eine Reih« von Lebewesen, wie sie gemeinhin geringe Seetiefen bewohnen, und unter denen selbst der Kabeljau nicht fehlt. Da der See indessen fest undenklichen Zeiten durch die Erhebung der Insel vom Meere getrennt ist, haben sich diese Kabeljaue und die anderen Seetiere zu Varietäten herausgebildet, die sich von den verwandten Arten des benachbarten, von dem See nur durch eine schmale Sand- düne getrennten Meeres so wesentlich unterscheiden, daß sie als besondere Spielarten angesehen werden müssen. In der untersten, mit schwefelsauren Basen gesättigten Wasserschicht kann kein Lebe- wesen existieren. Ein purpurfarbener Wasserstreifen scheidet diese Schicht von der des Salzwassers. Diese Färbung des Wassers ist auf die Anwesenheit gewisser purpurfarbener Mikroben zurückzuführen. die die Eigenschaft besitzen, die schwefelsauren Basen vollständig mit Sauerstost zu durchsetzen und damit ein organisches Leben in den oberen Wasserschichten zu ermöglichen.
Rubinglos bekommt leine prächtige Färbung dadurch, daß echte» Gold in denkbor feinster, kaum mikroskopisch erkennbarer Weis« dem Glosfluß beigemischt wird.